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Die Gartenlaube (1889)/Heft 29

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1889
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[485]

No. 29   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Nicht im Geleise.

Roman von Ida Boy-Ed.
(Schluß.)


Mit wankenden Schritten ging Gerda in das Gemach, wo Sascha in einem Lehnstuhl kauerte und neben ihm die Dienstboten des Hauses standen.

„Komm, mein Liebling,“ sagte sie, mühsam ihren Ton beherrschend. Sie neigte sich zu ihm und hob ihn auf. Er war so leicht geworden, daß sie ihn ohne Mühe trug.

Ein schweigender, kleiner, trüber Zug folgte der Herrin in den lichtschimmernden, weihnachtlich geschmückten Festraum.

Gerda stand vor dem Christbaum. Das Kind hatte seine Arme um ihren Hals geschlungen und seine Wange an ihre gelegt. Stumm schauten sie in das Strahlengefunkel. Plötzlich fühlte Gerda an ihrer Wange ein heißes Naß – Thränen aus den Augen ihres Kindes.

„Gott, den sie barmherzig nennen, gieb Du mir Kraft!“ betete Gerda in stummer Verzweiflung, während ihre Arme fester das Kind umschlossen.

Sie ging hinüber auf die Seite, wo der Tisch mit den Geschenken für die Leute stand.

„Dies,“ sagte sie mit kaum hörbarer Stimme, „dies schenkt Euch alles mein Sascha als Dank für die Liebe, die Ihr ihm zeigt.“

Die beiden Mädchen und der derbe Knecht weinten und küßten die Hände der Herrin und des Knaben. Dann nahmen sie die reichen Spenden und gingen weinend hinaus.

Gerda trug den Knaben auf die Chaiselongue und knieete vor ihm nieder. Der Kleine hatte auf seinen Wangen dunkelrothe Flecke. Sein Puls flog, sein Auge brannte.

„Nun kommt mein Geschenk,“ flüsterte er mit seligem Lächeln.

„Mein Liebling,“ sagte die geängstigte Frau, „Du hast Dir ja nichts gewünscht.“

„Doch,“ erzählte er leise und wichtig, „doch! Aber nicht von Dir, vom lieben Gott etwas. Gesagt habe ich es ihm jeden Abend. Du sagst zwar, er sieht immer, was in unseren Herzen ist, aber ich dachte, Weihnacht hat er in so vielen Herzen etwas zu sehen, daß er nicht alles und alles behalten kann, deshalb habe ich es ihm jeden Abend gesagt.“

„Was denn?“ fragte Gerda zitternd. Sie war bleich wie der Tod. Und dabei suchte sie mit klammernden Fingern das Händchen des Knaben festzuhalten, um den fieberkündenden Puls zu zählen. Aber das Kind war sehr unruhig und wollte nicht angefaßt sein.

Saschas Augen irrten umher. Er sah an den blanken Glaswänden entlang und zu dem Schnee hinaus.

„Deshalb wollte ich auch im Glashaus meinen Tannenbaum haben,“ erzählte er weiter.

„Weshalb?“ fragte Gerda, die das irre Fieberlicht sich wieder in den großen Kinderaugen entzünden sah.

„Ein Engel wird kommen mit großen Flügeln, weiß von Schwanenfedern, aber mit silbernem Schimmer. Ja, und der führt ihn an der Hand. Die Glaswände thun sich auf und der Schnee zertheilt sich. Ich habe es dem lieben Gott ganz genau beschrieben.“

Seine Lippen sprachen flüsternd und unverständlich weiter, seine Augen hafteten


(Fr. Silcher.
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß etc.)

[486] fest an einer Stelle, wo er zwischen den grünen Palmen den Schnee draußen sich bis an die Fenster drängen sah.

„Mein Kind!“ schrie die unglückliche Frau verzweifelt auf.

„Wir mögen nicht mehr allein sein,“ sagte der Knabe lauter, „ich habe dem lieben Gott auch erzählt, wie vergnügt wir früher waren.“

„Mein Kind,“ sprach Gerda, sich ganz nah an ihn schmiegend, „Du möchtest – möchtest Alfred wiedersehen?“

„Ach ja,“ rief er, indem er glücklich lächelte, „das wäre so schön, so schön!“

Gerda sprang auf. Auch ihre Wangen glühten. Sie ging in ihr Zimmer, sie schrieb einige Zeilen, sie rief die Dienstboten und fragte, wer sie lieb genug habe, noch heute, am Festabend, den beschwerlichen Weg zu Thal zu machen. Alle waren bereit.

Und dann kehrte sie zu ihrem Kinde zurück. Auf der Schwelle stockte ihr Fuß. War das, was sie geschrieben, nicht eine Lüge gewesen?

„Mein sterbender Knabe will seinen Freund noch einmal sehen.       Gerda.“

War er wirklich sterbend?

Licht und warm war’s in dem hellen Raum, den Tannenduft durchwebte. Still lag das Kind und schaute mit glänzenden Augen auf den strahlenden Tannenbaum. Auf den Wangen hatte es Röthe, seine Händchen waren friedlich gefaltet. War er wirklich sterbend?

Gerda knieete vor ihm nieder. Sie neigte ihr Haupt auf seine Brust und horchte.

Ja, das war der eilige, schwache Schlag des Herzens, das dem Ende entgegenschlägt, das die Blumen des Todes, die rosig auf seinen Wangen blühten, das war der unirdische Blick eines schon halb verklärten Geistes.

Und die Mutter senkte ihr Angesicht vor dem unerbittlichen Geschick, das der Unerforschliche ihr auferlegt.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Das kleine Briefblatt wanderte durch die Nacht in die Welt hinaus. Schneestürme versperrten ihm den Weg. Und als es weiterging, fand es den, für welchen es bestimmt war, nicht in der großen Stadt. Es zog ihm nach, aber der Winter häufte die Hindernisse; Züge blieben im Schnee stecken, Landposten verirrten sich im Sturmtreiben. Aber endlich nach langen Tagen kam das arme kleine Blatt in die Hände des Mannes, den es suchte. Und dem kurzen, entsetzensvollen Inhalt antwortete ein Schreckensschrei.

Wie Alfred es möglich gemacht, von dem einsamen Gehöft am Strande des Meeres, wo er geweilt hatte, um es sich vielleicht zu erwerben, auf unwirthlichen, oft versperrten Wegen bis an die große Landstraße und den südwärts führenden Schienenstrang zu kommen, war ihm selbst kaum bewußt. Als er im schwer weiter keuchenden Zuge durch die todtenweiße Welt fuhr, war ihm nur eine dumpfe Erinnerung geblieben an schneidende Stürme, die sein Gesicht zerpeitscht, an Stunden voll rasender Ungeduld, die er in einer vom Verkehr abgesperrten Poststelle verbracht hatte. Und wie der Zug kroch, anstatt zu jagen! Wie unerträglich das war, stillsitzen zu müssen und die langen Stunden zu zählen! „Ich komme,“ hatte er durch den ersten Telegraphen, dessen er habhaft werden konnte, hingerufen. Wie hätte er diesem Rufe, der sich durch schwirrende, summende Drähte schleunig fortsetzte, doch ebenso schnell folgen mögen!

Ueberall gab es Aufenthalt, Anschlüsse wurden versäumt. Der Tag ging zu Ende und durch die schauerliche Nacht keuchte der Zug, den Schneepflug voran. Alfred wachte mit brennenden Augen. Wenn die Fahrt langsamer wurde, zitterte er, daß sie ganz stocken könnte. Er horchte auf das dumpfe Schüttern der Radumdrehungen, aus dem gleichmäßigen Takt derselben drängte sich seinem Ohr die Erinnerung an eine Melodie auf und diese summte in seinem Gehirn neben all seinen Gedanken immerfort. Dann wieder zerriß der hohle bange Schrei der Lokomotive die Nacht. Das blanke Fenster spiegelte friedlich den hellen kleinen Raum wieder, in welchem der blasse Mann in verzehrender Unruhe saß.

Zahllose Male sah er nach der Uhr. Eins – zwei – drei – mein Gott, welch eine lange Nacht! Und dann auf einmal gab es einen Ruck und der Zug stand. Eine Station? Nein, draußen gähnte die Nacht und jagendes Schneegestöber verbarg dem Blick selbst die Uebersicht über das nächste Gelände.

Alfred versuchte, seine Thür zu öffnen. Schwer gelang es ihm, denn der Zug hatte sich in Schneewälle hineingebohrt und die weißen Mauern drängten gegen die Wagenwände. Aus allen Thüren und Fenstern beugten sich im Lichtscheine, der von drinnen hervorbrach, die Silhouetten von Menschenköpfen. Stimmen wurden laut und suchten den Sturm zu übertönen. Beamte kletterten an den Trittbrettern entlang. Aus dem Ruf und Gegenruf hörte Alfred, daß man sich in der Nähe von Frankfurt befinde und daß die Schneeverwehungen so hoch und ausgedehnt seien, daß Stunden hingehen möchten, ehe die Bahn frei werde.

Zu den offenen Coupéthüren drängte sich mit den Sturmstößen feiner Schneestaub herein. Die Kälte des Grabes schauerte den überwachten Mann an.

Er hatte das Gefühl, lieber durch diese Schreckensnacht vorwärts wandern, als hier festgebannt bleiben zu wollen. Die Bewegung allein schon schien ihn seinem Ziele näher zu bringen. Er fragte, ob ein entschlossenes Vorwärtsdringen für einen Fußgänger Erfolg haben könnte. Andere, vielleicht von ähnlicher Unrast erfaßt wie er, zeigten denselben Entschluß. Einer von den Zugbeamten sollte ohnedies die nächste kleine Station zu erreichen suchen, um Hilfe herbeizuholen.

So begann denn ein Häuflein von Männern die beschwerlichste Wanderung. Man umging die Schneeverwehungen, man hielt sich eng aneinander, um die Gefahr des Verlierens zu vermeiden. Der Wind warf sich ihnen entgegen wie ein körperlicher Widerstand. Die Stimmen wurden heiser, der Athem keuchend. Die Schneenadeln stachen in die Augen, weiß bereiften Bärte und Pelzhaare. Verlöschend bald und bald aufflackernd schwankte die Laterne ihnen voran, welche der der Gegend kundige Schaffner trug.

Ein Gehöft am Wege, eine Baumgruppe, die den selbstgesuchten Pfad sperrte, eine ansteigende Wellenlinie des Bodens gaben den suchenden Männern die Richtung. Und endlich blinkte es vor ihnen wie Licht auf, verschwand wieder und stand als fester Punkt.

Sie waren an einer kleinen Station angekommen, bei welcher die Eilzüge unaufhaltsam vorüberrasen. Hier gab es keine Hilfe, aber doch die Gelegenheit, aus der nahen großen Stadt solche herbeizurufen.

In dem engen, heißen, übelriechenden Raum der Bahnwärterstube drängten sich die erschöpften Männer. Aus ihren Haaren und Kleidern dampfte es feucht. Alfred, der in dem mehr als stundenlangen Kampf gegen Schneetreiben und Nacht seinen Körper nicht gefühlt hatte, empfand in diesen vier Wänden ein Elend ohnegleichen.

Die endliche Ankunft einer Lokomotive und eines Wagens von Frankfurt war ihm wie eine Erlösung. Sein Gepäck, der verschneite Zug – alles war ihm gleich. Er fuhr, der erste, der sich die Gunst erbat, mit der Arbeitslokomotive weiter und rechnete fieberhaft aus, daß er noch den Frühzug nach Baden erreichen könne.

Aber die qualvollen Stunden sollten sich ihm noch verlängern. In Frankfurt, wo der nächtige Wintermorgen ein ungewohntes Leben auf dem Bahnhof zeigte, erfuhr er, daß auch auf der Main-Neckarbahn Verkehrsstockungen stattgefunden hätten und daß der erste Zug vor Mittag kaum abgelassen werden dürfte.

Er ging in das nächste Hotel, klopfte die noch schlafende Dienerschaft heraus und fand ein Lager, auf das er sich halb entkleidet warf.

Seine Gedanken waren betäubt, sein Körper zitterte vor Ermüdung nach den bestandenen Anstrengungen. Und die Kälte, in welcher er stundenlang sich bewegt hatte, wirkte narkotisch. Er schlief ein, fest, tief, traumlos.

Der Ruf des Knechtes, dem er hierfür eine Stunde bestimmt hatte, erweckte ihn.

Er öffnete die Augen und schloß sie geblendet wieder, die Tageshelle war schier unerträglich. Draußen flimmerte die Sonne in tausend Diamantreflexen wieder vom blüthenweißen Schnee.

Heute sollte er sie sehen! Sie und das Kind! Alfred hatte ein brennendes Gefühl in seiner Brust, das ihn verzehrte und den Ton seiner Stimme unklar machte.

Und doch noch Stunden des Wartens! Diese, er fühlte es, würden noch unerträglicher sein als alle die vergangenen im Kampf mit den Unbilden der Natur.

[487] Er ging in die Stadt. Vor jedem Laden blieb er stehen, planlos, nur um die Zeit zu tödten. Vor einem Spielzeugladen stand er still, ohne zunächst von den Auslagen irgend etwas zu bemerken. Erst als von drinnen, zwischen den Wänden eines Theaters und einer Puppenküche, ein Männerarm hervorlangte, um eine nahe dem Fenster aufgebaute Spielerei empor- und hineinzunehmen, bemerkte Alfred, daß da Sachen standen, die früher sein aufmerksamstes Interesse erregt hatten. Vor solchen Fenstern hatte er zahllose Male in den Erwägungen gestanden. „Würde das Kind diese Trompete nicht gern haben? und würde Gerda sich nicht beide Ohren zuhalten und zu den schrecklichen Tönen lachen?“ – „Oder wenn ich ihm diese Spieldose mitbrächte, würde der Junge nicht schon nach einer Stunde die Mechanik untersucht und zerstört haben?“ – Sascha liebte vor allen Dingen Spielzeuge, bei denen er „inwendig“ großartige Entdeckungen machen konnte.

Zahllose kleine lustige Erinnerungen an solche Zerstörerthaten des Knaben hellten die Züge des Mannes auf. Sein Auge ward lebhaft, er suchte nach hübschen Dingen für die flinken kleinen Finger. Da und dort und dies und das – ein Dutzend Sachen gleich auf einmal, die ihn erfreuen möchten. Alfred wollte in den Laden treten, seine Hand griff gewohnheitsmäßig nach der Geldtasche.

Da stockte sein Fuß und seine Kniee zitterten. Jäh kam in sein Gedächtniß, warum er hier und jetzt hier stand. Er wartete auf den Zug, der ihn an das Todtenbett, vielleicht an die Leiche des geliebten Kindes bringen sollte. Er war im Begriff gewesen, für die kleinen Hände Spielwerk zu suchen, die vielleicht schon erstarrt waren.

Tödliche Angst ergriff ihn. Er floh davon, wieder dem Bahnhof zu und erfuhr dort neue Qual des Wartens.

Aber endlich, endlich hallte der letzte hohle Pfiff der Lokomotive von dem niederen Dach des Bahnhofes wieder, und durch die häßliche Breite der Geleise, Güterschuppen, zusammengeketteten Wagenreihen fuhr der Zug ins Freie.

Draußen lachte herrlichste Winterpracht. Denselben Weg war Alfred mit Gerda im Hochsommer gefahren.

Sein Herz erzitterte. Damals hatten sie geglaubt, ihre Liebe sei gewaltig genug, um sie Selbstüberwindung zu lehren. Seitdem hatten sie sich in Haß gegeneinander aufgebäumt und doch – und doch – keinen Athemzug gethan, ohne aneinander heiß zu denken. Und was war das, was ihn so qualvoll jetzt zermarterte? Diese wahnsinnige Erregung, die ihn wie Flammen durchloderte? War das nur die Angst um das geliebte Kind? Nur das? Zitterte sein Herz nicht vielmehr vor dem Augenblick, wo er ihr wieder begegnen sollte? Schlugen nicht ihr seine Pulse entgegen?

Und wieder wurde es Abend und wieder sank die Winternacht schnell hernieder. Aber das blendende Schneegebreite gab hellen Dämmerschein, so hell, daß der Mann aus den Wagenfenstern das Berghaus droben zu erkennen glaubte, als der Zug in das Oosthal einfuhr.

