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Die Gartenlaube (1889)/Heft 11

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1889
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[165]

No. 11.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


 

Lore von Tollen.

Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
(Fortsetzung.) Roman von W. Heimburg.


Hast Du es ihm gesagt, Käthe?“ Das war die stehende Frage Lores, wenn die Schwester kam, und als ewig ein: „Nein es ließ sich nicht machen,“ erfolgte, fragten nur noch vorwurfsvoll ihre großen Augen, der Mund war verstummt. Käthe kam auch immer seltener, und seitdem Lore einen Brief des Bruders, der sich nochmal wegen Geld an sie wandte, ablehnend beantwortet hatte, zürnte ihr sogar die Mutter ein wenig.

„Mama,“ sagte verzweifelt die junge Frau, „siehst Du denn nicht ein, daß ich das nicht kann?“

„Ja, ja, es thut ja auch nichts!“ war die leise Antwort gewesen.

Und Lore hatte thatsächlich kein Geld. Das einzige, was sie besaß, war eine kleine Summe, die sie von dem Berliner Geschäft für eine Tischdecke erhalten hatte, ihre letzte Mädchenarbeit. Am Tage vor ihrer Hochzeit war das Geld noch eingetroffen, und es lag in ihrem Schreibtisch bei der Häkelnadel, mit der sie es verdient hatte. Hundertmal schon hatte ihr die Hand gezuckt, es der Mutter zu geben, und immer wieder ließ sie es liegen; es war ihr ein so beruhigendes Gefühl, etwas Geld ihr eigen nennen zu können.

Acht Tage vor Weihnachten erhielt sie den ersten Brief von ihrem Manne, die Dienerin brachte ihn auf silbernem Tellerchen, als die junge Frau frühstückte, und fixirte dabei das erschreckte Gesicht ihrer Herrin, die mit zitternden Fingern das Schreiben nahm. Als das beobachtende Mädchen, das sich ein Weilchen noch im Zimmer zu schaffen machte, gegangen war, legte sie den Brief uneröffnet vor sich hin, und so lag er noch, als Frau Elfriede möglichst geräuschvoll herauf kam, um sich zu erkundigen, was denn ihr Mignon für Nachrichten von dem Gatten empfangen habe. Lore nahm das Schreiben und öffnete es. Es war kein langer Brief, aber so süßlich zärtlich, daß ihr das Blut in die Wangen stieg. „Er ist glücklich angekommen,“ sagte sie, das Schreiben zusammenfaltend, zur Schwiegermutter, die erwartend in der Fensternische stand.

„Hast Du schon fertig gelesen?“

„Ja! Er läßt grüßen.“ Sie zerpflückte langsam das Papier in lauter kleine Stücke und warf es in die Flammen des Kamins.

„Der gute Junge! Er muß geschrieben haben, als er kaum angekommen war in New-York,“ lobte die Mutter und zerknüllte ihr Taschentuch in der Hand vor Zorn. So wurde der erste Brief behandelt!


Unsere Kaiserin mit ihren Kindern.
Nach einer Photographie von Selle und Kuntze in Potsdam.

[166] Lore bemerkte es. „Ich bewahre niemals Briefe auf,“ sagte sie entschuldigend.

„Du mußt noch heute schreiben, wenn er den Brief zu Neujahr haben soll,“ schrie Frau Becker zurück, die in den Salon gegangen war, um nachzusehen, wo Lore die große Photographie des fernen Gatten placirt habe, welche die Mutter ihr gestern verehrt hatte, es war ihr unangenehm aufgefallen, sie nicht in Lores Wohnstübchen zu erblicken. Sie fand das Bild erst im dritten Raume, im sogenannten Empfangszimmer, da stand es verlassen in dem breiten geschnitzten Rahmen, den eine fünfzackige Krone schmückte, auf der gedrechselten Staffelei, und das große Männergesicht schien die Mutter ärgerlich anzublicken aus den hellen dreisten Augen.

Frau Elfriede warf erbost den Kopf zurück und rauschte wieder zu der Schwiegertochter hinüber.

„Hier war wohl kein Platz für Deines Mannes Bild?“ fragte sie scharf

Lore ward einen Schein bleicher. „Nein,“ sagte sie ruhig, „es ist tatsächlich kein Platz hier,“ und sie wies im Zimmer umher nach den tausend Dingen, die jedes Winkelchen ausfüllten.

„So laß das alte Gerümpel hinausschaffen, – da ist ja ein herrlicher Platz für die Staffelei, die das Bild trägt!“ Frau Becker wies verächtlich auf den Schreibtisch.

„Nein!“ erwiderte Lore ebenso ruhig, „ich bitte, lassen Sie das Tischchen hier, es ist eine Erinnerung an daheim.“

„Von daheim?“ rief die alte Dame, und der Zorn flog ihr roth um die brillantgeschmückten Ohren. „Es könnte freilich gut sein, eine Erinnerung vor Augen zu haben an die Hungerwirthschaft, aus der Du durch Gottes Gnade herausgekommen bist. Aber das vergißt sich freilich rasch genug, wenn man erst im warmen Neste sitzt, ebenso wie die Dankbarkeit, die man dem schuldet, der – –“

Lore blieb ganz ruhig. Sie thaten ihr nicht mehr weh, die scheltenden Worte der Frau.

„Ich habe den äußeren Glanz nie vermißt zu Hause,“ sagte sie, „und deshalb empfinde ich ihn auch nicht als Wohlthat. Ich wäre mit so viel weniger zufrieden.“

Frau Elfriede befand sich mitten im hellen Zorn, und der war noch das einzige Echte an ihr und erinnerte sehr an den Schenktisch der „Drei silbernen Hechte“. Sie trat unter einer ganzen Fluth von kräftigen Ausdrücken und landläufigen Redensarten gegen das alte Tischchen; das morsche Bein, das sie traf brach ab, und da das kleine Möbel das Gleichgewicht verlor, stürzten die Sachen und Sächelchen darauf mit rasselndem Gepolter zu Boden und flogen unter weiteren Fußstößen der erzürnten Frau in allen Winkeln des Zimmers umher.

Lore stand in der Fensternische, sie hatte die Zähne aufeinander gebissen und wendete sich nicht um. Sie durfte der Wüthenden nicht einmal gram sein: es war eine liebende Mutter und zürnte der, die so deutlich ihre Abneigung gegen den Sohn verrieth, dessen Gattin sie war. Die verletzenden Worte summten in ihrem Ohr wie ein Bienenschwarm, und hie und da stach eines bitter weh. Aber sie zuckte nicht, es war ja alles so gleichgültig, es würde vorübergehen, und dann kam Stille, ewige Stille – –. Sie wandte sich erst, als die zornige Frau in ein nervöses Schluchzen ausbrach und sich in einen Sessel fallen ließ.

„Verzeihen Sie mir,“ bat Lore, „ich kann mich so schlecht verstellen.“

„Das ist aber doch unerhört!“ schrie aufs neue die alte Dame; „das sagst Du da so selbstverständlich – was? – Der hätte noch andere bekommen können wie so ein Fräulein von Habenichts, deren Brüdern man die Schulden bezahlen muß, damit sie nicht als Strolche in der Welt umherlaufen! Das ist der Dank dafür, daß man sein gutes Geld noch Thaler für Thaler herschenken muß, damit die hochgeborne Frau von Tollen ihre Fleischerrechnung und den Schuster bezahlen kann!“

„Meine Mutter?“ fragte Lore und griff nach einer Stuhllehne, „meiner Mutter schenken Sie Geld?“

„Was soll ich denn machen, wenn sie mich anbettelt?“ gellte die Stimme der aufgebrachten Frau, „seit einigen Tagen ist’s der dritte Bettelbrief – da – hier – wenn Du es nicht glauben willst.“ Und sie wühlte in ihrer Tasche und zog eine Karte hervor mit schwarzem Trauerrand und warf sie vor der jungen Frau auf den Teppich. „Dazu ist bei Euch immer Geld im Kasten, so ein Luxus! Ob Ihr schwarze Ränder um die Karte habt oder nicht – aber das paßt so zu der ganzen Wirthschaft.“

Lore hatte den Brief angenommen und las:

„Liebste Frau Becker, könnten Sie mir nicht bis zum ersten Januar noch einmal zwanzig Mark leihen? Ich bin durch den Tod meines Mannes und durch die Heirath Lores, die auch so manche kleine Ausgabe verlangte, in einige Verlegenheit gerathen. Bitte, entschuldigen Sie, daß ich noch einmal so unbescheiden bin.
  Ihre Marie von Tollen.“

Lore war glühend roth geworden vor Scham. Sie hatte der Mutter abgeschlagen, für sie um Geld zu bitten, nun hatte diese sich offenbar in größter Verlegenheit heimlich an die Schwiegermutter ihrer Tochter gewandt.

„Wie viel haben Sie meiner Mutter geliehen?“ fragte sie.

„Na, vierzig Mark sind’s gut und gern –. Das ist natürlich in den Augen von Leuten, die nicht wissen, wie schwer es ist, einen Groschen zu erwerben, gar nichts – natürlich gar nichts!“ rief sie.

Lore war an das zusammengebrochene Tischchen getreten, hatte einen Schubkasten geöffnet und kam mit vier Zehnmarkstücken zurück. „Hier ist das, was Sie geliehen haben,“ sagte sie und legte es vor der erzürnten Frau auf die Platte eines Mosaiktisches; „ich bedaure, daß ich die Verlegenheit Mamas nicht in ihrem ganzen Umfange kannte.“

Das erboste Gesicht der Frau Elfriede verzog sich zu einem Lachen. „Reizend, wenn man in seinem eigenen Fett gebacken wird!“ schrillte sie, und so hysterisch, wie sie vorhin geweint, kicherte sie jetzt.

„Sie irren,“ sagte Lore kühl, „es ist das letzte Geld, welches ich mir durch meine Arbeit verdiente. Ich habe bis jetzt noch nichts aus den Händen dessen angenommen, dessen Namen ich trage.“

Sie ging an der heftig athmenden Frau vorüber in ihr Schlafzimmer und verschloß die Thür hinter sich. Dann trat sie an das Fenster und sah in den winterlichen Park hinaus. Dort hinter den Bäumen stand ein dicker Wolkendamm; auf einer hohen Pappel im Vordergrund saß ein Schwarm melancholischer Krähen – sonst gab es kein Leben in dem grauen Landschaftsbild, das sich vor ihr ausbreitete, so traurig und öde wie ihr Dasein.

„Nur ihn noch einmal sehen, und dann – dann – –“ Sie war sich bewußt, daß sie nach göttlichem und menschlichem Gesetz im Unrecht sei, aber so tief das religiöse Gefühl auch in ihrer Seele lebte, sie war nicht mehr im stande, sich hinein zu denken in die Pflichten ihrer Ehe. Sie empfand, daß es Rechte gebe, heilige Rechte, die über denen standen, durch welche sie an den Mann gekettet wurde, den sie nicht liebte. Und da ihr diese Rechte nicht mehr werden konnten, hatte sie fest beschlossen, eine Macht zu Hilfe zu rufen, vor der alles weichen mußte, Rechte, Pflichten, Macht – alles, alles. „Und dann – dann!“ flüsterte sie abermals.

Beten konnte sie auch nicht mehr; der Kopf war ihr so vollständig von dem einen ausgefüllt. Sie schlief schon seit langer Zeit nicht mehr ordentlich, sobald sie sich legte, hörte sie das langsame Ziehen und Glucksen des stillen kleinen Flüßchens hinter dem elterlichen Hause. Und an den Tagen, da sie zur Unthätigkeit verdammt war und allein am Kamin saß, malte sie sich aus, wie es sein werde, wenn man erführe, die junge Frau Becker ist todt, ertrunken! Sie malte es sich bis ins kleinste aus, sie wußte genau, was die Leute über sie sagen, wie jedes einzelne ihrer Geschwister sie beurtheilen würde. Sie sah das pomphafte Begräbniß vor sich, das der Gatte ihr weihen und Frau Elfriede im Kreise der Trauergesellschaft, wie sie mit ihrer schrillen Stimme wehklagen würde über das Unglück, das ihr Haus betroffen. Sie vermochte sich sogar vorzustellen, daß er in dem Trauergeleit gehe, nur bei einer stockte ihre Phantasie und ein Frösteln überlief ihren Körper – wenn die Reihe an ihre Mutter kam. Sie dachte immer und immer an das starre verzweifelte Gesicht der alten Frau in jener Nacht, als Rudolf nach Amerika gewollt –. Sie wünschte, sie könnte sie mitnehmen – –.

Den breiten Mittelweg entlang, der den Park durchschnitt, kam jetzt der Gärtner, er trug einen großen Tannenbaum auf der Schulter. Ach richtig, es wollte ja Weihnacht werden, und Frau Elfriede hatte von einem Baum gesprochen und von einer Bescherung in ihrem Salon.

Welch eine Komödie stand ihr da noch bevor! Ach, und wie traut und heimlich waren die gabenarmen heiligen Abende in [167] ihrem Elternhause gewesen! An letzter Weihnacht hatte ihr der Vater Immermanns „Oberhof“ geschenkt und ein Paar Handschuhe für das nächste Tanzfest, und die Mutter hatte für Käthe und sie aus einer langen Goldkette der seligen Großmutter kleine Halskettchen machen lassen; daran trug Lore das dünne Goldmedaillon, das Geschenk einer Pathin zur Konfirmation, und innen lag ein Vergißmeinnicht, das er ihr einst gepflückt hatte auf einer Landpartie. – Die Armuth ihres Vaterhauses erschien ihr als ein unrettbar verlorener goldener Hort. Ach, nur einmal noch – nur um acht Wochen die Zeit zurückwenden können!

Frau Elfriede pochte jetzt mit hartem Finger an die Thür. „Komm heraus, Lore, wir wollen uns ja nicht zanken!“ rief sie.

Die junge Frau ging hinüber und öffnete.

Die Schwiegermutter rauschte herein. „Ich bitte Dich, Kind, schreib Deinem Mann nichts darüber,“ sagte sie sanft. „Es ist ja wahr, ich bin heftig gewesen, – nun, wir sind allzumal keine Engel, und wo Menschen zusammenleben, giebt’s natürlich zuweilen Meinungsverschiedenheiten.“

Lore antwortete nicht.

„Und heute nachmittag begleitest Du mich wohl, um die letzten Weihnachtskommissionen zu machen, wir wollen dann auch die Kiste von Hertzog aus Berlin auspacken; die zurückgesetzten Kleider sind darin, die Geschenke für die Dienstleute.“

„Ich bedaure,“ erwiderte Lore, „ich gehe zu Mama.“

„Ganz recht – ich werde – –“

„Mama und ich haben allein miteinander zu reden; man wird mir doch nicht wohl verweigern können, ein paar Stunden im Hause meiner Mutter zuzubringen?“

„Ach Gott, wie Du alles mißverstehst!“ klagte Frau Elfriede, „ich will Dich nur hinbegleiten.“

„Danke, den Weg finde ich allein.“ Sie grüßte leicht mit dem kleinen goldflimmernden Kopf und schritt in ihr Wohnzimmer und begann dort die Sachen aufzulesen, die von dem mißhandelten Schreibtisch hinunter in alle Ecken des Boudoirs zerstreut waren.

Sie kam am Nachmittage ungehindert aus dem Hause und ging zu Fuß nach dem elterlichen Heim. Die Straßen erschienen ihr so fremd, als sei sie jahrelang abwesend gewesen. Die Leute sahen sie so neugierig an; hinter ihr wurden verschiedene Fenster aufgerissen. Das war ja aber auch, als wäre diese schlanke schwarze Gestalt nur noch das Gespenst von dem blühenden schönen Mädchen. Sie dankte auf die Grüße der Leute, aber sie neigte dabei kaum das Haupt. Sonst war immer so ein freundlicher Blick aus den sonnigen Augen dabei gewesen, jetzt sah das „toll hochmüthig“ aus. Na, die saß ja auch auf einem riesigen Geldsack!

Die Mutter hatte im Eßzimmer Feuer und saß schon bei der Lampe, sie rechnete und etwas Geld lag neben ihr. „Du bist es, Lore?“ fragte sie.

„Ja, Mama! Laß nur, ich setze mich hierher. Bitte, Mama leih’ Dir nie wieder Geld von meiner Schwiegermutter!“

Die alte Dame erschrak sichtlich. „Ach Gott, wenn ich nur andern Rath wüßte,“ stotterte sie.

