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Die Gartenlaube (1878)/Heft 39

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1878
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: commons
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[633]
Gratiana.
Eine Harzgeschichte von E. Vely.
(Schluß.)


Der Professor sandte einen schnellen Blick hinüber nach der alten Frau – o Scharfsinn der Weiber! Wie aber, wenn die schlichten Leute entdeckten, mit wem das Mädchen vom Hause des Lehrers heim ging, wer ihr Briefe sandte?

Gottlieb schüttelte den Kopf.

„Nein, Mutter – wer sollte denn das sein? Der Wilhelm, der ist zu alt für sie, und der Heinrich, den mag sie gar nicht leiden. Der kleine Kaufmann, dem der neue Laden an der Ecke gehört, der wiegt ihr fast doppelt so viel zu, wie sie fordert – aber sie achtet nicht auf das, was er sagt. Nein da irrt Ihr Euch.“

„Ach was!“ meinte die Alte, „‚Mädchenherzen sind wie Schnee im Märzen’, sagte schon meine Großmutter; wer weiß, was ihr plötzlich in den Sinn gekommen ist. Aber jetzt, Junge – Horch, da läutet’s zur Kirche – geh, Gottlieb! Wirst am schnellsten ruhig unter dem Gesang und der Predigt.“

„Guten Morgen, Ohm!“ rief eine frische Stimme in demselben Augenblicke, „ich wollte sehen, ob Du mitgehst, und zugleich sagen, daß ich eine Braut habe und zum Frühjahr Hochzeit mache.“

Mit einem Ruck sprang Gottlieb auf. „Conrad, das ist nicht möglich!“

„Doch, Ohm, gestern Abend hab ich mich versprochen – mit Lehrers Riekchen.“

„Lehrers Riekchen!“ sagten Mutter und Sohn in gleichem Tone des Staunens, und Vater Gottlieb setzte halb erstarrt hinzu: „Wie kam denn das?“

„Je nun, eigentlich hat die Jane Schuld daran. Ich wollte gern bald eine Frau haben, denn das Alter habe ich dazu ordentlich und fleißig sollte sie sein, und eine Sanfte hätte ich auch gerne gehabt, denn bei mir läuft’s oft quer über, und dann muß wer da sein, der Frieden macht. Wie wir nun gestern Abend heraufkamen von Zellerfeld, die Jane und Riekchen und ich, da meinte Jane, die immer so klug spricht: ‚Sieh mal, Conrad, Du gehst immer mit Riekchen im gleichen Schritt, das paßt zusammen, als ob Ihr ein Paar werden solltet. Ich hüpfe voraus oder komme nicht mit, aber Ihr – das ist ein Tact! Wenn das nur nichts zu bedeuten hat!‘ dabei lachte sie. ‚Was soll es bedeuten?‘ fragte ich und sah die Rieke an. Die wurde roth und schlug die Augen nieder. Wenn Mädchen roth werden, so hat das auch was zu bedeuten; das weiß man ja. Nun lobte mir die Jane den ganzen Weg, wie fleißig Rieke ist, daß mir dabei das Herz warm wurde. Und als ich hinunter geh’ – na, da ist es denn gekommen, Ohm, wie damals, als Du Deiner seligen Frau gesagt hast, daß Du sie leiden möchtest –“

„Glück auf! Glück auf!“ rief der Professor, der von Conrad noch gar nicht bemerkt worden war; er fuhr so hastig hinter dem Ofen hervor und auf den jungen Mann zu, um seine Hände zu fassen und zu schütteln, daß dieser vor Erstaunen über die Verlegenheit hinweg kam.

Vater Gottlieb streckte ihm etwas langsamer seine Rechte entgegen. „Die Rieke ist fleißig und sittsam, und Du wirst gut mit ihr fahren, aber ich dachte eigentlich – nun ist es doch zu spät – Du hättest um Jane gefreit.“

„Um Jane?“ wiederholte Conrad, und sein Gesicht erglühte wie Purpur, „aber Ohm, daran habe ich nie gedacht; die ist mir viel zu gescheidt.“

„Alle bösen Wetter! Zu gescheidt, ein schlichtes Bergmannsmädchen einem Bergmann – hol der Kukuk die Gelehrsamkeit – mit Respect zu sagen, Herr Professor, Sie dürfen das nicht für ungut nehmen. Der Lehrer, ja, ja – also Du hast nie daran gedacht, daß die Jane –“

„Nie, Ohm!“

„So – nun! Jetzt läutet es wieder zur Kirche – – jetzt können wir gehen. Nichts für ungut genommen, Herr Professor, von mir altem Brausekopf!“

„Nein, Vater Gottlieb.“

Die beiden Männer schritten hinaus; die Großmutter faltete die Hände.

