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Die Offenbarung Johannis/Kap. 4. Der Thronsaal Gottes

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« Exkurs zu Kap. 1-3 Wilhelm Bousset
Die Offenbarung Johannis
Kap. 5. Das versiegelte Buch und das Lamm »
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Inhalt Kap. 4
4,1 - 4,2 - 4,3 - 4,4 - 4,5 - 4,6 - 4,7 - 4,8 - 4,9 - 4,10 - 4,11
[242]
II. Die Siebensiegelvision. Kap. 4-8,1.
A. Kap. 4. Der Thronsaal Gottes.

4,1. μετὰ ταῦτα εἶδον καὶ ἰδοὺ θύρα ἠνεῳγμένη (s. o. S. 162) ἐν τῷ οὐρανῷ. Ez 1,1 κ. ἠνοίχθησαν οἱ οὐρανοί, καὶ εἶδον ὁράσεις θεοῦ. Himmelf. Jes 6,9 (im äthiop. Text) „Und sie hörten eine Tür, welche jemand öffnete und die Stimme des heiligen Geistes“. II Bar 22,1; Mt 3,16 u. Par. Akt 10,11. Der Ausdruck μετὰ ταῦτα εἶδον führt jedesmal eine neue[243] und besonders wichtige Offenbarung ein 7,1.9; 15,5; 18,1; 19,1, kleinere Abschnitte werden durch ein einfaches καὶ εἶδον eingeleitet. Auch Ausleger, die nicht daran denken, Quellen in der Apk zu sondern, empfinden hier eine Schwierigkeit und nehmen an, daß zwischen 3,22 und 4,1 ein Zeitraum liegt, in dem Johannes sich im gewöhnlichen Bewußtsein und nicht in der Ekstase befunden habe. Aber die eigentliche Schwierigkeit liegt nicht hier, sondern erst in V. 2. Daß der Seher erst hier in den Himmel gerufen wird, steht nicht im Widerspruch zum Vorhergehenden. Denn daß er die Vision 1,10ff. im Himmel gehabt haben muß, ist durch nichts bewiesen. Er kann die Erscheinung ebensogut von der Erde aus gesehen haben. Daher ist es überflüssig, an eine im Himmel befindliche Tür zu denken und zu erklären, daß Johannes in einen neuen und höheren Raum im Himmel durch dieselbe eingehen solle. Der Ausdruck θύρα ἠνεῳγμένη ἐν τῷ οὐρανῷ setzt die Anschauung voraus, daß der Himmel als festes Gewölbe gedacht wird, und der Seher durch die Tür in den Himmel eintreten soll. καὶ ἡ φωνὴ ἡ πρώτη ἣν ἤκουσα ὡς (sc. φωνήν) σάλπιγγος λαλούσης[1] (nachlässig auf σάλπιγγος bezogen, obwohl es nur auf ἣν bezogen werden kann) μετ’ ἐμοῦ λέγων. Die Beziehung auf 1,10 (ἡ φωνὴ ἡ πρώτη) ist deutlich. Die Stimme, die der Seher hört, ist also dieselbe wie die 1,10 erwähnte, und wenn man diese für die Stimme des Menschensohnes halten muß, so ist also auch hier Christus redend gedacht. Immerhin ist es seltsam, daß dieser, der in der Vision als Lamm erst später auftritt, hier schon redet. Auch hier wieder hört der Seher eine überaus laute Stimme (s. o. zu 1,10). λέγων[2] ist constructio ad sensum auf φωνή bezüglich oder eine Nachahmung des hebräischen לֵאמֹר‎. ἀνάβα (Schmiedel § 13,22; s. o. S. 163) ὧδε (Joh 6,25; 20,27), καὶ δείξω σοι, ἃ δεῖ (1,1; 22,6) γενέσθαι μετὰ ταῦτα. Hier liegt eine deutliche Beziehung zu 1,19 vor, und zugleich werden die beiden Abschnitte Kap. 2 und 3 und Kap. 4-6 durch diese Angabe in erkennbare Beziehung zu einander gesetzt. Die Überleitung ist eine völlig ungezwungene. Auf das ἅ εἰσιν (1,19) Kap. 2 und 3 folgt das, was darauf geschehen soll. Eine kritische Schwierigkeit liegt hier durchaus nicht vor. Schwieriger ist das folgende: 4,2. εὐθέως[3] ἐγενόμην ἐν πνεύματι. Hier erheben fast alle Kritiker seit Vischer ihre Bedenken. Man findet hier einen unlösbaren Widerspruch mit 1,10. Sp., der den Zusammenhang Von 1-3 und 4-6 wahren möchte, konjiziert daher ἐφερόμην und übersetzt πνεῦμα durch „Wind“ (sogleich wurde ich vom Winde fortgetragen) unter Berufung auf Hen 14,8; 39,3f.; 70,1ff.; 71,1.5 (dagegen Hirscht 40)[4]. Dieser Versuch wäre doch nur dann statthaft, wenn Sp. für 1-6 ein hebräisches Original annehmen würde. Jedoch ist diese Auskunft Sp.s nicht einmal nötig; man darf wirklich eine apokalyptische Darstellung nicht so genau und gründlich nehmen: Der Apokalyptiker hat entweder, namentlich wenn wir [244] annehmen, daß die Apk nicht in einem Zuge geschrieben wurde, nicht mehr daran gedacht, daß er schon einmal von sich erzählt hat, ἐγενόμην ἐν πνεύματι, oder er nahm es als selbstverständlich an, daß nach Kap. 3 eine gewisse Pause in dem visionären Zustand eingetreten war. Eine ganz ähnliche Schwierigkeit liegt übrigens auch Ez 11,5 im Vergleich zum Vorhergehenden (11,1) vor (de W.). Vgl. noch I Hen 14,8f. u. 14; 39,3f.; 71,1.5. Daß bei der höheren Offenbarung eine weitere, höhere Stufe der Geistesmitteilung nötig gewesen wäre (de W., Dstd., Hilg., ZwTh 1890, 422, vgl. auch B. Weiß), ist allerdings mit keinem Worte angedeutet[5]. Man hat übrigens auch einen Widerspruch zwischen V. 1 und V. 2 finden wollen (J. Weiß 54,1). Doch ist offenbar nach Ansicht des Apok. die Sache so zu denken, daß dieser zunächst bei noch wachem oder halbwachem Zustand die Himmelstür offen sieht und dann erst in den eigentlichen Zustand der Entrückung verfällt. — Wegen der mancherlei vorhandenen Schwierigkeiten will J. Weiß καὶ ἡ φωνὴ - ἐγενόμην ἐν πνεύματι streichen. — Die Versuche, in Kap. 4,1f. den Anfang einer neuen Apk zu finden, werden noch weiter unten (Exkurs zu Kap. 4—6) beleuchtet werden.