„Verkaufe, was Du hast; aber leihe Dir dort nichts!“

„Ich hatte mir Lenz bestellt, er sollte Papas Garderobe kaufen; aber er giebt ja nichts.“

„Wir haben doch noch Silber, Mama?“

„Auch das soll ich hergeben?“ klang es schmerzlich.

„Ja! Ja, ehe Du bittest bei – bei –“ sie verschluckte das Letzte.

„Hat sie etwas gesagt?“

„Ja – frage mich nicht, Mama, und erfülle meinen Wunsch!“

„Es ist gut, Lore. Ich hatte nur gedacht – – ich kann ihr übrigens jetzt das Geborgte nicht zurückgeben.“

„Sei ruhig, Mama, ich habe es schon gethan. Wo ist denn Käthe?“

Frau von Tollen wußte es nicht; sie sei noch nicht aus der Klasse zurück. Im Ofen stand die kleine Kanne mit dem dünnen Kaffee, der des jungen Mädchens harrte, und auf dem Tische Butter und Brot.

Lore hatte den Mantel abgeworfen und sich in die Sofaecke gekauert; sprechen that sie nicht. Sie sah nur umher, und dann schnitt sie sich ein Stückchen Brot ab und begann zu essen. Sie hatte nicht theilgenommen an dem Mittagessen zu Hause.

„Wirst Du abgeholt?“ fragte die Mutter endlich.

„Ich weiß es nicht. Sprich doch nicht vom Fortgehen, laß mich doch hier!“

„Ich freue mich ja sehr, Lore, ich dachte nur – versteh’ mich nicht falsch –“

Sie blieben zusammen, bis es sechs Uhr schlug, kaum miteinander sprechend.

„Du bist so sonderbar jetzt, Lore,“ seufzte Frau von Tollen, als die Tochter aufstand und sich zum Gehen anschickte.

Aber Lore hatte es wohl nicht gehört, sie küßte ihre Mutter und verließ das Haus. Käthe war noch immer nicht gekommen.

Die junge Frau ging langsam durch die Straßen und athmete die schwere neblige Luft mit vollen Zügen, sie konnte träumen, sie sei frei in diesem Augenblicke. Das Coupé ihres Mannes rollte an ihr vorüber, sie sollte abgeholt werden; rasch bog sie in eine ganz schmale Gasse ein, in der kein Wagen fahren konnte. Ziellos schritt sie weiter, die Straßen auf und ab; zuletzt wieder hinüber in die Neustadt. Es war, als könnte sie nicht lange genug wandern. Sie sah zu allen Fenstern hinauf, wo Bekannte wohnten, und blieb sogar stehen gegenüber dem Hause einer verheiratheten Freundin, dort oben war Licht in dem traulichen bescheidenen Wohnzimmer der jungen Frau Doktorin, sie sah die Hängelampe schwanken und eine Frauengestalt mit einem Kinde auf dem Arme durch das Zimmer gehen. Dann kam eilig ein Mann auf dem schmalen Trottoir daher, er ging rasch die Stufen hinauf und in das Haus hinein. Bald darauf standen da oben Mann und Weib und herzten gemeinschaftlich das Kleine, das nun auf seinem Arme saß.

Es war achteinhalb Uhr, als Lore endlich ihre Schritte heimwärts lenkte. Aber sie blieb erst noch vor dem Schönbergschen Hause stehen und sah nach dem Giebelfenster hinauf. Sie würde hier selbstvergessen geweilt haben, wäre nicht plötzlich das Licht erloschen dort oben und hätte sich nicht bald darauf die Hausthür geöffnet. Raschen Schrittes ging sie über den Fahrdamm, und dort sah sie sich um. Im blassen Mondschein erkannte sie Ernst, der den Weg zur Stadt einschlug. – In ihren Augen glühte es auf, ihr Fuß hob sich, sie wollte ihm nach, wollte seine Hand fassen und ihn bitten: „Vergieb!“ Aber die alte mädchenhafte Befangenheit, brennende Scham und Angst fesselten ihre Glieder förmlich. Sie sah ihm nur nach mit Augen, in denen die Sehnsucht eines ganzen Menschenlebens lag. Endlich ging sie mit einem Gefühle von Schwäche und Verzweiflung weiter, zurück in das Haus und hinauf in ihr Zimmer. Sie sah so bleich und verstört aus, daß Frau Elfrieden die Bosheit auf den Lippen haften blieb, mit der sie die Heimkehrende im Vestibül zu empfangen gedachte.

Droben setzte sich Lore auf ihr Bett, und so saß sie, bis die Müdigkeit sie übermannte. Das Mädchen weckte sie am andern Morgen, als es zum Heizen kam, mit dem Rufe. „Um Gott, die gnädige Frau sind noch im Mantel und Hut!“




In den Hamburger Schnellzug stieg auf Station Uelzen ein Herr. Er war athemlos vom jenseitigen Perron, wo die hannöverschen Züge halten, herübergeeilt und schaute mit verdrießlicher Miene die Dame an, die bereits in dem Coupé saß, das ihm der Schaffner auf sein Verlangen geöffnet hatte. Das Donner und Wetter – nun konnte er nicht einmal rauchen! Er beugte sich aus dem Fenster und schrie mit mächtiger Stimme dem Kondukteur zu:

„Ich will ja kein Nichtrauchercoupé!“

„Entschuldigen Sie, mein Herr, der Zug ist ungewöhnlich stark besetzt,“ war die Antwort, „es ist eben Weihnachten.“

Der Herr murmelte irgend etwas und setzte sich, nachdem er das Fenster geschlossen, in der Ecke zurecht. Er war ein mittelgroßer Mann zu Ende der sechziger Jahre, mit einem richtigen bärbeißigen Soldatengesicht, aus dem ein Paar wunderbar heller Augen unter buschigen weißen Brauen hervorleuchtete. Er trug Krimmermütze und Pelz, und um den linken Aermel des letzteren einen schwarzen Wollstreifen als Zeichen der Trauer.

Nachdem er sich sorglich den Pelz über die Kniee geschlagen, zog er eine Zeitung hervor und begann zu lesen, während der Zug durch eine einförmige Winterlandschaft dahinjagte. Es war trübes, nebliges Wetter, die Sonne schien erst gar nicht versuchen zu wollen, mit den dichten, niedrig hängenden Wolken zu kämpfen. Der Schnee auf den Feldern war fast ganz hinweg gethaut, nur in den Gräben zur Seite des Schienenstranges lagen noch kleine schmutzige Reste desselben, und die Weiden schimmerten dunkelroth. Dazu wehte es von Westen her, es war ein eintöniges Brausen, das man so recht deutlich hörte, wenn der Zug einmal hielt.

[168] Die Dame in der andern Coupéecke saß regungslos. Ihr gegenüber lag in Decken und Plaids gehüllt ein Kind und schlief. Man sah von dem kleinen Wesen nur einen vollen Schopf goldblonder Knabenhaare. Die Dame, die einen einfachen Radmantel trug und eine kleine Mütze von einer sehr billigen Pelzart, sah starr zum Fenster hinaus, und der alte Herr, dessen Blicke zuweilen dort hinüberschweiften, fand an ihr weiter nichts Bemerkenswerthes, als schönes volles Haar von nußbrauner Farbe, das sie in einem englischen Knoten trug.

Es war merkwürdig, wie furchtbar der Wagen schwankte und stieß. Das Lesen erwies sich schier als unmöglich. Die Zeitung des alten Herrn flog auf den gegenüberliegenden Sitz, und er versuchte nun ein Schläfchen zu machen. Es ist unglaublich, wie sehr einem die Cigarre fehlen kann!

Er mochte wirklich so ein wenig geschlummert haben, als ihn der Klang einer Kinderstimme wieder in die Gegenwart rief.

„Sind wir noch nicht bald bei Papa, dear mama?“ hatte das Kind gefragt ist englischer Sprache.

Die Mutter erwiderte darauf flüsternd, es solle sich ruhig verhalten, der old gentleman da drüben schlafe. Und darauf kletterte ein reizendes Kerlchen von vielleicht vier Jahren auf den Schoß der Dame, die sorglich ihren Mantel um die zierliche Knabengestalt schlug, und nun entspann sich ein leises Gespräch zwischen Mutter und Sohn, von dem gleichwohl dem Lauscher in der Ecke keine Silbe entging. Es war das für den alten Junggesellen so süß zu hören wie das Zwitschern der Schwalben in sonniger Maienzeit. Seine Gedanken gingen zurück, sechzig Jahre und mehr, zurück bis zu der Zeit, wo er als ein ebensolches Bübchen auf dem Schoß der Mutter saß und geherzt und geküßt wurde, und – Donnerwetter – obendrein war Weihnachtsabend heute!

„Und ein Pferd soll Berti bekommen von Papa?“ fragte eben die schmeichelnde Kinderstimme.

„Certainly, my sweet heart."

„Und einen Tannenbaum mit vielen Bonbons?“

„Yes, o yes! Und Papa wird sein Kindchen so lieb haben!“ Und der Junge bekam einen Kuß als Vorgeschmack von vielen andern, die noch nachfolgen sollten heute.

„Mama, Berti ist so müde,“ klagte der Kleine, „und es rumpelt so in dem Wagen, es war besser auf dem Steamer.“

„Yes, darling; aber nun sind wir bald bei Papa.“

„Mama, kennt mich Papa noch?“

„O sicher! Aber kennst Du Papa noch?“

Der Kleine schwieg. „Yes!“ sagte er dann, „Papa hat Berti geschlagen.“

„Da war mein süßer Liebling wohl unartig gewesen?“ klang es um eine Nüance leiser, wie beklommen.

„Berti weiß es nicht,“ war die Antwort.

„Du sollst aber daran nicht denken, mein Liebling, nur wie gut Papa zu Dir war!“

„Ja, Mama! Mama, weinst Du? Mama, soll ich Dir etwas vorsingen? – Soll ich singen: ‚O Glockenklang, wie lieb’ ich Dich!‘?“

„Nein, ich weine nicht; Du sollst aber nicht singen jetzt, Du kannst lieber das deutsche Gedicht sprechen, das Du heute abend Papa aufsagen willst. Nun?“

Und die klare Kinderstimme hub ohne Säumen an:

„Zur Weihnachtszeit, zur Weihnachtszeit,
Da kam wohl von dem Himmel weit
Zu seinen Menschen her der Herr.
In einer Krippe schlummert er –“

Es klang unsagbar süß aus dem Munde des kleinen Ausländers, so schwer, und doch so weich und andächtig.

Der alte Herr saß plötzlich aufrecht; in den hellen blauen Augen schimmerte es feucht. Als das Kind geendet, sprach er seltsam hastig und polternd. „Madame, Sie haben einen reizenden Jungen! Komm’ her, Bursche, und gieb mir die Hand, sag’, wie Du heißt, Du Prachtkerl, Du!“

Mutter und Kind hatten sich umgesehen. Ueber das junge sympathische Gesicht der Frau mit den traurigen Zügen glitt ein Lächeln des Stolzes.

„Geh’, gieb die Hand!“ flüsterte sie.

Der Kleine glitt gehorsam vom Schoße der Mutter und legte seine Rechte ist die fremde Männerhand.

„He? Wie heißt Du?“ polterte der alte Herr.

„Berti!“

„So? Und –“ Der Herr wollte offenbar fragen. „Wie noch?“ – besann sich aber, als er die verlegene Röthe auf den Wangen der Dame sah, und fuhr fort. „Und zum Papa willst Du? Wohin denn, Du Stift?“

„Nach Westenberg,“ klang es eigenthümlich betont, das „We“ wie „Ue“.

„Potz Tausend – da fahren wir ja zusammen, Du Mordsjunge!“

„Sind Sie bekannt – in Westenberg, mein Herr?“ fragte die Dame.

„Na ja, so oberflächlich, Gnädigste, kann ich irgendwie dienen?“

„Wenn Sie mir ein Hotel nennen wollten, nicht so theuer, mein Herr.“

„Ein Hotel? Ich denke – –“ Er brach ab und betrachtete die Fragende mit ungeheucheltem Erstaunen.

„Eine Ueberraschung –“ flüsterte die Frau, roth werdend.

„Ach ja, ich verstehe, Pardon! Nun, da ist die ‚Krone‘, wo Sie gut aufgehoben sind, Gnädigste. Was billig und was theuer ist? – Wenn man von drüben kommt, ist ja alles very cheap hierorts.“

„Ich danke Ihnen,“ flüsterte sie und zog das Kind näher an sich, das noch immer am Knie des alten Herrn lehnte. Sie sah dabei mit scheuen ängstlichen Augen an ihm vorüber.

„Ja, ja!“ nickte der und hielt den Knaben fest, „ich hab’s an Ihrer Sprache gehört, Sie sind Amerikanerin, Madame; ich möchte fast behaupten Sie sind New-Yorkerin – habe ich recht?“

Sie neigte leise den Kopf.

„Na, freut mich! Ich habe also nicht umsonst zwei Jahre drüben in allen großen Städten herum vagabondirt,“ lachte der alte Herr. „Hatten Sie gute Ueberfahrt, Madame?“

„Sehr gute,“ klang es leise, indem sie den Kopf wandte.

Der Fremde ließ sie gewähren und unterhielt sich mit dem Kinde weiter, das er auf den Schoß nahm und dem er in Ermangelung von anderen Leckerbissen ein Stückchen Lakritzen schenkte, den er Hustens halber stets in einer Blechbüchse bei sich führte. Er schien plötzlich ganz wieder mit zum Kinde geworden und lachte herzhaft über jede naive Antwort, die der Kleine gab.

„Du Mordskerl,“ sagte er endlich, „Du mußt mich morgen besuchen. Hör’ zu, ich wohne in dem nämlichen Hotel wie Du; da fragst Du den Kellner: ‚In welcher Stube wohnt der Onkel Tollen?‘“

„0nkel Tollen,“ wiederholte der Kleine.

„Und da holst Du Dir einen heiligen Christ, willst Du? – Was möchtest Du wohl?“

„Ich bekomme ein Pferd von Papa,“ antwortete der Kleine, der augenscheinlich nicht wußte, was er außerdem noch wünschen könnte.

„Donnerhagel!“ schrie jetzt der alte Herr, „da sind ja schon die Thürme von Westenberg!“ Und er setzte den Kleinen zur Erde und nestelte sich den Pelz zu, den er während der Unterhaltung aufgeknöpft hatte.

„Madame, kann ich Ihnen dienen? Hier zu Lande giebt’s Hotelomnibusse, Sie gestatten, daß ich Sie hinüber geleite?“

Nach ungefähr zehn Minuten saßen die Reisenden in dem klappernden Omnibus und fuhren auf dem holperigen Pflaster in das Städtchen ein, dessen Gassen heute mit Küchenduft angefüllt waren, der aus allen Häusern quoll. Im Vorsaal der „Krone“ trennte man sich; die junge Frau schritt, das trippelnde Jungchen an der Hand, in den zweiten Stock hinauf, Excellenz von Tollen nach seinem geheizten Zimmer in der ersten Etage, das er auf telegraphische Ordre bereit fand; er bestellte sich Grog, eine halbe Flasche Rothwein und ein Beefsteak und beauftragte zugleich den Kellner, zu ermitteln, wer die fremde Dame sei, die eben mit ihm angekommen.

Der weißblonde Jüngling erschien bereits nach einigen Minuten wieder mit dem Fremdenbuch. „Belieben, Excellenz –“

Der alte Herr that einen Blick in das Buch und las da, von einer energischen echt englischen Hand geschrieben. „Missis Ellen Becker mit Sohn. New-York.“

„Hm!“ sagte er, indem er das Buch zurückgab, „so klug, als vorher.“ – Becker – was ist Becker? So heißen hundert Menschen, und tausend, sogar sein Liebling, die Lore, jetzt. Ja, zum Millionen Schock noch einmal, wo blieb das Essen?

Er ging nervös in dem kahlen Hotelzimmer umher.

[169]

In Ungnade.
Nach dem Gemälde von F. Eisenhut.

[170] „Ein schrecklicher Gang, ein trauriger Gang; arme Marie! Und wenn ich wenigstens zum Begräbniß dagewesen wäre!“

Als das Beefsteak kam, war ihm der Appetit vergangen. Er nahm nur ein paar Bissen, trank den Grog, machte Toilette und ging dann nach der Wohnung seines verstorbenen Bruders.