Und als er dann im schnell gleitenden Schlitten durch die Anlagen und bergan fuhr, hämmerte in seinen Schläfen das Blut, jeder Herzschlag tönte dort wie ein dumpfes Echo wieder. Seine Hände bebten, er fühlte seine Sinne unklar werden.

Das Kind, die Sorge um sein Leben – er hatte alles, alles vergessen. Die ganze Welt trug nur das eine Geschöpf für ihn: sie! Sie sehen, hören, zu ihren Füßen liegen, ihren Athem trinken, in ihren Armen vergehen! –

Da hielt der Schlitten. Er sprang heraus. Ein fremder Mensch trat herzu, ein Knecht oder Diener – Alfred sah alles wie im Traum. Der Mann sagte, daß man ihn seit Tagen erwartet habe, und brachte ihn in ein Gemach und ließ ihn allein.

Warten? Jetzt noch warten auf einen Ruf? Er warf seinen Pelz von sich und ging durch die nächsten Zimmer. Alles kalt und leer und kein anderes Licht als das vom Schnee draußen. Doch da – ein Schimmer durch die Spalte.

Er riß die Thür auf. Das Zimmer war leer, doch hell und warm, und durch weit zurückgezogene Vorhänge sah er in ein anderes Gemach, darinnen ein gedämpftes Licht matt über ein Bettchen floß und ein weißes Gesicht, geschlossene Augen und eine dunkle Lockenfülle unsicher mehr errathen als erkennen ließ. Und zu Häupten neben diesem Bette ein Lehnstuhl und darinnen ein Weib, das sein Haupt wie sterbensmüde gegen die Polster gelehnt hatte.

Er ging wankend vorwärts, das Geräusch seiner Schritte erweckte die Frau, sie hob das Angesicht und sah auf – –

Er lag zu ihren Füßen.

Sie waren beide stumm. Seine Arme umklammerten ihren Leib, sein Haupt lag in ihrem Schooß. Sie hatte den Kopf wie ohnmächtig weit zurückgelehnt und ihre Finger um seinen Nacken zusammengeschlossen. Sie sprachen kein Wort. Aber seine Seele vernahm ihren Herzschlag und die Geschichte ihres Grames. Er wußte, was sie gelitten hatte, und daß sie hier saß, um den letzten Athemzug ihres Kindes zu erlauschen.

Und so, nahe aneinandergeschmiegt, wuchsen ihre Gedanken immer heißer ineinander. Und endlich erhob er das Haupt und seine Augen suchten ihr Angesicht, das blasse, gramgeschmälerte. Sie aber sah ihn an, groß und mit dem Staunen eines Menschen, dessen Seele nicht mehr an Liebe zu glauben wagt.

Seine Lippen näherten sich den ihren, und ohne daß sie es beide gewollt oder gewußt, küßten sie sich lange und heiß. Er ließ sie nicht aus seinen Armen. Er flüsterte zu ihr, Worte von Liebe und Mitleid.

Da schraken sie beide auf. In dem Bettchen rührte es sich. Ein seufzender Athemzug kam von den Lippen des Kindes.

Sie knieeten vor dem Lager, Wange an Wange sahen sie mit bangen Blicken auf das schmale, liebe Gesicht mit den eingesunkenen Schläfen und dem bitteren Leidenszug um den Mund.

Fühlte das Kind die Blicke? War es aus seinem hindämmernden Schlummer erwacht? Aus diesem Schlummer der äußersten Mattigkeit, der das letzte Hinsterben aller Lebenskräfte bedeutet? Der Knabe schlug die Augen auf. Sein Blick wurde groß, ein ängstlich aufleuchtendes Leben trat hinein – Unglaube und Glück zugleich.

„Ja, er ist da,“ flüsterte Gerda, während, ihr selbst gar nicht bewußt, Thränentropfen über ihre Wangen rannen.

Der Knabe lächelte. Dies Lächeln ließ beide erschauern. Es war etwas Erschütterndes darin, wie die abgezehrten Züge sich glücklich verklärten und doch gerade in diesem Lächeln die furchtbare Verheerung durch das Leiden zeigten.

Er wollte seine Arme erheben und war zu schwach dazu. Alfred erfaßte die heißen, trocknen Händchen.

Das große Auge des Knaben ging leuchtend von der Mutter zu dem geliebten Freund und mit seinen Blicken drückte er einen ganzen Himmel voll Seligkeit aus. Er sprach kein Wort.

Plötzlich verdüsterte sich sein Gesicht, Angst schien ihn zu ergreifen, er versuchte Alfreds Hände zu pressen. Und die Angst gab ihm die Kraft, welche das Glück noch eben ihm nicht zu geben vermocht hatte. Er bewegte die Lippen.

Sie neigten ihre Häupter ganz nah zu seinem Munde. Und seine tonlose, hauchende Stimme sprach zu ihnen:

„Bleibst Du nun wirklich immer da?“

„Ja, mein Liebling,“ antwortete Alfred leise.

„O bitte, aber streitet Euch nicht mehr, daß Du wieder fort gehst!“

Alfred und Gerda erzitterten. Er aber preßte das Weib an seiner Seite mit eisernem Druck an sich und sprach laut:

„Wir schwören es Dir! Nie mehr!“

„O – – “ seufzte das Kind mit Lächeln und schloß die Augen.

Es schien zu schlummern. Wie lange? Wer mochte es sagen! Wer auch sagen, wie lange die beiden wachend Hand in Hand noch an diesem Lager saßen! Stunden kamen und gingen, vielleicht Tage und Nächte. Alfred und Gerda wußten es nie. In ihren Seelen schmiedete das Gedächtniß die zwei Stunden in eine zusammen – die Stunde, da er sich zu ihren Füßen wiederfand, und jene andere, auch ewig unvergeßliche.

Sie dämmerte empor an einem bleigrauen Wintermorgen nach durchwachter Nacht. Ueber die Schneegefilde ging ein blasser Tagesschein und stahl sich bläulich durch die Spalten der Vorhänge. Das Licht der Lampe kämpfte, glanzlos und röthlich werdend, gegen den kalten hellen Schimmer an.

Der Knabe, vor Schwäche und vielleicht auch durch die Betäubungsmittel ärztlicher Kunst fast regungslos, lag in einem Zustand schmerzlosen Halbschlummers. Sein Athem war kaum hörbar, sein Auge geschlossen. Jeden Augenblick erwarteten sie, die auf der schrecklichen Wacht bei ihm saßen, daß der sanfte Athem ersterben werde.

Da wurde der Knabe unruhig, da schien ihn Noth nach Luft zu befallen, er bewegte sich ängstlich, er schien sich erheben zu wollen. Alfred stützte ihn.

Er rang mit etwas, das ihn zum Husten zu reizen schien. Umsonst. Sein Gesichtchen färbte sich dunkel. Anstatt des beseelenden Hustens kam ein röchelnder Laut.

[488] Die Augen öffneten sich weit und bang. Und da sah sein letzter Blick die beiden geliebten Gesichter in unaussprechlicher Angst über sich, und seine kleine, liebevolle, tapfere Seele wollte die Anstrengung machen, durch ein Lächeln die beiden zu beruhigen. So stritt die Erstickungsangst mit dem Liebeslächeln auf dem Angesicht des kleinen Dulders einen sekundenkurzen Kampf – der Schein von Leben und Bewußtsein erlosch, die Lider senkten sich. Ein hohler Athem ging von den Lippen, die keine Luft wieder einsogen. Der kleine Körper wurde schwer, schwer. Er entsank den Armen die ihn hielten, und lag gestreckt in den Kissen.

Eine fürchterliche Stummheit war auf seinem Munde.

Und auf der jungen Kinderstirn thronte die Majestät des Todes.




Vielleicht anderthalb Jahre später war es, als eines Tages Jettchen Schneider in höchster Aufregung zu ihrer Freundin kam.

„Jetzt weiß ich alles und endlich sieht man klar,“ sagte sie in der freudigen Stimmung jemandes, der sehr wichtige Dinge im Wissensbesitz hat und darauf brennt, sie mitzutheilen.

„Was denn?“ fragte Frau Marie, ihre Neugierde hinter würdevoller Ruhe verbergend, denn seit ihr Gatte einen höheren Titel bekommen hatte, fühlte sie sich in jeder Weise Jettchen Schneider überlegen.

„Nun, die Geschichte mit der Offingen und Haumond – da Du immer ein Tendre für ihn gehabt hast – ach was, ich hab’s ja doch gemerkt – so interessiert Dich doch wohl alles.“

„Aber die sind ja seit anderthalb Jahren verheirathet,“ sagte Marie möglichst gleichgültig, während ihr Herz klopfte.

„Freilich. Aber wir konnten uns doch auf die ganze Geschichte keinen Vers machen und fanden es unglaublich unpassend, daß sie heiratheten, als der arme Junge so zu sagen eben erst im Grabe lag,“ eiferte Frau Doktor Schneider.

„Freilich, das war auch unpassend,“ gab Frau Mietze zu.

„Denke Dir also,“ begann die noch immer „junge“ Frau, indem sie sich setzte und ihre Hutbänder löste, um freier sprechen zu können, „als ich vorhin von Potsdam kam, wen treffe ich in der Bahn? Das Tantchen. Das alte Fräulein kannte mich gleich wieder, wir wohnten doch früher in einem Hause und sahen uns manchmal im Garten. Na, und die schien auch froh zu sein, daß sie sich mal aussprechen konnte. Weißt Du, weshalb damals die Verlobung auseinander ging? Das Tantchen sagt: Sie konnten sich nicht ineinander fügen; das heißt doch auf deutsch: die Baronin war zu streitsüchtig. Nun ist mir auch erklärlich, warum sie zweimal die Jungfer in einem halben Jahr wechselte, ich konnte damals nicht recht dahinter kommen. – Aber sie hat ihn sich dann doch durch einen wahren Theatercoup wieder zu erobern gewußt. Als ihr Knabe starb, hat sie Haumond kommen lassen, na und da wird er sich wohl haben hinreißen lassen, denn ein mitleidiger Mensch war er doch. Das Kind soll ihnen sterbend den Schwur abgenommen haben, sich zu vertragen.

Das alte Fräulein ist im Frühling von San Remo zurückgekommen, aber sie ist in dem Hause und bei den beiden Menschen ganz krank geworden. Freilich, gestritten haben sie sich nie mehr. Aber es sei gräßlich gewesen, wenn sie verschiedener Meinung waren, angesehen hätten sie sich dann, als wollten sie sich morden – stumm und blaß und ordentlich gezittert haben sie. Und dann haben sie sich in die Arbeit gestürzt, als seien sie Tagelöhner. Er auf dem Gut, das sie sich da zusammengekauft haben, sie im Hause. Kurz und gut – ganz verrückt! Das ist der alten Dame auf die Nerven gefallen und sie ist zum Winter wieder fortgereist. Da, vor drei Monaten schreibt ihr Haumond. ‚Wir haben einen Sohn.‘ Nicht einmal, wie es Gerda geht und ob sie sich gefreut haben – nichts! Natürlich hält es das Fräulein, obschon sie selbst sehr elend ist, für ihre Pflicht, gleich hinzureisen, um Gerda zu pflegen. Da ist sie aber schön angekommen – sie meint, weder Gerda noch Alfred hätten ihre Anwesenheit recht bemerkt, wenigstens gekümmert habe man sich nicht um sie, trotz des bei ihrer Kränklichkeit so großen Opfers. Und das sei ein Gethue gewesen! Als habe der liebe Gott ein Wunder geschehen lassen! Eine Liebe und ein Glück! Eine Dankbarkeit und Rührung! Und das dumme kleine Kind haben sie jeden Tag neu angestauntl Und von Meinungsverschiedenheiten hat man nichts mehr gemerkt – kurz und gut: verrückt! Denn das muß ich sagen, Schneider und ich haben uns auch gefreut, als unser Junge geboren wurde, besonders Schneider, aber so albern haben wir uns nicht benommen und mit mir gebrummt hat mein Mann trotzdem wohl mal. – Und von der ganzen Welt wollen sie nichts mehr wissen, sie wollen nur für sich und ihr Kind leben. – Aber nun ist mir die Zunge ganz trocken geworden, Mietze, hast Du ein Glas Bier für mich?“

„Schade,“ sagte Frau Marie, während sie mit einem Theelöffelstiel ein Stückchen Kork herausfischte, das auf dem Bierschaum im Glase saß, „schade! Mit einer vernünftigen Frau hätte aus Alfred ein ganz geselliger, netter Mensch werden können. Die Offingen paßte nicht für ihn, die ist auch übers-pannt.“

Und Marie Ravenswann soll in diesem Roman das letzte Wort behalten, weil sie es auch im Leben immer hat und immer behalten wird, denn sie ist von denen, die im Geleise gehen.




Gesundheitspflege und Eisenbahnverkehr.

Während von allen Seiten der erbittertste Kampf gegen die ansteckenden Krankheiten geführt wird, ist es wunderbar, daß das Verkehrsmittel, welches die allseitige Verbreitung dieser Erkrankungen bis in die entlegensten Gegenden besonders bewirkt, nicht das mindeste zur Einschränkung derselben beiträgt. Nicht dadurch aber allein sind die Eisenbahnen gefährlich, daß sie Personen, welche ansteckende Krankheiten in sich haben, weiter befördern, sondern auch durch die Art und Weise, wie dieses geschieht, durch das Zusammenstecken Gesunder und Kranker und damit durch die Weiterverbreitung von Krankheiten auf der Bahn selbst.

Eine Familie mit Kindern, welche an Keuchhusten litten und denen vom Arzte Luftveränderung verordnet war, bat den Schaffner, sie wegen der ansteckenden Krankheit allein fahren zu lassen. Wegen Platzmangel geschah dieses nicht, andere Kinder vom Lande kamen mit herein, sie mußten während der längeren Fahrt angesteckt werden und übertrugen den Keim in ihre Heimath. Ein anderes Kind erkrankte in der Sommerfrische an Diphtherie, der Kehlkopsschnitt konnte daselbst nicht ausgeführt werden, die Mutter fuhr vier Stunden auf der Eisenbahn mit dem halbtodten Kinde in einem Coupé mit anderen Personen zusammen.

Beweisen nicht diese beiden aus dem Leben gegriffenen Beispiele allein schon genügend, wie dringend eine baldige Abhilfe hier erforderlich ist? Ein Ausschließen solcher Kranken von der Eisenbahn ist unmöglich, deshalb muß von den Direktionen daran gedacht werden, Mittel und Wege zu schaffen, um ein Abschließen solcher Kranken zu bewirken. Es ist dieses eine Forderung, welche der gesunde Reisende gesetzlich zu verlangen berechtigt ist, und die Thatsache, daß in dieser Hinsicht noch nichts geschehen ist, bildet den besten Beweis für die Theilnahmlosigkeit, mit welcher die allgemeine Gesundheitspflege immer noch betrachtet wird. Da der Augenblick der Ansteckung immer längere Zeit vor dem Ausbruch zu liegen pflegt, so läßt sich der Ort derselben selten noch feststellen und an die Möglichkeit einer „Eisenbahnansteckung“ wird nicht gedacht. Trotzdem ist dieselbe viel häufiger vorhanden, als man glaubt. Für keuchhustenkranke Kinder ist Luftveränderung Heilung, sie werden deshalb durchschnittlich durch die Bahn nach andern Orten gebracht, ebenso auch Kinder, die Scharlach und Diphtherie überstanden haben und denen durch das zu frühe Verlassen der Krankenstube der Keim der Ansteckung noch innewohnt. Oefters erkranken auch Kinder an Badeorten und Sommerfrischen, die Eltern suchen dann so schnell als möglich mit den kranken Kindern die Heimath zu erreichen. Die Eisenbahn bildet das Verbindungsglied und das Coupé die denkbar beste Uebertragungsstätte durch das enge Beisammensein und die ungünstigen Luftverhältnisse, ja in der zweiten und ersten Klasse kann die Polsterung die Ansteckungsstoffe noch länger zurückbehalten, als dies bei den hölzernen Sitzen der dritten Klasse der Fall ist, und schon aus diesem Grunde ist es rathsam, beim Schlafen in den ersten beiden Wagenklassen ein Tuch unterzulegen.

[489]

Vom Festzug der Stadt New-York am 1. Mai 1889.
Nach Augenblicksaufnahmen von Falk in New-York.