καὶ ἰδοὺ θρόνος ἔκειτο (er stand, befand sich; Jer LXX 24,1; Joh 2,6; 19,29) ἐν τῷ οὐρανῷ, καὶ ἐπὶ τὸν θρόνον[6] (s. o. S. 162) καθήμενος. — Zur Vorstellung von Gottes Thron im Himmel vgl. I Kö 22,19; Ps 47,9; (Jes 6,1); Ez 1,26.28; 10,1ff.; (Dan 7,9); Hen 14,18ff.40; Himmelf. Mos 4,2; Test. Levi 5; slav. Hen 22,3. Zur Herkunft und dem ursprünglichen Sinn der Vorstellung vgl. das zu V. 6 u. V. 8 Bemerkte. Aus der bei Dstd. zitierten längeren Stelle aus den Pirke R. Eliesers Kap. 4, die überhaupt zeigt, wie die Vision Ezechiels variiert wurde, ist der Satz zur Vergleichung heranzuziehen: Schechina vero Dei in medio est, et ipse insidet throno excelso et elevato, et sedes eius alta est et in aere pendet. Daß der Apok. den Sitzenden nicht nennt, entspringt der jüdischen Scheu, den Namen Gottes auszusprechen. Vgl. Dan 7,9 „das Gericht ließ sich nieder“. Zugleich bekommt die Diktion eine gewisse geheimnisvolle Erhabenheit. 4,3. καὶ ὁ καθήμενος[7] ὅμοιος ὁράσει (dem Ansehen nach) λίθῳ ἰάσπιδι καὶ σαρδίῳ. Vgl. Ez 1,27: καὶ ἴδον ὡς ὄψιν ἠλέκτρου ἀπὸ ὁράσεως ὀσφύος καὶ ἐπάνω. Ez 1,4: ὡς ὅρασις ἠλέκτρου (8,2). Pirke R. Elies. 4: splendor magnificentiae eius sicut Chasmal. (vgl. auch II Hen 22,1 „das Angesicht des Herrn, wie Eisen erglüht im Feuer und herausgenommen und Funken sprühend und brennend“). Eine mit umfassender Erkenntnis unternommene Untersuchung der symbolischen Bedeutungen der Edelsteine in der Zeit der ersten christlichen Jahrhunderte, würde vielleicht auch auf die Auswahl derselben in der Apk schon einiges Licht fallen lassen. Der Sardios (Sardion vgl. 21,20) kommt LXX Ez 28,13 als Übersetzung für אֹדֶם‎ vor, nach Epiphanius [245] (bei Vitringa) πυρωπὸς τῷ εἴδει καὶ αἱματοειδής, ein fleischfarbener Edelstein, unser Karneol (Hltzm.). Der „Jaspis“ entspricht in LXX Ez 28,13; Ex 28,20; 39,13 dem hebräischen יָשֽׁפֵה‎. Man darf kaum an den nicht sehr kostbaren und undurchsichtigen Jaspis denken, vgl. 21,11 λίθῳ τιμιωτάτῳ ὡς λίθῳ ἰάσπιδι κρυσταλλίζοντι. Es muß ein lichtstrahlender Stein, vielleicht der Diamant, gemeint sein. καὶ ἶρις κυκλόθεν τοῦ θρόνου ὅμοιος[8] (nur hier mit mir zwei Endungen Schmiedel § 11,1) ὁράσει σμαραγδίνῳ. vgl. Ez 1,27f.: καὶ τὸ φέγγος αὐτοῦ κύκλῳ, ὡς ὅρασις τόξου, ὅταν ᾖ ἐν τῇ νεφέλῃ ἐν ἡμέραις ὑετοῦ, οὕτως ἡ στάσις τοῦ φέγγους κυκλόθεν. Der Bogen, den der Seher um den Thron Gottes sah, hatte die Gestalt eines Regenbogens, aber nur eine, die smaragdgrüne Färbung. Der Regenbogen vertritt hier die Stelle eines gewaltigen „Nimbus“. Strahlenkranz und Strahlenkrone sind bei griechischen Göttervorstellungen Attribute der Lichtgottheiten. Vgl. Stephani, Nimbus und Strahlenkranz; Mém. de l’Acad. de St. Petersbourg 6 Sér. 1859, 25f. 119. A. Dieterich, Nekyia 43. Die Vorstellung ist aber jedenfalls auch orientalisch. Vgl. die Vorstellungen von dem den höchsten Gottheiten und den frommen Heroen eignenden Hvarena (Tiele, Gesch. d. Rel. im Altert., übers. v. Gehrich. II 2 1903, 211ff.) und die (orientalisch-griechische) Darstellung auf dem Grabdenkmal des Antiochus von Kommagene (Cumont, Textes et Monuments rel. aux mystères de Mithra, II 89). Zimmern KAT³ nimmt die Vorstellung als babylonisch in Anspruch. — Hier umgibt der Nimbus nicht nur das Haupt, sondern den ganzen Thron Gottes (vgl. Ps 104,2 „der sich in Licht hüllte wie einen Mantel“). Vielleicht erklärt sich aus der Vorstellung vom Nimbus auch die auffallende Einfarbigkeit des Regenbogens.