„Das Nest ist noch gerade so,“ murmelte er und sah sich um. „Also dort hinunter geht’s?“

Er hatte sich vom Oberkellner die Richtung zeigen lassen, in der die Wohnung seiner Schwägerin lag, und schlug nun den bezeichneten Weg ein.

Es war noch ungewöhnliches Leben auf den Straßen; ganze Reihen grüner Tannenbäume standen an den Häusern entlang und wurden von alten Mütterchen und vierschrötigen Männern verhandelt. Da der Christabend auf einen Sonnabend fiel, drängten sich die Bauernweiber mit ihren Kiepen, noch eifrig feilschend, in den Straßen umher und erschwerten die Passage auf den schmalen Bürgersteigen. Die Leiterwagen standen in langer Reihe auf dem Fahrdamm, hier und da lenkte bereits ein heimkehrender Bauer sein Gespann durch das Gewimmel.

Der alte Herr beobachtete dies Weihnachtstreiben, als habe er noch nie dergleichen gesehen. „Hm!“ murmelte er unter dem weißen Schnurrbart. „Alles wie damals, als wäre es so stehen geblieben; es sind nun acht Jahre. Damals hatte ich beide Krabben mit mir; warte mal – die Lore war gerade fünfzehn, ist nun ’ne Frau, ’ne junge Frau – und der kleine schwarze Dachs, die Käthe – die – famos!“ entfuhr es ihm plötzlich. Ein elegantes Coupé hielt vor einem Laden, ein betreßter Diener wanderte dort auf und ab. Der alte General war ganz Auge für die prächtigen Rappen. Dabei bemerkte er nicht, wie ein junges Mädchen eilig an ihm vorüberschritt. Erst jetzt, im Weitergehen, sah er den zierlichen dunklen Kopf auf schlankem Halse, über all den bunten Tüchern und den Dickköpfen des Marktgewimmels schweben. Nun bog die graziöse, ganz schwarz gekleidete Gestalt, die dieses Köpfchen trug, aus der Menge, wand sich zwischen Wagen und Menschen über den Fahrdamm und lenkte in die stille Straße, die dort drüben mündete, ein.

Der alte Herr folgte ihr. „Sollte denn so etwas möglich sein?“ sagte er halblaut.

Sie war ihm schon weit voraus; er sah sie da unten in ein Haus verschwinden und faßte gleich darauf einen Westenberger Straßenjungen in Holzpantoffeln am Arm.

„Jung, wo wohnt die Frau Majorin von Tollen?“

Der Bengel wies auf jenes Haus.

(Fortsetzung folgt.)




Vom Nordpol bis zum Aequator.

Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehn.
Lapplands Vogelberge.
(Schluß.)


Die Mutter oder Pflegemutter führt die Küchlein zunächst auf solche Stellen, wo die Miesmuscheln bis zum Stande der tiefsten Ebbe hinauf an den Felsen sitzen, pflückt von denselben, so viele sie und ihre Familie bedarf, zerbricht die Gehäuse der kleinsten und legt den Inhalt ihren Kindern vor. Letztere sind vom ersten Tage ihres Lebens an befähigt, zu schwimmen und zu tauchen, trotz ihrer Eltern, übertreffen diese sogar in einer Beziehung, indem sie ungleich gewandter auch auf dem Lande sind und hier mit überraschendem Geschick sich zu bewegen verstehen. Ermüden sie in der Nähe einer Insel, so führt die Alte sie auf dieselbe hinauf, und sie rennen dann wie junge Rebhühner dahin, wissen sich auch auf den ersten Warnungsruf hin durch einfaches Niederdrücken so vortrefflich zu verbergen, daß man sie nur nach längerem Suchen aufzufinden vermag; ermüden sie, wenn sie sich weiter von den Schären entfernt haben, so breitet die Alte ihre Flügel ein wenig und bietet ihnen diese und den Rücken zum Ruhesitze dar. Da sie niemals Mangel leiden, wachsen sie außerordentlich rasch heran und haben schon nach Verlauf von zwei Monaten beinahe die Größe, mindestens alle Fertigkeiten der Mutter erlangt. Nunmehr findet sich auch der Vater bei ihnen ein, um fortan mit der Familie, meist noch mit vielen andern Familien vereinigt, unter Umständen zu Tausenden geschart, den Winter zu verbringen.

Der hohe, von Jahr zu Jahr steigende Preis der unvergleichlichen Dunen erhebt die Eidervögel zu den werthvollsten aller Bergvögel. Tausend Paare Eidervögel gelten für ein Besitzthum, mit welchem gerechnet wird. Auf den meisten Eiderholmen brüten jedoch mindestens drei- bis viertausend Paare, und der glückliche Besitzer noch zahlreicher besuchter Brutstellen erzielt durch die Vögel Einnahmen, um welche ihn mancher Gutsbesitzer Deutschlands beneiden könnte. Außer den Eidervögeln brüten aber auf den Holmen auch noch Austernfischer und Teisten, deren Eier ausgehoben, monatelang zu allerlei Nahrungsmitteln verwendet und auf weithin versendet werden. Zudem salzt man hier und da die Jungen für den Winter ein, und somit bilden die Holme auch ihrerseits Aecker, welche reiche Ernte bringen, dementsprechend unter strenger Aufsicht gehalten und durch besondere Gesetze geschützt werden.

Ebenso eigenartig als fesselnd ist das Schauspiel, welches eine mit Eidern und anderen Seevögeln besetzte Brutinsel gewährt. Eine mehr oder minder dichte Wolke von blendend weißen Möven umhüllt das Eiland. Diese Möven sind es, welche vor allem die Brutholme auf weithin zur Geltung bringen und von anderen genau ebenso aussehenden Schären unterscheiden lassen. Von der übrigen gefiederten Bevölkerung bemerkt man wenig, obwohl sie nach vielen Tausenden zählt. Erst wenn man in einem jener leichten, unübertrefflichen Boote des Landes dem Holme zurudert, ändert sich das Stillleben der Vögel. Einige Austernfischer, welche unmittelbar über der Fluthmarke ihre Nahrung suchten, haben das Boot bemerkt und fliegen ihm eilig entgegen, denn diese Vögel, welche keiner größeren Insel, kaum einer Schäre fehlen, sind die Sicherheits- und Wohlfahrtsbeamten der friedlich vereinigten Bergvögel. Jedes neue, ungewohnte oder ungewöhnliche Ereigniß reizt ihre Wißbegier und bewegt sie, eine genauere Untersuchung anzustellen. So fliegen sie jedem Boote entgegen, umschwärmen es fünf- bis sechsmal in immer enger sich schlingenden Kreisen, schreien dabei ununterbrochen und erregen schon jetzt die Aufmerksamkeit aller übrigen klugen Vögel der Ansiedelung. Sobald sie sich von dem Vorhandensein wirklicher Gefahr überzeugt haben, eilen sie rasch zurück und theilen das Ergebniß ihrer Untersuchungen in warnenden Tönen allen Bergvögeln mit. Einige Möven beschließen nun, ebenfalls durch eigenen Augenschein sich von der Ursache der Störung zu überzeugen. Ihrer fünf bis sechs fliegen dem Boote entgegen, stellen sich in der Luft nach Falkenart auf, stoßen vielleicht jetzt schon kühn auf die Eindringlinge herab und kehren schneller, als sie gekommen, zum Holme zurück. Gerade als ob man ihnen mißtraue, erhebt sich nunmehr die doppelte, drei-, vier-, zehnfache Anzahl, um genau ebenso zu verfahren, wie die ersten Späher thaten. Schon schichtet sich eine aus Vögeln bestehende Wolke über dem Boote. Sie dichtet sich mehr und mehr und wird immer bedrohlicher, da die Vögel nicht allein mit beständig steigender Kühnheit nach den Insassen des Fahrzeuges stoßen, sondern sie auch mit Stoffen begaben, welche Gesicht und Kleidern nicht gerade zum Schmucke gereichen. In der Nähe der Brutinsel steigert sich die Erregung zu scheinbar sinnlosem Wirrwarr, das Geschrei der einzelnen, zu tausendfach wiederholtem, sinnbethörendem Lärm.

Noch ehe das Boot gelandet, sind die zum Besuche ihrer Weibchen zugegen gewesenen männlichen Eidervögel dem Strande zugewatschelt und schwimmen jetzt unter warnendem „Ahua, Ahua“ auf das Meer hinaus. Ihnen folgen Schopfscharben oder Kormorane und Säger, wogegen Austernfischer, Regenpfeifer, Teisten, Eidervögel, Möven und Seeschwalben, sowie die etwa vorhandenen Felsenpieper und Bachstelzen sich nicht entschließen können, das Eiland zu verlassen. Aber die Laufvögel rennen, wie vom bösen Feinde getrieben, zahllos am Strande auf und ab; die Teisten, welche geneigte Felsblöcke rutschend erklommen hatten, ducken sich [171] platt auf ihnen nieder und starren verwundert den Fremdling an; die Eiderenten bereiten sich vor, um im geeigneten Augenblicke in ihrer Weise sich unsichtbar zu machen.

Das Boot landet. Man betritt den Holm. Tausende von Stimmen kreischen gleichzeitig auf; die aus fliegenden Vögeln bestehende Wolke verdichtet sich bis zur Undurchsichtigkeit; Hunderte von brütenden Möven erheben sich krächzend, um sich mit den fliegenden zu vereinigen; Dutzende von Austernfischern schreien auf, und das Gewirr der sich bewegenden, der Lärm der kreischenden Vögel wird so betäubend, daß man meint, des Blocksbergs Hexenwirrwarr mit leiblichen Sinnen wahrzunehmen.

Das Lärmen und Brausen, das Wirrsal der Gestalten und Töne ermüdet alle Sinne; es schwirrt und flimmert vor den Augen saust, und braust in den Ohren, daß man zuletzt weder Farbe noch Lärm mehr aufzufassen vermag und selbst den meist sehr eindringlichen Geruch nicht mehr empfindet. Wohin man sich auch wenden mag, auf der ganzen Insel umhüllt einen die erwähnte Wolke; wohin man schaut, nichts anderes sieht man vor sich als Vögel, und wenn Tausende zur Ruhe sich niederließen, haben andere Tausende sich erhoben, und ihre Sorge, ihre Angst um die Brut läßt sie die eigene Ohnmacht vergessen und ermuthigt sie zu zwar ungefährlicher, dem Vordringen aber doch hinderlicher Abwehr.

Wesentlich verschieden von dem doch recht harmlosen Treiben auf den Eiderholmen ist das Bild, welches eine mit Silber-, Herings- oder Mantelmöven besetzte Insel zeigt. Auch diese Vögel scharen sich, um zu brüten, auf bestimmten Inseln, Hunderte von Paaren zu anderen Hunderten, so daß solche Inseln unter Umständen von drei- bis fünftausend Paaren bevölkert werden können. Die großen, blendend weiß und hell- oder dunkelgrau gefärbten Gestalten heben sich wundervoll ab von der ganzen Umgebung, und ihre Bewegungen entbehren durchaus nicht der Anmuth, welche alle Möven auszeichnet. Aber sie, die starken, kräftigen und raublustigen Vögel, sind zwar gesellige, nicht jedoch friedfertige Nachbarn. Kein Glied solcher Ansiedelung traut dem andern. Jedes einzelne Paar lebt für sich, grenzt sich ein bestimmtes Brutgebiet ab, wie gering der Durchmesser desselben auch sein mag, duldet innerhalb dieses Gebietes kein anderes Paar und verläßt das Nest nie gleichzeitig, eilt auch, sobald es durch einen gemeinsamen, übermächtigen Feind aufgestört wurde, so schnell als möglich zum Neste zurück, um dieses gegen die eigenen Artgenossen zu sichern.

Minder geräuschvoll, aber keineswegs weniger großartig ist das Leben auf den eigentlichen Vogelbergen, da wo Alken, Lummen und Lunde brüten.

Im Norden der Lofodengruppe liegen, einige dreihundert Meter von dem Strande entfernt, drei glockenförmige Felseneilande, die Nyken, welche schroff und steil dem Meere entsteigen, sich etwa hundert Meter über dessen Spiegel erheben und ringsum mit einem Kranze kleiner Schären umlagert sind. Einer dieser Felsenkegel ist ein Vogelberg, wie er in seiner Art großartiger kaum gedacht werden kann.

Es war an einem wundervollen Sommertage, als wir uns anschickten, ihn zu besuchen, das Meer glatt und ruhig wie selten, der Himmel klar und blau, die Luft warm und angenehm. Zwischen zahllosen Schären hindurch ruderten kräftige Normannen unser leichtes Boot. Wohin das Auge blickte, traf es auf Vögel. Fast jeder Stein, welcher über die Meeresfläche emporragte, zeigte sich belebt. Reihenweise geordnet, wie aufgestellte Soldaten, saßen sie zu zehn, zu zwanzig, zu Hunderten in den seltsamsten Stellungen, die langen Hälse gedehnt und gereckt, die Flügel ausgebreitet, um jedem Theile ihres Leibes die Wohlthat der Besonnung zu verschaffen, mit ihnen fächelnd, als wollten sie sich gegenseitig Kühlung zuwehen, aufmerksamen Auges nach allen Seiten spähend. Unter krächzendem Schreien stürzten sie sich bei unserer Annäherung in plumper Weise in das Meer hinab, nunmehr schwimmend und tauchend, aller Annäherungsversuche unsererseits spottend. Andere Schären waren bedeckt von Möven, immer von Hunderten und Tausenden einer Art. Um andere Felseneilande hatten die blendenden Eiderenten, vielleicht bereits gerupfte Männchen, sich geschart und stellenweise einen Kranz gebildet, vergleichbar großen, weißen Wasserrosen unserer stillen Süßgewässer. In den nicht allzutiefen Sunden sah man fischende Säger und Seetaucher, von denen der eine oder der andere dann und wann auch, wohl seinen weithin gellenden Schrei zum besten gab, einen Ruf so lang ausgezogen und so vielfach vertönt, daß man ihn als Gesang bezeichnen könnte.

Stolz wie ein Fürst auf seinem Throne saß hier und da ein Seeadler, der Schrecken aller gefiederten Wesen des Meeres, vielleicht auch eine ganze Gesellschaft beutesatter Räuber dieser Art; pfeilschnell durcheilte, sein meilenweites Gebiet der Jagdfalke, welcher an einer der steilen Felsenwände seinen Horst gegründet; gaukelnde Sturm- und Mantelmöven, fischende Seeschwalben zogen auf und nieder, Austernfischer begrüßten uns mit ihren trillernden Rufen, Alken und Lummen erschienen und verschwanden auf- und niedertauchend rings um uns her.

Unter solcher Gesellschaft zogen wir weiter. Nachdem wir etwa zehn Seemeilen zurückgelegt hatten, gelangten wir in den Schwarmbereich der Nyken. Wohin wir unsere Blicke wandten, allüberall sahen wir einige der zeitweiligen Bewohner des Berges, im Meere fischend, tauchend, durch unser Boot erschreckt auffliegend und so hart über dem Wasser wegziehend, daß die brennendrothen Ruderfüße den Saum der Wellen schlugen. Endlich, nachdem wir einen vorspringenden Felsenkamm umrudert hatten, lag die erste Nyke vor uns. Im Meere ringsum traf das Auge auf schwarze, an dem Fuße des Berges auf weiße Punkte. Jene zeigten sich ohne Ordnung und Regel, diese meist in Reihen oder scharfumgrenzten Trupps; es waren die schwimmenden, mit Kopf, Hals und Nacken über die Oberfläche emporragenden und die auf dem Berge sitzenden, mit der weißen Brust dem Meere zugekehrten Alken, welche wir sahen, viele Tausende, doch nicht, wie man uns gesagt, Millionen.

Nachdem wir an der Insel gelandet, sprangen wir an einer von der Brandung nicht allzu arg umtobten Stelle auf den Fels und kletterten nun rasch bis zu der Torfschaube empor, welche die ganze Nyke bis auf wenige durchbrechende und zu Tage tretende Zacken, Vorsprünge und Winkel überdeckt. Hier fanden wir zunächst, daß die Torfrinde überall mit Bruthöhlen, nach Art unserer Kaninchenröhren, durchlöchert, daß nicht ein einziges tischgroßes Plätzchen auf dem ganzen Berge ohne die Mündung einer solchen Röhre war.