[490] Hier kann nur Abhilfe geschaffen werden durch Herstellung von Krankencoupés. Die Einrichtung muß derart sein, daß ein Haften von Ansteckungsstoffen nicht zu erwarten und eine Desinfektion schnell zu ermöglichen ist, also etwa der dritten Klasse ähneln. Das Sitzbrett muß zum Abheben sein wegen des schnellen Abwaschens, für die Polsterung des Sitzes können die Insassen selbst das nothwendige Material liefern. Eine leicht anzubringende Schwebe kann zur Aufnahme schwer beweglicher Kranker dienen. Wünschenswerth ist eine Vorrichtung, welche die Theilung des Coupés der Quere nach ermöglicht, so daß im Nothfalle mehrere Familien untergebracht werden können. Derartige durch ein rothes Kreuz kenntlich zu machende Krankencoupés sind auch für die während der Fahrt plötzlich vorkommendem Erkrankungen von praktischer Wichtigkeit, da es für solche Kranke von der größten Unannehmlichkeit ist, ihr Unwohlsein vor allen Blicken ertragen zu müssen, ferner zur Beförderung von Epileptischen etc.

In manchen Städten (Mainz, Dresden z. B.) hat die Behörde Krankenwagen zur Ueberführung ansteckender Kranker in das Spital oder nach anderen Wohnungen eingeführt und bei strenger Strafandrohung öffentliche Droschken zu diesem Zwecke zu benutzen verboten; so müßte auch von der Eisenbahnverwaltung streng gefordert werden, daß Kranke, welche an ansteckenden Krankheiten leiden oder dieselben kürzlich überstanden haben, nur in diesen Coupés für den gewöhnlichen Fahrpreis befördert werden.

Ein Umgehen dieser Maßregel wird viel seltener stattfinden, als man glaubt: so viel Nächstenliebe ist im Durchschnitt noch vorhanden, um der Erkenntniß von der Nothwendigkeit dieser Abschließung zum Durchbruch zu verhelfen, und die Gefahr, durch gesunde Mitreisende angezeigt zu werden, liegt besonders bei Keuchhusten zu nahe. Ein einfaches ärztliches Attest müßte genügen, die Erlaubniß zur Benutzung des Krankencoupés zu erwirken. –

Noch in einer anderen Hinsicht könnten die Eisenbahnverwaltungen der allgemeinem Gesundheitspflege hilfreich zur Seite stehen. Die bedeutendste Entdeckung der Neuzeit auf medizinischem Gebiete, die Feststellung der Tuberkelbacillen durch Dr. Koch, weist leider bis jetzt für das allgemeine Leben nicht den gehofften Erfolg auf; man glaubte, aus der Entdeckung der Ursache müßte sich sofort ein Heilmittel für die ausgebrochene Krankheit ergeben, während man nicht versuchte, wie bei der Trichinose, die Ursache selbst zu vermindern. In letzterer Hinsicht sind nun durch die neuesten Untersuchungen von Dr. Cornet die wichtigsten Fingerzeige gegeben worden. Schon Dr. Koch stellte fest, daß der Tuberkelbacillus nicht überall in der Luft umherfliegt, sondern stets dem Auswurfe Brustkranker entstammt und auch außerhalb des Körpers Monate lang die Fähigkeit der Ansteckung behält. Dr. Cornet wies nun nach, daß die Ausathmungsluft und der feuchte Auswurf der Schwindsüchtigen zur Uebertragung der Schwindsucht auf dem gewöhnlichen Wege durch Einathmung von Tuberkelbacillen ungeeignet ist, daß vielmehr die Uebertragung durch den vertrockneten Auswurf geschieht, und zwar besonders durch das Ausspucken in Taschentücher und auf den Fußboden. Dr. Cornet konnte in dem Staube an den Wänden und Bettstellen von 21 Krankensälen in 15 Fällen Tuberkelbacillen durch Einspritzung dieses Staubes in Thiere nachweisen. In 6 Krankensälen, wo nur Schwindsüchtige lagen, welche aber streng angewiesen waren, ihren Auswurf nur an Wasser-Spucknäpfe zu entleeren, kamen keine Tuberkelbacillen vor. Dr. Cornet konnte die Richtigkeit seiner Befunde auch statistisch begründen, denn von den Schwestern der Krankenpflegerorden sterben mehr als ⅔ als Opfer ihrer Pflichttreue und der bisherigen leichtfertigen Handhabung der Ordnung in Beziehung auf den Auswurf der Kranken.

Nach diesen Entdeckungen ist der Brustkranke nicht, wie es bei der Feststellung der Tuberkelbacillen den Anschein hatte, ein Gift für seine Umgebung, er selbst ist im Gegentheil ungefährlich, nur sein Auswurf muß streng überwacht werden. Man bedient sich am besten eines Gefäßes mit Wasser, wie überhaupt jeder Auswurf so behandelt werden sollte. Die hergebrachten Näpfe mit Sand und Sägespänen verbreiten durch Eintrocknung die Ansteckungsstoffe.

Am meisten wird in dieser Hinsicht aber in den Eisenbahnwagen gesündigt. Die Mehrzahl unserer Leser wird von Eisenbahnfahrten her Beispiele verzeichnen können, mit welcher Rücksichtslosigkeit der Boden des Coupés durch Auswurf verunreinigt wird, und bei dem schnellen Eintrocknen ist dann die beste Gelegenheit zur Uebertragung von Krankheiten gegeben. Von Dr. Dettweiler sind neuerdings Taschenfläschchen für Hustende hergestellt worden, welche bei dem billigen Preise (1 Mark 50 Pf.) jeder an chronischem Katarrh Leidende leicht bei sich führen kann. Von der Eisenbahnverwaltung aber muß das Ausspucken auf den Boden der Coupés streng untersagt werden. –

Noch mehr Verbesserungen in hygieinischer Hinsicht ließen sich anbringen: z. B. vortheilhaftere Ventilation der Coupés. Die jetzt vorhandene Fensterlüftung ist nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer öfters ungenügend. Selbst wenn nur ein Fenster offen steht, werden empfindliche Menschen durch den Zug belästigt und können sogar krankhafte Störungen, wie Gesichtslähmungen, dadurch erhalten, so daß bei neuen Wagen die Einrichtung eines Luftdurchzuges an der Decke dringend wünschenswerth ist. Gut wäre ferner eine Besprengung der von der Sonne erhitzten Wagen im Sommer und Einführung von Fenstervorhängen in sämmtlichen Wagenklassen; doch soll man nicht zu viel verlangen, wenn man etwas erreichen will. Die Bahnverwaltungen haben in den letzten Jahren so viel zum Wohle der Reisenden gethan, daß sie sicher auch die berechtigten Forderungen der Gesundheitspflege in Berücksichtigung ziehen werden. Dr. med. Taube.




Quickborn.

Eine Berichtigung. Von Klaus Groth.

Mit Entrüstung schreibt mir noch erst am Pfingsttage wieder ein ungenannter „alter Ditmarscher“: „Sie haben vieles über sich müssen ergehen lassen … Da lese ich z. B. in der ‚Gartenlaube‘:

‚Quickborn zeigt ausgeprägte Ortsfärbung; die Dichtungen gruppieren sich um das Dorf dieses Namens, welches einige Wegstunden nördlich von Altona liegt‘.

Ist das nicht zum Lachen? Keine Ahnung hat der Mann von der symbolischen Bedeutung der so glücklich gewählten Bezeichnung der Sammlung, sie wird ganz oberflächlich topographisch erklärt, und das Topographische noch dazu unrichtig. Zum Lachen ist das wohl nicht, sondern zum Splitter-Hagel-rasend-dull-warrn.“

So mein unbekannter Landsmann. Entrüstet bin ich selbst nun nicht über diese Irrung. Der Aufsatz über mich, in welchem sie sich findet, ist mit Liebe und Wohlwollen gegen mich geschrieben und hat mir Freude gemacht.

Ja, wenn ich über jede Irrung, die ich in den vielen Aufsätzen allein, die über mich in Veranlassung meines 70. Geburtstages geschrieben worden sind, entrüstet werden wollte, so hätte ich mir alle Freude verderben können, die ich – mehr als ich verdiente – im vollen Maße und mit dankbarem Herzen genossen habe.

Allerdings hätte Herr Eugen Wolff, der den Artikel für die „Gartenlaube“ geschrieben hat, sich gar leicht bei mir erkundigen können, ob seine Vermuthung richtig sei, daß meine Gedichte und Erzählungen ihre Ortsfärbung von dem Dorfe Quickborn bei Altona[1] erhalten, ob sie sich um diesen Ort „gruppieren“; denn er wohnt nur fünf Minuten vom „Klaus-Groth-Platz“ und ist persönlich mit mir bekannt. Er hätte dann erfahren, daß ich das Dorf Quickborn nie mit Augen gesehen, auch nicht die drei anderen in Hannover, ja nicht einmal das mir näher gelegene Quickborn in Ditmarschen, von dem mein angeführter Landsmann vielleicht eine Beziehung zu mir vermuthet – nicht ganz ohne Grund.

Vollständig recht hat mein Landsmann darin, daß der Titel meines Buches nur eine symbolische Bedeutung hat. [491] Man konnte sich ja auch über Entstehung und Bedeutung des Titels aus dem Glossar zum „Quickborn“, das ich und Prof. Müllenhoff im Winter 1854/55 zusammen ausgearbeitet haben, unterrichten.

Wir arbeiteten daran, an der Feststellung der Grammatik und Orthographie, vom Oktober bis zum April täglich jeden Abend von 5 bis 7 oder 8; dies zur Belehrung für alle, welche jetzt plattdeutsch schreiben ohne Sprachkenntnisse. -

Im Glossar der illustrierten Ausgabe vom Jahre 1856, das wir nachher verkürzt haben, steht:

„Quickborn nannten unsere Alten Orte an perennierenden Quellen. ‚Quickborn‘, sagt Neocorus, der plattdeutsche Geschichtschreiber, in seiner Chronik des Landes Ditmarschen, der damaligen kleinen einzigen noch übrigen deutschen Republik im Westen von Holstein, zwischen Elbe und Eider, im 17. Jahrhundert, ‚Quickdorn hesst sinen Namen von dem schonen Springe (von dem schönen Springquell) de to Suden (Süden) daran Dag un Nacht lopt (läuft) wo hart it frust (wie hart es auch friert).‘“

Es bedeutet also eigentlich einen lebendigen Born, eine aufsteigende Quelle, einen Jungbrunnen.

Das Adjektiv „quick“ ist dasselbe, das im Worte Quicksülwer, hochdeutsch Quecksilber (gleichsam lebendiges Silber), und ähnlichen Zusammensetzungen vorkommt. Im Englischen heißt dasselbe Wort quick lebendig, rasch, flink.

Wenn nun mein schon mehrfach citierter ditmarscher Landsmann in seinem Briefe sagt, der Name meines Buches sei „glücklich gewählt“, so wäre es richtiger gewesen, wenn er gesagt hätte: „glücklich gefunden.“ Von Wahl war für mich nicht die Rede, mir lag nichts zur Auswahl vor, sondern gesucht habe ich und nach langen Mühen und Bedenken gefunden, was ich brauchte.

Ich hatte zehn Jahre in Vorbereitung, Studien mannigfachster Art und wirklicher Ausarbeitung meiner Gedichtsammlung, fünf Jahre davon in vollständiger Einsamkeit auf der kleinen Ostseeinsel Fehmarn (oder Femern, wie Eugen Wolff richtig schreibt) gebraucht. Ich wußte sehr wohl, was ein treffender Name für eine solche eigenartige Sammlung für einen Werth hat. Seit mein alter Freund und Landsmann, der berühmte Kanzelredner Klaus Harms, der später das Vor- und Fürwort zu meinem „Quickborn“ geschrieben, sein vortreffliches Volks- und Schullesebuch „Gnomon“ herausgegeben, kam mir der Anfang seines Vorwortes nicht aus den Gedanken: „Man liebt kurze Büchertitel.“

So ging ich denn ernsthaft auf die Suche nach einem kurzen Titel für mein Buch. Wie ich das angestellt habe, würde unter den Lesern der „Gartenlaube“ nur diejenigen interessiren können, die etwas Aehnliches vorhätten. Nur so viel sei ihnen mitgetheilt, daß es schwerer war, als sie sich wohl denken, nachdem ihnen das Ergebniß in zwei Silben vorliegt. Als Beweis der Schwierigkeit habe ich viele Jahre einen großen Foliobogen aufbewahrt, der sich vielleicht noch unter meinen Papieren findet, der ganz bedeckt ist mit versuchsweisen Titeln, mit vorhandenen, die mir einfielen oder die ich aufstöberte, und mit Nachahmungen solcher für meinen Zweck. Endlich blieb ich an dem schönen alten Worte „Quickborn“ hängen und hatte nur das eine Bedenken dabei, daß man den Titel vielleicht als anmaßlich ansehen würde: man denke: ein Dichter wagt es, sein Erstlingswerk einen Jungbrunnen zu nennen! Aber ich beschwichtigte meine Zweifel und Bedenken mit dem Gedanken, daß die wenigsten Leser überhaupt nachdenken und die allerwenigsten die Wortbedeutung der seltsamen Bezeichnung ahnen würden. Dann kam mir doch jedenfalls die Kürze und der seltsame Klang zu Nutzen: man behielt den Titel im Gedächtniß. Ich hatte recht. Unter Hunderten von Lesern schlug auch kaum einer im Glossar nach, um die Bedeutung des Wortes zu erfahren. Denn selbst nähere Freunde und geborene Plattdeutsche, Landsleute von mir haben mich zu Dutzenden gelegentlich gefragt, was eigentlich „Quickborn“ besage.

Aus Vorsicht schrieb ich doch noch an Klaus Harms um seine Meinung. Der aber war mit meiner Titelwahl gar nicht einverstanden. Ganz im Gegensatz zu seiner im „Gnomon“ geäußerten Ansicht über kurze Büchertitel schlug er mir vor, meine Sammlung zu benennen: „Ditmarschen, as et sprickt un wrickt, levt un wevt“ oder so ungefähr, und äußerte als Hauptbedenken gegen den „Quickborn“, daß die Leser dabei an unser Dorf in Ditmarschen denken würden.

Nachdem ich mir das überlegt hatte, blieb ich doch bei meiner Wahl. Denn, sagte ich mir, wie viele kennen wiederum das Dorf Quickborn? Und was schadet’s, wenn sie denken, wie jetzt Eugen Wolff? Also so kam mein Buch zu seinem Namen, der ihm nicht geschadet hat.

Nun will ich aber noch gestehen, daß ich selbst allerdings einen Nebengedanken an das Dorf Quickborn in Ditmarschen bei der Wahl des Namens hatte. Mein Vater Hartwig Groth in Heide war der einzige von einer Reihe Brüder nachgebliebene Sohn meines Großvaters Klaus Groth. Der wiederum war einziger Sohn meines Urgroßvaters, welcher eine Bauernstelle im Dorfe Högen in Norderditmarschen besaß. Von ihm und seinem Bauernhofe hörte ich nur noch erzählen, u. a., daß aus der Hofstelle ein Eichbaum gestanden von einer Größe, daß in seinem hohlgewordenen Stamm ein Schweinekoben eingerichtet gewesen. Der Baum war endlich morsch geworden und gefällt, hatte aber in Stamm und Aesten soviel Holz geliefert, daß davon dem Ururgroßvater ein Abnahme- (Altentheil-) Haus gebaut worden war.

Nur bis soweit zurück konnte ich meine Ahmemreihe ohne Seitenzweige verfolgen. Auch Ur- und Ururgroßvater scheinen einzige Söhne gewesen zu sein. Aber es ging die Sage, daß die Groths ihren Ursitz in Süderditmarschen gehabt hätten. Es kamen auch in meiner Knabenzeit, allerdings ganz selten einmal, Verwandte unseres Namens zu Wagen auf einen Tag Besuch daher, die mit besonderer Auszeichnung empfangen wurden.

Bei dieser Gelegenheit hörte ich dann die Namen „Quickborn“ und „Bokholt“ (Buchholz), denn daher kamen sie, und ich habe erst später die Vermuthung gewonnen, daß dort die Wiege meiner Ahnen gestanden. Das erzählte ich, nach Erscheinen meines Buches, meinem alten Freunde Klaus Harms, der auch Müllerssohn aus Süderditmarschen war. Ich wünschte natürlicherweise Gewißheit über diese meine Vermuthung.