4,4. [καὶ][9] κυκλόθεν τοῦ θρόνου θρόνοι εἴκοσι τέσσαρες (θρόνους εἴκοσι τέσσαρας)[10] καὶ ἐπὶ τοὺς εἴκοσι τέσσαρας[11] θρόνους πρεσβυτέρους καθημένους περιβεβλημένους ἐν[12] ἱματίοις λευκοῖς· καὶ ἐπὶ τὰς κεφαλὰς αὐτῶν στεφάνους χρυσοῦς. Vgl. zum folgenden Gunkel, Schöpfung und Chaos 302-308. Die Frage wer die 24 Ältesten sind, hat von jeher den Exegeten große Schwierigkeit bereitet. Anklänge in der alttestamentlichen und jüdischen Tradition fand man wenige. Dan 7,10 (vgl. 4,14) redet von einem himmlischen Richterkollegium, das mit Gott erscheint. Ein noch stärkerer Anklang liegt Jes 24,23 vor: ὅτι βασιλεύσει κύριος ἐκ Σιὼν καὶ εἰς Ἱερουσαλὴμ καὶ „ἐνώπιον τῶν πρεσβυτέρων“ [246] δοξασθήσεται. Und diese Parallele liefert in der Tat für die Erklärung des Ausdrucks einen gewissen Anhalt. Aber damit ist derselbe doch höchstens um eine Instanz weiter zurückverfolgt und nicht erklärt. Auch finden wir in der Apk eine viel reichere Anschauung als in der Jesaiasstelle und deshalb ist jene nicht einzig und allein aus dieser zu verstehen. Achten wir nun zunächst darauf, wie die πρεσβύτεροι hier gedacht sind, so ist hervorzuheben, daß sie auf Thronen sitzen und Kronen auf dem Haupt haben: sie werden als Könige vorgestellt, die unmittelbar vor Gottes Thron, vor dem König aller Könige ihren Platz haben, und ihre Zahl ist vierundzwanzig. — Auf die Frage, welcher Art Wesen diese 24 Ältesten seien, hat man nun meist geantwortet, daß es verklärte Menschen, Idealgestalten, Repräsentanten der Gemeinde seien, nur die Zahl 24 machte dann noch Schwierigkeiten. Es lag nahe, an die verdoppelte Zwölfzahl zu denken und in den 24 entweder ganz allgemein Vertreter der alt- und neutestamentlichen Gemeinde, oder bestimmter Vertreter der Heiden- und Judenchristen oder endlich die 12 Apostel und 12 Patriarchen zu sehen. — Mit dieser etwas eigentümlichen und im Text durch nichts angedeuteten Erklärung nicht zufrieden, versuchte man (Vitringa, von neueren Züll., Ew., Hilgf. Einl. 424, Renan 303, Sp., Erb. 49) bei der Erklärung der Ältesten auszugehen von den 24 Priesterklassen (I Chr 24,7-18; Jos. Antiq. VII 365; Vita § 2). Sp. hob hervor, daß der Dienst der Ältesten ja auch hier der priesterliche Dienst der Anbetung sei 4,10; 5,11. Er meinte, daß auch die Kronen (?), Throne (?) und weißen Kleider zur Annahme des priesterlichen Charakters der πρεσβύτεροι paßten, und hob hervor, daß die Vorsitzenden der Priesterklassen Fürsten שָׂריִם‎, Häupter רָאשִׁים‎ und Älteste hießen (Schürer II 236). Auch diese Parallele scheint jedoch die Schwierigkeit nicht zu heben und den königlichen Charakter der Presbyter unerklärt zu lassen. Doch führten die eindringenden Bemerkungen Sp.s noch weiter. Sp. behauptete, daß man in diesen ständigen Beisassen der göttlichen Herrlichkeit keine verklärten Menschen zu erblicken habe, sondern Engel. Von vornherein scheint das größere Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Denn wie sollten Menschen zu dieser exceptionellen Stellung vor Gottes Thron kommen? Mit dem Gerede von „Repräsentanten der irdischen Gemeinde“ wird man doch der plastischen Vorstellungsweise der Apk nicht gerecht. Auch redet der Seher ja 7,13 den einen der πρεσβύτεροι mit κύριε an. Ferner berief Sp. sich auf Tanchuma fol. 52b zu Dan 7,9 (vgl. fol. 48a): tempore futuro Deus S. B. sedebit, et angeli dabunt sellas magnatibus Israelis et illi sedent. Et Deus S. B. sedet cum senioribus tamquam princeps senatus et judicabunt gentiles, — indem er diese Stelle mit Recht so verstand, daß die erwähnten Engel beim jüngsten Gericht, aber auch erst dann, ihre Sitze den Frommen einräumen werden. Auch sonst findet sich wohl die Idee, daß die Gläubigen oder hervorragende Vertreter derselben (Mt 19,28) beim jüngsten Gericht vor Gott thronen werden, aber niemals die Vorstellung, daß sie jetzt schon diesen Platz einnehmen. Die Engel, die er in den Ältesten fand, identifizierte dann Sp. 276 mit den θρόνοι. An diesem Punkt nun scheinen uns Gunkels Untersuchungen zum erwünschten Ziel zu führen. Auch für G. steht [247] es fest, daß man in den Presbytern überirdische Geisteswesen und nicht irgendwelche irdische Repräsentanten zu sehen habe. Vor allem aber legte er Gewicht darauf[13], daß der Apokalyptiker sich die Gestalten der 24 Ältesten nicht erdacht habe, auch nicht unter Anlehnung an diese oder jene doch fernabliegende alttestamentliche Vorstellung, sondern daß er in diesem Gemälde einfach eine apokalyptische Tradition übernimmt. Da Gunkel nun auch sonst Spuren babylonischer Tradition in diesem Abschnitt zu finden meint (die vier Tiere, die sieben Fackeln etc.), so sucht er auch für dieses Bild in babylonischer Mythologie seine Erklärung. Er findet in ihm die 24 babylonischen Sterngötter des Tierkreises und zitiert für diese Anschauung Diodorus Siculus (ed. Bekker II 31): μετὰ δὲ τὸν ζῳδιακὸν κύκλον εἴκοσιν καὶ τέτταρας ἀφορίζουσιν ἀστέρας, ὧν τοὺς μὲν ἡμίσεις ἐν τοῖς βορείοις μέρεσι, τοὺς δὲ ἡμίσεις ἐν τοῖς νοτίοις τετάχθαι φασίν, καὶ τούτων τοὺς μὲν ὁρωμένους τῶν ζώντων εἶναι καταριθμοῦσι, τοὺς δὲ ἀφανεῖς τοῖς τετελευτηκόσι προσωρίσθαι νομίζουσιν, οὓς δικαστὰς τῶν ὅλων προσαγορεύουσιν[14]. Ob gerade diese von Diodor überlieferte babylonische Lehre, die bisher in den Inschriften ihre Bestätigung nicht gefunden hat, für unsre Stelle in Betracht kommt oder nicht — jedenfalls wird man vermuten dürfen, daß der apokalyptischen Anschauung eine (polytheistische) Tradition zugrunde liegt, nach welcher der Hofstaat der höchsten Gottheit aus 24 Göttern besteht. Zu erwähnen ist hier, daß die persische Religion neben den 6 (7) Ameshas-Spentas 24 Nazatas im himmlischen Götterstaat zählt. Ahura-Mazda von den 24 thronenden Nazatas umgeben wäre also ein auf persischem Religionsboden mögliches Bild[15].

