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Die Offenbarung Johannis/2,1-7. Ephesus

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Die Offenbarung Johannis
2,8-11. Smyrna »
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Inhalt Kapitel 2,1-7. Ephesus
2,1 - 2,2 - 2,3 - 2,4 - 2,5 - 2,6 - 2,7
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Die Sieben Sendschreiben. Kap. 2-3.

2,1-7. Ephesus. 2,1. τῷ ἀγγέλῳ „τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας“[1] γράψον. Als erste unter den sieben Gemeinden ist Ephesus genannt, in Jonien am Kayster gelegen, die faktische Hauptstadt der Provinz, die sich selbst auf Münzen πρώτη μητρόπολις nannte, obgleich Pergamon die eigentliche und alte Attalidenhauptstadt war. Hier sein Amt anzutreten, war der Statthalter verpflichtet. Hier herrschte der Kultus der Diana. E. nannte sich die Neokorenstadt der Diana Akt 19,28. Später war E. auch Hauptsitz des Kaiserkultus. Unter Antoninus Pius nennt es sich auf den Münzen δισνεωκόρος, besaß also den Provinzialtempel mindestens eines Kaisers, vielleicht von zweien, da es unsicher ist, ob die Neokorie des Dianatempels nicht vielleicht als erste gerechnet ist (Mommsen V, 303ff. Büchner, de neocoria. Gießen 1888. Marquardt, römische Staatsverwaltung I, 340ff.). E. war der alte Missionssitz des Paulus, nach ihm wird nach der soweit glaubwürdigen Tradition Timotheus an der Spitze der Gemeinde gestanden haben. Jedenfalls ist Ephesus auch der Sitz des Apok. selbst, des kleinasiatischen Johannes, gewesen und steht auch aus diesem Grunde an der Spitze der sieben[203] Gemeinden. Einige wenn auch sehr spärliche Aufschlüsse über die spätere Entwicklung der Gemeinde gibt Akt 20,29ff. Hier erfährt man von Irrlehrern, die in E. eingebrochen sind: ἐξ ὑμῶν αὐτῶν ἀναστήσονται ἄνδρες λαλοῦντες διεστραμμένα τοῦ ἀποσπᾶν τοὺς μαθητὰς ὀπίσω ἑαυτῶν. Ob der „Epheserbrief“ wirklich an die Epheser gerichtet sei, steht dahin, ebenso ob die Hypothese zu Recht besteht, daß in Röm 16,1-20 ein nach Ephesus bestimmtes Schreiben vorliege. Dagegen bieten die beiden Timotheusbriefe allerlei Material für die späteren Zustände in Ephesus. Hervorgehoben mögen in diesem Zusammenhang nur die Hinweise auf das Vorhandensein judaisierender gnostischer Irrlehrer werden; I Tim 1,7 (θέλοντες εἶναι νομοδιδάσκαλοι) 4,1-3 u. ö. Vor Spaltungen warnt Ignatius ad Eph. 7,1: εἰώθασι γάρ τινες δόλῳ πονηρῷ τὸ ὄνοµα περιφέρειν, ἄλλα τινὰ πράσσοντες ἀνάξια θεοῦ, οὓς δεῖ ὑµᾶς ὡς θηρία ἐκκλίνειν. εἰσὶν γὰρ κύνες λυσσῶντες λαθροδῆκται, οὓς δεῖ ὑµᾶς ὡς θηρία ἐκκλίνειν. εἰσὶν γὰρ κύνες λυσσῶντες λατροδῆκται, οὓς δεῖ ὑµᾶς φυλάσσεσθαι ὄντας δυσθεραπεύτους. 9,1: ἔγνων δὲ παροδεύσαντάς τινας ἐκεῖθεν, ἔχοντας κακὴν διδαχὴν, οὓς οὐκ εἰάσατε σπεῖραι εἰς ὑµᾶς, βύσαντες τὰ ὦτα (cf. c. 16).