Er nun erzählte mir eines Tages bei einen meiner Besuche bei ihm in Kiel: „Ich bin in Quickborn gewesen, lieber Freund, habe dort noch einmal wie in der Heimath Sonntags gepredigt. Ja, ich alter blinder Mann habe noch einmal die Kirche unter Wasser gesetzt.“ Er konnte wohl mit seinem gewaltigen ganz originellen Wort auch Steinharte zu Thränen rühren. „Da habe ich auch in den Kirchenbüchern nachsehen lassen, ob ein Groth etwa aus Quickborn oder Bokholt ausgewandert und nach Högen verzogen sei. Es ist aber nichts zu finden, die alten Kirchenbücher sind bei der Eroberung Ditmarschens durch die Dänen und durch Feuersbrünste vernichtet.“

Von meinen Vorfahren über den Ururgroßvater hinaus habe ich also nicht die Spur einer Nachricht; der Krieg hat sie verwischt. Nur unser Name Groth, de Groten, mag besagen, daß wir, wie noch meine drei Söhne, ein Hünengeschlecht gewesen nach Ditmarscher Art.

Die „Ortsfärbung“, wie Eugen Wolff sich ausdrückt, „den Erdgeruch“, wie die neueren Naturalisten sich auszudrücken lieben, haben meine Dichtungen von dem Geburtsorte meiner Mutter, von Tellingstedt, einem Kirchdorfe mit etwa tausend Einwohnern, zwei bis drei Stunden Wegs im Nordosten von Heide. Wissen kann das auch ein jeder der vielen, die über mich geschrieben haben, ohne bei mir vorzufragen. Es steht ausdrücklich in den Erzählungen, die ich unter dem Titel „Ut min Jungsparadies“ herausgegeben habe, der Ort, die Umgebung, die Menschen - alles. Aber wer liest vorher die Schriften eines lebenden Dichters, über den man schreibt und urtheilt, wer gar studiert ihn, wie man es für seine Pflicht hält, zu thun, wenn man über einen lateinischen oder griechischen Autor spricht, vergleicht Ausgaben und Lesarten, Varianten, Scholien?

Mein „Quickborn“ hat zwei Theile. Wer hat den zweiten Theil gelesen, ehe er über mich schrieb, obgleich er mein bestes Idyll, den „Heisterkrog“, enthält? Mein „Quickborn“, erster Theil, hat 14 Auflagen. Wer hat sie verglichen? Ich habe Aufsätze zugesandt erhalten von Verfassern, die nur die erste Auflage gesehen haben. Das weiß ich einfach daraus, daß sie Gedichte citirt haben, die ich schon in der zweiten ausgelassen habe. Und alle sprechen über diesen ersten Theil des „Quickborn“, als wäre er ein Werk wie etwa eine Tragödie, nicht eine Sammlung, die aus Gedichten von dreißig Jahren mit Sorgfalt zusammengestellt ist. Dann heißt es: „Was der Dichter später gemacht, fällt dagegen ab.“ All nicht wahr! Aber niemand hat sich die Mühe gemacht, zuzusehen, wann denn die einzelnen Werke entstanden sind.

Doch nun werde ich selbst entrüstet, was unnöthig, denn alle haben mir wohlthun wollen und es auch gethan, trotz alledem.


[492]

Schatten.

Novelle von C. Lauckner.

Wohin? Konrad Herrendörfer, das Haupt seiner Tafelrunde, der Vielgereiste und Vielgewandte, der die Kenntniß der feinsten Lokale der Hauptstadt zu einer Art Studium gemacht hat, – der niemals in Verlegenheit um einen lustigen Abend ist, – steht hier in der fremden Stadt an der Ostgrenze des Reiches rathlos in der Nähe einer großen Laterne, sieht auf den Marktplatz nach einer, in die endlos lange Straße nach der andern Seite und seufzt recht unzufrieden und gelangweilt.

Es ist aber auch eine eigene Lage, in der er sich befindet. Er ist sozusagen incognito in der alten Pregelstadt Königsberg, zum erstenmal in seinem vielbewegten Leben, dessen Haupterlebnisse sich bisher mehr in der Mitte und im Süden unseres deutschen Vaterlandes abgespielt haben.

Sonderbares Schicksal, das ihn nun, da er in eine neue Staffel seiner Entwickelung eintreten will, bis hierher, in die „Stadt der reinen Vernunft“, verschlägt, die sich ihm übrigens in möglichst unvortheilhaftem Licht zeigt. Nebel, dichter Nebel vom Morgen an, ein für den verwöhnten Feinschmecker ungenießbares Diner, und, es ist zum Verzweifeln! – der Gegenstand, dem zuliebe er sich hier aufhält, nicht sichtbar für ihn, weil – ja weil er es nicht für vereinbar mit den gesellschaftlichen Formen hält, seine Braut zu besuchen, ehe deren Vater ihr Bündniß bestätigt hat.

Dieser Vater hätte von seiner Badereise vielleicht doch einen Tag früher heimkehren können, als Gertrud und er es angenommen hatten, und für diesen immerhin möglichen Fall, der leider nun nicht eingetreten, ist Konrad etwas früher in Königsberg eingetroffen, als er mit seiner Braut verabredet hat.

Was nun beginnen? Was mit dem Ueberfluß an Zeit anfangen in einer Stadt, in der ihm die Lokalitäten vollständig fremd sind, in der jeder Bekannte ihm in seiner augenblicklichen zweifelhaften Lage geradezu unangenehm sein müßte? Bis zum Theater noch zwei Stunden. Soll er in sein Hotel zurück und versuchen, sich dem vielgetreuen Freund, dem Schlaf, zu widmen, trotz des unruhigen Herzens, trotz der nervösen Aufregung, die ihn aus seinem behaglichen Zimmer hinausgetrieben hat?

Und nun lächelt er. Ueber sich selbst, über seine Erregung, seine Rathlosigkeit, über das, was er seinen Materialismus nennt. Das will in diesem Fall sagen: seine Gedanken an Zeitvertreib irgend welcher Art, während doch zwei schöne, freimüthige Augen in die seinen blicken sollten, so daß er darüber Zeit, Ort und alle sonstigen Bedingungen des Daseins vergessen müßte.

Wie er sie sich so recht klar vorstellt, diese lachenden Augen, und den kleinen, vollen Mund dazu, der so lustig und doch so verständig plaudern kann, – und die schlanke, jugendliche Gestalt, die er eine kurze Spanne Zeit in den Armen gehalten, da wird ihm doch so eigenthümlich warm, daß er augenblicklich nur den lebhaften Wunsch empfindet, sie wiederzusehen.

Sein Herkommen ist, wie gesagt, verabredet, morgen wird er öffentlich die Rolle übernehmen, die er Umstände halber seit ein paar Wochen heimlich gespielt hat, – die des glücklichen Bräutigams. Er, der Vierziger, dessen Haar sich schon bedenklich zu lichten beginnt und den seine Freunde den unverbesserlichen Junggesellen nennen.

Wieder erscheint das frische Lächeln in seinem ernsthaften, etwas blasirten Gesicht, und dann wendet er sich, um den Weg einzuschlagen, den er heute schon mehrmals genommen hat, den nach dem großen, ziemlich geschmacklos aufgeführten Hause, nach dessen zweitem Stock er schon mehrmals ohne jeden Erfolg geblickt.

Nun steht er wieder davor, mit einem Gefühl etwa, wie er es als Knabe am Tage vor Weihnachten empfunden hatte, wenn er vor der verschlossenen Thür der Stube stand, in der die Weihnachtsherrlichkeiten aufgebaut waren.

Es beginnt zu dämmern, da kann er dreister nach dem Eckfenster schauen. Er geht über den Damm auf die Seite gegenüber dem Hause, das seinen Schatz birgt. Jetzt glaubt er eine weibliche Gestalt zu erkennen und sieht unverwandt hinauf . . . sie ist verschwunden – aber nun fühlt er plötzlich seine Hand ergriffen und sieht in das rosige Antlitz – dicht neben sich, – das ihm das liebste auf der ganzen Welt ist.

Wie im Traum steht er da und hält die kleine, warme, unbehandschuhte Hand so fest, als hätte sie einen Versuch gemacht, sich zu befreien.

„Gertrud, mein Liebling,“ sagt er endlich mit erregter Stimme, die liebliche Erscheinung musternd, – „Du hast keinen Hut, bist überhaupt nicht für die Straße angekleidet . . . “

Sie trägt in der That über dem dunkeln Hauskleide ein niedliches Schürzchen und steht ohne Hut in dem strömenden Regen da, halb lachend, halb weinend, roth vor Glückseligkeit.

„Laß uns hineingehen!“ sagt sie. „Wie hatte ich Zeit, an eine Straßentoilette zu denken . . . Ich stehe in Gedanken bei dem Strauß, den ich heute von Dir erhalten habe, – ich sehe hinunter, sehe einen grauen Paletot, – ich liebe alle grauen Paletots, seit“ – – sie streift den in keiner Weise bemerkenswerthen mit zärtlichen Blicken – „und dann, als der Schirm sich zur Seite biegt, – erkenne ich Dich, Dich selbst, und im nächsten Augenblick bin ich bei Dir.“

Er muß wieder trotz des strömenden Regens und trotz des nicht üblichen Straßenanzuges seiner Braut stehen bleiben, unbekümmert um die erstaunten Blicke der Vorübergehenden. Er übersieht dabei zwei Damen, die dicht vor ihm gehen, und macht einen Schritt so schnell vorwärts, daß eine von ihnen genöthigt ist, vom Trottoir auf die Straße zu treten.

Sie sieht sich um, ein erzürntes „shocking“ hervorstoßend, dabei treffen ihre befremdeten Blicke Gertrud, die tief erröthend grüßt . . . „Miß Sikes . . . “

„Ja, Fräulein Sikes,“ – sagt auch Konrad, – „ich erkannte sie deutlich.“

Diese Stimme, – rauh, krächzend fast in der Entrüstung – Konrad läßt den Schirm sinken und folgt langsam dem schlanken Mädchen, das vor ihm die Treppen hinaufläuft und dann die offene Flurthür hinter ihm schließt.

Nun sieht sie mit großen, erwartungsvollen Augen ihrem Bräutigam zu, wie er Schirm und Ueberrock ablegt und blaß und stumm auf den Boden blickt.

Arme Gertrud . . . Mit jedem Herzschlag vermindert sich ihre grenzenlose Freude, – sie schiebt schüchtern ihre Hand in die seine und fragt:

„Bist Du mir böse, weil ich mich so auffallend benahm, – und weil Miß Sikes das sah?“

Eine direkte Antwort erhält sie nicht, aber eine befriedigende. Konrad zieht sie an sich und küßt sie, wie er sie nie geküßt, wild, mit brennenden Lippen, – als ob es ein Abschied wäre und nicht ein Willkommensgruß, eine Einleitung zu einem langen, glückseligen Leben.

„Um Gotteswillen . . . “ sie macht sich los und öffnet die Thür . . . „Komm hinein, – unsere Leute wissen ja noch nicht, daß wir verlobt sind, – wenn sie es gesehen hätten . . . “

Konrad hat sich unterdessen in seine gewöhnliche, etwas gemessene Haltung zurückgedämmt. Es ist seiner Meinung nach eigentlich unverantwortlich, daß er seine Braut hier aufgesucht hat.

Er hat sie auf Rügen in einer ihr verwandten Familie kennen gelernt, während ihr Vater die Kissinger Kur brauchte. Sie durften ihn um Gotteswillen nicht darin stören durch eine so bedeutungsvolle Nachricht wie die ihrer Verlobung, meinte Gertrud, und er hatte sich damit zufrieden geben müssen, ihr zuweilen heimlich die Hand zu drücken, ihr ein paar Worte zuzuflüstern und ihr zuweilen einige Zeilen zu schreiben während der wochenlangen Trennung.

Denn Gertruds Vater kam erst einen Monat nach ihrer Rückreise von Kissingen zurück, und dann sollte auch Konrad in Königsberg eintreffen, um feierlich die Hand des Mädchens zu erhalten.

Nun hat seine Unruhe ihn vor dem bestimmten Zeitpunkt hierher getrieben und in eine Lage, die er, mit einer sonst für Damen seines Kreises sehr weitgehenden Rücksichtnahme, kompromittierend für seine Braut nennt.

Aber was hätte er nun auch thun sollen? Wenn ein Mann in Konrad Herrendörfers Alter, mit seinen Erfahrungen und seiner schwarzseherischen Weltanschauung noch einmal durch die mächtige, treibende Kraft eines echten Gefühls bewegt wird, pflegen anerzogene und anerlebte Grundsätze selten Stich zu halten.

[493] Nach einigen kleinen Gewissensbeunruhigungen setzt Konrad sich denn auch, innerlich froh, wie seit längst vergangenen Tagen nicht mehr, neben das geliebte Mädchen und wird nicht müde, sich dieselben Versicherungen zurückgeben zu lassen, die er von Zeit zu Zeit durch leise, zärtliche Liebkosungen bekräftigt, die immer neuen, alten von ewiger Liebe.

Nachdem beide dann eine Weile schweigend neben einander gesessen, richtet sich Gertrud auf und fragt:

„Woher kennst Du eigentlich Miß Sikes?“

Es ist eine Frage, die ihr beiläufig in den Sinn kommt, mit der ihre frische, kräftige Natur aus der Gefühlswelt in die Wirklichkeit zurückkehrt.

Mit Erstaunen sieht sie, wie ihres Bräutigams Gesicht sich verfinstert, und nun lacht sie, ein helles, übermüthiges Lachen, das ihn zuerst an sie gefesselt hat.

„Hat die gestrenge Miß Dich etwa auch mit Vokabeln, Grammatik und Litteratur gequält, oder mit ihrem ladylikegentlemanlike muß ich ja sagen, und ihren geschmacklosen Toiletten? Du siehst entschieden gramvoll in der Erinnerung aus.“

„Gramvoll?“ – Nun lacht er auch, nicht ganz natürlich, und sagt leichthin: „Ich habe Fräulein Sikes vor vielen Jahren oft getroffen – und gequält hat sie mich allerdings auf ihre Weise. Aber im Grunde war sie eine gute, anständige Dame, die ich hochachtete.“

Gertrud schlug die Hände zusammen.

„Also wahrhaftig, Du kennst sie! Aber wann war das? Sie ist schon lange, lange hier und vom ersten th bis Shakespeares ‚Julius Cäsar‘ meine englische Lehrerin gewesen. Noch vor meiner Reise nach Rügen habe ich Unterricht bei ihr gehabt, und ich hätte ihn jetzt im Winter wieder fortgesetzt, wenn –“ sie brach erröthend ab . . . „Hochachtung sagst Du übrigens? Das ist mir ein unbekanntes Gefühl. Ich kenne nur Lieben und Nichtleidenmögen, und alle anderen Gefühle und Gefühlchen sind mir unbegreiflich und nicht verständlich.“

„Damit kommt man auch erst in Uebung, wenn man mehr erlebt hat. Es ist wie mit dem Einüben einer Tonleiter – erst wollen die Finger nicht recht . . . aber verzeih, Liebchen,“ bricht Konrad kurz ab, „es wird dunkel, ich muß gehen. Schreibe mir augenblicklich, wenn Dein Vater da ist – ich wohne im ‚Deutschen Hause‘. Wie glücklich wollen wir dann sein, mein Liebling! Unterdessen werde ich oft vorüberkommen und Dein liebes Gesicht am Fenster sehen.“

„Du willst nicht heraufkommen?“ fragt Gertrud erstaunt.

„Nicht, bevor ich ein Recht dazu habe,“ antwortet Konrad standhaft und verabschiedet sich, da eben ein Dienstmädchen durch den Flur geht, nur mit festem Händedruck von seiner Braut.

Sein Herz schlägt froh bewegt. Als er aber die Treppen langsam hinuntergeht, kommen ihm plötzlich die Gedanken wieder, unter deren Einfluß er sie vorher hinaufschritt, die Gedanken an die überraschende Begegnung mit Miß Sikes – und jetzt, nicht verscheucht durch Gertruds glückliches Gesicht, durch ihr liebes Geplauder, gewinnen sie auch wieder Macht über ihn.