Wir werden nach alledem anzunehmen haben, daß der Apokalyptiker ein uraltes traditionelles Bild einfach herübernahm. Daß er es nur noch halb verstanden hat, beweist, daß er den Ältesten zugleich priesterliche Funktionen verlieh. Man war eben von altersher in weiten Kreisen gewohnt, sich Gottes majestätische Herrlichkeit und seinen Hofstaat unter diesem Bilde vorzustellen, und darüber was die πρεσβύτεροι ursprünglich bedeuteten, hat man sicher nicht mehr nachgedacht.

4,5. καὶ ἐκ τοῦ θρόνου ἐκπορεύονται ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταί. In dieser Reihenfolge auch 11,19; 16,18; 8,5 βρονταὶ καὶ φωναὶ (resp. φωναὶ καὶ βρονταί) καὶ ἀστραπαί. Vgl. Ex 19,16: ἐγίνοντο φωναὶ [248] καὶ ἀστραπαί. Ez 1,13: ὡς ὄψις λαμπάδων συστρεφομένων ἀναμέσον τῶν ζώων καὶ φέγγος τοῦ πυρὸς καὶ ἐκ τοῦ πυρὸς ἐξεπορεύετο ἀστραπή. Dan 7,9ff.; I Hen 14,9ff.; Jub. 2,2. Bei den „Stimmen“ ist an das Brausen und Tosen, das im Gewitter neben Blitz und Donner einhergeht, zu denken vgl. Ps 29; 18,14; 50,3. καὶ ἑπτὰ λαμπάδες πυρὸς καιόμεναι ἐνώπιον τοῦ θρόνου[16], αἵ εἰσιν[17] τὰ[18] ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ. Vgl. Apk Bar. 21,6: „Die flammenden und feurigen Wesen, welche rings um deinen Thron stehen“. Es ist grundlos, mit Sp. den Relativsatz zu streichen, und überdies für die Erklärung belanglos. Die sieben Fackeln können kaum anders gedeutet werden als auf die sieben Gottesgeister. Es liegt hier genau dieselbe Anschauung vor, wie 1,4; (1,12f.); 1,16; (1,20); 2,1; 3,1; 5,6 (parallel ist vor allem das Bild der sieben Leuchter 1,12f.; 2,1; Ex 25,37; Sach 4,2). Hinsichtlich der in der Apk sich findenden verschiedenen Anschauungen dieser Art s. die Erklärung zu 1,4. Im übrigen stimmt das Symbol der sieben Fackeln vortrefflich zu der ursprünglichen Beziehung der sieben Geister zu den Planetengestirnen. In ähnlicher Weise sind die sieben Planeten auf Mithrasaltären durch sieben flammende Altäre abgebildet (Cumont, Textes et Monuments I 115 II 232. 253. 311 u. ö.). Man wird annehmen dürfen, daß der Apok. oder sein Vorgänger auch aus derartigen Kultbildern — natürlich brauchen es nicht gerade Mithräische zu sein — Anregungen zu seinen Bildern empfangen hat. Ein Grund, den ganzen Vers wegzulassen, ist durchaus nicht Vorhanden (eine kritische Schwierigkeit wird bei 5,6 besprochen werden).

4,6. καὶ ἐνώπιον τοῦ θρόνου ὡς[19] θάλασσα ὑαλίνη ὁμοία κρυστάλλῳ.. Der Apok. sagt nicht: es war ein Meer; sondern: es war gleichsam (ὡς) ein Meer. Diese ständige Einfügung eines ὡς gehört zum apokalyptischen Sprachgebrauch, durch den das Geheimnisvolle der Redeweise gesteigert wird (vgl. bereits 1,10; 4,1, ferner 4,7; 5,11; 6,6.(12); 8,8; 9,7; 13,3; 14,3; 15,2; 19,1.6; 21,11). Im allgemeinen ist dies apokalyptische ὡς nicht textkritisch zu entfernen. Hier liegt, wie es scheint, wieder eine fragmentarische und archaistische Anschauung vor. Die Parallelen, die zunächst heranzuziehen wären, jedoch diese Vorstellung nicht decken, wären wohl Ex 24,10: καὶ τὰ ὑπὸ τοὺς πόδας αὐτοῦ (sc. τοῦ θεοῦ) ὡσεὶ ἔργον πλίνθου σαπφείρου καὶ ὥσπερ εἶδος στερεώματος τοῦ οὐρανοῦ τῇ καθαριότητι, und Ez 1,22: καὶ ὁμοίωμα ὑπὲρ κεφαλῆς αὐτοῖς τῶν ζώων ὡσεὶ στερέωμα ὡς ὅρασις κρυστάλλου. Vgl. Ez 1,25f.; Hltzm. zieht hier noch Hen 14,9f. heran, eine Parallele, die noch weiter abliegt. Eine Parallele in der Apk selbst, die aber die Sachlage noch dunkler macht, ist 15,2 gegeben (s. den Kommentar). Dstd. zieht mit Unrecht den Lebensstrom 22,1 zur Erklärung heran. An das eherne Meer im Tempel dachte Alcasar. Ew. sah unter Berufung auf Koran Sure [249] 27,44 in dem krystallenen Meer nur die blankgetäfelten Fußböden des Tempels. Auch die Rabbinen verglichen den Glanz des Fußbodens im Tempel mit dem des Krystalls (Wtst. Harenb. Züll.). — Die nächste Parallele, die in Betracht kommt, ist die nun erst aufgedeckte im slavischen Henoch 3,3. Dort sieht der Seher im ersten Himmel über dem Äther ein sehr großes Meer, größer als das irdische Meer. Nach Testam. Levi 2 liegt dies Meer zwischen dem ersten und zweiten Himmel. Aber auch ohne diese Parallele sollte es klar sein, daß es sich hier um eine alte weitverbreitete Naturanschauung handelt: das gläserne Meer ist nichts anderes als das Wasser über der Himmelfeste oder diese Feste selbst, die als der durch eine unsichtbare Scheidewand dort oben festgehaltene Himmelsozean gedacht wird. Der Thron Gottes ist also in dem ursprünglichen Bilde als auf dem Himmelsozean stehend gedacht, das dann im Vordergrunde vor dem Thron sichtbar wird. So erklärt sich auch die merkwürdige Vorstellung von dem gläsernen, krystallgleichen Meer. Die Himmelsfeste, der Behälter des Himmelswassers, wird als aus festem durchsichtigen Stein bestehend gedacht. Vgl. zu dieser Vorstellung II Hen 29: „Und mein (Gottes) Auge blickte auf viel festen harten Stein ... und von dem Stein schnitt ich ab ein großes Feuer und von dem Stein machte ich die Ordnungen der ... Heerscharen (sc. der Gestirnengel)“. — Aus dieser Vorstellung erklärt sich letztlich auch Ex 24,10, wonach zu Gottes Füßen ein Boden ist, „wie aus Saphirsfliesen und wie der Himmel selbst an Klarheit.“ (Vgl. Ex 1,26.) Gunkel, z. religionsgesch. Verst. d. N. T. 44,5. Die Vorstellung von dem oberen Himmelsozean ist in der babylonischen und dann in der persischen Religion nachweisbar (Tiele, Gesch. d. Rel. im Altertum übers. v. Gehrich II 290).