τάδε λέγει ὁ κρατῶν τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ, ὁ περιπατῶν ἐν μέσῳ τῶν ἑπτὰ λυχνιῶν τῶν χρυσῶν. vgl. 1,13.16; statt des ἔχων dort steht hier κρατῶν, dort nur ἐν μέσῳ hier περιπατῶν. Das Attribut „wandelnd“ in Mitten der sieben Leuchter ist mit sichtlicher Beziehung auf 2,5b gewählt. Die Zusammenstellung der sieben Sterne und Leuchter macht übrigens wahrscheinlich, daß 2,1 von derselben Hand geschrieben ist, wie 1,20. Mit einem gewissen Nachdruck wird beim ersten Sendschreiben der Menschensohn als Herr der über den Gemeinden waltenden Engel und der sieben Gemeinden selbst geschildert.

2,2. οἶδα τὰ ἔργα σου, καὶ τὸν κόπον[2] καὶ τὴν ὑπομονήν σου[3]. Das σου ist mit Absicht nicht zu κόπος gesetzt, weil ἔργα der Oberbegriff κόπος und ὑπομονή die beiden Arten der gemeinten ἔργα sind. „Ich kenne deine Werke, deine Mühe und Geduld“! κόπος ist die mühevolle Arbeit, ὑπομονή die tragende Geduld (I Th. 2,9; II Kor 6,5). Es sind demgemäß auch nicht alle drei Momente gleichzustellen und gleichmäßig auf den Kampf mit den Irrlehrern zu beziehen (dem widerspricht schon der Ausdruck ὑπομονή). Jedoch ist nun auch nicht das folgende „καὶ ὅτι οὐ δύνῃ βαστάσαι“ als drittes Moment κόπος und ὑπομονή beizuordnen, auch wird mit diesem Ausdruck nicht κόπος und ὑπομονή erklärt, wogegen wieder der Ausdruck ὑπομονή spricht. Vielmehr ist, da in V. 3 der Begriff ὑπομονή wieder aufgenommen und erläutert wird, der dazwischen liegende V. 2b offenbar Erläuterung zu κόπος[4]. Demgemäß haben wir in V. 2-3: a) einen Oberbegriff, ἔργα, die b) zerfallen in die beiden Arten κόπος und ὑπομονή, und diese wiederum werden c) in V. 2b und 3 näher erklärt. Die Werke der Gemeinde bestehen einmal im Kampf gegen die Irrlehrer (κόπος) und zum zweiten im Dulden wegen des Namens Christi (ὑπομονή). [204] Eine merkwürdige Parallele zu diesem Vers bietet übrigens I Th 1,3: μνημονεύοντες ὑμῶν τοῦ ἔργου τῆς πίστεως καὶ τοῦ κόπου τῆς ἀγάπης καὶ τῆς ὑπομονῆς τῆς ἐλπίδος. – [καὶ s. o. 203,3] ὅτι οὐ δύνῃ[5] βαστάσαι κακούς. Das findet seine Erklärung im Folgenden. καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους[6] καὶ οὐκ εἰσίν (zur Konstr. vgl. 1,5f.), καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς. πειράζειν (I Joh 4,1) ist = δοκιμάζειν (II Kor 13,5 vgl. Joh 6,6), auf die Probe stellen. Mit dem „Du hast sie auf die Probe gestellt ... und als Lügner befunden“ deutet der Apok. auf einen ganz bestimmten Vorgang der Vergangenheit hin, bei welchem sich die Gemeinde von den Irrlehrern geschieden hat. (Vgl. Ignat. ad Ephes. 