„Die arme Jane,“ flüsterte sie, „so viel Herzeleid und Angst, und der Conrad hat sie nicht einmal gewollt – wie man sich doch irren kann! Ja, ja, Herr Professor, man wird alt.“

Ehrenfried dachte mit einem Gefühl der Beschämung, daß er doch nun gar nichts für Gratiana gethan; das ärgerte ihn. Er trat zu der alten Frau und ließ sich von ihr die Kirchgänger nennen, die an den Fenstern vorüber wanderten. Da hörte er plötzlich die Hinterthür leise knarren, Schritte über den Flur klingen – und dann war Gratiana neben der Großmutter. Sie trug ein schwarzes Sonntagsgewand, die schönen Haare wie immer geordnet. „Herr Professor – Großmutter, der Conrad – o, Großmutter, es ist Alles, Alles wieder gut,“ rief sie vor Freude strahlend.

Dann schluchzte sie auf und barg das thränenüberströmte Antlitz im Schooß der alten Frau.




[634] Gegen Abend saß der Professor an des Lehrers Seite in der kleinen traulichen Stube zu Zellerfeld. Er wollte sich zerstreuen und doch zugleich von Jane sprechen hören – so ging er zum kranken Lehrer. Sie hatten eine lange wissenschaftliche Unterhaltung; dann lenkte Ehrenfried selber das Gespräch auf das Mädchen.

Ruhig und gefaßt, so erzählte Anton, sei sie zu ihm gekommen, im festen Vertrauen auf des Professors Beistand noch ehe sie dann aber vollendet, habe das Riekchen ihr die Freudenbotschaft gebracht, daß sie Conrad’s Braut sei. Da seien die Wolken von ihrer Stirn wie Nebel an der Sonne verflogen, sie sei dem Riekchen mit Freudenthränen um den Hals gefallen und habe sich gar nicht zu fassen gewußt.

„Ja,“ setzte der Lehrer dann mit ernstem Gesichte hinzu, „diesmal ist es wie eine schützende Macht gewesen – aber wenn Vater Gottlieb mit einem andern Freier hervortrat, wie dann? Ich denke seit heute früh über ihre Zukunft nach. Sehen Sie, Herr Professor, ich will ehrlich sein – einen Augenblick habe ich gemeint, wenn ich zu dem alten Gottlieb ginge und mit ihm redete und ihm Alles vorstellte, wie’s kommen würde, kommen müßte – und dann sagte, ‚Gottlieb, vertraut sie mir!‘“ – seine trotz der Krankheit edel gebliebenen Züge sahen wunderbar verschönt bei diesen Worten aus. „Ich habe es erwogen – auch das wäre eine Sünde; das hieße das blühende Leben an den Verfall fesseln – ich hätte sie gehalten, wie ein Vater sein Kind, wie eine Schwester, wie einen guten Cameraden – aber es wäre doch immer eine Sünde gewesen, beinahe so schlimm, als sei sie des Conrad’s Frau geworden. Seht, der ist ein braver Bursch und meine Schwester wird mit ihm glücklich sein, weil sie nicht über das hinausdenkt, was sie im Hause angeht. Ach, die Jane hätte nie meine Schülerin werden sollen – es wäre für mich ein Verlust, für sie aber vielleicht das gewesen, was die Menschen Glück nennen – im gewöhnlichen Sinne.“

„Haben Sie nie“ – der Professor brachte die Frage nur mühsam heraus – „wahrgenommen, daß sich das Mädchen für irgend Jemand – interessirt – glauben Sie nicht, daß unter den Akademikern –“

„Nein, nein!“ wehrte der Lehrer. „Sie ist zu verständig; ich hätte auch jede Seelenregung bemerkt; sie ist für mich ein offenes Buch. Sinniger ist sie schon lange – aber nein! Sie kennt nur Einen, den Baron, der sie hier gesehen – und das wäre unmöglich.“

„Sie sind vielleicht eine zu arglose Natur, Herr Anton –“ er brach ab, denn eben trat Jemand in’s Gemach.

„Ah, Jane,“ unterbrach ihn der Lehrer und rückte den grünen Schirm etwas höher, „wie froh Dein Gesicht jetzt ist! Darauf liegt ja lauter Sonnenschein – so sollte sich ein Mädchen gar nicht freuen, wenn ein anderes unter die Haube kommt.“

„Guten Tag, Gratiana!“ sagte Ehrenfried und hielt ihr seine Hand hin. Sie legte flüchtig ihre Finger hinein, sah ihn aber gar nicht an. „Was denken Sie von dem überflüssigen Bundesgenossen? Ist er Ihrer Beachtung nicht mehr würdig?“

„Herr Professor,“ entgegnete sie ernst, „ich wußte genau, was ich that, als ich zu Ihnen kam und um Ihre Hülfe bat.“

Er hielt ihre Hand noch immer fest. „Aber haben Sie denn vergessen, daß ich fortan der Bruder Gratiana’s bin?“

Sie befreite ihre Hand und lächelte: „O nein!“ aber in dem Lächeln wie in dem Tone lag etwas Wehmüthiges. „Wie lange werde ich den Bruder haben? Bis der Schnee kommt? Das kann morgen, ja noch diese Nacht sein.“

„Halten Sie so wenig vom Manneswort? Wohin mich auch das Schicksal verschlagen mag, ich vergesse Schwester Gratiana nicht.“

Er sagte das so leidenschaftlich betheuernd, daß der Lehrer ganz erstaunt sein Haupt hob. Jane athmete etwas hastig; sie schien sprechen zu wollen, kniff dann aber wie trotzig den Mund zusammen und blickte auf ein Buch nieder.