καὶ ἐν μέσῳ τοῦ θρόνου καὶ κύκλῳ τοῦ θρόνου τέσσαρα ζῶα γέμοντα ὀφθαλμῶν ἔμπροσθεν καὶ ὄπισθεν. Die Erklärung des Ausdrucks „inmitten und ringsum von dem Thron“ bereitet große Schwierigkeit. Am zusagendsten ist die Erklärung, daß die Tiere sich in der Mitte je einer Seite befunden hätten, (also in der Mitte und doch rund um den Thron, so daß an jeder Seite je eines herausschaut) Züll., de W., Dstd. Andere Ausleger helfen sich so, daß sie das ἐν μέσῳ nicht ganz wörtlich nehmen. Während Donner und Blitz aus dem Thron hervorkommen, und die sieben Fackeln vor dem Thron sich befinden, stehen die Tiere mehr nach der Mitte des Thrones zu (vgl. Sp. 280). Ewald II konjizierte: καὶ ἐν μέσῳ τοῦ θρόνου καὶ ἐν μέσῳ πρεσβύτερων καὶ κύκλῳ etc. Ez 1,5 hat nur καὶ ἐν τῷ μέσῳ und bemerkenswert ist, daß 28. 29. 30. 98 harl. c a (?) Tic. καὶ κύκλῳ τοῦ θρόνου fortlassen. Es läge also möglicherweise hier eine Glosse vor. Daß die Tiere mit dem Haupte nach dem Throne zuständen, ist eine geschmacklose Vorstellung und keineswegs daraus zu erschließen, daß der Seher bemerkt, sie hätten hinten und vorne Augen (vgl. Ez 1,18). 4,7. καὶ τὸ ζῶον τὸ πρῶτον ὅμοιον λέοντι καὶ τὸ δεύτερον ζῶον ὅμοιον μόσχῳ καὶ τὸ τρίτον ζῶον ἔχων[20] τὸ[21] πρόσωπον ὡς (4,6) [250] ἀνθρώπου[22] καὶ τὸ τέταρτον ζῶον[23] ὅμοιον ἀετῷ πετομένῳ. Bei Ez (1,10; 10,14) ist jedes der Vier ζῶα als eine vierköpfige Gestalt gedacht, hier liegt die einfachere und ruhigere Vorstellung vor. Die Reihenfolge der Köpfe ist dort ἄνθρωπος, λέων, μόσχος, ἀετός[24]. — μόσχος ist (vgl. Ex 21,37 (LXX 22,1); Lev 22,23; Ez 1,10) Übersetzung für שׁוׂר, Ex 29,10 פָּר, Ex 32,4 עֵגֶל, Gen 12,16 בֺּקֺר, demgemäß nicht immer mit Kalb, hier jedenfalls mit Rind (Ochse) zu übersetzen. Ob das dritte Tier auch sonst Menschengestalt hat, ist mit Sicherheit nicht zu sagen, das vierte scheint fliegend gedacht zu sein. 4,8. καὶ τὰ[25] τέσσαρα ζῶα ἓν καθ’ ἓν [αὐτῶν][26] ἔχων[27] (eine kühne constructio ad sensum) ἀνὰ πτέρυγας ἕξ(Joh 2,6). Hier liegt eine Kombination der Gestalten des Ezechiel mit den Seraphen des Jesaias (6,2) vor. κυκλόθεν καὶ ἔσωθεν γέμουσιν ὀφθαλμῶν. Da wir das vorhergehende ἔχων kaum dem sonstigen Sprachgebrauch der Apk nach als wirkliches Partizip nehmen können, sondern als verbum finitum mit fehlender Kopula auffassen müssen, so haben wir hier ein störendes Asyndeton. Außerdem ist κυκλόθεν und ἔσωθεν ein sehr wenig passender Gegensatz. (Gewöhnlich erklärt man ringsum und auf der Innenseite der Flügel.) Beachtenswert bleibt daher, daß Pr. übersetzt: habebant singula alas senas per circuitum. et erant plena oculis ante se et retro (ebenso Vict.: habentes alas senas in circuitu et oculos intus et foris)[28], also den griechischen Text κυκλόθεν καὶ ἔξωθεν καὶ ἔσωθεν voraussetzt, der sich bei Q 12 al.² in der Tat findet, während 14. 92 κυκλόθεν, ἔξωθεν καὶ ἔσωθεν lesen, einige andre Minuskeln statt ἔσωθεν wenigstens ἔξωθεν haben. Bedenkt man, wie leicht ein καὶ ἔξωθεν vor καὶ ἔσωθεν ausfallen konnte, so ist der letzteren Lesart entschieden der Vorzug zu geben und also zu übersetzen: Sie hatten je sechs Flügel ringsum, und von Augen sind sie voll außen und innen. Diese letztere Bemerkung ist nun im Vergleich mit V. 6 keine einfache Wiederholung, sondern es wird besonders bemerkt, daß diese flügelbedeckten Wesen an den Außenseiten und auch unter den Flügeln Augen hatten (vgl. Ez 10,12). καὶ ἀνάπαυσιν οὐκ ἔχουσιν[29] ἡμέρας καὶ νυκτὸς λέγοντες. Vgl. I Hen 71,6f.: „Und rings umher waren Seraphim, [251] Cherubim und Ophanim; das sind die, welche nicht schlafen“ und I Hen 39,12: „Dich preisen die, welche nicht schlafen, sie stehen vor deiner Herrlichkeit, preisen, rühmen und erheben dich, indem sie sprechen: Heilig, heilig ist der Herr der Geister, er füllt die Erde mit Geistern.“ ἅγιος ἅγιος ἅγιος[30] κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ, ὁ ἦν καὶ ὁ ὢν καὶ ὁ ἐρχόμενος (1,8; 11,17). Der Lobgesang lehnt sich an Jes 6,3 (ἅγιος α. α. κύριος σαβαώθ) an unter Hinzufügung der dem Apok. eigentümlichen Wendung und unter charakteristischer Abweichung. Zu der weitverbreiteten Vorstellung von himmlischen Lobgesängen, welche die niederen himmlischen Wesen dem höchsten Gott darbringen, vgl. Hen 39,12f.; 40,3f.; 69,26. u. ö.; Test. Levi 3; slaw. Hen 15,1; 19,6; 20,3; 21,1; 22,3; Himmelf. Jes 7,15.20.27.29f.35; 8,16ff.; 9,28f.42.; 10,1ff. u. ö. Über weitere religionsgeschichtliche Zusammenhänge Reitzenstein, Poimandres 55ff. Zu παντοκράτωρ s. o. zu 1,8. Mit Nachdruck bekommt hier, wie am Anfang der Apk Gott diese feierlichen Attribute. Zu bemerken ist, daß hier das in die Vergangenheit weisende Prädikat ὁ ἦν vorantritt.

