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Die Offenbarung Johannis/1,9-20. Die einleitende Vision

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Die Offenbarung Johannis
2,1-7. Ephesus »
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Inhalt Kapitel 1,9-20. Die einleitende Vision

1,9 - 1,10 - 1,11 - 1,12 - 1,13 - 1,14 - 1,15 - 1,16 - 1,17 - 1,18 - 1,19 - 1,20

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I. Der ermahnende Teil 1,9-3,22.

1,9-20. Die einleitende Vision. 1,9. ἐγὼ Ἰωάνης. (Zu dem ἐγώ vgl. Dan 7,2.15.28 u.ö. IV Esr 3,1; Hen 12,3 u. ö.) ὁ ἀδελφὸς ὑμῶν καὶ συγκοινωνός[1] (die beiden Ausdrücke „Bruder und Genosse“ gehören eng zusammen, weshalb auch der Artikel zwischen ihnen fehlt; zu συγκοινωνός vgl. Verbum 18,4. Über diese Selbstbezeichnung des Schriftstellers s. d. Einl. S. 35ff.) ἐν τῇ θλίψει καὶ[2] βασιλείᾳ καὶ ὑπομονῇ ἐν Ἰησοῦ[3]. Mit θλῖψις ist die Bedrängnis der letzten Zeit gemeint 2,9.10; 7,14, mit βασιλεία die messianische Herrschaft (das irdische Reich Gottes), ὑπομονή ist das beide vermittelnde sittliche Moment (vgl. 2,2.3.19; 3,10; 13,10; 14,12). ἐν Ἰησοῦ ist wie gewöhnlich im NT zu deuten: „in der Lebensgemeinschaft mit Jesus“ und bezieht sich, weil es sich um eine Lebensbetätigung der Gläubigen in der Gemeinschaft mit Jesus handelt, nur auf ὑπομονή und nicht auf θλῖψις und βασιλεία (vgl. II Th 3,5 ὑπομονή τοῦ Χριστοῦ). Gleich in der Einleitung kommt die Stimmung, in welcher der Apok. schreibt, zum Ausdruck. Es ist Kampfes- und Verfolgungszeit. Aber in trotzigem Mut stellt er die gegenwärtige Not und die künftige Herrlichkeit als zwei zusammengehörige Pole hart neben einander und schließt sich in alledem eng mit der Gemeinde der Gläubigen zusammen. ἐγενόμην ἐν τῇ νήσῳ τῇ καλουμένῃ Πάτμῳ διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ [διὰ][4] τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ[5]. Es sind hier verschiedene Erklärungen möglich. Vielfach wird angenommen, daß sich die kurze Wendung auf das Patmosexil des kleinasiatischen Johannes beziehe. Die Stelle besagt dann, daß Johannes wegen der Verkündigung des Evangeliums nach Patmos verbannt sei. Aber es erhebt sich die Frage, warum der Apok., wenn er dies meinte, es nicht deutlicher zum Ausdruck brachte, warum er[192] den davon nichts verratenden Ausdruck ἐγενόμην braucht. Die Nachricht vom Patmosexil des Johannes taucht ziemlich spät in der Überlieferung auf. Irenäus braucht sie noch nicht gekannt zu haben, wenn er behauptet, daß die Apk unter Domitian geschaut sei. Es bleibt sehr wohl möglich, daß auf Grund unserer Stelle das ganze Patmosexil erst erfunden ist. Man hatte Grund, ein Martyrium zu Ehren des kleinasiatischen Johannes zu erfinden (s. über diese Frage o. S. 47). Daß hier ganz allgemein Johannes sich als συγκοινωνὸς ἐν τῇ θλίψει bezeichnet, beweist für unsere Frage gar nichts. Ebenso wenig, daß Patmos vielfach als Verbannungsort galt (Plinius N. H. IV 12,23). – Demgegenüber bleibt doch die Annahme möglich, daß der Ausdruck: „des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu wegen“ hier ebenso zu deuten sei, wie 1,2. Das ὅσα εἶδεν, das dort den Ausdruck näher bestimmt, konnte hier in der benachbarten Stelle fehlen. Die Annahme, daß der Seher sich in seiner ekstatischen Erregung in die Einsamkeit nach der benachbarten Insel Patmos zurückgezogen habe, ist freilich prekär. Aber man könnte auch annehmen, daß er bei einem zufälligen Aufenthalt auf der Insel seine Visionen erlebt und dann später dies Zusammentreffen unter einem teleologischen Gesichtspunkt gerückt habe: ἐγενόμην διά. Ganz abzuweisen ist endlich auch die Meinung, daß διὰ τὸν λόγον u. s. w. auf die Missionspredigt zu beziehen wäre, wenngleich eine Missionstätigkeit des Apok. auf Patmos nicht gerade wahrscheinlich ist. – Patmos ist eine kleine Insel (Plinius N. H. IV 12,23 circuitu triginta millia passum) zwischen Samos und Cos mit einem kleinen Städtchen. Noch heute wird dort die „Grotte der Offenbarung“ gezeigt (vgl. Encyclop. Biblica III 3603f.). – Der Aor. ἐγενόμην zeigt deutlich an, daß der Seher, als er schrieb, nicht mehr auf Patmos war, oder anwesend gedacht wird.

