Die Seufzerbrücke
Wieder, zu athmen müd,
Müd ihrer Noth,
Eine, die flüchtend schied
Jach in den Tod!
Aufhebt sie leis!
O, welch ein zart und süß
Abgeknickt Reis!
Sehet, wie straff ihr Zeug!
Kalt rinnt das Wasser ihr
Ab vom Gewande;
Hebt sie mir, tragt sie mir
Liebend vom Strande!
Trauernd, erbarmungsvoll
Anrührt ihr Leibliches!
Nicht ihrer Flecken denkt: –
Was ihr von ihr versenkt,
Fragt nicht aus was für Saat
Aufging die rasche That,
Keimt’ ihr Empören?
Abwusch die Schmach von ihr,
Nichts als der Schönheit Zier
Und Leichenehren!
Keiner verdamme sie!
Hört sie zur Sippe doch
Arme sickernde Lippe doch!
Lüpft ihre Locken!
Streicht sie ihr trocken,
Preßt sie ihr aus!
Die Leut’ indeß staunen:
Wo stand ihr Haus?
Wer war ihr Vater?
Wer ihre Mutter?
Warnte kein Bruder sie
Treu vor dem Falle?
Lebt’ ihr kein Lieb’rer noch,
Lebt’ ihr kein Näh’rer noch,
Himmel, der Seltenheit
Christlicher Mildigkeit! –
’S war zum Entsetzen:
In einer Stadt, wie die,
Dran sich zu setzen!
Schwesterlich, brüderlich,
Väterlich, mütterlich
Fühlen versehrt!
Liebe schwand, Treue schwand!
Selbst Gottes Vaterhand
Schien abgekehrt!
Wo der Lampen Helle
Wo ihr Schimmer lacht
Aus Saal und Gemache
Vom Keller zum Dache,
Stand sie, die Schwache,
Wind und Regenguß
Machten sie beben;
Nicht der schwarze Fluß,
Nicht die finstern Streben?
Kam sie zu sterben jetzt:
„Fort mich geschnellt –
Ueb’rall hin, üb’rall hin,
Nur aus der Welt!“
Wie finster, wie kalt auch
Die Themse rann.
Ueber’s Geländer hier –
Mal’ es dir, denk’ es dir,
Wasche sich, trink’ aus ihr
Fürder, wer kann!
Hebt sie vom Uferkies,
Aufhebt sie leis!
Abgeknickt Reis!
Eh’ noch zu steif und hart
Jegliches Glied ihr starrt,
Sittsam und linde
Drückt ihr die Augen zu,
Starrend so blinde;
Starrend durch’s Regnen
Der Lockenträuflung,
Mit dem letzten verwegnen
Blick der Verzweiflung.
Also verachtet,
Wahnsinnumnachtet,
Reueverzehrte
Sterben gemußt! –
Als ob sie flehte
Still im Gebete,
Ueber der Brust!
Kreuzt sie – nicht hehlend
Das Irren der Armen,
Und sanft es befehlend
London, Sommer 1847.