Wir werden, wenn wir die disjecta membra der Vorstellungen der Apk in ihrer Genesis und Wurzel verstehen wollen, die Frage nicht umgehen können, was für eine Vorstellung sich ursprünglich mit den vier fabelhaften Wesen unter Gottes Thron hier und im ersten Kapitel des Ezechiel verbunden habe. Zwei Momente sind es, die uns der Lösung des Rätsels zunächst näher führen. Vor allem vergegenwärtigen wir uns, daß der Thron Gottes sich nach der hier vorliegenden Vorstellung auf der Himmelsfeste befindet. Wenn nun die Tiere rings um den Thron Gottes stehen, so werden wir das Recht haben, nach Erscheinungen am Himmelsgewölbe zu suchen, welchen den Tieren entsprechen. Wenn ferner der Apok. mit Staunen meldet, daß die Tiere ganz voller Augen starren, wenn nach Ezechiel die Räder, die neben dem Throne stehen, mit Augen bedeckt sind, und die Wesen und die Räder funkeln und glänzen, wenn aber die Augen in der apokalyptischen symbolischen Sprache Sterne bedeuten (s. zu 5,6), so werden wir das Recht haben, in den vier Tieren große Sternbilder zu sehen, die den im Zenith des Himmels befindlichen Thron Gottes tragen. Darauf deutet endlich auch die Vierzahl der Wesen. Denn die Vierzahl ist dem Himmel eigentümlich (vier Himmelsgegenden, vier Winde, vier Jahreszeiten, vier Engel als Führer der Sterne, I Hen 82,11). Und zwar müssen wir vier an den entsprechenden Ecken des Himmels stehende Sternbilder suchen. Nun nehmen von den 12 Bildern des Tierkreises natürlich bei einer Vierteilung das erste, vierte, siebente und zehnte Bild eine besondere Stellung ein. Das erste aber ist nach altbabylonischer Anschauung das des Stieres, das vierte das des Löwen. Als das siebente erscheint der Skorpion, der nach altbabylonischer Vorstellung als Skorpionmensch gedacht ist. Das zehnte Bild, der Wassermann, hat allerdings nichts mit dem Adler zu tun. Doch befindet sich tatsächlich [252] in seiner Nähe das Sternbild des Adlers! Vgl. H. Zimmern, die Keilinschriften u. d. A. T.³ 631f., Gunkel, z. religionsgesch. Verst. d. N. T. 44ff. So wird nun die Apk 4 zugrunde liegende Vorstellung ganz klar. Der Thron Gottes ist ursprünglich gar nichts anders als das weite Himmelsgewölbe selbst, auf dessen höchster Höhe Gottes Herrlichkeit thront[31]. Diesen Thron tragen (inmitten desselben stehend) vier wunderbare gewaltige Wesen, die mächtigen Gebilde des Stieres, Löwen, Menschen und Adlers[32]. Daher heißt dieser Thron slav. Hen 22,2 der sehr große und nicht mit Händen bereitete Thron des Herrn: „wer will aussagen seine unwandelbare Schönheit und die unaussagbare Größe seiner Herrlichkeit“ (vgl. noch Gunkel 44,5[33]). Zugleich zeigt es sich, daß der Apok. hier mit seiner Konzeption an einem Punkt dem ursprünglichen Bild noch näher steht als Ezechiel mit seinen komplizierten Tiergestalten[34]. Die Tradition vom Wagen Gottes war eben noch zu seiner Zeit eine flüssige und lebendige. Die Rabbinen, gerade des ersten und zweiten Jahrhunderts, wissen viel von geheimnisvollen Spekulationen über die Merkaba Gottes im Anschluß an Ez 1 zu erzählen (Bousset, Rel. d. Judentums 349f.). Auch außerhalb des Judentums sind späterhin noch derartige Spekulationen nachweisbar. Dio Chrysostomus weiß in seiner 36. Rede an die Borysthener von einer merkwürdigen Spekulation der Mager vom Wagen des Zeus zu berichten, in der sich orientalische Elemente mit platonisch-stoischen Elementen[35] in merkwürdiger Weise mischen (Rel. d. Judentums 491, A. 3). — Von dem ursprünglichen Sinn des Bildes wird bei alledem der Apok. nur wenig oder gar nichts mehr geahnt haben. Für ihn sind, wie der Zusammenhang deutlich zeigt, die vier Keruben nichts weiter als Engel (hervorragende Engel) neben den andern, wie denn auch sonst die Cherubim, Seraphim, Ophanim der jüdischen Überlieferung als Engelklassen neben andern gelten Hen 61,10f.; 71,6f.; slav. Hen 20,1; 21,1; 22,2.