1,10. ἐγενόμην ἐν πνεύματι (4,2; 17,3; 21,10). ἐν πνεύματι ist gleich ἐν ἐκστάσει. Akt (10,10); 11,5; 22,17 (Gegensatz γίνεσθαι ἐν ἑαυτῷ Akt 12,11). πνεῦμα ist hier als Quellpunkt ekstatischer Erregung gedacht. ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ. Die Sitte der Feier des Sonntags als des Auferstehungstages des Herrn reicht weit zurück. Andeutungen finden sich wahrscheinlich bereits I Kor 16,2; Akt 20,7; ein sicheres Zeugnis Barn 15,9. Der Name ist zuerst nachweisbar Didache 14: κατὰ κυριακὴν κυρίου; Petr.-Evang. V. 50; Ignatius ad Magn. 9 (µηκέτι σαββατίζοντες ἀλλὰ κατὰ κυριακὴν ζῶντες). Melito v. Sardes (Eus. H. E. IV 26,2) schrieb einen περὶ κυριακῆς λόγος vgl. Irenäus, fragm. VII ed. Harvey II 478; Tertullian, de cor. 3, de orat. 23, Dionysius bei Eusebius H. E. IV 23,11, Constit. II 59 VII 30. Allzuweit braucht man mit dem Zeitansatz für das vorliegende Stück wegen dieser Wendung nicht herunterzugehen. καὶ ἤκουσα ὀπίσω μου φωνὴν μεγάλην[6]. Ez 3,12: καὶ ἀνέλαβέν με πνεῦμα καὶ ἤκουσα κατόπισθέν μου φωνὴν σεισμοῦ μεγάλου. Das ὀπίσω μου wird durch die Parallelstelle im Ez. veranlaßt sein (daher liest A ὄπισθεν). Man sollte sich daher über die[193] Bedeutung desselben nicht den Kopf zerbrechen[7]. ὡς (sc. φωνὴν) σάλπιγγος. Die Stimme tönt wie die einer Posaune. Bemerkenswert ist, daß die Stärke der Stimme besonders betont wird. Was der Seher in der Vision hört, ist gewöhnlich etwas Übermächtiges, Gewaltiges. Stimmen wie von Posaunen, ein Erdbeben, ein Donner und vielfältiges Brausen. Zahlreiche Beispiele allein in unser Schrift vgl. 1,15 (= Dan 10,6); 4,1; 10,3 (der Engel schreit wie ein Löwe, die sieben Donner reden); 11,15; 12,10; 19,1.6; u. ö. – Die Stimme, die der Apok. hört, kann kaum eine andere als diejenige des Menschensohns sein (vgl. das Folgende). 1,11. λεγούσης[8] (falsche Beziehung des Partizips zu σάλπιγγος statt zu φωνήν)· ὃ βλέπεις γράψον εἰς βιβλίον καὶ πέμψον ταῖς ἑπτὰ ἐκκλησίαις. – Über die sieben Städte (und die Überlieferung ihrer Namen) s. Genaueres im Folgenden. – Die Aufzählung der Städte erfolgt in geographischer Reihenfolge von Süden nach Norden: Ephesus, Smyrna, Pergamon und von Norden nach Süden: Thyatira, Sardes, Philadelphia, Laodicea. Es ist überflüssig zu fragen, weshalb der Apok. einige Zentren der Christenheit in Kleinasien nicht genannt hat (Troas, Colossae, Hierapolis, Milet); da er an die Zahl sieben offenbar gebunden war, konnte er nicht alle nennen. Von vornherein wird auch hier klar, daß der Apok. keine wirklichen Briefe, sondern eine Apokalypse schreibt.

1,12. καὶ[9] ἐπέστρεψα βλέπειν τὴν φωνὴν, ἥτις ἐλάλει μετ’ ἐμοῦ, καὶ ἐπιστρέψας εἶδον ἑπτὰ λυχνίας χρυσᾶς. Die Deutung dieses Symbols versucht der Apok. in 1,20 selbst zu geben. Jedenfalls erinnern die sieben Leuchter an das alttestamentliche Kultsymbol Ex 25,31ff.; 37,17ff., den siebenarmigen Leuchter, und ebenso an die Vision Sach 4,2(10) von den sieben Lampen. Mit Recht macht Gunkel (s. u.) jedoch darauf aufmerksam, daß der Unterschied zwischen Symbolen – dort ein Leuchter mit einem Hauptarm und sechs Seitenarmen (Ex) oder ein Leuchter mit sieben Armen (Sach), hier sieben selbständige Leuchter neben einander – nicht irrelevant sei. Die verschiedenen Symbole haben allerdings alle dieselbe Grundbedeutung, sie stellen – davon hat auch noch die jüdische Überlieferung etwas gewußt[10] – Sternen-(Planeten-)Gottheiten dar. „Der Unterschied des alttestamentlichen und des in der Apk vorausgesetzten kultischen Symbols ist, daß bei jenem die Mächte des Himmels als selbständige Größen aufgefaßt sind“ (vgl. Schöpfung und Chaos 294-302). Doch hat der Apok. von alledem kaum noch eine Ahnung. Er deutet das alte Bild nachher in seiner Weise. 1,13. καὶ ἐν μέσῳ τῶν [ἑπτὰ][11] λυχνιῶν ὅμοιον υἱὸν[12] ἀνθρώπου (Dan 7,13). Da 14,14 ὅμοιον υἱόν überwiegend bezeugt [194] ist, so wird auch hier so zu lesen sein. Dann liegt hier ein grobes Sprachversehen vor. Die folgende Vision hat nun nicht auf das Ganze des Buchs ihre Beziehung, sondern wesentlich auf die sieben Sendschreiben. Das deutet der Apok. schon dadurch an, daß er den Menschensohn stehend oder wandelnd zwischen den sieben Leuchtern (nach ihm den sieben Gemeinden) erscheinen läßt. ἐνδεδυμένον ποδήρη. Dan 10,5: καὶ ἰδοὺ ἀνὴρ εἷς ἐνδεδυμένος βύσσινα (LXX; βαδδείν Theod.) (לָבוּשׁ בַּדִּים). ποδήρης wird Ex 28,4.27.(31) (vgl. Sir 50,11) das lange bis auf die Füße reichende Oberkleid des Hohenpriesters von blauem Purpur genannt (מְעִיל), vgl. Sap. Sal 18,24: ἐπὶ γὰρ ποδήρους ἐνδύματος ἦν ὅλος ὁ κόσμος. Sir 27,8. Im Exodus wird ausdrücklich neben dem Poderes noch der Chiton genannt. Bei Josephus (Antiq. III 153: ἔστι δὲ τοῦτο τὸ ἔνδυμα ποδήρης χιτών... III 159: ἐπενδυσάμενος δ’ ἐξ ὑακίνθου πεπονημένον χιτῶνα, ποδήρης δ’ ἐστὶ καὶ οὗτος) scheint eine andre Überlieferung vorzuliegen, wenn nicht bei ihm χιτών die Bedeutung des Oberkleides hat. — καὶ περιεζωσμένον πρὸς τοῖς μαστοῖς (?) (CPQ Min.; μαζοῖς A An.¹²³; μασθοῖς ℵ; nach Suidas wird μαζός gewöhnlich beim Manne, μαστός und μασθός vom Weibe gebraucht, vgl. Stephanus, Thesaurus; demgemäß erscheint die Lesart μαζός als Korrektur) ζώνην χρυσᾶν. Der Zug stammt wahrscheinlich aus Dan 10,5 Theod.: καὶ ἡ ὀσφὺς αὐτοῦ περιεζωσμένη ἐν χρυσίῳ Ὠφάζ (LXX περιεζωσμένος βυσσίνῳ). Einen goldenen Gürtel trägt nach I Mak 10,89 der König, der Hohepriester nur einen mit Gold verzierten Ex 28,8; 39,5. Die hohe Gürtung (πρὸς τοῖς μαστοῖς) ist dagegen priesterliche Weise (Jos. Ant. III 153 ποδήρης ... ὃν ἐπιζώννυνται κατὰ στῆθος ὀλίγον τῆς μασχάλης). Falsch beziehen demgemäß Züll., Spitta die Gürtung auf die Stellung des Ruhenden. Man beachte, daß der Menschensohn in der Tracht des Königs und Hohenpriesters erscheint.