In Schraubenlinien schritten wir, mehr kletternd als gehend, zum Gipfel des Berges empor. Unter unseren Tritten zitterte die unterwühlte Torfschicht. Und hervor aus allen Höhlen lugten, krochen, rutschten, flogen Vögel, mehr als taubengroße, oberseits schieferfarbene, auf Brust und Bauch blendend weiße Vögel, mit phantastischen Schnäbeln und Gesichtern, kurzen schmalen, spitzigen Flügeln und stummelhaften Schwänzchen. Aus allen Löchern erschienen sie, aus Ritzen und Spalten des Gesteines nicht minder. Wohin man blickte, nichts anderes mehr als Vögel sah das Auge, und leises, dröhnendes Knarren, das vereinigte schwache Geschrei der Vögel, traf das Ohr. Jeder Schritt weiter entlockte neue Scharen dem Bauche der Erde. Von dem Berge herab nach dem Meere begann es zu fliegen; von dem Meere nach dem Berge hinauf schwärmten bereits unzählbare Massen. Aus den Dutzenden waren Hunderte, aus den Hunderten Tausende geworden, und Hunderttausende entwuchsen fortwährend der braungrünen Erde.

Je weiter wir kamen, um so großartiger gestaltete sich das Schauspiel. Es wimmelte, schwirrte, rauschte, tänzelte, flog, kroch um uns herum, daß uns fast die Sinne vergingen, daß das Auge den Dienst versagte, daß die erprobte Fertigkeit selbst den Schützen, welcher versuchte, unter den Tausenden aufs Gerathewohl Beute zu gewinnen, im Stiche ließ. Betäubt, kaum unser selbst noch bewußt, schritten wir weiter, bis wir endlich den Gipfel des Berges erklommen hatten. Auch hier wimmelte und schwirrte es; auch hier umlagerte die aus Vögeln gebildete Wolke uns so dicht, daß wir das Meer unter uns nur wie im Dämmerlichte, unklar und unbestimmt, vor uns liegen sahen. Erst ein Jagdfalkenpaar, welches in einer der benachbarten Felsenwände horstete, veränderte plötzlich das wunderbare Schauspiel. Vor uns hatten die Alken, Lummen und Lunde sich nicht gefürchtet; beim Erscheinen ihrer wohlbekannten und unabwendbaren Feinde aber stürzte die dichte Wolle wie auf den Befehl eines Zauberers mit einem Schlage herab auf das Meer, und klar und frei wurde der Blick. Zahllose dunkle Punkte, die Köpfe der im Meere schwimmenden Vögel, welche sich deutlich von dem Wasser abhoben, unterbrachen die blaugrüne Färbung der Wogen. Ihre Menge war so groß, daß wir von der Spitze des über hundert Meter hohen Berges aus nicht entdecken konnten, wo der Schwarm endete. Um nur einigermaßen zu schätzen, zu rechnen, nahm ich mir ein kleines Viereck ins Auge und begann, die Punkte in ihm zu zählen. Es waren ihrer mehr als [172] hundert. Ich setzte in Gedanken rasch ähnliche Vierecke aneinander und kam in die Tausende. Aber ich hätte viele Tausende solcher Vierecke bilden können und den von Vögeln bedeckten Raum noch nicht erschöpft. Die Millionen, von denen man gesprochen, waren vorhanden. Nur auf Augenblicke bot sich das Bild scheinbarer Ruhe unseren Blicken dar. Bald begannen die Vögel wieder aufwärts zu fliegen, und wie vorher entstiegen Hunderttausende zu gleicher Zeit dem flüssigen Elemente, um zum Berge empor zu klettern; wie vorher bildete sich die Wolke um ihn, wie vorher verwirrten sich unsere Sinne. Unfähig, noch zu sehen, betäubt durch das unbeschreibliche Geräusch um mich her, warf ich mich auf den Boden nieder, und von allen Seiten herbei strömten die Vögel. Um mich her ließen sie sich nieder; mit Staunen betrachteten sie die fremde Gestalt; tänzelnden Ganges näherten sie sich mir bis auf so geringe Entfernung, daß ich nach ihnen zu greifen versuchte. Die Schönheit, der Reiz des Lebens zeigte sich in jeder Bewegung der absonderlichen Vögel. Mit Erstaunen sah ich, wie steif und kalt auch die besten Abbildungen sind; denn ich bemerkte eine Regsamkeit und eine Lebhaftigkeit in den wundersamen Gestalten, welche ich ihnen nicht zugetraut hätte. Nicht einen Augenblick saßen sie ruhig, bewegten mindestens Kopf und Hals fort und fort nach allen Seiten hin, und ihre Umrisse gewannen wahrhaft künstlerische Linien.

Achtzehn Stunden verweilte ich auf diesem Vogelberge, um das Leben der Alken kennen zu lernen. Als die Mitternachtssonne groß und blutig roth am Himmel stand und ihr rosiges Licht auch auf die Wände unseres Berges warf, trat die Ruhe ein, welche die Mitternacht auch im hohen Norden zu bringen pflegt. Das Meer um die Berge herum war leer geworden; alle die Vögel, welche bis dahin in ihm gefischt und getaucht, waren zum Berge aufgeflogen. Hier saßen sie jetzt, wo sie ein Plätzchen zum Sitzen fanden, in langen Reihen, lange, blendendweiße Linien bildend. Ihr „Arr“ und „Err“, welches trotz der Schwäche der einzelnen Stimmen unsere Ohren betäubt hatte, war verklungen, und nur die Brandung, welche sich unten am Felsen brach, rauschte und tönte noch zu uns herauf.

Nicht die Massenhaftigkeit des Auftretens allein ist es, durch welche die Alken fesseln; auch ihr Leben und Treiben bietet des Anziehenden viel. Ihre geselligen Tugenden erreichen während der Brutzeit eine unvergleichliche Höhe.

Um die Osterzeit etwa ziehen alle, mehr schwimmend als fliegend, dem Berge zu. Nun aber giebt es auch unter den Alken mehr Männchen als Weibchen, und nicht jedes der ersteren ist so glücklich, eine Gattin zu erringen. Die beklagenswerthen Wesen, welche wir, ins Menschliche übersetzt, als Hagestolze bezeichnen, wandern ebenso gut wie die glücklichen, unterwegs kosenden und tändelnden Paare dem Berge zu, fliegen mit ihnen zur Höhe hinauf und ziehen mit ihnen zur Jagd auf das benachbarte Meer hinaus. Die Paare beginnen, sobald die Witterung es gestattet, ihre alten Höhlen neu herzurichten, sie auszuräumen, zu vertiefen, ihre Kammer zu vergrößern, erforderlichenfalls auch eine neue Brutstätte auszugraben, und sobald dies geschehen, legt das Weibchen auf den nackten Boden der am hinteren Ende ausgewölbten Brutkammer sein einziges, aber sehr großes, kreiselförmiges, buntgetüpfeltes Ei und beginnt, nun abwechselnd mit dem Männchen zu brüten. Für die armen Junggesellen, bricht damit eine traurige Zeit an. So helfen sie sich denn, indem sie glücklichen Paaren zu Hausfreunden sich aufdrängen. Wenn in den Stunden um Mitternacht im Neste das Weibchen brütet und außen vor demselben das Männchen sitzt, gesellen sie sich letzterem, und wenn das Männchen die im Meere fischende Gattin ablöst, halten sie außen Wache, wie vorhin das rechtmäßige Männchen es that. Wenn aber beide Eltern gleichzeitig ins Meer hinabfliegen, beeilen sie sich, wenigstens einigen Lohn für ihre Treue zu ernten. Ohne Zögern rutschen sie in das Innere der Höhle und Wärmen inzwischen das verlassene Ei. Diese selbstlose Hingebung hat eine Folge, um welche wir Menschen die Alken beneiden könnten: auf den Bergen, welche diese Vögel bewohnen, giebt es kein Waisenkind. Sollte der Gatte eines Paares verunglücken, so bietet sich der Witwe augenblicklich Ersatz, und sollte der seltenere Fall eintreten, daß beide Nestinhaber, beide Eltern eines Jungen zu gleicher Zeit ihr Lehen verlören, so sind die gutmüthigen Ueberzähligen sofort bereit, das Ei vollends auszubrüten, das Junge zu erziehen.

Letzteres unterscheidet sich wesentlich von dem der Enten und Möven. Es ist nicht Nestflüchter, sondern Nesthocker. In dichtem, graulichem Dunenkleide entschlüpft es der Eihülle, in welcher es zum Leben erwachte, muß aber nun noch wochenlang in seiner Höhle verweilen, bevor es im stande ist, den ersten Ausflug zum Meere zu wagen. Dieser Ausflug ist, wie zahllose Leichen auf den Klippen am Fuße der Berge beweisen, stets ein gewagtes und Gefahr bringendes Unternehmen. Geführt von beiden Eltern, ängstlich die noch ungeübten Beine, kaum minder besorgt die eben erst zur Entwickelung gelangten Schwingen gebrauchend, folgt das Junge seinen Erziehern, welche es nach und nach bergabwärts oder doch zu einer Stelle geleiten, von welcher aus der Absprung in das Meer möglichst gefahrlos erfolgen kann. Auf solchem Vorsprunge verharren beide Eltern und das Kind oft längere Zeit, bevor es ersteren gelingt, das letztere zum Sprunge zu vermögen. Der Vater wie die Mutter reden förmlich zu; das sonst wie alle Vogeljungen gehorsame Kind achtet nicht ihrer Zurufe. Der Vater entschließt sich, vor den Augen des zögernden Sprossen hinabzustürzen in das Meer; der unerfahrene Sprößling bleibt sitzen. Neue Versuche, neues Zureden, förmliches Drängen. Da endlich wagt er den gewaltigen Sprung, stürzt wie ein fallender Stein, tief in das Meer hinab, arbeitet sich, unbewußt dem Triebe gehorchend, wieder zur Oberfläche empor, schaut um sich, blickt über das unendliche Meer und ist ein Seevögel geworden, welcher fortan keine Gefahr mehr scheut.

Wiederum verschieden ist das Leben und Treiben auf denjenigen Vogelbergen, welche von der Stummelmöve zu Brutplätzen gewählt werden. Ein solcher Berg ist das Vorgebirge Swärtholm, hoch oben im Norden zwischen dem Laxen- und Porsangerfjord unweit des Nordkaps. Ein liebenswürdiger Normann, der Führer des Postdampfschiffes, welches mich trug, erfüllte gern meine Bitte, an dem Brutorte vorüberzufahren. Schon in einer Entfernung von sechs bis acht Seemeilen überholten uns fortwährend Flüge von dreißig bis hundert, zuweilen auch zweihundert Stummelmöven, welche sämmtlich dem Nistplatze zuflogen. Je näher wir Swärtholm kamen, um so rascher folgten sich diese Flüge, und um so zahlreicher waren sie. Endlich zeigte dem Auge sich das Vorgebirge, eine fast senkrecht in das Meer abfallende, von unzähligen Höhlen durchbrochene Felsenwand von etwa achthundert Metern Länge und anderthalb bis zweihundert Metern Höhe. Aus werter Ferne erschien sie grau; mit Hilfe des Fernrohres konnte man eine unzählige Menge von weißen Pünktchen und Linien unterscheiden. Es sah aus, als ob eine riesige Schiefertafel von einem scherzenden Riesenkinde mit allerlei Zeichnungen bekritzelt worden wäre. Es waren die brütenden oder in den Nestern sitzenden Möven.

Unser Schiff schreckte, hart an dem Felsen dahinfahrend, einen Theil der Möven auf, und nun gestaltete sich vor meinen Augen ein ähnliches Bild, wie ich es auf vielen Eiderholmen und anderen Möveninseln gesehen. Da donnerte der Hall eines von meinem Freunde gelösten Geschützes gegen die Felsenwand. Wie wenn ein tosender Wintersturm durch die Luft zieht und schneeschwangere Wolken aneinander schlägt, bis sie, in Flocken zertheilt, sich herniedersenken, so schneite es jetzt von oben lebendige Vögel herunter. Man sah weder den Berg noch den Himmel, sondern nur ein Wirrsal ohnegleichen. Eine dichte Wolke verhüllte den ganzen Gesichtskreis. Die Wolke senkte sich endlich auf das Meer hernieder, die bisher von ihr umnebelten Umrisse von Swärtholm traten wieder hervor, und ein neues Schauspiel fesselte die Blicke. An den Felsenwänden schienen noch eben so viele Möven zu sitzen wie vorher. Und Tausende flogen noch ab und zu. Und als ein zweiter Donner neue Scharen aufscheuchte, schneite es zum zweiten Male Vögel auf das Meer herab, und immer noch war die Wand bedeckt mit andern Hunderttausenden. Auf dem Meere aber, soweit wir es überschauen konnten, lagen, leichten Schaumballen vergleichbar, die Möven und schaukelten mit den Wogen auf und nieder. Und als wäre es noch nicht genug des Zaubers, goß plötzlich die auf kurze Zeit verhüllte Mitternachtssonne ihr rosiges Licht über Vorgebirge und Meer und Vögel, beleuchtete alle Wellenkämme, als ob ein goldenes, weitmaschiges Netz über das Meer geworfen wäre, und ließ die ebenfalls rosig überstrahlten blendenden Möven nur um so leuchtender erscheinen.

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Die „Münchener“ und ihre Dichter.

Max Grube.   Herman v. Schmid.   Maximilian Schmidt.   Franz Koppel-Ellfeld.
Ludwig Ganghofer.   Hans Neuert.   Max Hofpauer.   Philomene Hartl-Mitius.

Wohlbekannt unter dem Namen der „Münchener“ ist das Schauspielensemble, das unter der Leitung des bayerischen Hofschauspielers Max Hofpauer auf deutschen Bühnen seit einem Jahrzehnt mit großem Erfolg gastirt. Die Münchener sind die oberbayerischen „Meininger“; wo sie erscheinen, da weht Alpenluft über die Bühnen, da bauen sich die Sennhütten und Dörfer vor unsern Augen auf, da hören wir die Zithersoli, sehen den Schuhplattltanz und die wackeren Aelpler verstatten uns einen Blick in ihr Leben, wo freilich alles so zugeht wie anderswo; denn ein Arkadien giebt’s nirgends mehr und überallhin kommt der Mensch mit seiner Qual.

Nachdem das Gärtnerplatztheater in München schon seit dem Jahre 1870 durch das Engagement geeigneter Kräfte sein Ensemble vervollständigt hatte, so daß es in der Pflege des Volksstückes Treffliches leisten konnte, fand im Juni 1879 der erste Gastspielausflug des gesammten Schauspielerpersonals und zwar nach Berlin statt, wo ein dreiwöchiger Gastrollencyklus am Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater bahnbrechenden Erfolg hatte. Im nächsten Jahre wurde neben Berlin auch Dresden in den Bereich der Gastspielreise gezogen und seitdem ist die Gesellschaft der Münchener fast an allen deutschen Bühnen aufgetreten, überall bei der Wiederkehr willkommen geheißen wegen der prächtigen Frische und Naturwahrheit ihrer Leistungen und der harmonischen Wirkung eines wohlgeschulten Zusammenspiels.

Die geschäftliche und künstlerische Leitung des ganzen Unternehmens liegt in den Händen von Max Hofpauer, der auch das finanzielle Risiko desselben trägt. Max Hofpauer wurde im Jahre 1846 in München geboren als Sohn eines städtischen Beamten; anfangs für die kaufmännische Laufbahn bestimmt, besuchte er mehrere Handelsschulen; doch nach dem Tode seiner Eltern folgte er seiner innersten Neigung, die ihn zur Bühne führte. Er spielte zuerst an mehreren kleineren bayerischen Theatern, fand dann als jugendlicher Liebhaber eine Stellung an dem Schweriner Hoftheater, das damals unter Wolzogens Leitung stand, und wirkte später am Hamburger Stadttheater vorzugsweise in der Tragödie. Doch sein Talent neigte sich mehr dem komischen Genre zu. Nach einer kurzen Anstellung am Wiener Hofburgtheater, veranlaßt durch die sehr günstige Meinung, die Laube von seinem Talent hegte, kehrte er nach München zurück, wo er seit dem Oktober 1870 neben den hervorragenden Komikern einen Platz behauptet hat. Bald wurde er auch zum bayerischen Hofschauspieler ernannt.