4,9. καὶ ὅταν (jedesmal wann) δώσωσιν[36] τὰ ζῶα δόξαν (Anerkennung, Preis)καὶ τιμὴν (Ps 29,1; 96,7) καὶ εὐχαριστίαν τῷ καθημένῳ ἐπὶ τῷ θρόνῳ[37] (vgl. oben S. 165), τῷ ζῶντι, εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων (wenn ὅταν δώσουσιν gelesen wird, so macht das Futurum große [253] Schwierigkeiten: einige Ausleger erklären als wirkliches Fut., die meisten schreiben dem Tempus frequentative Bedeutung zu (jedesmal wenn, so oft). Alle Schwierigkeiten lösen sich, wenn man δώσωσιν liest, und dies als einen ungewöhnlichen Konj. Aor. faßt; s. o. S. 171. 4,10. πεσοῦνται οἱ εἴκοσι τέσσαρες πρεσβύτεροι ἐνώπιον τοῦ καθημένου ἐπὶ τοῦ θρόνου καὶ προσκυνήσουσιν τῷ ζῶντι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων (V. 9). Das Attribut Gottes ζῶν (εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων) ist in der spätjüdischen Literatur sehr gebräuchlich (Bousset, Rel. d. Judentums 293). Es findet sich außer in diesen beiden Versen 10,6; 15,7; (7,2), auf Christus übertragen 1,18. Beachte die weitschweifige Art der Wiederholung der Schilderung in V. 9.καὶ βαλοῦσιν[38] τούς στεφάνους αὐτῶν ἐνώπιον τοῦ θρόνου. Wtst. macht auf Tacit. Annal. XV 28 aufmerksam: ad quam (effigiem Neronis) progressus Tiridates sublatum capite diadema imagini subjecit. λέγοντες· 4,11 ἄξιος εἶ ὁ[39] κύριος καὶ ὁ θεὸς ἡμῶν[40] (über den Nominativ an Stelle des Vokativs s. o. S. 164) λαβεῖν τὴν δόξαν καὶ τὴν τιμὴν καὶ τὴν δύναμιν. Gott hat das Recht, das, was sein ist, Preis, Ehre und „Macht“, auch sich zu eigen zu nehmen (Dstd.). ὅτι σὺ ἔκτισας τὰ πάντα καὶ διὰ τὸ θέλημά σου (wohl einfach mit „durch deinen Willen“ zu übersetzen, Vermeidung des Dat. medialis s. o. S. 163 und Joh 6,57; Winer 49 c) ἦσαν καὶ ἐκτίσθησαν[41]. Das ἦσαν macht Schwierigkeiten. Es ist nicht zu übersetzen: sie traten ins Dasein (de W.), auch ist ἦσαν nicht gleich ἐγένετο. Die Vorstellung geht auf den Moment der Schöpfung mit lebendiger Anschaulichkeit zurück (vgl. das ἔκτισας vorher), da waren alle Dinge, die vorher nicht waren (Dstd.). In ungeregelter Darstellung wird dann nachträglich das Moment, auf dem das ἦσαν beruht, hinzugefügt: sie wurden geschaffen. Zu der Hervorhebung der Schöpferwürde Gottes vgl. das zu 10,6 Bemerkte und 14,7. Vgl. zu V. 9ff. Henoch 9,4f.: „Du bist der Herr der Herren und der Gott der Götter ... Dein Name ist heilig und in aller Welt gepriesen. Denn Du hast alles gemacht“.

Wir vergegenwärtigen uns noch einmal das ganze glänzende Bild. Mit wie wuchtigen, knappen und klaren Strichen ist es gezeichnet, besonders im Vergleich mit der unklaren, verworrenen, allerdings teilweise reicheren Darstellung des Ezechiel! Und mit welcher Pracht der Phantasie, namentlich auch in der Farbengebung! Der auf dem Throne Sitzende in der Herrlichkeit von Diamant und rotem Edelstein leuchtend, die 24 Ältesten in weißen Kleidern mit goldenen Kronen. Davor das krystallene Meer; und sieben brennende Feuerfackeln und Leuchten der Blitze und gewaltiges Rauschen der Donner. Dann endlich die vier wunderbaren Wesen unter dem Gottesthron, über und über mit leuchtenden Augen besäet! Das Bild hat aber auch als [254] Prooemium des Ganzen eine tiefe innere Bedeutung. Der Apok. will weissagen von den gewaltigen Nöten der letzten Zeit und ihren unerhörten Kämpfen. In starkem Kontrast dazu steht hier ein Bild von erhabener ruhiger Majestät. Auf Erden soll der letzte erbitterte Kampf beginnen. Aber hier im Himmel huldigen alle die mächtigen Wesen dem allmächtigen, in alle Ewigkeit lebendigen Gott, sie werfen sich huldigend vor ihm nieder und bringen ihm ihre Kronen dar. In einen jubelnden Hymnus klingt das Ganze aus: Der allmächtige Schöpfergott hält das Ziel dieser Welt sicher in seinen starken Händen. Ihm gebührt Preis und Ehre und alle Macht.


  1. Pr. λαλουσαν.
  2. Hier wie an andern Stellen von ℵcP An. (s. Studien 18) korrigiert.
  3. P An. (Studien 28) heben das Asyndeton auf und lesen και ευθεως.
  4. Gegen die Konjektur ἐφερόμην ließe sich auch einwenden, daß man hier eher den Aor. als das Imperf. erwarten sollte.
  5. Noch andre Erklärungen versuchen Züllig: Ich war dort entzückungsweise; Hltzm.: alsbald war ich im Geiste, d. h. nur noch mit dem Körper auf der Erde (im Unterschied von 1,10).
  6. P An. verändern in του θρονου (Studien 26).
  7. και ο καθημενος ℵAPQ Min. g vg. s¹² Pr. Tic.; alle übrigen > (Schreibfehler).
  8. ομοια verbessern An.³⁴⁵; dagegen ομοιος AP An.¹². 6. 11. 30, während Q Rel. ομοιως und nachher ορασις σμαραγδινων lesen, ein andrer Versuch, das schwierige ομοιος zu korrigieren.
  9. και lesen ℵc (ℵ fehlt) AP An. g vg. c s¹ a ae. Pr.; και > Q Rel. s² Tic. Es scheint als wenn das Asyndeton die schwierigere Lesart ist, doch kann das καὶ vor κυκλόθεν auch ausgefallen sein.
  10. θρονους ℵA An.⁴ Tic.; gegen diese anakolutische Lesart spricht, daß nachher in sämtlichen Handschriften (auch ℵA) εἴκοσι τέσσαρες gelesen wird; dafür, daß im folgenden der parallele Akkusativ πρεσβυτέρους steht.
  11. A 17; P An.¹. 6. 11. al. επι τ. θρονους εικ. τεσσ.; Q Rel. επι τ. θρ. τους εικ. τεσσ.; ℵ om. επι – θρονους. Mit Ausnahme von V. 4a steht εικοσι τεσσ. In der Apk immer vor dem zugehörigen Subst.