9,1). Unter den falschen Aposteln versteht Sp. unter Verweis auf II Kor 11,13f.23 judaistische Sendlinge aus Jerusalem. Ganz unglücklich zieht Sp. noch zur Erläuterung den Ausdruck οἱ λεγόμενοι Ἰουδαῖοι 2,9; 3,9 heran, da dieser sicher auf wirkliche Juden und nicht auf christliche Irrlehrer gemünzt ist. Umgekehrt bezog die Tübinger Schule (Vlkm. Hilgf. Einl. 413. Z. w. Th. 1890, 408. Vlt.; unter Vorbehalt anderer Möglichkeiten auch Hltzm.) die falschen Apostel auf Anhänger des Paulus, oder gar auf Paulus selbst (besonders scharf Vlkm.). — Hier kann vorläufig nur die Frage aufgeworfen werden, wie die ψευδαπόσοτλοι sich zu den Nicolaiten in V. 6 verhalten, und diese ist bestimmt dahin zu beantworten, daß Nicolaiten und falsche Apostel identisch sind und keineswegs zwei verschiedene Erscheinungen[7], deren eine etwa der Gegenwart (Nicolaiten), deren andere der Vergangenheit (falsche Apostel) angehörte. V. 6 ist eine einfache Wiederaufnahme des V. 2 gespendeten Lobes, nach dem dazwischen stehenden Tadel. Man kann das nur verkennen, wenn man die πρῶτα ἔργα V. 5, die allerdings der Vergangenheit angehören, gegen den Zusammenhang mit den ἔργα in V. 2 identifiziert. Und doch ist es ganz klar, daß unter den ἔργα V. 2 der Kampf gegen die Irrlehrer und die Geduld in Leiden zu verstehen sind, während mit den πρῶτα ἔργα die erste brüderliche Liebe gemeint ist. Die entgegenstehende Meinung ist auch deshalb verfehlt, weil der Apk durch die Tempora V. 2 δύνῃ, V. 3 ὑπομονὴν ἔχεις es ganz deutlich ausspricht, daß er V. 2 von ἔργα redet, welche die Gemeinde in der Gegenwart ganz und voll erfüllt. Auch das ἐπείρασας macht unsre Auffassung nicht unmöglich. Es können sehr wohl dieselben Leute sein, welche die Gemeinde in der Vergangenheit verworfen hat und jetzt noch immer als außerhalb der Gemeinde Stehende haßt. Wer die falschen Apostel sind, läßt sich also erst im Zusammenhang des V. 6 besprechen. Jedenfalls zwingt der Name Apostel keineswegs, mit dem Ansatz für unser Kapitel bis in die apostolische Zeit hinaufzugehen. Vgl. Didache 11,4-6.

2,3. καὶ ὑπομονὴν ἔχεις καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου. Die Tempora sind genau parallel dem οὐ δύνῃ – ἐπείρασας. Es wird [205] beide Male eine noch vorhandene Beschaffenheit der Gemeinde geschildert, die eine hervorragende Bestätigung in einer Tatsache der nächsten Vergangenheit gefunden hat. Schon die Abschreiber haben die Auswahl der Tempora nicht verstanden, indem sie teils in ὑπομονὴν εἶχες, ἔσχες (Pr.) verbesserten, teils ἐβάστασας [με!] καὶ ὑπομονὴν ἔχεις lasen (P An.). Mit ὑπομονὴν ἔχεις wird nun eben deutlich auf ὑπομονή in V. 2 zurückgewiesen und die Geduld näher als Geduld in Verfolgungsleiden (διὰ τὸ ὄνομά μου), bestimmt, und zwar wird ἐβάστασας auf eine bestimmte in der Vergangenheit liegende Bedrängnis hingewiesen. Daß an Verfolgungen zu denken sei, die mit der Abweisung der Irrlehrer zusammenhängen, ist durch nichts im Text angedeutet. {{SperrSchrift|καὶ οὐ κεκοπίακας[8] „Du bist nicht müde geworden“. Der Ausdruck, vielleicht unter Rückbeziehung auf κόπος gewählt, leitet wieder in die Gegenwart zurück.