Max Hofpauer hat alles gethan, um seinem Ensemble eine stimmungsvolle Originalität zu sichern. Naturwahrheit, die aber zum Herzen zu sprechen versteht, war die Losung. Er brauchte keine historischen Studien aus Kostümwerken und Waffensammlungen wie die Meininger, die bayerischen Berge waren sein Museum. Die Herren Quaglio und Sohn in München malten ihm Dekorationen, welche sich von den üblichen Theaterlandschaften wesentlich unterscheiden und das Gepräge des lokalen Gebirgscharakters mit demjenigen künstlerischer Eigenart verbinden. Hofpauer vermied beim Arrangement der Scenen alles Schablonenhafte; nirgends finden wir ein regelrecht arrangirtes „Arkadien“; es macht alles den Eindruck des Natürlichen, Ungezwungenen; kleine Züge absichtlicher Unordnung erhöhen diesen Eindruck. Die Kostüme sind nicht minder naturwahr; wir erinnern nur an die Hosen des Geißbuben Loisl, welche Hofpauer in dem „Herrgottschnitzer von [174] Ammergau“ trägt als ein Geschenk des Malers Defregger, der sie ihm aus den Bergen mitgebracht. Echt sind auch alle die andern Trachten, besonders der Staat der Bäuerinnen.

Das vortreffliche Zusammenspiel ist ebenfalls ein Verdienst der Leitung; es ist anzuerkennen, daß die schauspielerische Eigenthümlichkeit dabei ihr gutes Recht behält, daß nichts von einer peinlichen Dressur zu bemerken ist, die alles über denselben Kamm schert; nur alles Verkünstelte und Affektirte ist ausgeschlossen, derartige überwuchernde Ranken werden abgeschnitten. In den Volksscenen, die ein lebendiges Bild des oberbayerischen Volkslebens vorführen, klappt alles; nichts drängt sich vor, nichts schleppt nach; und dabei hat man nicht das Gefühl, daß vor unsern Augen das Räderwerk eines abgezogenen Mechanismus sich abspielt; es wird mit Lust und Liebe gespielt, und in jedem Mitwirkenden scheint eine Ader des fröhlichen Volkslebens in den Bergen zu pulsiren. Was aber Hofpauers darstellendes Talent betrifft, so ist seine feine Komik, die nur selten ins Groteske übergeht, meist von unwiderstehlicher Wirkung, sein Geißbub Loisl im „Herrgottschnitzer“ ist eine köstliche Genrefigur; sein Stiglschuster im „Austragstüberl“ ein höchst ergötzlicher Vagabund, sein Gemeindediener Schlaucherl im „Prozeßhansl“, den wir auf unserem Bilde sehen, amüsirt nicht minder durch den verwegenen Gebrauch der Fremdwörter, ganz wie sein Urbild, der Gerichtsdiener Holzapfel in Shakespeares „Viel Lärm um nichts“; er besitzt ebenso viel Durst wie Amtsbewußtsein. Daß Hofpauer auch ernste Aufgaben durchzuführen versteht, beweist er als „Geigenmacher von Mittenwald“ in der Dorftragödie dieses Namens.

Als Bühnenleiter hat Max Hofpauer vor allem für ein seiner Auffassung entsprechendes Repertoire und für die geeigneten darstellenden Kräfte gesorgt. Er wurde hierin vom Glück begünstigt; das Gärtnerplatztheater bot ihm von Hause aus einen festen Stamm tüchtiger Künstler und die junge bayerische Dichterschule, angeregt und gefördert durch so lebensvolle Darstellung ihrer Werke, ermüdete nicht in ihrer Schaffenslust und bereicherte stets von neuem das Repertoire der Wanderbühne. Das Theater am Gärtnerplatz hatte bereits früher eine große Zahl von Volksstücken namhafter Autoren wie Anzengruber, Mosenthal Auerbach, Gerstäcker, Arthur Müller u. a. zur Aufführung gebracht, aber die Aera der oberbayerischen Bauernstücke beginnt erst mit 1880. Der Senior dieser Dramatiker ist Herman von Schmid (geb. 30. März 1815, gest. 19. Oktober 1880), den Lesern der Gartenlaube“ ein alter Freund, jahrelang durch einen Vertrag mit Ernst Keil als ständiger Mitarbeiter unserem Blatte verbunden gewesen. Er verdankt der „Gartenlaube“, wie er selbst sagt, seinen Namen und seine Beliebtheit, seit 1865 war er Dramaturg des Münchener Aktientheaters; nachdem an Stelle dieser Bühne 1870 das königliche Volkstheater am Gärtnerplatz getreten, wurde er Direktor desselben. Nichts natürlicher, als daß er einzelnen seiner Erzählungen dramatische Gestalt zu geben suchte, um sie auf seiner Bühne einzubürgern. Von diesen Schauspielen gehört noch jetzt „Die Z’widerwurz’n“ dem Repertoire der Hofpauerschen Truppe an. Das Stück ist eine einfache Idylle mit einer oft selbstgenugsamen Genremalerei von Land und Leuten und behandelt eine schlichte Herzensgeschichte. Eine andere Erzählung von Herman von Schmid „Almenrausch und Edelweiß“ ist von Neuert für die Bühne bearbeitet worden; es ist in diesem Stücke mehr Lyrik und Romantik als in den Bauernstücken jüngsten Datums. Unser stimmungsvolles Bildchen zeigt uns die Sennerinnen in der dichterisch angeflogenen Sennhüttenscene. Den Hintergrund der Handlung bilden die Kämpfe der Wilddiebe mit den Forstbeamten. Auch des angesehenen Bauern und Schulzen Sohn Mentl ist diesem verbotenen Jagdvergnügen mit Leib und Seele ergeben; er geräth mehrfach in Konflikt mit dem gräflichen Jäger. Nun begiebt es sich, daß dieser mit den Wilderern handgemein und bei der einsamen Wanderung durch die Klamm von einem derselben angefallen und gestochen wird. Er nennt als Thäter den Mentl, der zugleich sein Nebenbuhler ist, und dieser wird für schuldig erklärt und zu einer Zuchthausstrafe verurtheilt. Seine Freiheit aber erhält er wieder durch seine Geliebte, die Sennerin Evi, die er zu seiner Frau machen wollte; doch der Vater, ein stolzer Bauer, gab nicht seine Einwilligung zur Ehe des Sohnes mit der „hergelaufenen Dirne“. Evi gelingt es indeß, den wahren Schuldigen in dem verwundeten und verfolgten Wilddieb zu entdecken, der, von ihr versteckt, zuletzt selbst sein Verbrechen eingesteht.

Das bekannteste Zugstück der Münchener ist indeß „Der Herrgottschnitzer von Ammergau“, von Ganghofer und Neuert verfaßt. Wie Herman von Schmid steht auch Ganghofer der „Gartenlaube“ nahe; unsere Leser haben sich an seinen größeren und kleineren Erzählungen, an seinen frischen Skizzen aus dem Alpen- und Jagdleben öfters erfreut; wir brachten vor kurzem (im Jahrgang 1887) eine Lebensbeschreibung und Charakteristik des Dichters. Ludwig Ganghofer, geboren am 7. Juli 1855, ist ein Liebling unseres Lesepublikums. Mit Recht sagt ein Wiener Kritiker von ihm, daß seine Erzählungen Waldgeruch haben und daß man in allen seinen Geschichten etwas von der Bergluft spürt. Hans Neuert ist auch Mitarbeiter fast aller der anderen Autoren. Er ist der oberbayerische Dramaturg; er versteht sich auf die dramatische Technik; er weiß alles zuzustutzen und knapp zusammen zu fassen für die bühnenmäßige Wirkung, dies oder jenes wirksame theatralische Moment einzufügen und, da er selbst ein begabter Charakterdarsteller ist, auch der schauspielerischen Kunst in einzelnen Scenen willkommene Aufgaben zu stellen. Er wurde im Jahre 1838 in München geboren und machte seine ersten theatralischen Versuche in Volksschauspielen in Schongau, dann am Münchener Vorstadttheater. Eine Zeitlang war er in Regensburg Regisseur des Stadttheaters; seit 1872 ist er Schauspieler am Münchener Volkstheater, seit 1877 Dramatiker.

Der große dramatische Treffer der Verbündeten Ganghofer und Neuert, „Der Herrgottschnitzer von Ammergau“, erinnert an die berühmte „Geyerwally“; den Inhalt desselben bildet die zum Tode betrübte und himmelhoch jauchzende Liebe eines jungen Paares, welche durch anscheinende gegenseitige Feindseligkeit hindurch zuletzt zur vollen Hingebung führt. Des Stückes Heldin, die Loni, hat eine Aehnlichkeit mit der Königin Elisabeth, die ihrem geliebten Essex vor versammeltem Kriegsvolk eine Ohrfeige giebt; nur daß die Loni ihren Pauli, den sie so königlich behandelt, nicht hinrichten läßt, sondern ihn um Verzeihung bittet und ihm schließlich ihre Liebe erklärt. Aehnlich wie in den neufranzösischen Schauspielen rafft sich die Handlung im dritten und vierten Akte aus der Reihenfolge von Genrebildern, aus der sie bisher bestand, zu zwei großen Scenen auf. Eine Wiedererkennungsscene spielt mit herein: Vater und Tochter finden sich; denn Loni ist das Kind des alten Pechlerlehnl, des Dorfbettlers. Auf dem figurenreichen Mittelbilde aus dem zweiten Akte sehen wir fast alle Mitwirkenden, links im Vordergrunde den Pechlerlehnl mit seiner Loni, dahinter den Maler, den Herrgottschnitzer, in der Mitte seine Mutter und den köstlichen Geißbuben, der zur Sennerin emporblickt.

Das zweite Repertoirestück von Ganghofer-Neuert, „Der Prozeßhansl“, hat zum Helden einen eigensinnigen Bauern, Lahndorfer, der an Prozeßwuth leidet und durch einen Lawinensturz gebessert wird. Damit hat es aber folgende Bewandtniß: Lahndorfer verstößt gegen das Gesetz, welches verbietet, an bestimmten, durch Lawinen gefährdeten Stellen abzuholzen. Da kommt die Lawine eines Tages hernieder und begräbt seinen vor kurzem wiedergefundenen Sohn. Dieser wird anfangs für todt gehalten, was den Alten in Verzweiflung versetzt; doch der Sohn kommt wieder zu sich. Der Vater macht dann aber eine kurze Krankheit durch, und als er wieder genesen ist, da hat er den Prozeßhansl ausgezogen und ist ein vernünftiger Mann geworden. Er heirathet die Botenlisl, die Mutter seines Toni; alle Liebeshändel im Stücke führen zum gewünschten Ziel. Das Motiv ist in den mittleren Akten des Stückes sehr wirkungsvoll ausgebeutet; im übrigen zersplittern sich der erste und der letzte Akt.

Weit schwächer als diese beiden Dramen ist das dritte der Genossen: „Der Geigenmacher von Mittenwald“; es ist eine ins Oberbayerische übersetzte neufranzösische Komödie oder, wenn man will, Tragödie. Die Afra, die den Geigenmacher Loni heirathet, liebt den jungen Vitus, der unverhofft zu ihrer Hochzeit zurückkehrt. Die beiden umarmen und küssen sich, aber nur, um auf immer Abschied zu nehmen. Der Gatte belauscht sie; er ist kein Othello, aber er fühlt seitdem sein Leben zerstört und hegt Selbstmordgedanken. Er wird indeß von einem anderen, einem frei umherlaufenden Mörder, mit dem er zusammengeräth, getödtet. Vitus und Afra können sich lieben, ohne durch den Schatten eines Selbstmörders gestört zu werden.

Ebenfalls ein Dichter der Münchener ist Maximilian Schmidt, der durch seine Erzählungen aus dem oberbayerischen Walde (1863) sich zuerst einen Namen machte. Dort in Eschlkamm [175] wurde er geboren (25. Februar 1832), als Sohn eines Zollbeamten, studirte an technischen und polytechnischen Lehranstalten, trat dann in die Armee, machte die Feldzüge von 1866 und 1870–1871 mit und nahm als Hauptmann krankheitshalber seinen Abschied. Alle seine Erzählungen haben gesunde Frische, einen ungezwungenen Ton und schrecken vor lebenswahrer Derbheit nicht zurück. Er hat mit Neuert zusammen mehrere seiner Erzählungen dramatisirt. Auf dem Repertoire der Münchener erhält sich ihr gemeinsames Werk: „Im Austragstüberl“. Der Held desselben ist ein junger Bauer, der sich zu thörichten Spekulationen verleiten läßt und ein Darlehn nach dem andern aufnehmen muß; die steinalten Eltern sind ein würdiges Paar wie Philemon und Baucis; der alte Vater hat gespart und rettet den Sohn aus den Händen des Wucherers. Es fehlt in dem Stücke nicht an Rühr- und Effektscenen. Unser Bild zeigt uns eine solche Rührscene, die Versöhnung des übermüthigen jungen Bauern mit seiner Frau.

Auch ihre Birch-Pfeiffer hat die bayerische Dorfgeschichte: Frau Philomene Hartl-Mitius, Schauspielerin am Gärtnerplatztheater, geboren am 14. April 1852 in München. Ihr Erstlingswerk war „Der Protzenbauer“ (1880), die Münchener führten früher auch einigemal „Die schlaue Mahm“ und in letzter Zeit „Am Wetterstein“ auf. In beiden Stücken läßt die Verfasserin etwas deutsche Reichsluft in die oberbayerischen Dorfgemeinden wehen und bringt soldatisches Leben in die Idylle. Die Handlung des Volksstückes „Am Wetterstein“ hängt mit dem letzten Kriege zusammen. Anne, die nette Tochter des Müllerwirths, sagt sich von ihrem Bräutigam Hans los; denn sie kann mit ihm nicht mehr Staat machen, seitdem er als einarmiger Invalide aus dem Feldzuge zurückgekehrt ist. Schon schenkt sie den Zuflüsterungen eines anderen Gehör, der um ihre Hand wirbt. Doch finden sich die Herzen der Verlobten noch einmal, bis bei einem bäuerlichen Tanzvergnügen ein neuer Zwiespalt ausbricht. Erst nachdem in einer Gewitterscene, nach einer feindseligen Begegnung der beiden Nebenbuhler im Unwetter, Hans aus der vom Blitz getroffenen Sennhütte mit eigener Gefahr Anne errettet hat, wird von beiden aufs neue der nunmehr dauernde Bund geschlossen. Auf unserem Bilde sehen wir die Versöhnungsscene.

An diese Hauptscene des Stückes erinnert lebhaft die Hauptscene in dem Schauspiel: „Hanns im Glück“, welches, von zwei nichtbayerischen Autoren verfaßt, auf der Bühne der Münchener Glück machte. Die Verfasser sind Max Grube, der hervorragende Charakterdarsteller, der, am 25. Februar 1854 in Dorpat geboren, seine Studien besonders bei den Meiningern machte, dann in Bremen, Leipzig, Dresden engagirt war und zuletzt, nachdem er wieder zu den Meiningern zurückgekehrt, für das Berliner Hoftheater gewonnen wurde, und Franz Koppel-Ellfeld, geboren in Ellfeld im Rheingau, gegenwärtig als Dramaturg und Theaterkritiker in Dresden lebend. Grube hat früher ein ernstes Drama verfaßt, dessen Held der geniale Christian Günther war. Koppel-Ellfeld hat außer mehreren Lustspielen eine Tragödie „Spartacus“ gedichtet und ein im Elsaß spielendes Schauspiel „Marguerite“. So hatten beide Proben eines dramatischen Talents gegeben, welche auf das gemeinsam verfaßte Volksstück gespannt machen durften. Und es rechtfertigt diese Spannung durch Momente von großer dramatischer Kraft, besonders in der Klammscene. Hanns im Glück, ein übermüthiger Geselle, der das Schicksal siegesgewiß herausfordert, lebt mit seiner Schwester Midei in brüderlicher Liebe zusammen. Da ergiebt es sich, daß diese nicht seine Schwester ist. Midei liebt Sepp. Dieser wendet sich zunächst von ihr ab, weil sie ihm mit einem Makel behaftet scheint; dafür erklärt jetzt Hanns Midei für seine Braut und diese folgt ihm willig. Sie kann aber Sepp, wie dieser sie, nicht vergessen, und Hanns wird von Zorn und Eifersucht erfaßt. Bei der gemeinsamen gefährlichen Arbeit in der Klamm gerathen die beiden aneinander; diese Scene ist auf unserem Bilde dargestellt. Als Sepp dann bei der Arbeit verunglückt, zögert Hanns anfangs, ihn zu retten, bis das Erscheinen von Sepps Vater den Ausschlag giebt und Hanns der Lebensretter seines Rivalen wird. Freilich hat er nachher das Zusehen, er erkennt, daß Midei den Sepp noch immer liebt, verzichtet, und „Hanns im Glück“ muß anderswo sein Glück suchen. Die großen Scenen des Stückes sind jedenfalls von bedeutender Wirkung und auch sonst haben die beiden Schriftsteller den oberbayerischen Volkston wohl getroffen.