1,14. ἡ δὲ κεφαλὴ αὐτοῦ καὶ αἱ τρίχες λευκαὶ ὡς[13] ἔριον λευκὸν ὡς χιών. Dan 7,9ff. Theod.: καὶ τὸ ἔνδυμα αὐτοῦ ὡσεὶ χιὼν λευκὸν καὶ ἡ θρὶξ τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ ὡσεὶ ἔριον καθαρόν. LXX: ἔχων περιβολὴν ὡσεὶ χιόνα καὶ τὸ τρίχωμα τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ ὡσεὶ ἔριον λευκὸν καθαρόν. Die Vergleichung dieser Parallelstelle verbietet, mit Haußleiter nach der altlateinischen Übersetzung (f Pr. Cypr. velut lana ut nix) etwas von dem überladenen Ausdruck zu streichen. Schwierig ist es, das Verhältnis von κεφαλή und τρίχες zu bestimmen. Entweder steht der Hauptbegriff voran, und folgt dann der Begriff, auf den es eigentlich ankommt (sein Haupt, nämlich seine Haare; vgl. Dan ἡ θρὶξ τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ), oder es ist mit κεφαλή der Bart, mit τρίχες das Haupthaar gemeint. Es ist sehr bedeutsam, daß der Menschensohn in derjenigen Majestät erscheint, in der bei Dan der Alte der Tage, der Weltrichter Gott selbst gezeichnet ist. Vgl. dazu 1,17.18; 2,8, vor allem 22,12.13. — Hen 46,1 hat diese Übertragung der Prädikate noch nicht stattgefunden, dieselbe scheint spezifisch neutestamentlich [195] zu sein. Und zwar erscheint Christus erst in den späteren Stücken der Evangelienüberlieferung (doch vgl. auch II Kor 5,10) direkt als Weltrichter. καὶ οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτοῦ ὡς φλὸξ πυρός. 2,18; 19,12. Dan 10,6: καὶ οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτοῦ ὡσεὶ λαμπάδες πυρός. Dan 7,9 ist der Thron Gottes (ὡσεὶ) φλὸξ πυρός. Bei einem so überkommenen Bild darf man nicht viel im einzelnen ausdeuten. 1,15. καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ.. Zu vergleichen sind zunächst die Parallelen Dan 10,6 Theod.: καὶ τὰ σκέλη ὡς ὅρασις χαλκοῦ στίλβοντος. LXX: καὶ οἱ πόδες ὡσεὶ χαλκὸς ἐξαστράπτων (כְּעֵ֖ין נְחֹשֶׁת קָלָל); Ez 1,27: καὶ ἴδον ὡς ὄψιν ἠλέκτρου (כְּעֵין חַשְׁמַל) ἀπὸ ὁράσεως ὀσφύος καὶ ἐπάνω, καὶ ἀπὸ ὁράσεως ὀσφύος καὶ ἕως κάτω ἴδον ὡς ὅρασιν πυρὸς, καὶ τὸ φέγγος αὐτοῦ κύκλῳ; Ez 1,7: ἐξαστράπτων χαλκός (כְּעֵין נְחֹשֶׁת) vgl. noch 1,4; 8,2. Eine Erklärung, was unter χαλκολ. zu verstehen sei, gibt Suidas s. v.: χαλκολίβανον εἶδος ἠλέκτρου τιμιώτερον χρυσοῦ. ἔστι δὲ τὸ ἤλεκτρον ἀλλότυπον χρυσίον μεμιγμένον ὑελῷ καὶ λιθείᾳ. Danach wäre also χαλκολίβανον eine Art ἤλεκτρον und dafür spricht auch, daß die LXX gerade dieses Wort in der parallelen Stelle im Ezechiel hat. ἤλεκτρον oder ἤλεκτρος aber ist der Name für Metallmischungen verschiedenster Art, gewöhnlich und wohl auch in diesem Fall eine Goldmischung[14]. Dieser Deutung entspricht nun auch die lateinische Übersetzung des rätselhaften Wortes aurichalcum (vg. Cypr. Prim. auricalco Libani!). Die gewöhnliche Bedeutung von aurichalcum ist allerdings Messing. Man verstand aber darunter auch ein kostbares Metall, vgl. Plautus. Pseud. 688: aurichalco contra non carum fit meum mendacium. Nach Cicero, de offic. III 23,12 hat es einen goldenen Glanz (Goldbronze?). Wenn so die Bedeutung des χαλκολίβανον feststeht, so ist es um so schwerer, das Wort selbst, das ganz singulär ist, zu erklären. Oecumenius (?) in Apk 196,7 (Cramer) erklärt: εἴτε τὸν ἐν τῷ Λιβάνῳ τῷ ὂρει μεταλλευόμενον εἴτε καὶ τὸν χαλκοείδη λίβανον νοητέον. (Stephanus Thesaurus). Sehr künstlich aber nicht ganz unmöglich erklärt Züllig: „Das Erz, welches einen Weihrauchnamen hat“, wobei daran zu denken wäre, daß χαλκολίβανον = ἤλεκτρον und dieses wieder eine Harzgattung (Bernstein) ist. Ganz abzuweisen als sinnlos und den Parallelen im alten Testament widersprechend, ist die Erklärung, daß χαλκολίβανον wirklich eine Weihrauchart sei. (Ewald, nach Ausonius bei Salmasius exerc. 