Warum heute gerade diese Begegnung mit der alten Engländerin, die ihn an die düsterste Zeit seines Lebens erinnert?

Konrad Herrendörfer ist ein wenig Fatalist und läßt sich leicht durch kleine Zufälligkeiten beeinflussen. So ist er denn jetzt, wo wirklich schmerzliche und peinliche Gefühle in der Erinnerung an vergangenes Unglück in ihm erwachen, seiner Natur nach berechtigt zu der halb traurigen, halb zornigen Empfindung, die ihm das Herz zusammenschnürt. Es ist, als ob der Nebel der Straße sich auch über seine Gedanken breite und über alles, was er sich vorhin sonnig und glückselig ausgemalt hat.

Tief verstimmt tritt er in sein Zimmer. Es ist schon ganz dunkel. Der Kellner zündet das Licht an und zieht sich zurück, nachdem er einige kurze Befehle empfangen.

Konrad faßt den festen Vorsatz, seiner trübseligen Stimmung Herr zu werden. Er versucht, sich durch den Anblick des lieblichen Bildes seiner Braut zu zerstreuen, er beginnt die Lektüre


Sommerlust. Nach einem Gemälde von Prof. H. Stelzner.

[494] des Leitartikels einer politischen Zeitung, der ihn unter andern Umständen in Wuth versetzt haben würde, er raucht eine besonders aufbewahrte Havanna, aber „shocking!“ tönt die häßliche Stimme in seine frohen Betrachtungen aus dem politischen Aufsatz, und – „shocking!“ – aus dem Rauch seiner Cigarre entwickelt sich gar die lange, eckige Gestalt der englischen Lehrerin, die er seit Jahren aus den Augen verloren.

Mißmuthig und mit bedrücktem Herzen legt er sich in das geöffnete Fenster. Das richtige Herbstwetter! Fast greifbarer Nebel, durch den die Straßen- und Wagenlaternen wie verlöschend glimmen, der das Geräusch zu dämpfen scheint und die geschäftigen Menschen verschwommen wie Schatten über die Fliesen gleiten läßt.

Konrad ertappt sich darauf, daß er sich Mühe giebt, die Vorübergehenden erkennen zu wollen.

Lächerlich! – Er kennt niemand, er will niemand kennen außer der einen, die in all ihrer Jugend und Schönheit sich ihm freiwillig zugewendet, die ihm wiedergegeben hat, was er lange verloren: starkes, reines Empfinden mit jener Hochachtung vereint, die in jungen Jahren die Hauptbedingung jeder Neigung ist, in späteren oft vor dem leidenschaftlichen Wunsch zurücktritt.

Und doch – ein banges eisiges Gefühl überkommt ihn – schien es nicht ebenso damals, damals . . .

Dieses „Damals“, das gerade jetzt in die glückliche Gegenwart ein breites, häßliches „shocking“ gerufen …

Konrad ist im gewöhnlichen Leben ein großer Philosoph. Er ist dazu erzogen durch das Beispiel seines älteren Bruders, dessen überlegene Weltanschauung ihm schon in seinen Jünglingsjahren Bewunderung einflößte.

Sie sagte seiner Anlage am meisten zu, und da er innerlich noch wenig erlebt hatte, bemühte er sich in seinen jungen Jahren so lange, sie nachzusprechen, bis er sich einredete, durch alles, was er gesehen, gelesen, gehört – sich eine eigene Anschauung geschaffen zu haben.

Das war, bis die einzige Leidenschaft in seinem Leben ihn vorwärts gerissen.

Da waren falsche Philosophien und Theorien verschwunden, Glückseligkeit ohne Ende sollte das Leben bringen. Das angebetete Mädchen, seinem Elternhause befreundet, war seine Braut und sollte in kurzer Zeit seine Gattin werden . . . Wie stolz er war, daß sie ihn gewählt, wie stolz aber auch auf all die äußeren Vorzüge, die eine Verbindung mit ihm dem schönen, aber armen Mädchen bieten würde, mit ihm, der trotz seiner Jugend bereits hochgeachteter Anwalt war und als Nachfolger seines rühmlich bekannten Vaters und Geschäftstheilhaber des älteren Bruders schon einen Ruf zu vertreten hatte!

Der schöne Traum hatte ein jähes Ende genommen, das Leben war ein nüchternes, der Poesie und des Glücks entkleidetes geworden, und die früher eingebildete schwarzseherische Lebensanschauung hatte tiefe Wurzeln in der Seele des Verarmten geschlagen und war stärker und schwärzer geworden im Lauf der Jahre, bis in diesem Sommer . . . Aber, „shocking“ tönt es da plötzlich wieder in seine eben freundlicher werdenden Gedanken – und mit einem leisen Schauder muß er der Scene gedenken, in der er es zum letzten Mal vernommen . . .

Im Sommer waren es zwölf Jahre gewesen.

Ein schwüler Nachmittag – die Bäume in dem kleinen Vorgarten seiner Wohnung in der Matthäikirchstraße bewegungslos – die Luft bleiern. Er selbst sieht einem Falter zu, der mühsam einer Rose zuflattert – eine Schwalbe erhascht ihn im Fluge, eine Heuschrecke zirpt eintönig melancholisch, schwüler Jasminduft strömt ins Zimmer. Ihn überkommt ein schweres, unbehagliches Gefühl, wie alle nervösen Menschen vor dem Ausbruch eines Gewitters. – Da drückt man draußen mit Ungestüm auf die Glocke.

Der Diener meldet: „Miß Sikes.“

Miß Sikes tritt ein; Konrad kennt sie, die Erzieherin seiner Braut. Ihre augenscheinliche Erregung läßt ihn nichts Gutes ahnen. Er bittet sie, Platz zu nehmen – „to take place“, sagt er, und Miß Sikes erschrickt nicht über den Fehler, den er macht.

„Ich bringe Ihnen eine schlechte Nachricht,“ sagt sie in ihrer Muttersprache.

Konrad springt auf.

„Meine Schwiegermutter kränker – todt –“

Die Engländerin schüttelt den Kopf.

„Magdalene –“

Sie nickt.

Die Miß muß wahnsinnig geworden sein: seine Braut, die er gestern in voller, blühender Gesundheit verlassen, der er heute das übliche Bouquet gesendet, das sie mit dem gewöhnlichen Dank beantwortet hat.

„Unmöglich!“ sagt er bestimmt – „Friedrich hat vor einigen Stunden mit ihr gesprochen.“

„Und doch ist sie todt, todt für Sie, für die Ehre – und ich Unglückselige, die ich sie wie mein eigenes Kind geliebt habe, ich muß Ihnen diese Nachricht bringen.“

Konrad fühlt den Angstschweiß auf seiner Stirn, sein Herz hört auf zu schlagen.

„Was ist geschehen?“ murmelt er tonlos und wendet sich so, daß er das Bild Magdalenens von Langendorf, seiner Braut, das auf einer Staffelei in der Fensternische steht, betrachten kann.

Mechanisch vertieft er sich in den Anblick des unsagbar schönen, keuschen Mädchengesichts, das aus großen, wehmüthigen Augen zu ihm herübersieht, als wollte es durch einen bloßen Blick die furchtbaren Anklagen Lügen strafen, die eben die mütterliche Freundin, die Erzieherin, auf das schöne blonde Haupt schleudert.

„Sie hat Sie betrogen,“ sagte Miß Sikes nun ohne Umschweife, „mit dem leichtfertigen Maler, den Sie uns brachten, der jenes Bild dort malte.“

„Fräulein Sikes, Sie verleumden,“ ruft Konrad, seiner selbst nicht mächtig. „Sie sprechen von meiner Braut und von meinem besten Freunde.“

„Ich spreche von dem Wesen, das ich in der verdorbenen Luft seines Elternhauses emporwachsen sah wie eine reine Lilie, das ich als Kind beten lehrte, das der Liebling meines einsamen Herzens geworden ist – dem Geiste nach mein Kind – ein süßes, gottbegnadetes Geschöpf . . . “

Ihre rauhe Stimme bricht in der Erregung.

Konrad ist wie ein Träumender.

Noch ist draußen der Sturm nicht losgebrochen, nicht das Gewitter, das Blüthen und Zweige tödten wird – eine unheimliche Stille in seinem Innern wie draußen.

Es sagt ihm etwas, daß das gebrochene alte Mädchen neben ihm die Wahrheit spricht – eine entsetzliche Wahrheit, die jede Fiber seines Wesens sich sträubt, zu glauben.

„Sprechen Sie!“

„Es muß unseliges Erbtheil des Blutes sein – ich kann es sonst nicht fassen, dear Sir. Ich bin nur ein armes, weltfremdes Mädchen, mein Leben ist im Dienst der Familie hingegangen, in der ich viel Trauriges erlebt habe, und ich bin wenig mit Männern in Berührung gekommen, aber dieser elegante Herr Lemberg war mir ein Abscheu von dem ersten Besuch an, den er bei uns machte, obgleich ich gegen sein Englisch und seine Manieren nichts einwenden konnte.“

„Ich weiß,“ murmelt Konrad, „Sie mochten ihn nie, und er und ich haben oft darüber gescherzt.“

„Ich mochte ihn nicht, weil er Magdalene mit verzückten Augen ansah, weil er ihre Schönheit nicht genug loben konnte, ihr ins Gesicht hinein, als ob er von irgend einer Sache spräche, die Ihre Braut gar nichts anginge. – Sie nannten das lachend ‚Künstlerenthusiasmus‘, und mein armes Kind, das sich anfangs gegen diese Huldigungen gesträubt hatte, fing an, Gefallen an dem Weihrauch zu finden, sie fing an, zu erstaunen, daß Sie, ihr Bräutigam, diese vielgerühmte Schönheit nicht mehr bewunderten, und das mag wohl der Punkt gewesen sein, an den der Elende anknüpfte, um Sie ihr zu entfremden. Dann die langen Sitzungen zu dem Bilde, bei denen ich nicht immer zugegen war, meiner Unterrichtsstunden wegen, und Frau von Langendorf nicht, weil sie zu angegriffen war.

‚Liebe Sikes,‘ sagte sie mir eines Tages, ‚wäre es nicht möglich, daß Sie öfters bei diesen Sitzungen sein könnten? Sie sprechen da drinnen schauderhaftes, gotteslästerliches Zeug. Er scheint ein furchtbarer Freigeist zu sein, und Magdalene ist neuen Gedanken so zugänglich. Auch macht er ihr meiner Meinung nach zu sehr den Hof, was sie freilich bestreitet …‘

Ich war entsetzt. Wenn Marie Langendorf in ihrer stumpfen Art dergleichen bemerkte, mußte es weit gekommen sein. Ich gab die Vormittagsstunden auf und nahm meinen Posten bei dem [495] armen Kinde wieder ein. Zu meiner Beruhigung schwatzte Herr Lemberg wohl viel von der ‚höchsten Subjektivität‘, von dem Recht des Einzelnen, sich auszuleben, ohne Rücksicht auf lächerliche, zopfige Schranken, aber Magdalene schwieg meistens dazu oder warf nur hier und da ein verwundertes Wort dazwischen, wenn er es gar zu arg machte. Sie sah melancholisch aus, wie auf ihrem Bilde dort –“

Konrad erhebt sich und dreht es schweigend um.

„Träumerisch, als ob sie kaum hörte, was er mit ihr sprach. Er dagegen – nun, seine Beschäftigung gab ihm ja Gelegenheit genug, sie nach Herzenslust in seiner dreisten Art anzustarren. Das Bild war dann fertig und wurde nach seinem Atelier geschafft, wo Sie damit überrascht werden sollten. Er hatte uns alle eingeladen, Sie erinnern sich wohl – Sie holten uns ab und wunderten sich über Magdalenens scheues, erregtes Wesen.“

„Sie war immer kühl und scheu wie ein Vögelchen – ich liebte das so an ihr,“ sagt Konrad.

Miß Sikes nickt. „Dann die Ueberraschung, die Freude, die Sie bei dem Anblick des Bildes hatten. Sie konnten sich gar nicht davon trennen, Sie blieben an der Staffelei stehen und hörten nicht auf, zu danken und zu bewundern. Wir sahen uns unterdessen im Atelier um, und Lemberg zeigte uns die Farbenskizze zu einer Ophelia.

‚Ich erlaubte mir, der ‚holden Maienrose‘ Ihre Züge zu geben,‘ sagte er zu Magdalenen, ‚natürlich nur für mich, nur um einmal den Genuß zu haben, Idee und Ausführung vereinen zu dürfen. – Ich habe es auch schon begonnen,‘ fügte er dann zögernd hinzu und drehte das schöne Bild um, das uns einen Ausruf des Entzückens entlockte, auf den auch Sie zu uns kamen – wissen Sie?“

„Natürlich,“ sagt Konrad, „es ist ein Meisterwerk, Farbe, Stimmung, Technik – alles berückend. Ich konnte ihm nicht einmal zürnen, daß er der Ophelia, die den Stamm der Weide umklammert hält und noch einmal gedankenverloren aufblickt, Magdalenens holde Züge gegeben hatte.“

„Das Bild ist seit heute in der Kommandantenstraße ausgestellt –“

Konrad fährt zurück. Das berührt ihn augenblicklich noch empfindlicher als der erste ungeheure Schlag, der fast betäubend gewirkt hatte.

Er springt auf wie ein Rasender, er schreit, murmelt, Thränen des Zorns strömen unaufhaltsam aus seinen Augen – er ist besinnungslos vor Leidenschaft.

Miß Sikes sitzt regungslos in ihrem Stuhl und läßt den ersten Sturm austoben.

Auch draußen ist das Gewitter losgebrochen. Ein pfeifender Windstoß schüttelt die Bäume, der Straßenstaub wirbelt auf und hüllt in einem Augenblick alles in seinen häßlichen, grauen Mantel. Dann zuckt ein Blitz und gleich hinterher kracht der Donner, als ginge die ganze Welt aus den Fugen.

Muß sie denn nicht auch untergehen – können die Tage in gleicher Weise, mit gleichem Sonnenschein und Regen kommen und gehen; können noch mehr Menschen von Freundschaft und Liebe träumen und jäh aufwachen und Staub und Schmutz das Höchste, Beste umhüllen sehen, was Herz und Seele gleich liebten?

Er lacht häßlich auf, so daß Miß Sikes scheu die Hand auf seine Schulter legt.

Konrad fährt sich über die feuchte Stirn.

„Es war der erste Schreck, Miß Sikes,“ sagt er dann in einem häßlichen ironischen Ton. „Im übrigen, ich bin Advokat und komme oft mit dergleichen Unsauberkeiten in Berührung, Ehescheidungsprozessen und solchen Dingen. – Warum soll ich nicht auch selbst erleben können, worüber ich manche Akten vollgeschmiert habe. Es ist doch alles wahr?“ schreit er plötzlich auf.

Miß Sikes reicht ihm mit thränenüberströmtem Gesicht den Goldring, den er an dem schlanken Finger seiner Braut so oft geküßt.

„Hier einen Brief von ihr. Er ist für einige Tage verreist und stellt sich Ihnen nachher zur Verfügung. Ich habe beide gesprochen. Sie haben von zwingender Leidenschaft geredet, der sie zum Opfer gefallen, – daß sie zu einander gehörten, daß sie sterben würde, wenn Sie auf Ihren Rechten bestünden –“

„Phrasenkram!“ sagt Konrad verächtlich. „Wie hat er wagen können, das Bild auszustellen!“

„Magdalene hat gewünscht, Sie auch äußerlich einer vollendeten, unabänderlichen Thatsache gegenüber zu stellen.“

Konrads Gesicht wird fahl.

„Es war die Veranlassung zu der auch mich niederschmetternden Aussprache. Lemberg wollte heute zu Ihnen, Magdalene aber beschwor ihn mit einer Leidenschaftlichkeit, deren ich sie nie für fähig gehalten hätte, Sie erst nach einigen Tagen zu sprechen, – und ich war schließlich schwach genug, die Aufgabe zu übernehmen, einem Gentleman einen Schlag ins Gesicht zu versetzen. – Sie fleht Sie in diesem Brief wohl um Ihre Verzeihung und um Schonung für ihren Liebhaber an, – sie wurde halb ohnmächtig in dem Gedanken an ein Duell.“

Miß Sikes spricht hastig, ohne Betonung, und sieht mit Blicken voller Todesangst zu Konrad auf, der den Brief in den Händen hält.