So reichhaltig ist das Repertoire der oberbayerischen „Meininger“. Es ist wahr, ähnliche Situationen wiederholen sich oft in dieser Volksdramatik. Die Wiedererkennungsscenen zwischen Vätern und natürlichen Söhnen und Töchtern finden sich sehr häufig, ebenso die in anfänglicher Feindseligkeit sich äußernde Liebe; auch giebt es stehende Figuren: der hartköpfige Bauer, der edle junge Liebhaber, die Vagabunden jeder Art. Gleichwohl sind doch im ganzen die Bilder wechselnd und durch die Eigenart der verschiedenen Schriftsteller mannigfach schattirt.

Außer dem Repertoire und dem wohleinstudirten Zusammenspiel tragen natürlich die einzelnen darstellenden Kräfte selbst wesentlich zum Erfolge des künstlerischen Unternehmens bei. In einigen Fächern haben dieselben im Laufe der Jahre gewechselt. So hat anfangs die talentvolle Elise Bach besonders als Loni im „Herrgottschnitzer“ und in andern Rollen Triumphe gefeiert, in den letzten Jahren war sie nicht mehr Mitglied des Gastspielensembles. An ihre Stelle trat dann Kathi Thaller, eine geborene Gratzerin, die ihre künstlerische Laufbahn bei österreichischen Wanderbühnen begann dann am Dresdener Residenztheater, am Carltheater in Wien, am Prager Landestheater engagirt war und 1884 in die Hofpauersche Truppe eintrat. Kathi Thaller ist aus etwas derberem Holze geschnitzt als Elise Bach es war, aber sie galt mit Recht für die Primadonna der oberbayerischen Naivetät; sie erinnerte bisweilen an die Geistinger in ihren jüngeren Jahren, so besonders als Resl in der letzten Scene des „Prozeßhansl“; einen köstlichen Humor entwickelt ihre Schusternandl im „Austragstüberl“, den liebenswürdigen Trotzkopf Resi in „Die Z’widerwurz’n“ spielt sie mit selbstbewußtem Trotz und überquellendem Gefühl. Die schalkhaften Wendungen gelingen ihr vortrefflich; sie weiß oft köstliche Lichter aufzusetzen. Ihre Loni ist energisch in ihrem Haß, rührend in ihrer Liebe und Reue. Auch Kathi Thaller ist jetzt aus dem Ensemble geschieden; jüngere Talente voll Werdelust eifern ihr mit Glück nach. So Elsa Jenke, eine Tochter und begabte Schülerin des bayerischen Hofschauspielers und Regisseurs Jenke. Eine echte Künstlerin ist Amalie Schönchen, die Frieb-Blumauer der oberbayerischen Dorfkomödie (geboren 1836); ihr Lonerl-Trautl im „Herrgottschnitzer“, die alte Waberl im „Austragstüberl“, ihre schlaue Mahm sind lauter Kabinetsstücke mit sauberster Zeichnung und feinster Schattirung. Die jugendlichen mehr sentimentalen Liebhaberinnen spielte in der letzten Saison Frl. Carli Hücker und von ihren Leistungen heben wir besonders die Anne in „Am Wetterstein“ und die Midei in „Hanns im Glück“ hervor. Sie spielt sympathisch und mit warmer Empfindung. Von allerliebster Keckheit sind die Schenkmädchen des Frl. Anna v. Volkmar und die frischen Sennerinnen des Frl. Wunderle.

Neben Hofpauer ist Haus Neuert als trefflicher Charakterspieler eine Stütze des Repertoires, er weiß ebensogut die hartherzigen wie die zärtlichen Väter zu spielen. Prachtleistungen sind sein „Prozeßhansl“, der alte Vagabund Pechlerlehnl im „Herrgottschnitzer“, der alte Auszügler im „Austragstüberl“. Er charakterisirt scharf, schneidig und doch auch mit Wärme und gebietet über einen jovialen Humor. Der eigentliche Held und Liebhaber, durchaus geschaffen für diese kräftigen Alpensöhne, sowohl was seine Gestalt wie was sein volltönendes Organ betrifft, ist Hans Albert. Ohne ihn kann man sich das bayerische Volksschauspiel kaum denken; es wird schwer fallen, einen Ersatz für den nach Hannover engagirten Schauspieler zu finden. Sein Herrgottschnitzer, den wir hier in einem charakteristischen Bilde unsern Lesern vorführen, sein Geigenmacher Vitus, sein Toni im „Prozeßhansl“, sein Floßermartl in „Die Z’widerwurz’n“ sind Charaktere von echtem Schrot und Korn, sein Spiel und sein Organ haben in den großen Scenen Kraft und Wucht. Auch unter den anderen jüngeren und älteren, männlichen und weiblichen Kräften der Truppe finden sich tüchtige, talentvolle Darsteller.

Wir wünschen dem Gastspielunternehmen ferner fröhliches Gedeihen; diese Aufführungen erquicken wie ein Trunk frischen Quellwassers, nachdem uns soviel matte Limonade und abgestandene Getränke von der Bühne herab kredenzt worden sind.

Rudolf v. Gottschall.




[176]

In den Wolken.

Eine Waldgeschichte von Heinrich Noé.
(Fortsetzung.)


Der Eisenhans war schon längst über die Sehnsuchtstanne hinaus und erblickte bereits das Felsgehänge, bei welchem er dem Raubthier die beiden erfolglosen Schüsse nachgefeuert hatte. Was war mit Flott geschehen?

Auch hier keine Spur von einem Menschen, auch nicht von einem Thiere. Alles war zugedeckt und überweht. Der Förster überstieg diese weiße Schranke, welche ihn von einer moosgrünen Stelle des Waldbodens trennte. Nach dieser Richtung hin war gestern der Hund gelaufen. Hatte Luka sich vielleicht dorthin gewendet, weil dort viel mehr schneefreie Strecken waren als in den bis jetzt durchschrittenen Gegenden des Waldes?

Auch dort keine Spur. Wie hätte zu anderer Zeit der sonnige Morgen des dahinschwindenden Winters das Auge des Jägers erfreut! Hier und da sah er eine Maus, welche sich bei seiner Annäherung in die Ritzen des Gesteines flüchtete. Die kleinen Thiere hatten sich nach den langen Sturmtagen auf dem Moosboden gesonnt. Manchmal blickte er den Krähen nach, welche paarweise hoch über die Wipfel dahinzogen.

Auf einem von der Sonne beschienenen Felsblock rastete der Eisenhans eine Weile. Er rief, daß es weit in den Wald hineintönte: „Luka! Luka!“

Vielleicht hörte ihn der Verunglückte, wenn er sich in einer nicht allzu tiefen Einklüftung befand. Aber der Stimme des Jägers antwortete nichts als der Ruf der Nebelkrähe, die irgendwo im Dickicht hauste, oder der helle Ton der Meise, die in einem hohlen Baume nach Käferlarven suchte.

Er erhob sich wieder und schritt weiter in den Wald hinein. Hier und dort öffnete sich ein Schacht lothrecht in eine unbekannte Tiefe hinab. Der Eisenhans näherte sich stets, soweit es der von thauendem Eise oder glatten durchfeuchteten Moose bedeckte Rand zuließ, und rief auf den unsichtbaren Boden hinab. Kein Gegenruf kam aus der Tiefe herauf.

Längst war Mittag vorüber, der Förster befand sich in den entlegensten Theilen seines Gebietes, und noch immer hatte sich nicht eine Spur vorgefunden, die auf den Gesuchten hätte hindeuten können. Wäre der Zweck des Ganges ein anderer gewesen, so hätte es dem Eisenhans heute nicht an Zerstreuung gefehlt. War es doch sonst immer ein Fest für ihn gewesen, wenn er der ersten Singdrossel begegnete, und hatte er doch heute mehr als eine wahrgenommen und gehört, welche vom Aste irgend einer Fichte herab ihm ihren verfrühten Frühlingsgruß entgegensang. Er pflückte nicht wie er es gewohnt war, die ersten Schneeglöckchen, die ersten blauen Leberblumen an Hängen, welche schon seit längerer Zeit schneefrei waren.

So verrannen die Stunden. Als er, um einen freien Ausblick zu gewinnen, auf einen Bühel emporgestiegen war, von welchem aus man einen großen Theil der waldigen Hochfläche übersah, glitzerte bereits das Meer im Südwesten unter der schon niedrig stehenden Sonne wie ein schmaler Streifen von feuerflüssigem Metall.

Bald legte sich die Dämmerung in den Wald hinein.

Müde und traurig trat der Förster den Heimweg an. Es ging so still zu wie den ganzen Tag über. Nur von Zeit zu Zeit wurde die Ruhe unterbrochen durch das höchst seltsame Zwiegespräch, welches in der Ferne an einem Berghang irgendwo ein Kauz mit einer Käuzin hielt.

5.

Mochte der Tag für den Förster wenig angenehm gewesen sein, so war er für Regina geradezu ein kummervoller gewesen.

Sie wollte es sich selbst nicht gestehen, aber sie fühlte es, daß in ihr Zweifel sich erhoben über das Verhältniß ihres Vaters zu den Vorgängen, welche in den letzten Stunden soviel Unruhe über das waldeinsame Forsthaus und über alle Leute, welche in seiner Nähe lebten, gebracht hatten. Mit dem besten Willen wäre sie derartigen Gedanken nicht entkommen. Hatte ihr doch die Magd von allerlei Gerede berichtet, welches von dieser in den wenigen Häusern, die am Waldsaume in der Nähe der Kirche standen, aufgeschnappt worden war. Außerdem war Barbara den Tag über mehrmals händeringend auf der Straße herumgelaufen und hatte Verwünschungen gegen den Förster ausgestoßen.

Als der Abend zu dämmern begann und noch keinerlei Nachrichten eingetroffen waren, vermehrte sich Reginens Bangigkeit. Früher als sonst zündete sie das Lämpchen vor dem Gnadenbilde in der Ecke an. Alsbald ließ sie sich auf dem Schemel daneben zum Gebete nieder. Mit flehentlichen, halblaut gesprochenen Worten gedachte sie ihres Vaters und sendete Wünsche empor, daß durch ein Wunder seine Unschuld an den Tag kommen möge. Dann erhob sie sich beruhigt.

Als ihr Vater eintrat und sich stillschweigend auf den breiten Lehnstuhl niederließ, da wußte sie, daß der Gang in den Wald vergeblich gewesen war.

„Macht Euch keine Sorgen, Vater,“ sagte sie, indem sie ihm den ergrauenden Scheitel streichelte. „Der Luka wird schon wieder zum Vorschein kommen.“

„Es ist, als ob ihn der Erdboden verschlungen hätte,“ sagte der Förster mürrisch. „Hätte nicht geglaubt, daß mir der Mensch noch einmal so viel Verdruß machen würde.“

„Weiß Gott, wo er sich aufhält,“ fuhr Regina fort. „Fortbleiben kann er ja nicht wegen eines lumpigen Hasen oder Rehbocks, den er vielleicht gestohlen hat.“

Das Mädchen ging in die Küche hinaus, um das Abendessen aufzutragen. Mittlerweile öffnete sich die Hausthür und es erschienen die zwei Forstwarte, um zu melden, daß sie keine Spur von dem Vermißten entdeckt hätten. Der Eisenhans zeigte sich davon nicht überrascht, er rechnete schon mit der Gewißheit, daß der Wilddieb irgendwo tief in einem Schachte zerschmettert begraben läge, um aus der unerreichbaren Nacht herauf ein falsches Zeugniß gegen ihn abzulegen. Er bat die beiden Männer, noch ein Stündchen bei ihm zu verweilen, um sich durch Speise und einen guten Trunk nach den Anstrengungen des Tages zu erquicken. Sie nahmen die Einladung gern an. Bald gesellte sich auch der Kurat zu ihnen, welchen die Neugierde aus seiner Wohnung hergetrieben hatte.

Die Männer sprachen von nichts anderem als von Luka und seinem vermuthlichen Schicksale. Regina betheiligle sich nicht an der Unterhaltung, dafür aber ging ihr kein Wort verloren. Fortwährend spähte sie in den Mienen der Männer, um zu entdecken, ob ihre Gedanken mit ihren Worten übereinstimmten. Der Eisenhans trank heute weit mehr als gewöhnlich. Er that es offenbar in Aufregung und Unruhe, wie wenn er seine Hand beschäftigen wollte. Wäre ein zerreißbarer Gegenstand vor ihm auf dem Tische gelegen, er hätte ihn zerpflückt.

Der Kurat entfernte sich bald, nachdem er wahrgenommen hatte, daß für heute nichts mehr zu erfragen war.

Mehrmals hatten sich die Männer angeschickt, seinem Beispiel zu folgen, waren aber immer wieder vom Eisenhans zurückgehalten worden, der sie aufforderte, mit ihm zu trinken. Als sich Regina verabschiedete, waren sie noch beisammen.

Als das Mädchen auf ihrem Stübchen ankam, schien der Mond hell in die Fenster. In seinem Lichte standen draußen jenseit der Straße, seltsam vergrößert, einige dunkle, schweigsame Tannen und Fichten. Sie erschienen dem verschüchterten Mädchen wie unheimliche Wächter eines Geheimnisses, das sich irgendwo in ihrem Schatten barg.

Erregt schritt Regina in der engen Stube auf und ab. Sie wollte sich nicht zu Bette legen. Es bangte ihr vor den Träumen. Eine Viertelstunde nach der andern schlug es auf der Uhr des kleinen Thurmes und sie war noch immer wach. Ihre Gedanken waren bei ihrem Vater. Von Zeit zu Zeit rührte es sich immer wieder in ihr von schlimmen, unheimlichen Gedanken.

Sollte wirklich – –?

Dann machte sie eine abwehrende Bewegung, wie wenn sie einem herannahenden Gespenste wegwinken wollte. Von Zeit zu Zeit fuhr sie nach den Augen, als ob sie eine sich hervordrängende Thräne abwischte.

Mit einem Male fuhr sie zusammen. Die Hausthür öffnete sich und aus dem Schall der Stimmen erkannte sie, daß die Gäste

[177]

Almenrausch und Edelweiß. Pauli der Herrgottschnitzer. Am Wetterstein.
Der Herrgottschnitzer von Ammergau.
Im Austragstüberl. Der Prozeßhansel. Hanns im Glück.

Scenen aus den Volksstücken der „Münchener“.
Nach Photographien von Friedr. Müller in München und J. van Ronzelen in Berlin.

[178] sich entfernten. Durch das Fenster, welches auf den Wald hinaus ging, erblickte sie die beiden Gestalten, die sich von einer kleinen Schneefläche abhoben.

Einer der Forstwarte machte mit dem rechten Arm eine Bewegung, wie wenn er vom Försterhaus weg eine Linie zöge in der Richtung gegen die Sehnsuchtstanne und noch weiter in den Wald hinein. Sein Genosse folgte der Bewegung mit den Augen. Dann wurden laute, heftige, leidenschaftliche Worte gewechselt.

Endlich wandten sich die Männer dem Walde zu. Regina sah noch, wie sie sich am Kreuzwege trennten, und noch immer scholl der Klang ihrer Stimmen, vom Wiederhall aus den geschlossenen Baumreihen verstärkt, zu ihr herauf.

In diesem Vorkommniß fand Regina etwas Räthselhaftes. Als solches erschien es ihr um so mehr, als jetzt mit einem Mal, wie aus einer Versenkung herauf, das Bild vor ihr stand, wie während des Abends der eine der beiden Männer, während ihr Vater sich mit der Wanduhr beschäftigte und der geistliche Herr ihnen eben den Rücken drehte, mit dem Daumen gegen den Eisenhans gewiesen und dabei eine ihr unverständliche Miene gemacht hatte. Es überkam sie ein beängstigendes Gefühl. Sie wußte sich keine klare Rechenschaft zu geben, aber es war ihr, als ob aus dem Walde die Finsterniß herandringe, von Unglücksrufen begleitet.