2,4. ἀλλ’ ἔχω κατὰ σοῦ (Mt 5,23), ὅτι τὴν ἀγάπην σου τὴν πρώτην ἀφῆκας (s. o. S. 169). Die erste Liebe muß nach dem Zusammenhang in etwas anderem bestehen als in dem Eifer gegen die Irrlehrer und der Geduld in Verfolgungen. Diese Tugenden besitzen die Epheser. Die erste Liebe ist aber deshalb auch nicht auf die Liebe zu Gott oder zu Christus zu beziehen. Der Mangel der Ephesinischen Gemeinde liegt auf dem Gebiet des sittlichen Verhaltens. „Die Rechtgläubigkeit schützt nicht vor sittlichem Altern“ (Vlkm.). Ähnliche Gemeindeverhältnisse setzt Mt 24,12 voraus. 2,5. μνημόνευε (3,3) οὖν πόθεν πέπτωκας[9] (s. o. S. 169), καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον. „Tue die der ersten Liebe entsprechenden Werke“. εἰ δὲ μὴ, ἔρχομαί σοι [ταχύ][10] (2,16; 3,3.11. Winer 22,7 A. 3) καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς. – Bemerkenswert ist der motivierte Übergang vom Präsens zum Futurum, ἔρχομαι drückt die Nähe des Kommens aus, κινήσω die bei diesem Kommen sich vollziehende bestimmte Handlung. Die meisten Ausleger beziehen die Gerichtsdrohung nicht direkt eschatologisch, sondern auf ein vorläufiges Gericht, in welchem Ephesus aus der Zahl der Gemeinden ausgeschieden werden soll. Sp. und Hltzm. ziehen zur Erklärung noch Mt 5,14-16; Phil 2,15 heran (die Gemeinde solle aufhören, eine Leuchte in der Umgebung des Heidentums zu sein). Doch ist die einfache Beziehung auf das endgültige Gericht nicht ausgeschlossen. ἐὰν μὴ μετανοήσῃς. Fut. ex. „Wenn Du nicht Buße getan haben wirst.“

2,6. ἀλλὰ τοῦτο ἔχεις, ὅτι μισεῖς τὰ ἔργα τῶν Νικολαιτῶν, ἃ κἀγὼ μισῶ. Ps LXX 138,21: οὐχὶ τοὺς μισοῦντάς σε, κύριε, ἐμίσησα; nachdrücklich wird noch einmal von den ἔργα der Gemeinde, die V. 2-3 Anerkennung gefunden haben, die Verwerfung der Nicolaiten erwähnt. Die [206] Nicolaiten sind also identisch mit den dort erwähnten ψευδαπόστολοι. Ferner sind sie aller Wahrscheinlichkeit nach dieselben, wie die Bileamiten 2,14 und die Anhänger des Weibes Isebel (s. u.). Über die Nicolaiten ist wohl kaum etwas Sicheres, das über die Nachrichten in der Apk hinüberginge, bekannt; vgl. die Angaben bei Irenäus, adv. haer. I 23 (26,3), III 11,7 (11,1); Tertullian, praescr. haer. 33, adv. Marc. I 29, de pudicitia 19; Clemens Alex., Strom. II 20,118; III 4,25; Hippolyt, Philos. VII 36; Epiphanius, Haer. 25; Philastrius, Haer. 33; Pseudotertullian, adv. Haer. 1; Const. Apost. VI 8; Hieronymus, adv. Lucifer. 23; (vgl. hier und im folgenden Völter II 38, Alford zu dieser Stelle). Schon Irenäus weiß nichts Genaueres, als er in der Apk vorfand, über die Nicolaiten zu berichten. Er (zuerst?) identifiziert ihren Stifter mit dem Akt 6 erwähnten Diakon, eine Kombination, die immerhin ohne vorliegende Tradition gemacht werden konnte. Außerdem sucht Irenäus die Nicolaiten in die Reihe seiner Ketzerliste einzureihen, und erklärt sie für verwandt mit Cerinth. Von Irenäus ist Hippolyt (Epiph., Philastr. Ps.-Tert.), abhängig; nur bemüht er sich, noch die Gründe anzugeben, welche den Nicolaus zu diesem Schritt geführt haben. Später hielt man es doch für verwunderlich, daß ein Mann der apostolischen Urzeit in dieser Weise abgefallen sein sollte und suchte die Verbindung zwischen dem Diakon Nicolaus und den Nicolaiten als auf Irrtum beruhend darzustellen. So entsteht die bei Clem. Alex. Strom. III 4,25 vorliegende Erzählung: ὡραίαν φασὶ γυναῖκα ἔχων οὗτος μετὰ τὴν ἀνάληψιν τὴν τοῦ σωτῆρος πρὸς τῶν ἀποστόλων ὀνειδισθεὶς ζηλοτυπίαν εἰς μέσον ἀγαγὼν τὴν γυναῖκα γῆμαι τῷ βουλομένῳ ἐπέτρεψεν. ἀκόλουθον γὰρ εἶναί φασι τὴν πρᾶξιν ταύτην ἐκείνῃ τῇ φωνῇ τῇ ὅτι παραχρήσασθαι τῇ σαρκὶ δεῖ (Eus. H. E. III 29,2). Hier liegt offenbar der Versuch vor, dem bedenklichen nikolaitischen Satz ὅτι παραχρήσασθαι τῇ σαρκὶ δεῖ die Spitze abzubrechen. Derselbe Versuch, den Diakon Nicolaus zu entlasten, liegt vor Const. Apost. VI 8: οἱ νῦν ψευδώνυμοι Νικολαῖται, und Victorin: qui sub nomine Nicolai ministri sibi fecerunt haeresin.