„Arme Miß Sikes,“ sagt er, „so wohlanständig in Ihren Gesinnungen, und Sie haben sie so geliebt! – Fürchten Sie nichts – das Eiserne Kreuz, das ich bei Vionville errang, sichert mich vor der Berührung mit einem Schuft, die Sie andeuten. Hier Fräulein von Langendorfs Brief. Ich wünsche, von den üblichen Phrasen verschont zu werden, – ich will von dem Herrn, der mein bester Freund war, nie mehr etwas hören, – ich kenne weder ihn noch seine Geliebte, noch irgend etwas, das auf die beiden Bezug hat. Sie können das gar nicht genug betonen, Miß Sikes. Ich werde Fräulein von Langendorf den Uebergang durch eine Reise erleichtern, die ich sofort antrete. Hier mein Ring, – das Bild und die Briefe des Fräuleins folgen. Ich bitte die meinen unter meiner Adresse in dem Bureau meines Bruders niederzulegen.“

Miß Sikes erhebt sich. Ihre mühsam behauptete Fassung schwindet.

„Shocking, shocking, shocking,“ ächzt sie und schwankt nach der Thür, die Konrad ihr höflich öffnet, seinem Diener den Befehl gebend, der Dame einen Wagen zu besorgen, des heftig strömenden Regens wegen.

„Wollen Sie meine Hand nehmen, Mr. Herrendörfer?“ fragt das alte Mädchen in der Thür.

„Aber gewiß, Miß Sikes,“ sagt Konrad zerstreut, – und dann einer plötzlichen Eingebung folgend, beugt er sich auf die dargebotene Hand und küßt sie. Miß Sikes zieht sie zurück, ergreift dann noch einmal die seinige und drückt sie heftig.

„Leben Sie wohl, Miß Sikes –“ dann schließt sich die Thür hinter ihr und dem schönen Jugendtraum, der nach dem Erwachen einen so schalen, widerlichen Nachgeschmack zurückließ!

Und da war er wieder, dieser böse Nachgeschmack, als Konrad Herrendörfer mit plötzlichem Gedankensprung des Gegenwärtigen gedachte. – Liebte Gertrud Hein ihn denn auch wirklich? Wenn es ihm damals nicht gelungen war, ein Mädchenherz festzuhalten, um das er in stürmischem Jugendfeuer geworben, würde er jetzt in reiferen Jahren, nachdem die eigentliche Jugend vergangen war, Kraft genug besitzen, das so viel jüngere Mädchen für ein Leben an sich zu fesseln?

Bange, beunruhigende Zweifel stiegen in ihm auf. Einen Augenblick flüsterten sie ihm sogar zu: Vielleicht ist Gertrud beeinflußt, vielleicht hat man ihr erzählt, daß du ein wohlhabender, ein reicher Mann bist, – doch nein, wie niedrig, wie widerwärtig war dieser Gedanke, nein und tausendmal nein, es war seine Person, die das junge, liebreizende Geschöpf vom ersten Augenblick angezogen hatte! – und wie ein unverdientes Geschenk kam ihm jetzt ihre warme, reiche Liebe vor, die er mit so inniger Neigung erwiderte.

Er hatte mit einem Gefühl stillen Glücks schon bei ihrer ersten Begegnung empfunden, daß ein wunderlicher Zug zwischen ihm und diesem jungen Mädchen bestünde, ehe sie nur ein Wort zusammen gesprochen hatten.

Sie hatten einander gegenüber gesessen bei der Table d’hote eines Hotels in Sassenitz, sie in größerer Gesellschaft, er ein einsamer Reisender, dem der Zufall den Platz gegeben, den er nun hatte. – Er war dieses Zufalls froh gewesen; das junge Mädchen ihm gegenüber hatte ihm gefallen. Lange war ihm kein so frisches, liebes Gesicht begegnet, in dem sich so viel Erwartung und Lebensfreude aussprachen. Sie war keine Schönheit und doch mehr als das. Je länger er hinblickte, desto deutlicher erkannte er es, und bald schien es ihm, als ob er nichts Reizenderes gesehen hätte [496] als diese fragenden grauen Augen unter fein gezeichneten dunklen Brauen, dieses frische bräunliche Kolorit und diese Fülle braunen Haares, das der herrschenden Mode entgegen in schweren Flechten im Nacken lag. Eine gelbe Rose war leicht darin befestigt und eine gleiche schloß den hohen Kragen ihres einfachen dunkelblauen Leinenkleides, – sonst trug sie keinen Schmuck. Konrad studirte das alles genau, wie es seine Gewohnheit auch bei andern Personen war, die ihm durch irgend etwas auffielen. Freilich, ein so herzerquickender Eindruck war ihm lange nicht geworden, und er fand nichts, gar nichts an dem jungen Mädchen, worüber er sich hätte aufhalten können.

Sie sprach lebhaft, ohne auffällig zu sein, wurde geneckt und neckte wieder, sah sich die Hotelgäste unbefangen an und amüsirte sich augenscheinlich köstlich. Eben sagte der junge Herr, der bei ihrer Gesellschaft war, gewiß etwas Komisches, denn sie lachte laut und so fröhlich, daß ihrem Beobachter warm ums Herz wurde.

Und da traf ihn ihr Blick – ihr Lachen verstummte, und sie sah noch einmal nachdenklich und erstaunt zu ihm hinüber, dann während der folgenden Gänge nie wieder. Sie war auch nicht mehr so heiter und wußte die Neckereien, die man an sie richtete, nicht mehr so schlagfertig zu erwidern wie vorher.

Liebes, reizendes Geschöpf! Konrad Herrendörfer fühlte ihn wieder in sich lebendig werden, den in der Jugend so unversieglich sprudelnden Quell der mittheilsamen Liebe zu andern. So erklärte er sich anfangs sein Wohlgefallen an dem reizenden Mädchen.

Nach Tisch erkundigte er sich nach seinem Gegenüber: der alte Herr war ein Kollege, ein Jurist aus der nahe gelegenen Provinzialhauptstadt, die alte Dame seine Frau und die junge eine Verwandte. Die übrigen wurden ihm auch mit Namen genannt, doch kümmerten sie ihn nur insoweit, als er den Bekannten irgend eines Bekannten unter ihnen entdeckte, der ihn dem kleinen Kreise vorstellen konnte.

Und dann die folgenden Tage! – Mit Behaglichkeit malt Konrad sie sich jetzt aus, und jeden Ausflug, jedes gemeinschaftliche Mittagessen, jedes Beisammensein mit dem lebensfrischen, klugen, heitern Mädchen, das geradezu belebend auf den fast Blasirten einwirkte.

Ihre Lebensgeschichte hat er bald erfahren. Sie ist einfach genug und spielt sich in engem Kreise in der Stadt ab, die Konrad nun eben aufgesucht hat. Ihr Vater, ein höherer Baubeamter, ist ihre einzige Schwärmerei, die Mutter ist früh gestorben, sie erinnert sich ihrer kaum.

Konrad hört von einem einfachen, aber traulichen Heim, dessen Herrscherin sie ist, von vielen Freundinnen, – von ernsten Studien und heiterer Geselligkeit, und alles, was Gertrud Hein ihm vorplaudert, ist von ungeheurer Wichtigkeit. Das Leben zeigt sich ihm von einer andern Seite, er glaubt wieder an eine glückliche Zukunft, und ehe er sich recht klar geworden ist über alles, was ihn bewegt, spricht er das entscheidende Wort, als er wahrnimmt, daß auch andern das junge Mädchen begehrenswerth scheint wie ihm.

In einen Rausch des Entzückens versetzen ihn wieder die damals gesprochenen Worte Gertruds, Worte, aus denen ihre Liebe zu ihm blickt, wahr und aufrichtig.

Wie so ganz anders als damals!

Und nun faßt ihn von neuem ein unbeschreiblicher Widerwille gegen die Thatsache, daß man dergleichen zweimal erleben kann, – zweimal werben um verschiedene Frauen, – beide gleich werth halten, das Leben mit ihnen zu theilen.

Und wie er sich wieder die Umstände ausmalt, die seine Werbung um Magdalene von Langendorf begleiteten, und alles, was dann folgte und was seither wie ein Wurm an ihm genagt hat, da sagt er sich, mit einer Anwandlung zugleich körperlicher Schwäche, daß selbst sein neues, junges Glück nicht Stich hält gegen die bittere Erfahrung seiner Jugend und die schwermüthige Empfindung, welche die heutige Begegnung, diese Stimme aus der Vergangenheit, in ihm wachgerufen hat.

Aus der frohen, erwartungsvollen Stimmung, die ihn die Wochen seit seiner Verlobung erfüllt hat, fällt er wieder in seine gewöhnliche, halb fühllose, halb düstere Stimmung des blasirten Lebemannes.

Und so geht er hinunter und macht sich einem kleinen Kreise anscheinend gleichgestimmter Herren bekannt, die im Speisesaal zusammen sitzen.

Es ist eine Gesellschaft, an die er gewöhnt ist, ältere Junggesellen, die sich Lebenskünstler nennen, die gastronomische Studien für die einzig wahren halten und für das wahrhaft Edle und Ideale, für Frauenwürde längst das Verständniß verloren haben – und in rücksichtsloser, ja roher Weise wird die Unterhaltung geführt.

Konrad ist nur zu bekannt mit diesem Ton, er ist ihm selbst sogar zur Gewohnheit geworden, wenn auch etwas in ihm sich beständig dagegen aufgelehnt hat. Auch heute nimmt er theil an den Gesprächen, die sich hier wie in seinem Klub in Berlin um dieselben Dinge drehen, er weiß selbst sogar noch gewagtere Schlagworte einzustreuen, um gleich darauf Ermüdung und Widerwillen zu empfinden.

Das Essen ist längst abgetragen, dem neuen Bekannten zu Ehren fließt Sekt, – und die Erzählungen werden so zugespitzt wie nur möglich.

Und Konrad betheiligt sich. Das gewohnte Treiben betäubt das häßliche „shocking“, die sentimentale Auffassung der Dinge, – und er ist ganz wie immer ein kühler, fast ermatteter Zecher, der den Schaum ohne Genuß schlürft, weil er den Becher oft bis auf den Grund geleert hat.

Wer ihn jetzt beobachtet, kann keinen günstigen Eindruck von ihm empfangen.

Und er wird scharf beobachtet, ohne daß er es weiß. Unter den von seiner Gesellschaft – die nicht daran gewöhnt ist, sich vor andern Zurückhaltung aufzuerlegen – nicht beachteten Gästen, die zum großen Theil in Zeitungen vertieft dasitzen, würde ihm vielleicht, wenn er um sich gesehen hätte, der ältere Herr aufgefallen sein, der nach einer kurzen Frage an den Oberkellner in seiner Nähe Platz genommen und ihn fortwährend im Auge behalten hat.

Eine fast ängstliche Spannung spricht dabei aus seinem edlen Gesicht, und je länger er hört, desto düsterer wird sein Blick, und als Konrad gerade eine sehr satirische, mit großem Beifall aufgenommene Bemerkung macht und ein Glas Champagner, dessen Schaum er eben geschlürft, in ein Wasserglas gießt und es sich neu füllt, – da wendet der alte Herr sich mit einer Bewegung des Widerwillens ab und verläßt den Speisesaal.

Das Gelage dauert indessen noch fort, und als nach einigen Stunden Konrad auf seinem Zimmer über den verflossenen Abend nachdenkt, da empfindet er deutlicher als je den bittern Nachgeschmack, dieses leise, aber nachdrückliche Gefühl des Abscheus vor sich, vor andern und vor der ganzen Existenz. – –

(Fortsetzung folgt.)




Friedrich Silcher, der Wiedererwecker des deutschen Volksliedes.

Zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages. Von Benedikt Widmann. Mit Bildniß Seite 485.

Es gab eine Zeit – und zwar liegt sie gar nicht so weit hinter uns – da Kunst und geselliges Leben vielfach zu steifen Formen entartet waren. Die Dichter und Aesthetiker hatten sich von dem idealen, individuellen Leben hinweggewendet, ihre Blicke ausschließlich auf die Wirklichkeit und ihre nüchternen Forderungen gerichtet; es fehlte ihnen an „Herzenseinfalt und Herzensfrische, an Glaube und Liebe, an einer tieferen, alles beherrschenden Idee.“ Eine Gegenströmung konnte nicht ausbleiben. Sie fand sich, nachdem die französische Revolution ausgebrochen und dann der große Weltkrieg entstanden war. In der traurigen Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands war ihm eine frische Jugend herangewachsen. Und in diese Zeit fällt auch die Gründung einer neuen Dichterschule, die man die „romantische“ zu nennen pflegt, die nach Friedrich Schlegel „das tiefste und innerste Leben der Phantasie“ zum Angelpunkte ihrer Dichtungen machte.

Wenn auch zugestanden werden muß, daß dieses Streben vielfach zur bloßen Phantastik führte, daß das Wunderbare oft ohne vollkommene Gestaltung, ohne gehöriges Eingreifen in dem Kreise, in dem es wirken soll, innerlich schlaff und mit unnöthigem Flitterstaat beladen, in den grellsten Farben auftritt, so muß doch

[497]

Frau Reineke als Lehrmeisterin.
Nach einem Gemälde von G. v. Maffei.

[498] anerkannt werden, daß es Mitglieder jener Schule waren, denen wir die erste wichtige Sammlung von älteren deutschen Liedern verdanken, die das Interesse für die Volkspoesie wieder weckten. Es ist Arnims und Brentanos Hauptverdienst, an „Des Knaben Wunderhorn“ viele verklungene Lieder dem Volke wiedergeschenkt zu haben, Lieder der freiesten kecksten Lebenslust wie der tiefsten Schwermuth, Lieder vom „Scheiden und Meiden“, vom „Lieben und Leiden.“

Im Zusammenhange mit den Romantikern stand die „Gesellschaft der schwäbischen Dichter“, welche das Gesunde an der Romantik auszubilden, sie mit der Gegenwart zu versöhnen und von ihren Einseitigkeiten zu befreien strebten. Ludwig Uhland, Gustav Schwab, Justinus Kerner und Wilhelm Hauff sind in natürlichem Gefühl, mit gesundem Menschenverstand und Mutterwitz dem Charakter des echten Volksliedes am nächsten gekommen.

Dieser heiße Herzschlag der Romantik hat nun auch in den Tondichtern jener Zeit einen Wiederhall gefunden; er erweckte in diesen eine natürliche Wärme, einen dichterischen Schwung, wie sie vorher bei nahezu gänzlichem Mangel an guten poetischen Stoffen zur Liedkomposition nicht möglich gewesen waren. Abgesehen von den großen Meistern, welche in erhabenen Tonschöpfungen den Geist echter Romantik ergossen, verehren wir neben Ludwig Erk in Friedrich Silcher denjenigen Tonkünstler, der jenen Nationalschatz, das deutsche Volkslied, sowie die Schöpfungen der erwähnten romantischen Sänger dem Volke durch die Macht der Töne zum bleibenden Eigenthum vermittelt hat.