810 bei Wtst.: ὁ λίβανος ἔχει τρία εἴδη δένδρων, καὶ ὁ μὲν ἄρρην [196] ὀνομάζεται χαλκολίβανος, ἡλιοειδὴς καὶ πυῤῥὸς ἤγουν ξανθός). Jedoch könnte die Stelle immerhin zur Erklärung herangezogen werden. χαλκολίβανον wäre das jener Harzart an Aussehen ähnliche Metall. – ὡς ἐν καμίνῳ „πεπυρωμένῳ“. So ist wahrscheinlich mit ℵ 16. 46. 69. 88 vg. c s¹² ae. sa. Ir. Vict. zu lesen und dann auf χαλκολίβανῳ zu beziehen, wie fast sämtliche Übersetzer es auch verstanden haben, zumal da κάμινος im neuen Testament Femininum ist (9,2; Mt 13,42.50). Bei der Lesart „πεπυρωμένοι“ (mit PQ Rel.), wäre dies auf πόδες zu beziehen, also parallel dem ὅμοιοι zu verstehen. AC lesen πεπυρωμένης. Die Erklärung dieser Lesart bietet die altlatainische Übersetzung, welche sicut de fornace ignea las (Prim. Matern. cf. Cypr.), also im Griechischen ὡς ἐκ καμίνου πεπυρωμένης voraussetzt. Auch diese letztere Variante gibt einen guten Sinn: Und sein Füße waren Golderz gleich, so wie es aus durchglühtem Ofen kommt. καὶ ἡ φωνὴ αὐτοῦ ὡς φωνὴ ὑδάτων πολλῶν. vgl. Ez 1,24 (43,2); Dan 10,6 LXX: καὶ τὸ σῶμα αὐτοῦ ὡσεὶ θαλάσσης ... καὶ φωνὴ λαλιᾶς αὐτοῦ ὡσεὶ φωνὴ θορύβου (Theod. ὄχλου).

1,16. καὶ ἔχων ἐν τῇ δεξιᾷ [χειρὶ][15] αὐτοῦ ἀστέρας ἑπτὰ. Die sieben Sterne sind für den Apokalyptiker ein geheimnisvolles Symbol, das er 1,20 sich zu deuten bemüht. Wir werden also anzunehmen haben, daß er das hier vorliegende Bild schon übernommen habe. Es gehört jedenfalls in dieselbe Reihe, wie die sieben Geister 1,4, Leuchter 1,12, Fackeln 4,5, Augen 5,6. Neben dem Zug des Wandelns unter den sieben Leuchtern ist dieser übrigens der einzige in dem vorliegendem Bilde, der dem Apok. eigentümlich ist. – Es mag immerhin erwähnt werden, daß in der von Dieterich herausgegebenen „Mithrasliturgie“ der Gott Mithras dem Mystagogen erscheint: κατέχ(ων) τῇ δεξιᾷ χειρὶ μόσχου ὦμον χρύσεον, ὅς ἐστιν ἄρκτος (S. 14, Z. 17): Mithras mit dem Bärengestirn in der Rechten. Mag hier nun wirklicher oder bloß scheinbarer Zusammenhang vorliegen, jedenfalls löst sich von hier aus die Frage, wie es zu denken sei, daß der Menschensohn sieben Sterne in der Hand halte. Die sieben Sterne sind ein zusammenhängendes Sternbild (vgl. 1,20). καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ῥομφαία δίστομος ὀξεῖα[16] ἐκπορευομένη. Vgl. 19,15; Jes 11,4 (49,2); Sap. Sal. 18,15 (Attribut des Logos); Ps. Sal. 17,24.35 (vom Messias); Hbr 4,12 (vom Wort Gottes); IV Esr 13,4.10; II Th 2,9. Es liegt hier eine unschöne Eintragung einer durchaus bildlichen Wendung in eine reale Erscheinung vor. καὶ ἡ ὄψις (nur hier und Joh 7,24; 11,44; es ist schwer zu entscheiden, ob mit 7,24 Aussehen, oder mit 11,44 Angesicht zu übersetzen ist. vgl. Apk 10,1) αὐτοῦ ὡς ὁ ἥλιος φαίνει[17][197] ἐν τῇ δυνάμει αὐτοῦ. Vgl. Ri 5,31: καὶ οἱ ἀγαπῶντες αὐτὸν ὡς ἔξοδος ἡλίου ἐν δυνάμει αὐτοῦ. (כְּצֵאת הַשֶּׁ֖מֶשׁ בִּגְבֻרָתֹו). Zu übersetzen ist: Und sein Aussehen (war), wie die Sonne scheint in ihrer Kraft (d. h. dann, wenn sie in voller Macht strahlt).

