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Burggraf Jeschke von Dohna

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Textdaten
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Autor: Widar Ziehnert
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Titel: Burggraf Jeschke von Dohna
Untertitel:
aus: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. Band 2, S. 71–80
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Rudolph & Dieterici
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Erscheinungsort: Annaberg
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[71]
8.
Burggraf Jeschke

von
Dohna.

[72] Die Burg Dohna, jetzt in Trümmern, im Amte Pirna an der Müglitz, wurde wahrscheinlich schon im 10. Jahrhundert gebaut. Die Burggrafen von Dohna waren meist fehdelustige und räuberische Gesellen; daher der frühe Ruin der Burg. Die hier erzählte, meist geschichtliche Begebenheit, fällt in die Jahre 1401, 1402 und die dritte Abtheilung derselben etwa 1415.




[73]
1.

Wie ströhmt es nach Dresden von nah und von fern!
Was fahren die Frauen? Was reiten die Herrn?
Von Golde umblitzt, von Rubinen umflammt,
mit Spangen und Bändern, in Seide und Sammt!

5
Zum Adeltanz1) kommen von nah und von fern

aufs Dresdener Rathhaus die Frauen und Herrn;
dort führen sie lustig nach fürstlichem Mahl
den Reigen im festlich erleuchteten Saal.

Wie glühen die Wangen vom Feuer der Lust,

10
wie funkeln die Augen, wie woget die Brust!

Wie reitzend die Frauen, wie artig die Herrn,
so einig in Ehren, vom Argen so fern!

Wer ist dort die Schönste der Schönen im Saal?
Die blonde Mathilde, des Rützschels2) Gemahl,

15
so üppig vom Scheitel bis nieder zur Zeh,

die Wangen wie Rosen, die Stirne wie Schnee.

Und der Schönste der Ritter, wer mag es wohl seyn?
Graf Jeschke von Dohna, so tapfer wie fein.
Wie männlich sein Antlitz, die Locken so lang,

20
wie feurig die Augen, so fürstlich sein Gang!


[74]

Doch ziert auch Mathilden der reitzendste Leib,
sie ist doch im Herzen kein biederes Weib,
und ist auch Graf Jeschke der reitzendste Mann,
so sieht doch kein ehrsames Mädchen ihn an.

25
Mathilden ja fehlet die weibliche Scheu,

und achtet sie wenig der eh’lichen Treu.
Graf Jeschke auch haschet auf fremden Geheg
manch Täubchen zur Frohne der Lüste sich weg.

Der Herr paßt zum Weibchen, das Weibchen zum Herrn,

30
und Gleiches zu Gleichem gesellet sich gern.

Wie kos’t mit Mathilden der Graf so vertraut
und eifrig, als hätt’ er sie eben zur Braut!

Wie schmiegen sie sich an einander so eng,
wie küßt er sie heiß in der Tänzer Gedräng!

35
Komm, armer betrogener Gatte, und treib

den Lüstling zu Schranken, und strafe dein Weib!

Wohl sieht es Herr Rützschel, wohl faßt ihn die Wuth,
doch er hat nicht den teutschen, gradsinnigen Muth.
Er stellet dem tanzenden Grafen ein Bein –

40
pfui! hämische Rache steht Rittern nicht fein!


Vom Falle rafft Jeschke sich eilends empor,
und fasset Herr Rützscheln ingrimmig am Ohr,
und speit ihm ins Antlitz: „Du ehrloser Wicht!“
und schlägt ihm die Faust in das bleiche Gesicht.

[75]
45
Zuspringen die Ritter, es flüchten die Fraun,

Mathilde entweichet voll Zittern und Graun.
Ihr folget Graf Jeschke, und führt sie zu Roß
bei Nacht und bei Nebel aufs Dohnische Schloß.

2.

„Was Priester, was Ehre? Ich liebe dich ja!
     Was willst du noch weiter verlangen?
Ist dir denn, süß Liebchen, seitdem ich dich sah,
     ein einzig Vergnügen entgangen?

5
Was geht uns, sag an, dein armseliger Mann,

der Bube, sag an doch, was geht er uns an?“

„Komm, Liebchen! Dir wird es hier außen zu kühl!
     Horch, wie sie sich zanken im Gaden;
gewiß sind die Vettern schon wieder beim Spiel

10
     mit dem Bruder in Hader gerathen.“

Drauf führte Graf Jeschke mit lüsternem Blick
Mathilden vom Garten zum Schlosse zurück.

Jeschkens Bruder und Vettern, Maul, Heide und John,
     drei wilde, unbänd’ge Gesellen,

15
erwarteten lange die Buhlerin schon,

     daß sie möchte ein Urtheil fällen.
Sie sollte nur sagen ein Ja oder Nein,
so würde der Zweifel beschwichtiget seyn.

[76]

Mathilde, nicht wissend, was, wie und wozu,

20
     entscheidet mit raschem Bejahen.

„Nun gut denn!, – ruft Heide – so soll er im Nu
     das Absageschreiben empfahen.“
Früh, als es im Morgen ein wenig tagt,
der Bote damit zum Markgraf jagt.

25
Der Markgraf3) hatte Graf Jeschken gedroht,

     er wolle es fürchterlich rächen,
wenn solcher sich fürder nach seinem Gebot
     nicht würde der Fehden entbrechen,
die er und die Grafen, Maul, Heide und John,

30
mit Rützscheln geführet seit Monaten schon.


