Die Irrlichter am Grundtümpel bei Wildenau
Die Irrlichter am Grundtümpel
bei
Wildenau.
[58] Wildenau, Dorf im Amte Grünhain, östlich von Schwarzenberg, am rechten Ufer der Pöhl, die am untern Ende des Dorfes in’s Schwarzwasser fließt. In der Pöhl ist der sogenannte Grundtümpel an den Pfeilhammerwiesen, wo das Wasser immer wirbelt und unzählige Irrlichter sich sehen lassen, so daß sich diese Sage, deren Zeit und etwaige geschichtliche Grundlage übrigens keineswegs zu bestimmen ist, leicht erklären läßt.
Ein kleines Fischerhüttchen stand
vor alten grauen Zeiten
hart an der Pöhl beblümtem Rand,
umgrünt von Silberweiden.
die einz’ge Tochter still heran,
frisch wie die Ros’ am Stengel,
und hold und sanft wie Engel.
Sie war die Schönste weit und breit,
Wohl wußte sie vor Eitelkeit
der Alte zu bewahren;
Doch junger Liebe stille Gluth
lacht jeder Aufsicht, jeder Huth.
eh’ es der Vater ahnte.
Der war nicht mürrisch, ja sogar
ein Freund von Jugendfreuden,
drum oft in seinem Stübchen war
Die kamen mit dem Abendthau
herüber all von Wildenau;
dem schönsten unter ihnen
war Trudchen schön geschienen.
vor allen gern gesehen,
sie schienen beide wunderbar
einander zu verstehen.
Ihr Lieben war ein Blick, ein Gruß,
doch mußten oft die beiden
vom Scherz der Andern leiden.
Die heilige Andreasnacht
sank auf die Fluren nieder,
in schneeigem Gefieder;
da saß im Stübchen, traulich warm,
der jungen Leute froher Schwarm,
die Burschen schnitzten Kannen,
Zuletzt sprach Vater Kilian,
den Pfeifenstumpf im Munde:
„Ich dächt’, ihr hättet gnug gethan,
’s ist in der zehnten Stunde.
Erbschlüssel her und Zinn und Blei,
auf daß die Mädel sehen,
mit wem zur Trau sie gehen.“
Der Alte sprach’s. Da ruhten rasch
Gertrude holte einen Asch
und alte Leuchterbrocken.
Bald schmolz das zauberkräft’ge Blei
im Löffel an der Lamp’ entzwei,
gegossen in die Schüssel.
Jedwede goß sich einen Mann,
die einen schlanken Steiger,
die einen dicken Zimmermann,
Natürlich that die Einbildung
das Meiste bei der Auslegung;
nur Trudchen brauchte leider
nicht diese erst zum Deuter.
da schäkerten die Andern:
„Berthold, jetzt mußt du mit dem Blei
stracks in die Schüssel wandern!“
„Na,“ lachte Trudchen, „seyd doch still,
das Blei ist nur zu wenig,
sonst göß’ ich einen König.“
Sie goß – Was ist das? Ach, o weh!
Es zischte aus der Schüssel
vom Blute troff der Schlüssel.
Bestürzt fuhr rings die Schaar zurück:
„Das deutet Tod und Mißgeschick!“
Das Lachen und das Necken
Der Löffel mit dem Zauberblei
entstürzte Trudchens Händen.
„Weiß Gott, wie nur die Gießerei
so traurig konnte enden!“
„nun, nehmt’s euch nur nicht gar so an!
Wer weiß, welch schädlich Wesen
in euerm Blei gewesen.“
„So lang ihr fromm und ehrbar seyd,
bleibt bei der Tugend jederzeit,
so seyd ihr gut berathen.
Jetzt aber laßt das Trauern seyn,
und tanzt einmal den Ringelreihn!“
geschwind, was er gerathen.
Allmählig war beim Ringeltanz
die Bangigkeit verschwunden,
die Freude hatte endlich ganz
Da sprach Bertholdens Schwester: Heut
giebt uns die Geisterwelt Bescheid!
Laßt uns nach Reisern gehen,
die an dem Wasser stehen!
„Und wenn die Knospen blühen,
da wird kein Freier ungetreu
dereinstens von uns fliehen.
Nur daß Niemand ein Wörtchen spricht,
Komm, Trudchen! In den Gerten
wird dir mehr Hoffnung werden!“
Doch Trudchen wollte nicht mit fort,
ihr war’s so angst und bange,
doch sträubte sie sich lange,
bis denn zuletzt der Vater spricht:
„Geh, Trudchen, mit, und fürcht’ dich nicht,
was mit dir soll geschehen,
Drauf schlichen all sie zum Gesträuch
gar still und stumm und leise,
und Jede brach sich ihren Zweig,
umglast’ von sprödem Eise.
– „Hilf, Jesu Christ, und steh mir bei!“ –
Ein Nix, ach! zog Gertruden
hinunter in die Fluthen. –
Zwei Spannen nur vom Wasser stand
kein Wunder, daß der Nixenhand
der Raub der Dirne glückte.
Der böse Nix[WS 1], der sie geraubt,
trug eine Krone auf dem Haupt,
vom Kopfe bis zur Zehe.