1,17. καὶ ὅτε εἶδον αὐτὸν, ἔπεσα πρὸς τοὺς πόδας αὐτοῦ ὡς νεκρός. Diese Schilderung des Schreckens und der Furcht des Sehers ist in der Apokalyptik allmählich stereotyp geworden; vgl. Jes 6,5; Ez 1,28; Dan 8,18; 10,9.11; Hen 14,14.24f. u. ö. καὶ ἔθηκεν[18] τὴν δεξιὰν αὐτοῦ[19] ἐπ’ ἐμὲ λέγων· μὴ φοβοῦ. vgl. Dan 10,10.12; Mt 14,27; 17,7; Lk 1,13.30; 2,10; Mk 16,6. – ἐγώ εἰμι ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος. Erst dieses Wort bringt eine originale Wendung und entspricht wiederum ganz der hochgespannten christologischen Auffassung des Apokalyptikers (22,13). Dasselbe Wort wird 1,8 von Gott gebraucht (s. dort die alttestamentlichen Parallelen). – 1,18. καὶ ὁ ζῶν. Auch dieses speziell Gott zukommende Prädikat (4,9.10; 10,6; Sprachgebrauch der spätjüdischen Literatur, vgl. Rel. d. Judentums 293) des Lebendigen an sich wird hier dem Menschensohn zugeeignet. Denn kaum ist mit Haußleiter nach g fu. Tic. Pr. das ὁ ζῶν zu streichen. ὁ ζῶν hat auch neben dem πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος einen guten Sinn und erst recht vor dem καὶ ἐγενόμην νεκρός. Gegen alle Kürzungen des lateinischen Textes muß man sehr mißtrauisch sein. καὶ ἐγενόμην νεκρὸς καὶ ἰδοὺ ζῶν εἰμι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων[20]. Der Satz verhält sich zum nachstehenden wie Grund zur Folge. καὶ ἔχω τὰς κλεῖς[21] τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου[22]. vgl. 6,8; 20,13f. Im alten Testament erinnert an diese Ausdrücke das Bild von den Pforten des Todes Ps 9,14; ᾅδης ist in LXX Übersetung von שְׁאֹול Jes 38,10, צַלְמָוֶת Job 38,17. Die Schlüsselgewalt[23] über den Tod ist nach rabbinischer Auffassung etwas, was nur Gott zukommt vgl. Targ. Hieros. zu Dtn 28,12: „Vier Schlüssel sind übergeben in die Hand des Herrn der Welt, welche er keinem Fürsten übergeben hat, die Schlüssel des Lebens, der Gräber, der Speise, des Regens (vgl. ebend. zu Gen 30,22). Sanhedrin 113a: „Elias erbat sich die Schlüssel des Regens und der Auferstehung. Da ward ihm gesagt, drei Schlüssel werden in die Hand eines Gesandten nicht gegeben, die Schlüssel der Geburt, der Auferstehung, des Regens“. Vgl. Taanith 2a u. ö. Gfrörers, Jahrhundert d. Heils I 377. Es bedeutet also etwas, daß Christus durch Tod und Auferstehung zum Schlüsselherren des Todes und des Hades geworden ist. Dann haben wir hier eine der frühesten Spuren der Lehre der Hadesfahrt Christi und ihrer Bedeutung. Der Mythus von einer in den Hades hinabsteigenden und die Mächte des [198] Hades bezwingenden Gottheit, der schon lange vor dem Beginn der christlichen Religion sich ausbildete, ist frühzeitig auf Christus adaptiert. „Wir erinnern uns dabei an die babylonisch gnostischen Mythen von der Überwindung der Todesmächte durch einen göttlichen Helden, der in die Unterwelt hinabgestiegen, deren Tore erbrochen, deren Schlüssel erobert habe und als Sieger über Tod und Hölle wieder zur Welt des Lebens und Lichtes zurückgekehrt, zum Retter und Bürgen des Lebens für die Seinen geworden sei.“ Pfleiderer, Urchristentum² II 288. Man vergleiche die Mythen von der Höllenfahrt der Isthar; des Hibil-Ziwa bei den Mandäern, des Urmenschen im System Manis, dem Herabsteigen des Erlösers (des „ἄνθρωπος“) in zahlreichen gnostischen Sekten. Es ist vielleicht kein Zufall – das beweist der Überblick über diese Parallelen – daß die Idee der Hadesfahrt gerade in der Vision vom „Menschengestaltigen“ erscheint. Die weitverzweigten Mythen vom „Menschen“ (Urmenschen) und von der Hadesfahrt scheinen eng zusammenzugehören. – Die Genetive τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου – können als Gen. possessivi oder objectivi aufgefaßt werden. Im ersteren Fall sind θάνατος und ᾅδης als Personen aufgefaßt, die im Besitz der Schlüssel sind, im zweiten Fall als Lokalitäten (θάνατος etwa gleich Reich des Todes). Da der Apokalyptiker 6,8 Tod und Hades personifiziert, so ist die erstere Deutung wahrscheinlich. Beide Genetive verschieden zu deuten und nur den Tod als Person aufzufassen (Dstd.), geht kaum an. – Die ganze Anrede an den Seher hat zunächst den Zweck, ihn wieder zu ermutigen. Daher aber führt der Weltenrichter sich in seiner vollen Majestät ein, als der ewig Lebendige, der Herr über Tod und Hades, um seinen Seher auszurüsten mit der Bußpredigt, wie mit verheißungsvollem Trost.

1,19. γράψον οὖν, ἃ εἶδες καὶ ἃ εἰσὶν καὶ ἃ μέλλει[24] γίνεσθαι (mit ℵcA. Min; γενέσθαι lesen ℵCPQ An.¹²³, s. o. S. 169) μετὰ ταῦτα. vgl. 1,2; 4,1. Als der Herr über Tod und Hölle befiehlt Christus dem Seher, die Gerichtsvisionen zu schreiben. Und zwar soll er zunächst schreiben, was er gesehen hat, d. h. in erster Linie die bedeutungsvolle, dem ganzen voranstehende majestätische Erscheinung des Weltrichters. Weiter soll er zeugen von dem „was ist“. Denn die Übersetzung von ἃ εἰσιν, was es bedeutet, wonach dann die Gemeindeschreiben nur Auslegungen der vorstehenden Vision wären (so zuletzt noch Sp.), scheitert schon an dem Gegensatz: καὶ ἃ μέλλει γίνεσθαι μετὰ ταῦτα (vgl. 4,1 ἃ δεῖ γενέσθαι μετὰ ταῦτα, was sicher nicht = ἐν τάχει ist), und somit ist die natürliche und sich von selbst darbietende temporale Bedeutung von ἃ εἰσιν festzuhalten. Dann aber bezieht sich dieses ἃ εἰσιν (vgl. 4,1) auf die Briefe, in denen ja allerdings in erster Linie gegenwärtige Verhältnisse behandelt werden, wenn auch immerhin Zukunftsweissagungen in ihnen vorkommen. 1,19 ist also eine Disposition des folgenden gegeben, die in 4,1 deutlich wieder aufgenommen wird.