Welcher andere Musiker wäre auch zu dieser Großthat geeigneter gewesen? Ein echter Sohn des Volkes, getragen von schwäbischer Gemüthlichkeit, war er so recht dazu angethan, die Tiefe, Innigkeit und Wahrhaftigkeit der Volkspoesie zu fühlen und zu erkennen. Nur einem solchen Berufenen war es möglich, jene Schmucklosigkeit und Schämigkeit, jene Naturwüchsigkeit und Frische, welche dem Volksliede eigen sind, in den ursprüglichen Tonweisen mit entsprechenden Harmonien wiederzugeben. Auch von diesen gilt, was ein neuerer Dichter, F. G. Weber, an der Volkspoesie rühmt:

„Dein Schmuck ist Einfalt, dich umzieht
Von Salbendüften keine Wolke;
Du wandelst leicht geschürzt, man sieht,
Du bist ein Mädchen aus dem Volke.
Und singst du auch im Königssaal
Von Weisen angestaunt und Thoren,
Doch schweift dein Blick hinab ins Thal
Der Hütte zu, die dich geboren.“

Vor allen Liedern ist es das Liebeslied, dessen Tiefe, Herzenskraft und Frische, Naivetät und Wahrhaftigkeit Silcher sowohl in der Bearbeitung gegebener Melodien, als in den von ihm erfundenen so schön zum Ausdrucke gebracht hat. Wie der Körper mit der Seele, so innig verschmolzen ist seine Harmonie mit der Melodie; diese beschreibt und deklamiert nicht mit Pathos, und ebensowenig hat es jene auf Emphase abgesehen. „Natur und Liebe, Herz und Natur, Traum und Natur“ – diese in eins gebildeten Triebe, diese stets wechselnden Pole der Seele wurzelten tief in dem echt deutschen Gemüthe unseres Sängers der Liebe. Nur auf ein Beispiel seiner eigenen Komposition, auf das seelenvolle Lied „Im Mai“ sei hier hingewiesen. „Natur und Liebe, Herz und Natur“ bilden die Hauptmotive seiner musikalischen Illustration. Wessen Herz geht nicht auf, wenn er mit der ganzen Innigkeit der Seele singt:

„Draus’ ist alles so prächtig,
Und es ist mir so wohl!“

Welche zarte Empfindung liegt in dem weiteren Motive:

„Mei ganz Herz thut me freue,
Und es blüht mer au drin!“

Mit welch ungesuchter schöner Steigerung giebt er endlich der Sehnsucht:

„Im Mai, im schöne Maie
Han i viel no im Sinn –“

den gewünschten entsprechenden Ausdruck!

„Für jedes Glück, für jeden Schmerz
Weiß er den rechten Ton zu finden.“

Den Herzpunkt aller Empfindungen wie Phantasien bilden Liebe und Treue. Simon Dachs „Aennchen von Tharau“ diene hier als Beispiel. Wie beim Dichter „die Leidenschaft immer das Herrschende bleibt, nie durch ein Beiwort, weder durch Witz, noch durch Phantasiearabesken beeinträchtigt oder gar verwischt wird“, ebensowenig läßt sich unser Tonsetzer zu Stilüberwucherungen hinreißen. Welche Wirkung erzielt er dennoch bei aller Einfachheit in der Melodie und Harmonie des Kehrreims:

„Aennchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut,
Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!“

Nicht weniger zutreffend ist die harmonische Behandlung der Volksmelodien zu den Liedern: „Steh ich in finstrer Mitternacht“, „Soviel Stern’ am Himmel stehen“, „Was hab’ ich denn meinem Feinsliebchen gethan?“ u. a. – An diesen wie an vielen andern Volksliedern läßt sich unzweifelhaft der ursprügliche Einfluß der Weisen erkennen, welche den eigenthümlichen Gefühlen, Empfindungen und Anschauungen der Volkslyrik in der Anlage des Ganzen bis zu einzelnen Wendungen und Worten herab eine eigene Grenze ziehen. „Das Volkslied ist nämlich fast immer nur Gelegenheitsgedicht; d. h. es bezieht sich auf einen bestimmten Vorfall, auf ein Erlebniß des lebendig davon berührten Dichters selbst wie dessen Umgebung; es setzt daher gleich vieles als bekannt voraus, schweigt darüber oder deutet dasselbe nur kurz an.“ Die Bestimmung und Wirkung der Melodie besteht eben nur darin, das im Worte nur Angedeutete ganz der Gefühlswelt zu erschließen, ohne es doch breit auszumalen.

Die tiefe Schwermuth, welche als Grundstimmung in den Abschiedsliedern liegt, hat Silcher besonders gut getroffen. Es sei hier nur an das „Lebewohl“ aus „Des Knaben Wunderhorn“:

„Morgen muß ich fort von hier
Und muß Abschied nehmen“

erinnert, dessen Melodie und Satz bei aller Einfachheit durch die glückliche Erfindung reizender wehmuthsvoller Motive uns so sehr ansprechen. „Solche Weisen pressen auch aus dem welken Herzen noch einen Blutstropfen aus.“

Daß Silcher auch ein richtiges Verständniß für das alte deutsche Volkslied hatte, bewies er durch die vortreffliche vierstimmige Bearbeitung des „Abschiedsliedes“ aus dem 14. Jahrhundert:

„Ich fahr dahin, wenn es muß sein,
Ich scheid mich von der Liebsten mein …“

Einen Gegensatz zum Abschiedsliede bildet in Hinsicht auf Inhalt, melodische und rhythmische Form das Tanzlied. Bei unsern Minnesängern sind solche Lieder in großer Anzahl unter der Bezeichnung „ein tanzwis“ anzutreffen. Der ursprüngliche Charakter derselben wird als „heiter, scherzhaft, vorwiegend erotisch“ bezeichnet; oft waren es kleine Liebesgeschichten, welche darin besungen wurden. Gerade zu dieser Gattung zählt die Perle unter Silchers musikalischen Erfindungen, die Melodie zu Heines „Lorelei“. „Diese Ballade ist von so wunderbarer Schönheit, Ursprünglichkeit, solch unnachahmlicher Einfachheit, Wahrheit und volksmäßiger Färbung, daß wir nicht anstehen, sie für eines der schönsten aller Volkslieder zu erklären, die es überhaupt giebt: wer sie komponieren konnte, der war sicherlich ein Liebling der Musen,“ schreibt W. Amman, Silchers Landsmann, in der „Euterpe“ (Jahrgang 1860, S. 152). Kaum ist noch ein Dörfchen in Deutschland zu finden, wo nicht die „Lorelei“ gesungen wird, und dies ist wohl der beste Beweis für die Echtheit der volksthümlichen Stimmung, von der das Lied getragen wird.

Wie gut es Silcher verstand, dieser Gattung der Volkslyrik die freieste, keckste Lebenslust durch seine Bearbeitung einzuhauchen, das läßt uns außer andern Nummern seiner reichen Sammlung das „Oberschwäbische Tanzliedchen“:

„Rosestock, Holderblüth,
Wenn i mei Dienderl sieh,
Lacht mer vor lauter Freud’
S’ Herzerl im Leib“ –

gut gesungen, in reizender Weise fühlen. Auch das „Wanderlied“:

„Ein Sträußchen am Hute, den Stab in der Hand,
Muß ziehen der Wandrer von Lande zu Land,“

und ebenso der mit gesundem Humor spielende „Liebesscherz“:

„Wo a kleins Hüttle steht,
Ist a kleins Gütle …“

tragen so recht die Grundstimmung dieser Art von Liebesliedern.

Endlich sei auch der volksthümlichen Vaterlands- und Soldatenlieder gedacht, denen Silcher durch seine ebenso einfache wie kräftige Harmonisierung den Eingang in Schulen und Gesangvereinen erschlossen hat.

Als treuer Sohn des Vaterlandes nahm Silcher lebhaft Theil an den Leiden und Freuden der Nation. Er kannte und [499] fühlte auch auf diesem Gebiete die ernstere Stimmung der Volkslyrik, von welcher der eingangs erwähnte Dichter singt:

„Du fühlst des Volkes Freud und Pein,
Du kennst sein Sorgen und sein Schaffen;
Du greifst in seine Arbeit ein,
Wenn müde Hände hier erschlaffen.
Und ob es weint, und ob es lacht,
Du theilest mit ihm Lust und Leiden,
Du folgst ihm ins Gewühl der Schlacht
Und hilfst ihm seine Garben schneiden.“

Wie Silcher als Sammler, Gründer und Leiter der „Tübinger Liedertafel“ zur Wiederbelebung und Verbreitung schwäbischer und anderer deutscher Volkslieder gewirkt, wie dadurch sein Name weit über das engere Vaterland hinaus bekannt wurde, – das hat sein Landsmann Dr. Otto Elben in seiner Schrift: „Der volksthümliche deutsche Männergesang“ (2. Auflage, Tübingen 1887) in warmen Worten berichtet, Worte, die ich dem Leser nicht vorenthalten will. „Die Vereine für den Männergesang,“ heißt es daselbst, „umfaßten ein gutes Theil des Volks und wirkten volksthümlich: was stand ihnen näher, als vom Volke die Schätze seiner Poesie in sich aufzunehmen, das Volkslied auch in den neuen Kreisen volksthümlicher Kunstjünger zu pflegen. Die Männergesangvereine haben diese Aufgabe ergriffen. Sie haben ihren Führer gefunden, der sich die größten Verdienste erworben, der, von keinem seiner vielen Nachfolger erreicht, mit dem glücklichsten Sinne uns die schönsten Blüthen der Volksmusik zugeführt hat: Friedrich Silcher. Im Jahre 1825 erschien das erste Heft seiner Volkslieder, für vier Männerstimmen gesetzt, zwölf Nummern enthaltend, 1826 folgte das zweite, zu Anfang der dreißiger Jahre das dritte und vierte Heft. Nunmehr zählt die ganze Sammlung (12 Hefte, Tübingen bei Laupp) 144 Volkslieder, alle für vierstimmigen Männergesang. Diese Volkslieder sind so weit verbreitet, als deutscher Gesang reicht: sie erklingen an den Ufern des Susquehanna und Ohio so gut wie im deutschen Vaterland, und als der Kölner Männergesangverein in London (1853 und 1854) dem deutschen Liede die herrlichsten Triumphe bereitete, da standen obenan die Volkslieder, da erregte das schwäbische: ‚Jetzt gang i ans Brünnele‘ etc. etc. den tiefsten Eindruck. Woher solche Erfolge? Ist es bloß, daß Silcher mit seinen Heften den ersten glücklichen Griff gethan? Nein, seiner Verdienste sind mehr, es bedurfte hier nicht allein eines gelehrten fleißigen Sammlers, es bedurfte einer so eigenthümlich sinnigen poetischen Begabung, wie sie in Silcher aufgetreten, um uns unverfälscht die köstlichen Früchte wiedergeben zu können. Silchers Verdienst ist in mehrfacher Richtung anzuerkennen. Als Sammler hat er die echte Quelle gefunden, nicht vergilbte Handschriften, sondern die lebendig fließende der Volkskreise; er hat die Melodien jenen naiven Klassen des Volks abgelauscht. Wir wüßten von mehr als einem der köstlichsten schwäbischen Volkslieder zu berichten, welche, von den schmucken Dirnen der der Universitätsstadt Tübingen nahen Dörfer, z. B. Niedernau, Bezingen, gesungen, die Aufmerksamkeit des Meisters erregten und aus dem Munde der Mädchen in seine Sammlung übergingen. Die Melodien sind äußerst treu gegeben; der vierstimmige Satz ist klar, einfach, ungekünstelt, ohne gesuchte Harmonien . . .“

Als dieses Werk in seiner 1. Auflage erschien, 1854, lebte Silcher noch. Geboren am 27. Juni 1789 zu Schnaith bei Schorndorf in Württemberg, wo sein Vater Schullehrer war, stand er damals in seinem 66. Lebensjahre und konnte sich der vielen Beweise der Anerkennung seiner großen Verdienste, die ihm sowohl in der Heimath als im Auslande in würdigster Weise zu theil geworden sind, noch erfreuen. Im Jahre 1817 als Musikdirektor an die Universität Tübingen berufen, wirkte er dort 42 Jahre lang für die Musik in Kirchen und Schulen und für den Gesang in freien Vereinen, die er zu hoher Blüthe führte. Am 26. August 1860 schloß der Wiedererwecker des deutschen Volksliedes, der Sänger unserer lieblichsten Weisen, seine Augen; aber die Schätze, die er hinterlassen, haben seinen Namen unsterblich gemacht. Ja, fortleben wird

Der uns diese Liedlein neu gesang, so wol gesungen hat.“




Frau Reineke als Lehrmeisterin.

(Zu dem Bilde S. 497.)

Dichtung und Fabel haben ihren Kranz geflochten um Reineke, den rothen Freibeuter, den populärsten Raubgesellen, welcher Flur und Wald durchstreift, und so sprichwörtlich ist seine Schlauheit geworden, daß „schlau“ und „Fuchs“ zusammen gehören wie Reiter und Roß. Wohl weiß der Jäger, daß die Schlauheit des Fuchses in mancher Geschichte übertrieben geschildert wird, aber Reineke bleibt doch das interessanteste heimische Raubthier schon aus dem Grunde, weil er nicht wie die andern Familienglieder sein räuberisches Gewerbe fast ausschließlich im Dunkel der Nacht verbirgt, sondern sich auch bei Tage bei seinem Thun und Treiben belauschen läßt.

Jedes Wild ist scheu und mißtrauisch in Gegenden, wo es immerwährenden Verfolgungen ausgesetzt ist, „vertraut“, wo ein schonender Jagdherr dasselbe hegt und da Reineke seiner Räubereien wegen auf keinem Reviere gern gesehen, sondern, wo und wann man seiner habhaft werden kann, um Flinte und Eisen verfolgt wird, so prägt sich in erster Linie Mißtrauen und Vorsicht in seinem Wesen aus. Einen schlauen Streich von Reineke zu sehen, gehört zu den größten Seltenheiten im Jägerleben, und obgleich ich Hunderte von Füchsen zu allen Tages- und Jahreszeiten stundenlang beobachtet und auch Hunderte erlegt habe, so weiß ich doch dem Leser nur ein Beispiel zu erzählen, daß eine Füchsin oder „Fehe“, wie sie der Jäger nennt, zum Schutz ihres „Gehecks“ vor den fortwährenden Verfolgungen des Jägers in ihrer Vorsicht einen hohen Grad von Schlauheit bewies, und ehe ich auf die von Maffeis Künstlerhand dargestellte Scene unserer Abbildung eingehe, möchte ich diesen selbsterlebten Vorfall schildern.

Mein alter Freund, der Förster G. im Lippe-Detmoldischen, hatte ein Geheck junger Füchse auf einem Bau „ausgemacht“ und beim Ansitz nach und nach drei Stück davon geschossen. Das hatte die „Fehe“ aber übelgenommen und war mit dem Rest der jungen Räuberbrut ausgewandert. Doch Freund Grünrock wußte die Feinde seiner Wildbahn bald wieder auszumachen und an einem heiteren Nachmittage Anfang Juni saßen wir 60 Schritt von dem betreffenden Bau. Durch dichtes Fichtengebüsch sind wir vor den scharfen „Sehern“ der Füchsin und des Gehecks geschützt.

Kaum haben wir eine halbe Stunde dort gesessen, da lugt aus der Röhre ein rother spitzer Kopf hervor, der die „Lauscher“ sichernd nach vorn streckt und die Nase windend hin und her dreht, dann schiebt sich Frau Fehe halb aus dem Bau, sichert nochmals und zeigt uns endlich ihren dürren, feingebauten Leib, an dem die dünne „Lunte“ (Schwanz) trauernd fast den Boden streift und der in seinem zerzausten kurzhaarigen Gewande uns daran gemahnt, daß Mutterfreuden und Nahrungssorgen auf das Aeußere nicht allzu vortheilhaft wirken. Sie untersucht den ganzen Bau mit der Nase dicht auf der Erde, beschnuppert jede Röhre, steht still, lauscht und umkreist endlich in weitem Bogen nochmals ihren Zufluchtsort, aber nichts Verdächtiges sieht und wittert sie. Jetzt erst wähnt sie sich sicher. Sie eilt zur Röhre, steckt den Kopf hinein, lockt – – und in demselben Augenblick stürzen drei junge Füchschen neben ihr heraus, jagen sich, zausen, überschlagen und wälzen sich – übermüthig wie die Jugend, wenn sie, den harten Schulbänken entfliehend, aus der Thür hervorquillt.

Die Alte steht als Wache auf dem Bau und schaut vergnüglich dem munteren Gejage der graurothen, noch mit dem ersten Jugendrocke bekleideten Bürschchen zu. Jetzt hat das eine einen abgenagten Hasenlauf, an dessen unterem Ende noch eine Spanne lang Balg sitzt, ergriffen und ein anderes will ihm dieses Spielzeug streitig machen. Von beiden Seiten zerrend, ziehen sie sich hin und her, bis endlich Reinhard die Sache leid wird. Er läßt den Lauf los und will rauflustig sein Brüderchen ergreifen; dieses flieht, die beiden andern setzen hinter ihm drein. Jetzt hat der Flüchtling einen alleinstehenden kleinen Fichtenbusch erreicht, und so rasch er kann, geht’s um ihn herum in schnellster Flucht, und da jeder den vor ihm Dahineilenden zu haschen sucht, so sieht man nicht mehr, welcher der erste, welcher der letzte ist, es berührt fast die Nase des einen die Lunte des andern, daß man glauben möchte, ein Ring aus lebenden Kettengliedern umkreise den Busch.