Woher er kam, man wußt’ es nicht,
so schnell war er gekommen,
sonst hätten wohl den argen Wicht
So aber standen sie verblüfft,
wie wenn der Donner einen trifft;
schon bargen seit Minuten
den bösen Nix die Fluthen.
und rangen ihre Hände:
„Hilf Gott! Erfährt das Kilian,
das ist des Alten Ende.“
Sie riefen laut, sie klagten schwer
doch ach, der Wellen Dröhnen
schien ihrem Ruf zu höhnen.
Und Berthold warf verzweiflungsvoll
sich nieder auf die Erden:
ich so gezüchtigt werden?
Hab’ ich, hat sie, hat Kilian,
wer hat so Gräßliches gethan,
daß du an unsern Leiden
Er schlug sich wüthend vor die Stirn,
zerraufte sich die Haare:
„Zerschmettern will ich mir das Hirn,
zerschmettern am Altare.
hier in den kalten Fluß hinab,
vielleicht seh’ ich Gertruden
tief unten in den Fluthen.“
„Wer will, des Schicksals Narr zu seyn,
So wüthet er, und will hinein
in’s tiefste Wasser springen.
Die Andern halten ihn mit Kraft,
wie sie Verzweiflung ihnen schafft,
ihn zu des Alten Hütte.
Und Berthold bleibt starrtrotzig stehn,
und krampft die Hand, und jammert:
„Bin ich wahnsinnig? Laßt mich gehn!
Ihm bringt in der Verzweifelung
ein Thränenstrom Erleichterung,
er weint: „Wo ist mein Lieben,
wo ist’s so plötzlich blieben?“
bleibt Berthold wieder stehen:
„Sagt, wer von euch will uns voran
als Unglücksbote gehen?“
Da stehn sie tief betroffen still,
es möchte wohl der Schrecken
den Alten niederstrecken.
Sie stehen eine lange Zeit.
„Was soll, das muß geschehen!
ich will voran euch gehen!“
so redet mit erzwungner Ruh
den Andern Berthold jammernd zu,
und tritt mit schwankem Schritte
Weh, was wird Vater Kilian
zu dem Berichte sagen?
Scheu sah die Schluchzenden er an,
und wagte nicht zu fragen,
„Gertrude? Sagt, was mit ihr ist?“
Doch keines will es wagen,
die Wahrheit ihm zu sagen.
„Wo ist mein Kind? Sprecht, wo sie ist!
Da spricht Berthold: „Hilf Jesu Christ!
Ihr müßt’s doch einmal hören.
Eu’r Kind – ’s wird wohl verloren seyn, –
ein Nixenkönig zog’s hinein.“
der Alte todt zu Boden.
Sie sprangen zu. Ihr Schmerz war groß.
Sie trugen ihn in’s Bette.
O Tod, wie machst du schonungslos
Sie schlichen durch den Morgenthau
des Leides voll nach Wildenau,
und nach drei Tagen haben
den Alten sie begraben.
nun in der Fischerhütte,
und Berthold lenkt in stillem Schmerz
all Nacht zu ihr die Schritte,
Er schleicht einher, vom Gram gebückt,
zum Himmel, ringt die Hände,
und weinet ohne Ende.
Und steht und harrt bis Mitternacht,
dann sieht er ha, Gertruden
auftauchen aus den Fluthen,
die Wangen fahl und leichenblaß,
die Wimpern ach, von Thränen naß;
sie breitet voll Verlangen
Sie singt, ihm dringt’s durch Mark und Bein,
sie singt in schlichten Weisen:
„Geduld, Geduld! Ich bin ja dein,
nichts kann dich mir entreißen.
ein Jahr, dann werden wir getraut,
dann bin dem Nixenkönig
ich nimmer unterthänig.“
Sie wirft ihm feur’ge Küsse zu,
doch ach, es weht sie all’ im Nu
der Wind weit in die Ferne.
Er huscht das Ufer ab und an
ohn’ daß er einen fangen kann,
das süß’ Umarmen missen.
Allnächtlich kehrt er zu dem Strand,
die bleiche Braut zu sehen,
die Küsse stiegen weit in’s Land
Wie lacht ihm aus der Fluth der Tod
so hold entgegen in der Noth,
doch fühlt er sich gehalten
von geistischen Gewalten.
hohl wurden seine Wangen,
da rief ihn die Andreasnacht,
die Liebste zu empfangen.
Er kommt zum Ufer, und erschrickt,
Halb überschwemmt vom Sande
lag sie hart an dem Strande.
Er knieet nieder neben ihr,
und fleht mit brünst’gem Herzen:
das Ende meiner Schmerzen!“
Er betet lang, er weint sich satt,
und sinkt dahin, vom Jammern matt;
der Morgen sah dort oben
Die kleine Fischerhütte schwand
seit vielen vielen Jahren
vom grünumlaubten Uferrand,
wo sie nach Reisern waren;
ist längst der Liebenden Gebein;
nur Trudchens Küsse schimmern
noch mit unstetem Flimmern.
Sie löscht kein Regen, löscht kein Thau,
herüber über Feld und Au,
zickzack auf lust’gem Pfade.
Sie lockten Manchen querfeldein,
der sie, weil ihr unsichrer Schein
aus Rach’ Irrlichter nannte.
Und wo der Nix die Dirne stahl,
ist’s Wasser grundlos worden,
es dreh’n die Wellen ohne Zahl
Der Wirbel zerret Kahn und Floß
hinunter in das Nixenschloß,
drum nennen ihn die Leute
Grundtümpel noch bis heute.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ mythologisch für Wassergeist