[199] 1,20. τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων, οὓς[25] εἶδες ἐπὶ[26] τῆς δεξιᾶς μου, καὶ τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς – οἱ ἑπτὰ ἀστέρες ἄγγελοι τῶν ἑπτὰ ἐκκλησιῶν εἰσιν[27], καὶ αἱ λυχνίαι αἱ ἑπτὰ[28] ἑπτὰ ἐκκλησίαι εἰσίν. Es liegt hier ein Anakoluth vor, das etwa aufzulösen ist: Das Geheimnis der sieben Sterne und die sieben Leuchter anlangend, so sind etc. Dagegen ist kaum τὸ μυστήριον als weiteres Objekt zu dem doch vollständig abgeschlossenen V. 19 zu ziehen. τὰς ἑπτὰ λυχνίας schließt sich außerdem ganz irregulär an den Akkus. in dem vorausgegangenen Relativsatz an. Der Apokalyptiker deutet hier zwei Züge aus dem im vorhergehenden gezeichneten Bild weiter aus, bemerkenswerter Weise übrigens gerade die Züge, in denen er seinen alttestamentlichen Vorbildern gegenüber selbständig ist. Und er führt diese Deutung feierlich als Deutung eines μυστήριον ein, dessen Erklärung einer besondern Kunstfertigkeit bedarf. Es liegt hier spezifisch apokalyptische Manier vor. In ähnlich feierlicher Weise führt er andre geheimnisvolle Deutungen apokalyptischer Rätsel ein 13,18; 17,7.9. Zu vergleichen ist noch die Art, wie Mk 13,14 (und Parallelen) das βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεως eingeführt wird, wie auch Paulus Röm. 11,25; I Kor 15,51 ein eschatologisches Geheimnis seinen Lesern anvertraut, wie endlich der Apokalyptiker selbst 10,7 von dem Geheimnis redet, das Gott seinen Knechten, den Propheten, verkündet hat (vgl. noch Mk 4,11; Mt 13,11; Eph 5,32). Alle diese Parallelen legen nun die Annahme nahe, daß der Apok. hier nicht von ihm selbst erfundene Symbole nachträglich deutet, sondern daß er sich hier an der Deutung alter überlieferter, geheimnisvoller Bilder versucht. Es wird sich daher auch fragen, ob er dieselben richtig erklärt hat. Verschiedene Spuren weisen darauf hin, daß die hier gegebene Deutung erst eine nachträglich angepaßte ist. So finden wir 4,5 ein ganz ähnliches Symbol, wie das der sieben Leuchter, die sieben Fackeln, auf die sieben Geister gedeutet. Ebenso liegt es nahe, aus 3,1 eine Beziehung der sieben Geister auf die sieben Leuchter anzunehmen. Denn wenn es dort vom Menschensohn heißt ὁ ἔχων „τὰ ἑπτὰ πνεύματα“ .... καὶ τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας und doch irgend eine Rückbeziehung zu der vorhergehenden Vision angenommen werden muß, so liegt es nahe die sieben Leuchter und die sieben Geister zu identifizieren. Nach 1,20 aber sollen die sieben Leuchter und die sieben Gemeinden identisch sein. Die verschiedenen Deutungen, welche diese Symbole in der Apk erhalten, wie die Tatsache, daß in dem einen Bilde zwei Symbole von derselben ursprünglichen Bedeutung (s. o.) nebeneinanderstehen, weisen nun aber nicht mit zwingender Notwendigkeit auf die Annahme hin, daß mehrere Hände an diesem Stück der Apk gearbeitet hätten. Sp. nimmt auf Grund ähnlicher Beobachtungen in 1,20 die Hand des Redaktors an. Aber es bleibt die Annahme möglich, daß einmal geprägte und vorgefundene alte Symbole, von deren ursprünglicher Bedeutung der Apok. noch eine gewisse Ahnung hatte, [200] von ihm künstlich bald so, bald anders gedeutet wurden. Auch wir pflegen mit Symbolen in derselben Weise zu spielen und ihnen bewußt bald diese bald jene Deutung unterzulegen.

Vor allem aber haben wir nun unsre Aufmerksamkeit darauf zu richten, wie der Apok. die beiden Symbole hier verstanden haben will. Die Deutung der sieben Leuchter auf die sieben Gemeinden ist in sich klar, große Schwierigkeit aber bereitet die andere der sieben Sterne auf die sieben Engel der Gemeinden. Jedenfalls sind damit die im Eingang der einzelnen Sendschreiben erwähnten ἄγγελοι gemeint. Aber wer sind diese ἄγγελοι? 1) Nach Ebr. Sp. sollen Boten der einzelnen Gemeinden gemeint sein, nach Ebr. nur in der Vision existierende, nach Sp. wirkliche Boten, welche die einzelnen Gemeindeschreiben überbringen sollen. Doch ist die Vorstellung Sp.s, daß im folgenden wirklich sieben durch Boten zu überbringende Gemeindeschreiben vorlägen, eine durchaus unglückliche. (Der anderen Schwierigkeit, die dieser Deutung entgegensteht, wie nämlich Sterne Symbole für einfache Boten sein sollen, entgeht Sp., indem er 1,20 dem Redaktor zuweist). 2) Vitr., de Synag. vet. ed. II 889-914, Comm. in apoc. ed. II p. 25; Lightfoot, Horae Hebr. ad Mt 4,23; Schoettgen p. 1089 zu Ap 2,1, Beng., Eichh., Heinr., Ew. u. a. finden hier den שְׁלׅיחַ צׅבּוּר, den Synagogenboten (Diener) wieder, ebenfalls eine unmögliche Anschauung, weil an einen untergeordneten Beamten nicht zu denken ist (auch nicht etwa an den Vorleser, wie aus dem Inhalt der Gemeindeschreiben hervorgeht). 3) Mit Berufung auf Mal 2,7 und das Symbol der Sterne für die Lehrer fanden eine große Zahl der Ausleger hier hervorragende Gemeindeglieder: Vorsteher, Lehrer, Bischöfe oder Presbyter. Der Apok. hätte dann also die im Bilde vorgefundenen sieben Sternenengel auf hervorragende Persönlichkeiten der Gemeinden, an die er schrieb, gedeutet. Da unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieser Auslegung mit dem ἄγγελος jedesmal nur eine Persönlichkeit gemeint sein muß, die an der Spitze der Gemeinde steht, so kann eigentlich nur der Bischof in Betracht kommen (so neuerdings Zahn Einl. II 606. J. Weiß 49). Dagegen kann nicht der sonstige Sprachgebrauch der Apk hinsichtlich des Wortes ἄγγελος sprechen. Aber ungelöst bleibt die Frage, weshalb denn in aller Welt die ἐπίσκοποι hier plötzlich ἄγγελοι genannt werden. Man kann sich auch schwer vorstellen, daß neben Johannes bereits ein Bischof die Gemeinde in Ephesus regiert hätte, zumal wenn es richtig ist, daß noch der dritte Johannesbrief gerade die „johanneischen“ Kreise in einem starken Antagonismus zur Episkopalverfassung zeigt[29]. 