Das verdroß die von Dohna, das trieb sie dazu,
     mit dem Markgraf die Fehde zu wagen.
Sie harrten im Schlosse in sicherer Ruh,
     daß er käme mit ihnen zu schlagen,

35
und harren nicht lang; in der siebenten Nacht

kommt der Markgraf vor Dohna mit reisiger Macht.

Wie blitzen, wie funkeln im Morgenroth,
     wie rasseln die Schwerter und Speere!
Wie drohen die Kolben und Aexte den Tod!

40
     Wie wogt es im feindlichen Heere!

Wie stehn die markgräflichen Schaaren so dicht!
Doch die Grafen von Dohna schreckt das nicht.

[77]

Schon rasselt die Brück’ an den Ketten herab,
     sie donnert vom Hufschlag der Rosse,

45
und die Fähnlein, sie ziehen so muthig hinab,

     und halten nicht fern vom Schlosse.
Der Feind rückt heran, es erhebt sich die Schlacht;
der Markgraf gewinnet die Uebermacht.

Die Mitternacht deckte den blutigen Plan,

50
     da wichen die gräflichen Streiter.

Wie drängen sich flüchtig die Schützen hinan,
     wie sprengen zum Schlosse die Reiter!
Graf Jeschke, der letzte, in gräßlicher Wuth:
„Die Schlacht verloren! – Das fordert ihr Blut!“

55
Und als er die Uebriggebliebenen zählt,

     und findet so Viele nicht wieder,
und wie Graf Maul und Graf Heide fehlt,
     da stürzt’ er vor Jammer nieder,
Drauf rafft er sich auf in entsetzlicher Wuth:

60
„Die Besten erschlagen! Das fordert ihr Blut!“


Und rennt zu Mathilden: „Du scheußliches Weib,
     gieb den Bruder, den Vetter mir wieder!
Du riethest zur Fehde, unsinniges Weib!“
     und er stößt mit dem Schwerte sie nieder.

65
Da schmettern Trompeten und Hörner vorm Schloß,

anrücket der siegreiche feindliche Troß.

[78]

Sie stürmen gewaltig, sie brechen herein,
     rechts, links, von vorne und hinten,
und drängen in Säle und Zimmer hinein,

70
     die Grafen lebendig zu finden.

Doch, gefallen ins eigene Schwert, lag John
todt drinnen, und Jeschke – war glücklich entflohn4).

3.

Im Hohlweg bei Ofen im Ungarland,
     da lauern drei schwarze Gestalten,
und ein Wagen fährt nieder am Waldesrand,
zum Brechen belastet und dreifach bespannt,

5
     und muß im Hohlwege halten.

Da springen die Dreie wie Luchse hervor,
und jach zu dem Sitze des Fuhrmanns empor,
     und dolchen ihn nieder, und werfen ihn drauf
     ins Dickicht, und setzen sich selber hinauf,

10
und fahren von dannen, und lenken gar bald

das geraubte Gespann in den schwärzesten Wald. –

Drei Monden darauf durch den Hohlweg fährt
     ein anderer, leichterer Wagen,
den ziehet ein schwarzes, rautiges Pferd;

15
drin sitzen die Dreie, tief in sich gekehrt,

     kein Wörtlein hört man sie sagen.

[79]

Vorn reiten drei Reiter und hinten drei,
zur Rechten und Linken je zwei und zwei.
     Sie reiten so ernst, sie reiten so stumm,

20
     nur einer lugt oft nach dem Wagen sich um.

Der hat in den Händen ein blinkendes Schwert,
und roth ist sein Wamms, und ein Rappen sein Pferd.

Wo wollen die hin? Was reden sie nicht;
     Was sind sie so düster und sinnig?

25
Sie fahren und reiten zu blutiger Pflicht,

sie reiten und fahren zum Hochgericht,
     drum sind sie so düster und sinnig.
Sie kommen zur Stelle. Der Rothe zerbricht
drei Schwerter, und nagelt ans Hochgericht

30
     drei adlige Wappen. Drauf schwingt er sein Schwert,

     daß es sausend die Hälse der Räuber durchfährt.
Die Geköpften sind Ritter aus fernem Land,
der Letzte – Graf Jeschke von Dohna genannt.






[80]
Anmerkungen.

1) Der Adelstanz wurde vom Markgrafen gewöhnlich um Martini auf dem Dresdner Rathhause zur Ergötzlichkeit seiner Vasallen gehalten. Der hier erwähnte am Martinustage des Jahres 1401.

2) Rützschel von Meusegast, aber nach andern Nachrichten Rudolph von Korbitz.

3) Der Markgraf Wilhelm der Einäugige war schon längst der Nachbarschaft der unruhigen Burggrafen von Dohna überdrüßig, zumal da sie treue Anhänger des Böhmischen Königs Wenzel waren, dem der Markgraf so gehässig war, daß er mit Friedrich dem Streitbaren den Gegenkaiser Ruprecht hatte wählen helfen.

4) Dies Alles geschah im Jahre 1402. Dohna ward geschleift; Jeschke war nach Weesenstein und dann nach Königstein geflüchtet, konnte sich aber auch hier nicht halten, und floh nach Ungarn.




Druck von J. H. Nagel in Leipzig.