Die Nacht verging, ohne daß das Mädchen ein Auge geschlossen hätte. Glänzend kam der Tag herauf und Regina ging in das untere Stockwerk, um das Frühstück zu bereiten. Zu ihrem Erstaunen fand sie ihren Vater bereits wach.

„Ich bin heute früher aufgestanden, liebes Kind,“ sagte er. „Ich muß einen schweren Gang thun. Es hat mir heute die ganze Nacht über keine Ruhe gelassen. Jetzt gehe ich in die Stadt hinab und zeige bei meinen Vorgesetzten und beim Gerichte alles an, was ich vom Luka weiß.“

Regina war es eine Beruhigung, dies zu hören. Sie suchte dem Vater die Kleider hervor, die er bei einem solchen wichtigen Gange anzulegen pflegte, ermahnte ihn, wohl auf sich achtzugeben, begleitete ihn eine Strecke weit bis dahin, wo die Straße steiler gegen das Thal abzufallen beginnt, und schaute ihm noch lange nach, bis er hinter der nächsten Windung verschwand. Sie ahnte nicht, daß bei seiner Rückkehr sie ihn nicht wieder mit den nämlichen Augen anblicken würde wie in dieser Stunde des Abschiedes.

Der Tag war sonnig und nach den heftigen Stürmen, welche das Ausgehen verwehrt hatten, regte sich in dem Mädchen die Lust, nach langer Zeit wieder einmal weiter in den Wald hinein zu gehen. Das gleichmäßige Ticken der Wanduhr, die Stille im Hause und draußen auf dem Wege, dann die Gedanken, mit welchen sie den Vater auf seinem Gange begleitete, hatten in ihr eine Stimmung erzeugt, unter deren Zwang sie die enge Stube verließ, in der Hoffnung, daß draußen im Wald, in welchem sich schon die ersten Regungen des Frühlings bemerkbar machen mußten, vielleicht eine bessere Laune über sie kommen würde.

Sie ging auf dem gewohnten Pfade in der Richtung gegen die Sehnsuchtstanne. Manchmal, wenn sie ihren Blick zur Seite wandte und in die große Bläue hinabsah, in das Flachland tief unten und auf das Meer, dann dachte sie sich: so muß es im Himmel sein, wenn man herabschaut. Auch neben ihr auf dem Pfade war es so still und sonnig, als ob der ganze Bereich einer anderen Welt angehörte. Die Tannen standen im ruhigen Glanze da, als wären es Weihnachtsbäume.

Während sie dahinschritt, ganz allein mitten durch den Wald, hatte sie keine Anwandlung von Furcht, war sie doch ein Försterskind. Aber seltsam, – in ihr Sinnen schlich sich ein Gedanke ein, der ihr völlig ungerufen und wie aus weiter Ferne zukam.

Sebaldus, der jüngere von den beiden Förstern, welche gestern im Hause gewesen waren, hatte ihr einmal vor Zeiten gesagt, sie sei eine „Rose unter Dornen“. Als sie ihm abwehrend erwidert hatte, gab er vor, auf die Unwirthlichkeit der Umgebung angespielt zu haben; sie wußte aber wohl, daß der freundliche junge Mensch es anders gemeint hatte. Jetzt kam ihr das, wie von der sonnigen Luft hergeweht, wieder in den Sinn. War sie nicht wie ein wanderndes Dornröschen da in dem unabsehbaren Walde?

Als sie aus ihren Träumereien wieder zu sich kam, erschrak sie fast. Sie war tiefer in den Wald hineingerathen, als sie es beabsichtigt hatte. Da sie Wege und Stege genau kannte, so war es ihr deutlich, daß sie sich in der unmittelbaren Nähe des sogenannten „Weißen Thores“ befinden müsse. Nach wenigen Schritten hatte sie dasselbe erreicht. Das Thor war aber nicht ein solches, welches vom Boden in die Höhe ragte, sondern eines unter der Erde. Man befand sich am Rande eines Schachtes, welcher in eine unabsehbare Tiefe hinabführte. Warf man einen Stein hinunter, so drang nur ein schwacher Hall aus der Tiefe, ein hinlänglicher Beweis für die mächtige Ausdehnung des Hohlraumes.

Der Rand war mit Gras bewachsen und hier und dort streckte eine Tanne ihre Wurzeln über den kreisrunden Abgrund vor. Auch dort noch, wo der sanftere Hang des Randes anfing, lothrecht abzustürzen, hatte an einzelnen Stellen irgend ein junger Baum oder Strauch an der Wand Wurzel gefaßt. Weiter hinab aber war nichts zu sehen als die glatte Felsenröhre, welche in Nacht endigte. Wenn man sich an gewissen Stellen des Randes aufstellte und in den Schacht hinabschaute, so gewahrte man einen gewaltigen Schwibbbogen, welcher dem ganzen Abgrund den Namen des „Weißen Thores“ verschafft hatte.

Niemals hatte es ein Mensch versucht, in diesen Abgrund hinabzusteigen. Niemand wußte auch, wie tief er war. Der Aberglaube versetzte hierher Bergmännlein mit rothen Kappen, welche dort unten ein wunderbares Leben führten und in Pracht und Herrlichkeit hausten, jeden Versuch aber, in ihr Reich einzudringen, mit dem Tode bestraften. Das Volk ging deshalb nicht gerne vorbei, und nur Knaben pflegten gelegentlich aus Neugierde heranzukommen, um Steine hinabzuwerfen. Deshalb war auch weit und breit um den Rand herum kein Stein zu finden. Solche Würfe hatten übrigens nicht die Rache der Bergmännlein zur Folge, sondern nur den Aufflug von Tauben und Krähen, welche dort in ihren Schlupfwinkeln gestört wurden.

Regina war seit langen Jahren nicht mehr an dem geheimnißvollen Schlunde gewesen und betrachtete jetzt neugierig die in die Tiefe abfallenden Felsen. Sie ging so weit vor, als es die Vorsicht gestattete. Zuletzt ergriff sie mit der rechten Hand noch den Zweig einer jungen Tanne und beugte sich weit hinaus.

Doch, wie von einer unsichtbaren Macht zurückgeworfen, entfernte sie sich alsbald um einige Schritte. Sie legte die Hände auf die Brust und seufzte tief auf. Es war gewiß keine Täuschung. Sie hatte einen Menschen gesehen, welcher sich dort unten in der Halbdämmerung an der Wand regte. Das mußte Luka sein. Der vermißte Unglücksmensch war gefunden! Aber – wie ums Himmels willen war er dort hinab gerathen und, noch seltsamer, wie vermochte er sich an der lothrechten Wand zu halten?

Doch alle diese Gedanken beschäftigten sie nur einen Augenblick. Im nächsten schrie sie hinab: „Luka! Luka!“

Ihr antwortete ein Ruf, der eigenthümlich klang, so etwa wie Ueberraschung oder Schrecken. Jetzt erst bemächtigte sich des Mädchens wirkliche Bangigkeit.

Alsbald begann es dort unten zu klirren und zu rasseln. Offenbar lösten sich Steine los und sprangen in Sätzen in die Theile des Abgrundes hinab, welche Nacht bedeckte.

Das Geräusch stieg immer höher und höher empor. Die Steine prasselten fort. Regina hatte nicht den Muth, wieder so nahe an den Rand vorzutreten, wie sie es vorhin gethan hatte.

Es verflossen peinvolle Augenblicke, endlich aber tauchte ihr gegenüber an dem jenseitigen Rand ein Kopf auf.

Jetzt löste sich für Reginas Augen das Räthsel. Der Mann hatte sich nicht auf übernatürliche Weise aus der Nacht emporgehoben, sondern war an einer Strickleiter heraufgeklettert. Das oberste Ende der Strickleiter aber war um den Tannenbaum drüben geschlungen und das Gras hatte sie verhindert, es zu sehen.

Auch war der Ankömmling nicht der aus dem Grabe emporsteigende Luka, sondern Sebaldus. Wer ihr wohl gesagt hätte, daß sie ihn auf solche Weise wiedersehen würde!

Nicht minder groß war das Erstaunen des Sebaldus, als er Regina erblickte. Doch fiel es ihr auf, daß er sie nicht begrüßte, sondern sie schweigsam betrachtete. Das war sonst niemals die Art des munteren jungen Mannes gewesen.

Er schaute das Mädchen fast ängstlich an und wollte etwas sagen, aber das Wort blieb ihm in der Kehle stecken.

Mittlerweile hatte sich Regina gefaßt und sprang ihm über die Baumwurzeln und das Moos des Randes rasch entgegen.

„Ums Himmels willen, Herr Sebaldus, wie kann man sein Leben wagen wegen einiger Tauben! Wenn ich das dem Vater erzähle, so glaubt er es nicht.“

[179] „Bei allem, was Sie lieb haben, lassen Sie bei Ihrem Herrn Vater kein Wort darüber verlauten, daß Sie mich hier gesehen haben!“ sagte Sebaldus, indem er die Hände des Mädchens ergriff.

„Und warum denn nicht?“ entgegnete Regina. „Er wird staunen darüber, daß sein Sebaldus zum Weißen Thor hinabgestiegen ist. Solange ich denke, war von so etwas noch nicht die Rede.“

„Kein Wort davon!“ erwiderte der junge Förster, indem er dem Mädchen einen Blick des Entsetzens zuwarf.

Dieser Mangel an Selbstbeherrschung von seiten des Försters, welcher Regina durchaus nicht entging, hatte die entgegengesetzte Wirkung von derjenigen, welche der junge Mann beabsichtigte. Regina fühlte es, daß hier ein Geheimniß vorliege. Und sie war sofort entschlossen, demselben auf den Grund zu kommen. Daß dasselbe der außerordentlichsten Art sein mußte, ging aus dem eben bestandenen Abenteuer des Sebaldus hervor. Grauen mußte sich eines jeden Menschen bemächtigen, wenn er da hinab schaute und sich dabei dachte, daß jemand sein Leben diesem Abgrund anvertraut hatte.

Da fuhr es ihr wie ein Blitz durch den Kopf.

„Sie haben Luka dort unten gefunden?“ sagte sie hastig, indem sie den Saum seines Rockes ergriff.

„Nein!“

„Können Sie schwören, daß Sie ihn nicht gesehen haben?“

„Ich schwöre es.“

„Was ist das dann für ein Geheimniß?“ fuhr sie fort. „Wenn Sie mir es nicht sagen, so werde ich meinem Vater nicht verschweigen, was ich gesehen habe.“

„Ich beschwöre Sie, Regina, schweigen Sie!“

Statt aller Antwort wendete ihm das Mädchen den Rücken und stellte sich an, als ob sie nach dem Forsthaus gehen wollte.

„Regina,“ sagte Sebaldus, indem seine Stimme einen bittenden Ton annahm, „begehen Sie keine Thorheit! Sie werden mir glauben, wenn ich Ihnen schwöre, daß Sie selbst davor zurückschaudern würden, auch nur ein Wort fallen zu lassen, wenn Sie wüßten, um was es sich handelt.“

„Jetzt muß ich es wissen! Sie haben den Luka gefunden! Und das soll meinem Vater verschwiegen bleiben, der keine gute Stunde mehr hat, seit dieser Mensch verschwand?“

„Ich habe ihn nicht gefunden.“

„Was giebt es dann zu verschweigen? Wenn Sie einen goldenen Schatz entdeckt haben, so wird sich mein Vater mit Ihnen freuen.“

Regina schaute dem Förster scharf ins Gesicht, als ob sie das Geheimniß aus seinen Augen herauslesen wollte. Dieser gerieth dadurch so in Verwirrung, daß er sich bückte und sich damit zu schaffen machte, die Strickleiter aus dem Abgrund heraufzuziehen und auf dem Grasboden zusammenzurollen.

Mit Staunen sah Regina, wie eine Sprosse nach der anderen heraufkam. Das Flechtwerk wollte kein Ende nehmen.

„Wo haben Sie nur eine solche Leiter hergenommen, Herr Sebaldus?“ rief sie.

„Es ist nicht eine,“ entgegnete dieser. „Ich habe sechs zusammengebunden, die ich in allen Forsthäusern des Waldes aufgetrieben habe.“

„Dann sind Sie wohl bis auf den Boden des Weißen Thores gekommen?“

„O nein – es hätte dies alles zusammen nicht gereicht und wenn es noch dreimal länger gewesen wäre.“

„Warum sind Sie hinabgestiegen?“

„Um Tauben zu holen.“

„Wegen einiger Tauben steigt man nicht in eine solche grausige Hölle. Uebrigens wird sich mein Vater wundern über eine solche Waghalsigkeit.“

„Kein Wort zu Ihrem Vater!“ entgegnete Sebaldus, indem er sich von dem Haufen der zusammengerollten Stricke wieder aufrichtete.

„Warum nicht? Es wird mein erstes Wort sein, wenn er von der Stadt nach Hause kommt.“

Dann theilte sie ihm mit, daß der Eisenhans fortgegangen war, um die Anzeige von dem Verschwinden des Luka zu machen.

Alsbald begann abermals der Wortkampf. Regina wollte wissen, aus welchem Grunde der Jäger sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, und sagte, daß sie ihrem Vater Bericht erstatten werde – dieser aber wehrte ab und bat und flehte.

So ging es fort auf dem Heimwege. Der Jäger schleppte die furchtbare Last der Strickleitern auf dem Rücken. Bei der Sehnsuchtstanne trennten sich die Wege. Erschöpft warf Sebaldus seine Bürde auf die dort angebrachte Bank.

Regina machte einen letzten Versuch. Als sie nochmals sagte, daß sie ihren Vater von dem Abenteuer am Weißen Thor in Kenntniß setzen werde, war Sebaldus am Ende seiner Kräfte.

„Gut,“ sagte er fast flüsternd. „Wenn Sie es wollen, so machen Sie Ihren Vater unglücklich: in jenem Abgrund liegt Luka. Ihr Vater darf in seinem Leben nie erfahren, daß ein anderer um das Geheimniß weiß.“

Regina wollte ihm erwidern, daß diese Nachricht ihren Vater nur zu beruhigen vermöge, er aber verschloß ihr mit den ernsten Worten den Mund:

„Nun, so soll das Schicksal seinen Lauf nehmen! Warum – mußten Sie an jener Stelle sein? Hören Sie mich! Schon gestern fand ich eine Blutspur nahe am Rande des Abgrunds. Heute morgen sammelte ich die Leitern. Ich ließ mich hinab, um zu sehen, ob die Spur nicht verfolgt werden könnte. Tief unten liegt eine alte Tanne quer so fest eingekeilt, daß sie von der einen Wand des Abgrundes zu der anderen reicht. Weiß Gott, vor wie langer Zeit sie einmal ein Sturm oben am Rande entwurzelt und hinabgeworfen hat. Als ich dort ankam, zitterte ich schon vor Erschöpfung. Ich wollte ein wenig rasten und setzte mich auf den Stamm, indem ich mich mit der einen Hand noch an der Leiter festhielt. Dann brannte ich ein Streichhölzchen an und sah mitten auf dem Stamm abermals frische Blutspuren. Hier mußte also ein lebendiges Wesen herabgestürzt sein und aufgeschlagen haben. Als ich in die Höhe emporschaute, von der das Tageslicht nur mehr so groß wie ein Guldenstück herabschien, um zu sehen, wie das zugegangen sein könne, erkannte ich, daß dieses Geschöpf den Sprung niemals freiwillig gemacht haben konnte. Es mußte geworfen worden sein, sonst wäre es bei der Weite des Schachtes nicht auf die Mitte des Stammes aufgefallen. Unten lag alles in der Nacht und dahin wird auch nie ein Mensch kommen, es –“

Der Anblick Reginas verschloß Sebaldus den Mund.

Sie lehnte sich gegen die Tanne, ihr Angesicht war bleich und große Thränen liefen ihr über die Wangen.

Die beiden jungen Leute schwiegen. Nach einer geraumen Weile sagte Sebaldus:

„Soll ich Sie nach Hause begleiten, Regina?“

Sie wehrte ihm mit der Hand ab, ohne ein Wort zu sagen, und entfernte sich langsam. Sebaldus blickte ihr lange nach.