4) Weit verbeitet ist auch die Anschauung, daß der [201] ἄγγελος der Gemeinde diese selbst sei (also der personifizierte Gemeindegeist). Dagegen spräche, daß dann ein Symbol, die Sterne, auf ein anderes Symbol, die Engel, gedeutet wäre. Will man aber die Engel als Realitäten auffassen, so kommt man 5) zu der jüdischen Auffassung von Schutzengeln[30] (Vlkm., Hilgf., Hltzm., Weyl.[31] [vgl. den ἄγγελος ἔφορος bei den Rabbinen Wtst.]). Diese Erklärung hat schon deshalb am meisten für sich, weil sie es ermöglicht, bei dem doch wahrscheinlich ursprünglichen Sinn der Sterne (= Geister, Engel) vollständig stehen zu bleiben. Der Apok. hätte dann die Vorstellung, daß der Menschensohn Herr der sieben (großen) Geister ist, hier der gegenwärtigen Situation so angepaßt, daß er ihn als Herrn der sieben über die einzelnen Gemeinden herrschenden Engelfürsten resp. der Genien der Gemeinden auffaßt. Nimmt man an, daß hier eine ziemlich mühselige Umdeutung einer älteren Vorstellung vorliegt, dann erklärt sich auch manches Sonderbare in der Vorstellung, und fällt mancher Einwurf gegen diese Erklärung. Denn merkwürdig bleibt immerhin die Vorstellung, daß der Seher den Engeln der Gemeinden zu schreiben Befehl bekommt, die doch eines Briefes kaum bedürfen; offen bleibt die Frage, weshalb diese Mittelspersonen, die Engel, überhaupt hier erwähnt werden, zumal die Briefe sich doch ihrem Gehalt nach direkt an die Gemeinden wenden. Man kann wenigstens nicht mit Hltzm. sagen, in den Briefen rede der erhöhte Christus, und zwischen ihm und den Gemeinden seien solche Mittelspersonen notwendig. Denn der Erhöhte redet ja zu dem Seher, und dieser überbringt ja bereits als Mittelsperson den Gemeinden die Botschaft desselben. — Eher kann man darauf hinweisen, daß wie der Schutzengel eines Menschen oft als sein himmlischer Doppelgänger gedacht ist (Akt 12,15), so hier der Engel der Gemeinde nicht viel andres sein solle als die Gemeinde selbst. Dann kämen wir der Erklärung 4 wieder sehr nahe. — Aber diese Schwierigkeiten lösen sich, wenn man bedenkt, daß der Apok. in 1,20 ein μυστήριον kunstvoll deuten will, und daß es ihm dabei auf die innere Logik der Dinge nicht allzu genau ankommt.

Wir blicken zum Schluß noch einmal auf die ganze Vision zurück. Sie ist aus Einzelzügen alttestamentlicher Visionen zusammengewoben: Dan 7; 10; Ez 1 (Sach 4). Dazu gesellen sich einzelne neue Züge, die sieben Sterne in der Hand des Menschengestaltigen, die sieben Leuchter, unter denen er wandelt, vor allem die Schilderung des Menschengestaltigen, als des Gestorbenen und Lebendigen, des Herren über Tod und Hades. Im ganzen ist das Bild geschickt und einheitlich gezeichnet. Greßmann (israelitisch-jüdische Eschatologie 347) hat gut beobachtet, daß, während bei Dan 10 die beiden Vorstellungen einer nackten Gottheit mit einem Lichtleibe und der in ein Lichtgewand gehüllten [202] Gottesgestalt noch unvereinbart neben einander stehen, unser Apok. die Vorstellung ausgeglichen hat. Er schaut vom Leibe des Menschengestaltigen nur die wirklich vom Gewand entblößten Teile, nicht wie Dan den Leib und die Lenden. Ob der Apok. das ganze Bild selbst entworfen oder ob zwischen ihm und den alttestamentlichen Vorbildern noch Zwischenstufen anzunehmen sind, mag dahingestellt bleiben. Möglich, daß dem Apok. bereits eine ausführlichere Zeichnung des zum Hades gefahrenen Menschengestaltigen vorlag. Beachtenswert bleibt, daß er nicht den in den Evangelien so geläufigen Ausdruck υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου gebraucht, sondern das Altertümliche ὅμοιος υἱὸν (υἱῷ) ἀνθρώπου. Das weist vielleicht auf eine ältere Grundlage der Schilderung. Jedenfalls haben wir in dem Abschnitt ein grandioses Prooemium der ganzen Schrift. Die Gestalt, die der Apok. zeichnet, ist wuchtiger und eindringlicher als die der alttestamentlichen Parallelen. Sie ist ganz in Gold und Licht und Glanz getaucht. Geheimnisvoll erhaben klingt ihre Charakterisierung als die des Gestorbenen und doch Lebendigen. Als solche tritt sie dem Seher freundlich nahe: „Ich bin es, fürchte dich nicht“ und enthüllt sich ihm als der mächtige Gewalthaber über Hades und Tod. Dieser Herr ist es, der seinem Seher und seinen Gemeinden die folgenden Offenbarungen zu Teil werden läßt.


  1. CPQ Orig. An.; alle anderen κοινωνος.
  2. και εν τη βασιλεια P An.
  3. CP 38 g am. fu. tol. c s¹ Orig.; εν Χριστω Ιησου Q Rel. a f cle. harl. lips.⁴ (s²); εν χριστω A; ιησου χριστου An.¹² Pr. Der Sprachgebrauch der Apk (s. o. S. 176f.) macht die Entscheidung für Ιησους sicher.
  4. > δια A C An. vg. c Dionys. Pr.
  5. + Χριστου Q Rel s¹² c a ae. Pr.
  6. cCP An.¹² f s¹² Pr. (Tr.): φωνην μεγ. οπισθεν μου A; φων. οπισω μου μεγ. Q Rel., die verschränkte Wortstellung ist in dieser Klasse häufig (B. Weiß).