Von alledem, was die Kirchenväter zu berichten wissen, sind vielleicht folgende Notizen brauchbar: 1) Irenäus III 11,7 meint, daß die Nicolaiten vor Cerinth dasselbe gelehrt haben (Weizsäcker fand in den Nicolaiten, dieser Notiz folgend, Anhänger des Cerinth). 2) erwähnenswert ist, daß Dorotheus den Nicolaus zu einem Bischof von Samarien macht und ihn mit Simon Magus in Verbindung setzt (ὃς ἐπίσκοπος Σαμαρείας γενόμενος ἑτεροδόξησεν ἅμα τῷ Σιμῶνι; (Weyland hält die Nicolaiten demgemäß für eine samaritanische Sekte), 3) eine apokryphe Apostelgeschichte bei Fabricius, Cod. Apocr. NT p. 498 kennt einen Corinther Nicolaus. Doch treten diese selbständigen Notizen zu spät und zerstreut auf, als daß man ihnen sonderlichen Wert beimessen könnte. Noch weniger Wert als die Überlieferung der Kirchenväter haben hier, wo die Dinge gänzlich aussichtlos stehen, die Ratereien moderner Exegeten. Einen Teil derselben mag man bei Dstd. und Hirscht 26 nachlesen. Wir sind demgemäß bei der Frage nach dem Wesen der Nicolaiten völlig auf unsre Apk selbst angewiesen. Doch kann diese erst [207] innerhalb eines Gesamtüberblicks über die Sendschreiben und nach Festlegung von deren Zeit einigermaßen gelöst werden. Hier kann nur noch die Frage erhoben werden, auf die uns der Mangel aller selbständigen Tradition außerhalb der Apk führt, ob nicht „Nicolaiten“ überhaupt ein fingierter und kein historischer Name sei. — Zu erwähnen ist jedenfalls die von Chr. A. Heumann (Act. Erudit 1712. p. 179. Poecile II, 392) und J. W. Janus (de Nicol. ex haeretic. catalogo expungendis. Viteb. 1723) aufgebrachte Vermutung, daß in der Volksetymologie Νικόλαος (zusammengesetzt aus νικᾶν und λαός) = Bileam (בָּלַע עָם Volksverschlinger) sei. Aber immerhin erscheint die hier vorgeschlagene Lösung des Rätsels als gar zu künstlich[11]. Es wird dabei sein Bewenden haben, daß die Sekte der Nicolaiten sich nach einem Stifter Nicolaus nannten, über dessen Persönlichkeit wir nichts mehr wissen. — Genaueres über die in den Sendschreiben vorausgesetzte Häresieen s. in dem zusammenfassenden Exkurs zu Kap. 2 und 3.

2,7. ὁ ἔχων οὖς[12] ἀκουσάτω, τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις[13]. Zum Schluß erfolgt in allen Briefen eine Wendung von der einzelnen Gemeinde zur gesamten Christenheit. Da das Buch als ganzes schon von vornherein zur Vorlesung im öffentlichen Gottesdienst bestimmt war, so ist eine solche Wendung an und für sich begreiflich. (Über die sich hier erhebenden kritischen Bedenken s. den Exkurs zu Kap. 1-3.) Der Geist ist der heilige Geist, der den Propheten inspiriert; die Offenbarungsrede Christi kann deshalb auch als eine Rede des Geistes bezeichnet werden. Zu τὸ πνεῦμα vgl. sämtliche Briefschlüsse, 14,13; 19,10; 22,17. Eine gewisse Schwierigkeit liegt in der Erwähnung des Geistes hier und der sieben Geister 1,4. Der Geist, der in den Propheten redet (der Geist Christi), scheint nach dem Apokalyptiker weder identisch zu sein mit den sieben Geistern, noch zu ihnen zu gehören, also noch nicht in die trinitarische Formel aufgenommen zu sein. — τῷ νικῶντι[14] δώσω