  12. εν > AP An.².
  13. Der Gedanke findet sich auch schon bei Sp. 276.
  14. Diese 24 δικασταί werden bei Diodor von den zwölf Zeichen des Tierkreises bestimmt unterschieden. Sie entsprechen nach Hommel, ZDMG 45 S. 599f., wahrscheinlich den 24 Mondstationen. Zimmern, K. A. T.³ S. 633.
  15. Eine interessante Vorstellung von den 24 Ältesten findet sich in der Schrift αἱ διαταγαὶ αἱ διὰ Κλήμεντος (Lagarde, juris ecclesiastici antiquissimae Lips. 1856, 74ff.): εἴκοσι γὰρ καὶ τέσσαρές εἰσι πρεσβύτεροι, δώδεκα ἐκ δεξιῶν καὶ δώδωκα ἐξ εὐωνύμων ... οἱ μὲν γὰρ ἐκ δεξιῶν δεχόμενοι ἀπὸ τῶν ἀρχαγγέλων τὰς φιάλας προσφέρουσι τῷ δεσπότῃ, οἱ δὲ ἐξ ἀριστερῶν ἐπέχουσι τῷ πλήθει τῶν ἀγγέλων. Hier scheint noch eine gegenüber der Apk selbständige Anschauung vorzuliegen; deutlich wird es auch hier, daß die Ältesten als Engel zu denken sind, und sehr beachtenswert ist endlich ihre Einteilung in 2×12 und ihre Stellung zur Rechten und zur Linken Gottes. Die Bezeichnung von Sternengeistern mit πρεσβύτεροι, „elders“ slav. Henoch 4,1 (übers. v. Charles-Morfill), ist textlich nicht gesichert (s. die Übers. v. Bonwetsch).
  16. >αυτου nach ℵAP An.¹ g vg. c s¹ a ae. Pr. Tic.
  17. α εισιν ℵc AP An.¹ (A α εστιν, ℵ fehlt); Pr. faculae qui sunt spiritus (s. o. S. 165).
  18. cAP An.¹² 14. 92; τα > Q Rel.
  19. > An.¹ a ae. (sa.) s¹ Tic. Pr.; s. Studien 34; Pr. hat an vielen Stellen das ὡς fortgelassen.
  20. AQ Min. alle übrigen εχον.
  21. Der Artikel mit ℵAP An.¹²³.
  22. A 11. 13. 36 vg. s¹ Pr. (faciem quasi humanam); An. c s² Tic. ως ανθρωπος; Q Rel. ανθρωπου, ein doppelter Korrekturversuch (Studien S. 3); ℵ ως ομοιον ανθρωπου, 35 ομοιον ανθρωπου, Vict. Faciem similem homini, g animal simile homini.
  23. AP An.¹³⁵ g vg. s¹² c Pr.; die übrigen >.
  24. An diese Ordnung scheint sich zunächst die Deutung der ζῶα auf die vier Evangelisten angelehnt zu haben. Daß Markus und Johannes bald, den Löwen und bald den Adler bekommen, beruht auf der verschiedenen Anordnung der Evangelien Mt. Mk. Lk. Joh oder Mt. Joh. Lk. Mk; wenn dagegen Augustin Mt den Löwen zuwies, so mag er sich an die Reihenfolge der Apk gehalten haben.
  25. > Q Min. (Schreibfehler).
  26. AP An. a; αυτων Q Rel. Pr.; εν εκαστον αυτων ℵ 38. (c g vg Tic. singula eorum).
  27. A An.¹⁵ al.; εχον Q Rel.; ειχον ℵ g vg. sa. Pr.; εχοντα c 38. 50; sämtlich Verbesserungsversuche, von denen ειχον auf Grund von εχον entstanden ist.
  28. Auch Tic. scheint ebenso gelesen zu haben. In den Homilien findet sich das Zitat: habebant alas senas per circuitum.
  29. εξοσαν ℵ g vg.cod. Vict. Tic. Pr.
  30. αγιος dreimal ℵcAP An.¹²³⁵ al. g vg. c s¹² a ae. Pr. Vict.; Q Rel. neunmal, ℵ 29 achtmal.
  31. Die Vorstellung tritt noch besonders deutlich Hen 14,9ff. hervor, vgl. auch Hen 18,2f., wo die vier Winde der Erde die Feste des Himmels tragen (Gunkel 46).
  32. Zimmern a. a. O. 631 hält es nicht für unwahrscheinlich, daß diese vier Tiergestalten im babylonischen ursprünglich Symbole der vier Winde gewesen seien und dann also auf die vier Quartal-Sternbilder übertragen wären.
  33. Vielleicht erklären sich von hier aus auch noch die Stimmen und Donner, die von dem Thron ausgehen. Es ist vielleicht ursprünglich dabei an die geheimnisvolle, die Bewegung des Himmels begleitende Sphärenmusik zu denken, von der man im Altertum viel redete (Gunkel 47.). Vgl. slav. Hen 15; 22,2 (die ununterbrochenen Gesänge des Cherubim). Der Apok. hätte allerdings den ursprünglichen Zusammenhang nicht mehr verstanden. Er denkt an Gewittererscheinungen.
  34. Nach Winckler, Altor. Forsch. II 347ff. wäre auch im ursprünglichen Text des Ez von vier Wesen mit je einem Gesicht die Rede gewesen.
  35. Vgl. das Bild von den vier Rossen, die Lehre von den vier Elementen und dem Untergang der Welt durch Feuer und Wasser.
  36. δωσωσιν ℵQ An.(¹)⁵ 14. 92; δωσουσιν AP An.(¹)² Q Rel. δωσιν.
  37. Nur mit ℵA s. o. S. 165.
  38. βαλλουσι ℵQ An.¹² (Pr. mittentes), wohl ein einfacher Schreibfehler.
  39. κυριε ο θεος ημων P An.¹²⁵ g fu. cle. dem. tol. c a ae pr.; ℵ 31 κυριε ο κυριος κ. ο. θ. η.
  40. Q Rel. s² a + ο αγιος; > ℵAP An.¹²⁵ g vg. s¹ c Pr.
  41. Die Handschriften korrigieren in verschiedener Weise: P An. εισιν; Q 14. 38. 51 ουκ ησαν; nur εκτισθησαν 36 Pr.; nur ησαν A.
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