  7. Parallelen für Geistererscheinungen, die ὄπισθεν kommen, s. b. Wtst.
  8. Hier schieben P An. ein: εγω (ειμι το) αλφα και το ω (ο) πρωτος και ο εσχατος και nach 1,8; 21,6; 22,13.
  9. Q und die meisten Minuskeln haben και εκει.
  10. Vgl. Josephus, Bellum V 217, Ant. III 146. 182; Philo, quis rer. div. haer. 44 § 221ff. (Gunkel 126,4. 127,1).
  11. > ACP An.¹² c sa. ae. s¹² Ir. Cypr. Pr.; επτα wird sehr häufig ausgelassen, namentlich von P An. 6,1; 15,8; 16,1, von A An. 5,6; Bousset, Studien 10. A. 7.
  12. Q Rel.; υιω ACP An.¹³.
  13. ωσει CP An.¹²³; 13,3 lesen ℵACP An. ως, Q Rel. ωσει (sonst liest ℵ gerne ωσει 1,17; 16,13). In der Apk scheint durchgehends ως gebraucht zu sein.
  14. Vgl. nach Wetstein z. Stelle folgende Zeugnisse: Eustathius in Od. δ p. 150,13 ἤλεκτρος δὲ ἴσως μὲν καὶ ὕλη τις κατὰ τοὺς πολλοὺς χαλκώδης ἰδιαιτάτη παρὰ τὸν ἁπλῶς χαλκὸν, μάλιστα δὲ μῖγμά τι χρυσοῦ καὶ ἀργύρου. Bei lateinischen Schriftstellern finden wir zu electrum folgende Erklärung: Plinius H. N. 33,4: omnino auro inest argentum vario pondere. Ubicunque quinta argenti portio est, electrum vocatur. Servius, in Aen. VIII 402: electrum – quod fit de tribus partibus auri et una argenti ... Et ad lumina in convivio clarius auro et argento lucet. Bemerkenswert ist, daß an dieser Stelle das electrum auch als Mittel gegen Gift genannt wird. Auch daher mag seine besondre Wertschätzung stammen. Über die Art und die besondre Bedeutung dieser Mischmetalle vgl. die ausführlichen Darlegungen bei M. Berthelot, Collection des anciens alchimistes grecs. Introduction Paris 1888. p. 28-73. Namentlich bei der Kunst des Goldmachens spielten diese Mischmetalle eine große Rolle.
  15. > 10. 28. 95. 161 f g vg. a Cypr. Pr.; δεξια χειρι αυτου ℵACP An.; δ. αυτ. χ. Rel.; χ. αυτ. τη δ. Q s¹. Der Apok. bevorzugt das einfache δεξια vgl. 1,17; 1,20; 2,1; 5,1.7; Ausnahme 13,16; 10,5 (?).
  16. > 46. 48 f Vict. Cypr. Pr. ( > διστομος). Auch 2,12 lesen g Pr. την ρομφαιαν την διστομον > την οξειαν, 19,15 wo die meisten ρομφαια οξεια lesen (Q Rel. s² ρομφαια διστομος οξεια) lesen Pr. Cypr.cod. ρομφαια διστομος. Die lat. Zeugen lesen also an den drei Stellen gleichmäßig. Sie scheinen nicht verstanden zu haben, die Synonyma wiederzugeben.
  17. ℵ φαινει ως ο ηλιος, cf. f Pr. Cypr. splendebat ut sol.
  18. επεθηκεν ℵ An. (imposuit Cypr. Mat.).
  19. + χειρα ℵcc An.¹² (s. zu 1,16).
  20. +αμην ℵc Q Rel. s¹².
  21. ACP An.; κλειδας Q Rel.; κλειδα Orig. s¹.
  22. του αδου και του θανατου An.
  23. Über die weitverbreiteten Vorstellungen von der Schlüsselgewalt namentlich über Himmels- und Hades-Schlüssel vgl. W. Köhler, die Schlüssel des Petrus (Archiv f. Rel.-Wissensch. VIII 214-243). Ich weise besonders darauf hin, daß unter den Göttern der Mithrasreligion der schlüsseltragende löwenköpfige Aion erscheint.
  24. f vg. Pr.: quae oportet (δεῖ) fieri (cf. 1,1; 4,1); ℵ α δει μελλειν; C α δει μελλει, beides offenbare Mischlesarten.
  25. ων Q Min. Korrektur.
  26. εν τη δεξια A 81 f vg. Pr., Konformation nach 1,16.
  27. vg. Pr. εισι των επτα εκκλησιων (ℵ > εισι).
  28. αι επτα > 7. 28. 97. f. Pr.; αι επτα λυχνιαι ℵ An.; + ας ειδες P An.
  29. Auch Zahn hat mich mit seinen scharfsinnigen Ausführungen nicht überzeugt. Die richtige Erklärung wird von Z. mit dogmatischen Gründen abgewiesen. Alle Stellen, die Zahn zugunsten seiner Erklärung beibringt, lassen sich ebenso gut begreifen, wenn in dem ἄγγελος die durch den Engel repräsentierte Gemeinde angeredet wird. Andere Vermutungen, wie daß 2,9 auf den Märtyrertod des Polykarp gehe, und daß der Bischof von Sardes wegen 3,1 Zosimos oder Zotikos geheißen habe (so schon Bengel), können wir als reine Phantasien beiseite lassen. J. Weiß erklärt sich durch Zahn überzeugt, namentlich durch dessen Verteidigung der Lesart γυναῖκά σου 2,20, welche freilich die Streitfrage entscheiden würde. Ich kann die Lesart nicht mit WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Zahn für „zweifellos echt“ halten (s. den Komm. zur Stelle). Wenn übrigens Weiß die Hypothese Zahns akzeptiert, so stürzt er damit seine eigne von der frühen Abfassung der Briefe.
  30. Vgl. über die Idee der Schutzengel und deren Verbreitung in der spätjüdischen und anderen Religionen Bousset, Rel. d. Judentums, 317f.
  31. Schutzengel finden hier bereits Orig. Hom. 12 u. 13 in Luc.; de orat 11; Hieronym. zu Mt 18,10 (Vallarsi VII 139f); Andreas zu 1,20 (p. 8; unter unklarer Berufung auf Irenäus). Zahn II 611.
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Die Offenbarung Johannis
2,1-7. Ephesus »
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