Dann schritt er auf einen großen weißen Felsblock zu, der die Lichtung unterbrach und auf der Nordseite noch bis zu seiner scharfen Schneide hinauf mit einem Schneedach belastet war. Er schritt auf eine Höhlung zu, in welche der Stein nach unten auseinander klaffte, bückte sich und zog einen Topf hervor, welcher mit rother Farbe gefüllt war, aus der ein breiter Pinsel hervorragte.

Sebaldus tauchte denselben in die Farbe, ging zu einer der größten Tannen hin und fing an, dieselbe zu bemalen.

Wer mit den Gebräuchen des Waldes vertraut gewesen wäre, der hätte wohl gewußt, um was es sich da handelte. Es ging der Winter auf die Neige und da mußten die Stellen des Waldes, auf welchen den Insassen gestattet war, nach dem Schwinden des Schnees ihr hungerndes Vieh zur Weide aufzutreiben, durch deutliche Zeichen kennbar gemacht werden.

Weiß der Himmel, warum ihm gerade die Gegenstände einfielen, mit deren Umrissen er die weißgraue Rinde bedeckte! Da kam ein Anker zum Vorschein und nebenan ein großes Herz.

Den Anker konnte man ihm noch hingehen lassen, weil er als ganz junger Bursche zur See gewesen war und gewiß öfter gesehen hatte, wie sich Matrosen einen Anker in das lebendige Fleisch hineintätowirten. Aber das Herz! Und warum gerade den Anker neben das Herz?

Nachdem er die nämlichen Zeichen noch bis zum sogenannten „Engen Durchschlupf“, einer schmalen Felsenrinne, über welcher windgeknickte Tannen ein Dach bildeten, angebracht hatte, barg er den Farbentopf wieder in der Höhlung.

Dann nahm er seine Strickleitern auf den Rücken und schlug den Pfad nach seiner Behausung ein. So schwer ihn aber seine Bürde drückte, so leicht war sie im Vergleich zu derjenigen, welche er nothgedrungen dem armen Mädchen aufgeladen hatte.

(Schluß folgt.)

[180]

Blätter und Blüthen.

Die Briefmarken, diese für unsere heutigen Verkehrsverhältnisse ganz unentbehrliche Erfindung, haben doch auch ihre Gefahren, und schon wiederholt ist vor dem Befeuchten derselben mit Zunge oder Lippen gewarnt worden, da unter Umständen der Klebstoff gesundheitsschädliche Eigenschaften annimmt. Ganz besondere Vorsicht aber ist bei der Verwendung gebrauchter Briefmarken geboten, die bei Händlern und Sammlern ja vielfach von Hand zu Hand gehen und von Kindern und Erwachsenen in das Album eingeklebt werden. Kürzlich brachte ein englisches Blatt die Mittheilung, daß in einer Familie in Birmingham plötzlich die Diphtheritis ausgebrochen sei, obgleich in der Stadt seit langer Zeit kein Krankheitsfall dieser Art beobachtet worden war. Sorgfältige Nachforschungen ergaben, daß der Ansteckungsstoff nur durch gebrauchte Briefmarken eingeschleppt worden sein konnte, die ein auswärtiger Verwandter der Familie dem Sohne derselben für seine Sammlung eingesandt hatte. Der Knabe hatte die Marken beleckt, seinem Album einverleibt und auf diese Weise den Krankheitsstoff in sich aufgenommen.

Ein ganz ähnlicher Fall wurde vor einigen Jahren in Freiberg in Sachsen beobachtet; auch hier trat die Krankheit ganz plötzlich und völlig vereinzelt auf, so daß das Entstehen derselben unerklärlich blieb, bis festgestellt wurde, daß die Ansteckung auf dieselbe Weise erfolgt sein mußte wie im vorstehend erwähnten Falle. Das Kind war ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler und tauschte mit einem ehemaligen Schulkameraden, der mit seinen Eltern nach einer andern Stadt verzogen war, diese Werthzeichen brieflich ein. In diesem Orte aber herrschte die Krankheit bereits seit Wochen und es war daher fast zweifellos, daß dieselbe durch diese Marken übertragen worden war.

Bei dem großen Umfang, den die Liebhaberei des Markensammelns allerwärts angenommen hat, ist es gewiß angezeigt, auf diesen bis jetzt kaum beachteten Umstand aufmerksam zu machen, denn die Gefahr, auch andere Krankheiten durch Ansteckung zu übertragen, liegt sehr nahe. Man dulde also keinesfalls das Berühren der Briefmarken, weder neuer noch gebrauchter, mit der Zunge.

Unsere fünf kaiserlichen Prinzen. (Mit Illustration S. 165.) Welches Auge sollte nicht mit innigem Behagen auf diesem Familienbildchen ruhen, auf diesen lieblichen Kindergesichtern, welche das Antlitz einer glücklichen Mutter umrahmen! Es ist die Kaiserin Augusta Viktoria mit ihren fünf Söhnen. Links von der Mutter steht der älteste, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, geboren am 6. Mai 1882, rechts von derselben der zweite, Eitel Friedrich, geboren am 7. Juli 1883; er hat sein rechtes Aermchen auf die Schulter der Mutter, sein linkes aber auf die seines zweitjüngsten Bruders August Wilhelm, geboren am 29. Januar 1887, gestützt, während diesem gegenüber auf der andern Seite der Mutter der dritte dem Alter nach, Adalbert, geboren am 14. Juli 1884, sich aufgestellt hat. Den jüngsten der Prinzen aber, Oskar, geboren am 27. Juli 1888, hält die Kaiserin vor sich auf dem Schoße, mit dem gewinnendsten Ausdruck mütterlicher Zärtlichkeit auf ihn herniederblickend.

Ein kleiner Vorfall aus den jüngsten Tagen, bezüglich des Kronprinzen und des Prinzen Eitel Fritz, möge hier noch Platz finden. Er charakterisirt sowohl die Erziehungsmethode als auch die Kindernatur. Von Kaiser Wilhelm ist neuerdings angeordnet worden, daß die beiden Prinzen allein schlafen sollten. Namentlich Eitel Fritz, den der Kaiser wegen seines etwas scheuen Wesens schon häufig „Prinzessin“ genannt hat, erhob dagegen Einspruch und erklärte, er werde sicher vor Furcht nicht schlafen können. Es wurde den Prinzen dagegen bedeutet, daß zur Rechten und Linken von ihren Zimmern jemand schlafen werde, sodaß sie nur zu rufen brauchten, wenn sie durch irgend etwas beunruhigt würden.

Unter solchem und anderem Zureden ward denn nun die neue Einrichtung getroffen, und der Kronprinz fand sich auch leidlich gut hinein. Prinz Eitel Fritz erfaßte aber in dem hohen Schloßgemach, nachdem ihm „Gute Nacht“ gesagt, bald eine quälende Angst, die mit leisem Weinen begann und sich so steigerte, daß er nach Kinderart laut zu schreien begann. Unglücklicherweise hatte sich die dienstthuende Dame nebenan gerade für eine kurze Weile entfernt, und die Rufe des kleinen geängstigten Prinzen verhallten ungehört. Da mochte ihn wohl die Vorstellung beherrschen, man habe ihn nur durch Worte besänftigen wollen, in der That aber ohne nahen Schutz gelassen, was denn zur Folge hatte, daß er aus dem Bett sprang und wehklagend und weinend um Hilfe rief. In dieser höchsten Noth erschien nun endlich seine Beschützerin und es gelang ihr bald, sein bewegtes kleines Kinderherz zu beruhigen. Wir ersehen hieraus, auch Prinzen haben wie andere Menschenkinder ihre Sorgen, Kummer und Herzeleid.

In Ungnade. (Mit Illustration S. 169.) Mit zwei Worten ist die verzweifelte Lage des gefesselten jungen Weibes kurz und bedeutsam gekennzeichnet: „In Ungnade“! Vor wenigen Tagen, ja vielleicht vor Stunden noch war sie die Gebieterin in den Frauengemächern, eine Sklavenschar gehorchte ihr und zitterte vor ihrem Stirnrunzeln. Mit der Gunst ihres Herrn ist ihre Bedeutung, ihre Macht dahin – die Favoritin ist zur Sache, zum Eigenthum gesunken, womit der Besitzer rücksichtslos verfahren kann und in der That verfährt. Um einer geringfügigen Ursache, um einer Laune willen ist sie gestürzt, eine Laune kann ihr den alten Glanz aufs neue bringen, aber auch das härteste Schicksal, ja selbst den Tod. Der Fußblock vor dem Lager, die Gleichgültigkeit der Sklavin, die starre Ruhe des Kriegers, der die Gefesselte bewacht, lassen das Schlimmste befürchten und die apathische Ergebung der Aermsten scheint gleichfalls darauf hinzudeuten … Die Tracht des Kriegers versetzt uns nach Persien und in vergangene Zeiten; wer aber weiß, was noch heute vorgeht innerhalb jener verschwiegenen Haremsmauern? Wir sind gewohnt, den Harem und seine Bewohnerinnen mit phantastischem Zauber zu umkleiden, und der Dichter spricht von Farbenpracht und üppigem Wohlleben: die Scene, welche unser Künstler vorführt, redet nicht von der Poesie des Harems, sondern von der unseligen Lage der orientalischen Frauen, von ihrer tiefen, erbarmenswerthen Erniedrigung! **




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

W. Z. in Köln. Lassen Sie sich in Ihrem menschenfreundlichen Vorhaben durch kleine Schwierigkeiten nicht abschrecken; in Berlin besteht die Einrichtung, an arme Kinder Frühstück zu verabreichen, schon seit Jahren; warum sollte das Gleiche nicht auch in Ihrem Wohnort möglich sein? Die Art, wie die Einrichtung in Berlin gehandhabt wird, verdient Beachtung und giebt vielleicht auch Ihnen praktische Winke. Von der Vorsitzenden des dortigen „Vereins zur Speisung armer Kinder und Nothleidender“, Frau Agnes Blumenfeld, wird uns darauf bezüglich geschrieben: „Die Austheilung des Frühstücks erfolgt um 10 Uhr in der allgemeinen Pause. Es ist nicht rathsam, die Kinder schon vor Beginn der Schule antreten und die Gaben in Empfang nehmen zu lassen. Letzteres muß vielmehr in der Stille geschehen, sonst erscheint es, als ob die Kinder Almosen bekämen, wodurch sie abgestumpft und auch den Hänseleien anderer Kinder ausgesetzt werden. Der Lehrer verliert dadurch auch die Gelegenheit, zu beobachten, ob das Kind Frühstück mitgebracht hat oder nicht. – Der Ordinarius der Klasse sorgt dafür, daß jedes Kind, dem die Eltern kein Frühstück mitgeben konnten, mit einer Anweisung, die er ihm ebenfalls in der Stille giebt, sich aus der Küche des Rektors oder aus einem geeigneten Zimmer das Frühstück holt. Dasselbe besteht in Brotschnitten, mit Butter oder Schmalz bestrichen, oder aus Weißbrot (Schrippen). Schwächliche Kinder und solche, die nüchtern zur Schule kamen, erhielten außer Weißbrot noch warme Milch (auch Brühe, Kaffee, Mehlsuppe, in einem Falle sogar Rothwein). Die bessere Ernährung wirkt so wohlthätig auf die darbenden Kinder, daß ihr Aussehen bald ein merklich gesunderes wird, auch der Schulbesuch wird ein regelmäßigerer und die Aufmerksamkeit beim Unterricht nimmt bedeutend zu.“ Darauf, in wie hohem Maße der Edelsinn für die armen darbenden Schulkinder sich allerorten bethätigt hat, haben wir bereits wiederholt hingewiesen, u. a. im vorigen Jahrgang S. 891. In Pommelsbrunn und in noch einigen anderen Orten Bayerns haben die dortigen Lehrer die Sorge für einen Mittagstisch für arme auswärtige Schulkinder, welche 2 bis 3 Kilometer – und oft noch weiter – vom Dorfe entfernt wohnen, sowie für solche Kinder aus dem Dorfe selbst, welche offenbar zu Hause keinen warmen Bissen bekommen, in dankenswerthester Weise übernommen. Die Kinder erhalten mittags nach der Schule einen Teller warmer Suppe, etwas Fleisch, Gemüse und Brot. – Berichten auch Sie uns bald Erfreuliches!

Pastor. Die uns eingesandte stenographische Notiz ist nicht zu enträthseln.

G. C. in H…stadt. Wir können Ihnen die gewünschte Auskunft leider nicht geben, wiederholen aber gern Ihre Anfrage an dieser Stelle, um vielleicht aus unserem Leserkreise Aufschluß zu erhalten. Sie fragen: „Giebt es irgendwo im Deutschen Reich einen Frauenverein oder sonst einen Verein, der sich mit der dankenswerthen Aufgabe beschäftigt, gegen den überhandnehmenden Luxus oder gegen aufkommende Modeverirrungen, die, abgesehen von dem guten Geschmack, namentlich der Gesundheit sehr schädlich sind, mit Erfolg anzukämpfen?“

Kleine Neugierige in B. „Kann die geehrte Redaktion mir sagen, welche Rolle der leidige Monat März im Volksglauben spielt?“ fragen Sie in Ihrer Zuschrift. Wir wissen nicht, was der März, der sich doch sonst eines ganz leidlichen Rufes erfreut, Ihnen gethan hat, wollen Ihnen aber die gewünschte Auskunft gern geben. Eine alte Bauernregel behauptet zunächst, daß „vom Märzstaub das Loth einen Dukaten werth“ sei. Sollte Ihnen das räthselhaft erscheinen, so wollen wir Ihnen verrathen, daß damit angedeutet werden soll, der Landwirth wünsche in diesem Monat trockene Witterung. Dem Märzschnee wird eine besondere Heilkraft zugeschrieben; wenn man sich mit demselben wäscht, „vergehen Warzen und Leberflecke“, die Haut wird weich und zart und selbst die Sommersprossen sollen verschwinden. Auch der Wäsche ist nach dem Volksglauben der Märzschnee sehr zuträglich, sie bleicht zu derselben Weiße wie dieser und keine Motte kommt ihr zu nahe. Dagegen soll man angeblich im März kein – Wasser trinken, da dasselbe für gesundheitsschädlich gilt.

Eifrige Leserin in Gießen. Soweit menschlicher Fleiß die Unmasse von litterarisch thätigen Geistern des 19. Jahrhunderts bewältigen kann, finden Sie alle, die großen und die kleinen Namen, gesammelt und mit einer kurzen Biographie und einem Schriftenverzeichniß ausgestattet in Brümmers „Lexikon der deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts“ (Leipzig, Philipp Reclam jr.). Es steckt eine ganz erstaunliche Arbeit in dem Werkchen; dasselbe hat aber auch in der kurzen Zeit seines Bestehens bereits 3 Auflagen erlebt, von denen die letzte Nachträge bis auf den Stand vom 1. Juli 1888 enthält.



Für unsere Knaben und Mädchen empfohlen:
Deutsche Jugend.
Herausgegeben von Julius Lohmeyer.
Inhalt des eben erschienenen 6. Heftes (Preis 40 Pf.):

Höhere Gewalten. Erzähl. v. M. Gerhardt. Mit Illustr. v. C. W. Allers u. Joh. Gehrts. – Konrad von Boppart. Rheinische Sage v. J. v. Wildenradt. Mit Illustr. v. Baur. – Dreimal in Straßburg. Von Georg Lang. Mit Illustr. – Was Tacitus von den Germanen seiner Zeit erzählt. Von Werner Hahn. Mit Zeichn. v. Joh. Gehrts. – Denkspruch. Von Georg Lang. – Die Kerbschnitzerei. Von Kalra Roth. – Sprüche. Von Julius Lohmeyer. – Erzählungen aus dem alten deutschen Reich. Von Werner Hahn. Vom Könige, der sich selbst erhöht. – Die Löwenprobe. – Monogramm. Ein Gesellschaftsspiel. Mitgetheilt v. R. Löwicke. – Knackmandeln, Räthsel etc.


Inhalt: Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 165. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. Lapplands Vogelberge (Schluß). S. 170. – Die „Münchener“ und ihre Dichter. Von Rudolf v. Gottschall. S. 173. Mit Illustrationen S. 173 und 177. – In den Wolken. Eine Waldgeschichte von Heinrich Noé (Fortsetzung). S. 176. – Blätter und Blüthen: Die Briefmarken. S. 180. – Unsere fünf kaiserlichen Prinzen. S. 180. Mit Illustration S. 165. – In Ungnade. S. 180. Mit Illustration S. 169. – Kleiner Briefkasten. S. 180.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaklion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.