αὐτῷ[15] φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς, ὅ ἐστιν ἐν[16] τῷ παραδείσῳ τοῦ θεοῦ [μου][17]. Wer im Kampf mit allen ungöttlichen Mächten den Sieg erringt, dem will Gott vom Lebensbaum zu essen verleihen, d. h. von dem noch jetzt im Paradies (Gen 2,9) vorhandenen Lebensbaum. Zu der Vorstellung, daß Gott im Jenseits den Seligen vom Lebensbaum zu essen geben wird, vgl. 22,2; (Ez 47,12); Hen. 24-25; Testam. Levi 18 (καὶ δώσει τοῖς ἁγίοις ϕαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς). Βίος Ἀδάμ 28; IV Es 7,36; 9,19; Sib. Prooem. 86f.; III 746; II 318; Apk Bar. 29,8 u. ö. Religion des Judentums 271. Die Vorstellung beruht auf der eschatologischen Überzeugung der Wiederkehr des paradiesischen Urzustandes [208] am Ende der Tage (Greßmann, Urspr. d. israelit.-jüd. Eschat. 220). τοῦ ϑεοῦ [μου] steht mit Nachdruck am Schluß, da auf den hingewiesen werden soll, der die Verheißung den Seinen garantiert. Das μου ist recht gut bezeugt. Ist es echt, so betont damit der verheißende Menschensohn seine Beziehung zu Gott (vgl. II Kor 1,3; Eph 1,3; I Pt 1,3), in dem die Verheißung ruht.


  1. τω εν εκκλησια Εφεσου; AC τω αγγ. τω εν Ε. εκκλησιας (!) (g vg. Pr. angelo ecclesiae Ephesi); vgl. d. folgenden Briefeingänge. Zahn (II 611) glaubt, daß der glatte Text der gewöhnlichen Lesart nicht ursprünglich sein kann. Auch mir erscheint das unwahrscheinlich, schon wegen der fast nur in diesen Briefeingängen allein vorkommenden verschränkten Wortstellung. Aber wie lautete die ursprüngliche Lesart?
  2. Q Rel. c ae. + σου (Korrektur).
  3. > Pr.
  4. Vielleicht ist deshalb auch mit A c ae. das καί vor ὅτι wegzulassen.
  5. Die kontrahierte Form des Indic. δύνῃ kommt im NT. nur noch Mk 9,22.23 vor (Schmiedel 14,2), sie ist im Klassischen ungebräuchlich.
  6. + εἶναι ℵcc Q Rel. g vg. s¹² Pr. Vict.
  7. Auch sind die Nicolaiten nicht, wie Dstd. will, nur ein Teil des in V. 2 erwähnten κακοί (ψευδαπόσοτλοι). Es liegt kein Grund zu dieser Behauptung vor.
  8. 51; AC κεκοπιακες (καικοπιακας 1; και κεκοπιακας Min⁵ a), alle übrigen konformieren das Tempus (και ουκ εκοπιασας). Über die schlechten Formen auf ες vgl. Einleitung p. 189. Ob man solche Provinzialismen in den Text aufnehmen soll, ist mehr als fraglich. (Buresch, Rheinisches Museum 1891.)
  9. εκπεπτωκας P An. (g vg. s¹ Vict.).
  10. + Q Rel. s² a Pr.; > ℵACP g vg. c Tic. Das ταχύ kann nach 2,16; 3,11 hinzugefügt, aber auch als selbstverständlich ausgelassen sein.
  11. Erwähnt muß allerdings werden, daß die Deutung Bileam = בָּלַע עָם sich in der Tat Sanhedrin 105a (Schürer, die Prophetin Isabel in Thyatira, Theol. Abh. Weizsäcker gew. 1892, S. 44) findet.
  12. + audiendi (ακουειν) vg.cod. c Pr.
  13. ταις επτα εκκλησιαις A; ταις εκκλ. ταις επτα C.
  14. νικουντι A (2,17 AC, 15,2 C) s. Einleitung S. 163f.
  15. > ℵ An.³.
  16. εν μεσω του πραδεισου Pcc An. (genauere Bestimmung nach der alttestamentlichen Erzählung).
  17. + Q Rel. c s² g vg. sa. Cypr. Pr. Or.i; > ℵACP An.¹² s¹ a. θεος μου auch 3,2.12. θεος ημων 7,10.12; 12,10; 19,1.5.
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