Da stößt die Fehe einen leisen Ton aus – – die Kettenglieder lösen sich, und wie auf Kommando ist das Kleeblatt unter der Erde verschwunden.

Noch eine Minute tritt die Füchsin auf dem Bau hin und her, dann horcht sie in die Röhre und trabt fort – vielleicht um Fraß zu holen? – nein, noch nicht. Nach fünf Minuten kommt sie wieder – leise schleichend – sie hebt den Lauf so vorsichtig und langsam und setzt ihn so behutsam wieder nieder wie ein Hühnerhund, der mit hoher Nase einer Kette Hühner nachzieht – Schritt vor Schritt – niemand soll sie hören – bis zur Röhre – sie lauscht hinein – nichts regt sich. Was bedeutet das? Sie hat den Jungen verboten, während ihrer Abwesenheit draußen zu spielen, und jetzt schleicht sie noch einmal an den Bau, um nachzusehen, ob die Kleinen auch gehorsam sind, damit ihnen kein Leid geschehe.

Machen es viele Menschen nicht ebenso? – Nachdem Mutterliebe und Besorgniß die Alte angetrieben haben, all ihre Schlauheit zum Schutze der Lieblinge anzuwenden, schleicht sie endlich leise vom Bau und verschwindet.

Eine Stunde ist verflossen, da tönt von fern her ein langgezogener Schrei zu uns herüber. Es ist der Klageton, welchen ein Haushahn in größter Angst ausstößt – trompetentonartig langgezogen. Immer näher kommen die Schreckenslaute und endlich erscheint zwischen den Stämmen die Fehe, welche im hochgehobenen Rachen einen noch lebenden, goldig schimmernden Haushahn am gebrochenen Flügel herbeischleppt. Stolz kommt sie angetrabt mit ihrem unglücklichen Opfer, das kraftlos mit dem noch gesunden Fittich in die Luft schlägt und mit seinen bespornten Füßen nach der Brust des Siegers tritt, als wollte es mit letzter Kraftanstrengung nochmals versuchen, sich zu befreien. Doch es gelingt ihm nicht, und nun [500] stößt es jenen kläglichen Angstschrei aus, gleichsam Hilfe rufend gegen den räuberischen Bösewicht, dessen spitzes Gesicht mit den tückischen Sehern, umweht von krummen Hahnenfedern, dem des Mephisto gleicht. Jetzt ist die Füchsin auf dem Bau angelangt, legt den Hahn vor die Röhre, drückt ihn mit beiden Vorderläufen nieder und ruft ihre gehorsamen Jungen aus der unterirdischen Behausung. Schnell wie der Blitz sind sie da, die kleinen Unholde, und umkreisen mit gierigen, doch zugleich ängstlichen Gebärden den Raub, denn sie kannten nur Mäuse, lebend und todt, vielleicht auch junge Hasen, hatten aber bis jetzt noch kein Thier von solcher Größe gesehen; und trotzdem die Mama ihnen zeigt, wie sie anfassen sollen, und sie hierzu mit Zeichen und Stimme reizt, wagen doch die jungen Schelme den Angriff auf das so kläglich überlistete Symbol der Wachsamkeit nicht. Um ihre Gier noch mehr anzufeuern, läßt plötzlich die Alte den Hahn los, und dieser, hoffend, daß er jetzt noch seinen blutgierigen Feinden entfliehen könne, springt auf und eilt, mit seinem gesunden Flügel den Lauf beschleunigend, so rasch er kann, aus der Nähe der lüsternen Raubgesellen. Doch das unerwartete Aufspringen des Hahns bringt auf die Jungen eine ganz andere Wirkung hervor, als Mutter Reineke gehofft hatte, denn statt ihm nachzueilen, huschen sie, von Schreck ergriffen, in ihr sicheres unterirdisches Versteck, und nur wiederholtes Rufen der Mama, die nach wenigen Sprüngen den Hahn eingeholt und zurückgeschleppt hat, kann das junge Raubgesindel bewegen, ans Tageslicht zurückzukommen. Nochmals versucht die Alte dasselbe Spiel und jetzt schon mit mehr Erfolg. Reinhard, der seinen Geschwistern an Größe („Stärke“ sagt der Jäger) etwas voraus ist, greift nach einer Schwanzfeder, während die beiden andern, sich drückend, dem entfliehenden Hahn nachschauen. Wieder schleppt ihn die Alte zurück und drückt ihn mit den Vorderläufen nieder, und jetzt greifen alle drei mit spielender Gier in die Federn und halten fest, bis die Alte den armen fast zu Tode gequälten Ritter des Hühnerhofes mit einem Griff auf den Hals abgethan hat.

Reinhard hat den Hals des Hahns gepackt, und rückwärts reißend und schüttelnd zieht er mit aller Kraft, das eine Brüderchen greift nach dem noch zuckenden Beine, das andere reißt sich eine lange Schwanzfeder aus – jetzt ist die ganze Sippe in einen Knäuel zusammengedrängt – da knallt’s zweimal fast a tempo – und Pulverdampf verbirgt unsern Blicken das gestörte Räubermahl, dessen Wirthin jetzt neben dem erlesenen Festbraten liegt, während Reinhard nicht weit davon eben seine junge Räuberseele aushaucht.

Und nun zu unserem Bilde! Dasselbe zeigt eine Füchsin mit einem Theil ihres Gehecks in einer etwas späteren Jahreszeit, Ende Juni oder Anfang Juli. Die Bürschchen sind schon mehr herangewachsen und folgen ihrer Mutter bei gutem Wetter durch Dorn und Dickicht ins Feld, um selbst an der Jagd mit theilzunehmen und ihrer Lehrmeisterin abzulauschen, wie sie mit hoher Nase langsam gegen den Wind dem Geruche eines Mäuschens oder Häschens nachschleichen müssen, um dann mit hohem Bogensprunge, die Luft mit der Lunte triumphirend peitschend, ihr Opfer mit den Läufen nach Art der Katzen zu packen.

Sehnsüchtig schaut die lüsterne Bande hinter dem Gebüsche des Waldrandes hervor nach einem Hasenpaar aus, das vor ihr auf der offenen Heide sich zeigt. Aber das Männchen ist wachsam, es hat die schleichenden Tritte gehört, die emporgereckten Löffel lauschen aufmerksam nach dem verdächtigen Geräusch, und ehe die Räubermutter nahe genug ist, um zum Sprunge ansetzen zu können, hat das aus seinem Abendfrieden aufgestörte Hasenpaar längst das Panier ergriffen, das von ihm seinen Namen trägt, und ist in weiten flüchtigen Sätzen über das dürre Heidegras davongeeilt. Karl Brandt.




Blätter und Blüthen.

Dr. Paul Möbius †. Ein ausgezeichneter Schulmann, der gothaische Oberschulrath Dr. Paul Möbius, ist am 8. Juni in dem lieblichen Friedrichroda in Thüringen, wo er seit langem alljährlich zur Kur weilte, aus dem Leben geschieden, indem er in einem Anfalle geistiger Umnachtung die ihm zu schwer gewordene Bürde des Alters selbst von sich warf. Die große Gemeinde von Freunden, welche Paul Möbius in langer und verdienstvoller Wirksamkeit sich erworben hat, beklagt sein verfrühtes Hinscheiden; aber einhellig wie die Trauer ist die Anerkennung dessen, was er gewesen und bis an sein Ende geblieben: ein durch Güte des Charakters wie durch reiche Geistesgaben ausgezeichneter Mann, ein trefflicher Schulmann und Gelehrter und ein rastlos thätiger Freund der Lehrerwelt und der Jugend.

Paul Möbius wurde am 31. Mai 1825 in Leipzig geboren und war der Sohn des dortigen rühmlich bekannten Astronomen und Mathematikers Professor Dr. A. F. Möbius. In Leipziger Schulen vorgebildet, studirte er von 1844 bis 1848 in seiner Vaterstadt und in Berlin Philologie und Theologie, wirkte alsdann bis 1865 in Leipzig im höheren Schulamt und bis 1869 als Direktor der ersten Bürgerschule daselbst. Am 24. Mai 1869 erfolgte seine Berufung als Schulrath und Generalschulinspektor nach Gotha, und 1880 wurde er zum Oberschulrath ernannt. Am 1. Mai d. J. aber trat er in den Ruhestand, und von dieser Zeit an bemächtigte sich seines Geistes die tiefe Schwermuth, die, rasch wachsend, ihn in den Tod getrieben hat.

Möbius ist Verfasser zahlreicher trefflicher Schriften, von denen wir neben den Volkserzählungen „Ehrhard der Waffenschmied“ und „Der Spieler“, sowie dem Trauerspiel „Bar Cochba“ und den „Alpenerzählungen“ vor allem seine Räthselsammlungen „Sphinx“ und „Die neue Sphinx“ erwähnen müssen. Seine Vorliebe und seltene Begabung für das Räthsel hat ihn auch vielfach mit den Lesern der „Gartenlaube“ in Berührung gebracht; alle Räthselsonette, Charaden etc., welche in den letzten Jahrgängen unter den Namen P. Möbius und M. Paul erschienen sind, haben den nun Verstorbenen zum Verfasser.

Der Heimgegangene war eine hochpoetische Natur und ein Gelehrter im weitergehenden Sinne des Wortes auf manchen Wissensgebieten. Sein Amt als Generalinspektor der Schulen des Herzogthums verwaltete er in liberalem Geiste und bei aller Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt doch nie mit Härte oder Unnachsichtigkeit. Mit tieffühlendem Herzen nahm er an Leid und Freud der ihm unterstellten Lehrer theil, und diese vor allem haben in ihm einen wahren Freund verloren. R. Roth.

Amerikanische Festtage. (Zu dem Bilde S. 489.) Seit fünfzehn Jahren reiht sich in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Kette von Erinnerungstagen aneinander, von Feierlichkeiten, welche dazu bestimmt sind, die entscheidenden und bedeutungsvollen Marksteine in dem großen Unabhängigkeitswerke den um ein Jahrhundert von den Ereignissen getrennten Nachfahren ins Gedächtniß zu rufen. Noch jüngst hat auch die „Gartenlaube“ in ihrer Nummer 9 Veranlassung genommen, auf einen dieser Gedenktage, die Feier der Uebernahme der Präsidentschaftswürde durch ihren ersten Inhaber, George Washington, am 4. März 1789, in Worten der Erinnerung hinzuweisen, und nunmehr ist das letzte Glied der langen Kette angefügt worden, indem in den Tagen vom 29. April bis 1. Mai dieses Jahres die Einführung desselben Präsidenten in die Stadt New-York als Schluß- und Höhepunkt der ganzen Unabhängigkeitsbewegung festlich begangen wurde.

Fast überwältigend war das Bild dieses Riesenfestes in der Millionenstadt, schier endlos der Strom der Hunderttausende, der von allenthalben her sich in die Straßen New-Yorks ergoß, unerschöpflich die Kette der Veranstaltungen, in der Begrüßungs- und Redeakte, gottesdienstliche Feiern, Festmahle und Festbälle, Schiffs- und Militärparaden sich drängten, so daß an die Ausdauer des heutigen Nachfolgers von George Washington, des Präsidenten Harrison, harte Anforderungen gestellt wurden. Den Glanzpunkt des ganzen Festes brachte aber doch der dritte Tag, der 1. Mai. An ihm zog durch die menschengefüllten Straßen der von der Stadt New-York und ihren verschiedenen gewerblichen und Handelsvereinigungen veranstaltete „bürgerliche Umzug“, das Großartigste, was selbst das an massenhafte Schaustellungen gewöhnte New-York bis jetzt gesehen haben dürfte. Volle acht Stunden vergingen, bis alle die zahllosen Vereine, Gewerkschaften etc. mit ihren prächtig ausgestatteten Wagen vor dem Standpunkte des Präsidenten am Union Square vorübergezogen waren, und die 80 000 Menschen, welche in dem Aufzuge Platz gefunden hatten, waren nur ein Theil derer, die sich in patriotischem Eifer zur Theilnahme gedrängt hatten.

Innerhalb dieses Kolossalzuges aber trug nach dem einstimmigen Urtheil der Berichte die deutsche Abtheilung die Palme davon, und zu ihr führt auch unser Bild den Beschauer. Die Idee dieser Abtheilung des Zuges war, zu zeigen, was die deutsche Einwanderung den Vereinigten Staaten an Mitteln der Kultur zubrachte und welche Berufs- und Erwerbszweige hauptsächlich in den Händen der Deutschen sind. Joseph Keppler und der Bildhauer Aloys Löher, die Vorsitzenden des Künstlerkomitees, haben in diesem Zuge eine Meisterleistung vollbracht, insbesondere ist es der letztere, dessen Haupt der das Ganze tragende Gedanke entsprang. Von den beiden Gruppen, welche auf unserem nach Augenblicksaufnahmen von Falk in New-York gezeichneten Bilde sichtbar sind, ist die vordere der Wagen der deutschen Helden des Unabhängigkeitskriegs mit den Generalen von Kalb und Steuben, die Riesenerdkugel gehört der Gruppe der neuzeitlichen Presse an. Ueber ihnen wölbt sich ein gewaltiger, mit den Bildnissen Washingtons und Harrisons geschmückter Triumphbogen, ein kraftvolles Sinnbild der von Jahrhundert zu Jahrhundert sich spannenden Erinnerung.

Saccharin bei Zuckerkrankheit. Um auf mehrfache Anfragen, welche infolge des Artikels „Zuckerkrankheit“ in der Nr. 18 des Jahrgangs 1889 der „Gartenlaube“ gestellt worden sind, zu erwidern, sei erwähnt, daß zum Versüßen der Speisen bei Zuckerkrankheit sich statt des Zuckers das Saccharin empfiehlt, ein von Fahlberg und Remsen dargestellter Körper, der sich durch besonders süßen Geschmack auszeichnet. Das Saccharin bildet ein weißes Pulver, das in kaltem Wasser sehr schwer, in kochendem Wasser oder Alkohol leicht löslich ist. Wie nachdrücklich sein süßer Geschmack ist, geht daraus hervor, daß derselbe noch bei einer Verdünnung von 1 zu 70 000 deutlich hervortritt, während dies bei Rohrzucker nur bei einer Verdünnung von 1:250 der Fall ist. Im Gegensatze zu Zucker übt das Saccharin bei Zuckerkranken keinen ungünstigen Einfluß auf die Zuckerausscheidung und das Allgemeinbefinden aus. Ich lasse bei solchen Kranken gewöhnlich das Saccharin in Verbindung mit etwas doppelkohlensaurem Natron anwenden (Saccharin und doppelkohlensaures Natron je 0,10 Gramm in einer Tablette auf eine große Tasse Thee oder Kaffee). Was die weitere Verwerthung des Saccharins als Ersatz für Zucker im allgemeinen betrifft, so ist das erstgenannte Mittel noch zu neu, als daß ein abschließendes Urtheil abgegeben werden könnte. Die Behauptungen von der gesundheitsschädigenden Wirkung des Saccharins, zumeist von französischen Aerzten ausgehend, sind durch mehrfach vorgenommene Versuche widerlegt worden. Prof. Dr. Kisch.


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Schluß). S. 485 – Gesundheitspflege und Eisenbahnverkehr. Von Dr. med. Taube. S. 488. – Quickborn. Eine Berichtigung. Von Klaus Groth. S. 490. – Schatten. Novelle von C. Lauckner. S. 492. – Sommerlust. Illustration S. 493. – Friedrich Silcher, der Wiedererwecker des deutschen Volksliedes. Von Benedikt Widmann. S. 496. Mit Bildniß S. 485. – Frau Reineke als Lehrmeisterin. Von Karl Brandt. S. 499. Mit Abbildung S. 497. – Blätter und Blüthen: Dr. Paul Möbius †. Von R. Roth. S. 500. – Amerikanische Festtage. S. 500. Mit Abbildung S. 489. – Saccharin bei Zuckerkrankheit. Von Prof. Dr. Kisch. S. 500.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Daß das Dorf Quickborn bei Altona genannt ist, beruht auf einer nachträglichen mißverständlichen Einschaltung unserseits; Herr Dr. Wolff hatte in seinem Artikel nur gesagt: die Dichtungen gruppieren sich um das Dorf dieses Namens. Die Red.