„Sie sollten Jane’s Gedichte sehen, Herr Professor,“ sagte der Lehrer plötzlich.

„Nein, nein!“ rief Jane und sprang auf, „niemals!“

„Warum nicht? Sie hat eine Leichtigkeit im Gebrauche des Reimes und der Versmaße, die auch Sie erfreuen würde.“

„Nein, nein,“ wiederholte das Mädchen beinahe geängstigt. „Jetzt gehe ich auch.“

„Darf ich Sie begleiten?“ fragte Ehrenfried.

Sie zögerte mit der Antwort und sagte endlich leise: „Ja, wenn Sie Herrn Anton nicht länger Gesellschaft leisten mögen.“

„O bitte,“ wehrte der Lehrer, „es ist Sonntags auch nicht gut allein gehen.“

Der Professor war über die halb beklommene Art, mit welcher Jane seine Begleitung annahm, wieder mißtrauisch geworden. Ob sie den Baron erwartet hatte?

Draußen sagte er zu ihr: „Wie sonderbar Sie sind, Gratiana: in einer Schicksalsfrage baten Sie mich einzuschreiten – Ihre Poesien verweigern Sie mir.“

„Weil – Sie spotten würden.“

„Ah, Sie habe keine gute Meinung von mir?“

„Ich wiederhole, was ich drinnen gesagt.“

„Also doch Vertrauen! Ja, Sie haben’s mir bewiesen. Geben Sie’s mir überall und ganz? Soll ich wissen – wer – Ihr Herz besitzt? Vielleicht, daß meine Hülfe Schwierigkeiten beseitigen könnte …“

Sie trat einige Schritte zurück. „Reden Sie nicht weiter! Es kann nie – niemals sein.“

„Es ist gut, Gratiana, was auch Ihr Grund sein mag – ich will ihm stillschweigend beistimmen. Gehen wir!“

Er fühlte, daß das schöne Mädchen an seiner Seite sehr erregt war; ihre schnellen Athemzüge verriethen sie, so sehr sie sich auch beherrschen wollte. Sie wechselten kein Wort weiter; jedes war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Plötzlich aber stutzten sie Beide; aus einer Nebenstraße trat ihnen Jemand in den Weg – der junge belgische Baron.

„Guten Abend!“ stieß er kurz heraus und setzte dann in französischer Sprache hinzu: „Herr Professor, ich wünsche Sie einige Minuten zu sprechen.“

„Wollen Sie sich nicht des Deutschen bedienen?“ gab der Professor zurück, „die Dame hier versteht nicht Französisch.“

„Wie Sie wünschen – es ist kurz, was ich Ihnen zu sagen habe, mein Herr. Sie unterschlugen einen Brief von mir – der – nun der, wie Sie wissen, hier an Fräulein Jeanne gerichtet war?“

„Ich unterschlug ihn – woher wissen Sie das so genau, mein Herr Baron?“

„Der Knabe behauptet, ihn an Sie abgegeben zu haben. Fräulein Jeanne hat mir nicht geantwortet. Ihre sonderbaren Redensarten neulich …“

„Waren Sie so fest überzeugt, daß Sie überhaupt eine Antwort erhalten würden?“ fragte Ehrenfried ruhig zurück.

„Mein Herr!“ brauste der Akademiker auf, „diese Frage steht Ihnen ebenso wenig an, als es eines Mannes würdig ist, Briefe zu unterschlagen. Sie werden mir dafür Satisfaction geben – oder –“

„Oder Sie mir,“ entgegnete Ehrenfried gleich kalt, indem er Jane’s Arm in den seinigen legte, „für die Art und Weise, in welcher Sie einer Dame nachstellten, die unter meinem Schutze steht. Merken Sie wohl, unter dem Schutze eines Ehrenmannes – und nun, gute Nacht, mein Herr Baron! Zu geeigneter Zeit will ich Ihnen Rede stehen – hier nicht!“

Der junge Akademiker stieß eine Verwünschung aus.

„Sie behandeln mich wie einen Knaben – ich aber sage Ihnen, daß ich meine Satisfaction holen werde, wo immer ich Sie treffe, daß ich Ihnen folge, bis –“

„Gute Nacht!“ sagte Ehrenfried’s volle Stimme, und unbekümmert um den Zorn des jungen Mannes führte er das Mädchen davon. Jane war es zuerst, die das Schweigen brach.

„Er wollte Sie nicht kränken; er kam – aus dem Wirthshause. Sie zechen stark, die jungen Leute.“

Sie suchte ihn jetzt zu vertheidigen, obwohl sie vorhin mit richtigem Tact keine Silbe geäußert hatte.

Als sie vor dem Hause angelangt waren, faßte sie nach seiner Hand:

„Wollen Sie mir versprechen, daß – daß Sie nicht muthwillig Ihr Leben auf’s Spiel setzen werden?“

„Schlafen Sie ruhig, Schwester Gratiana! ihm wie mir wird nichts geschehen. Gute Nacht!“ –

An nächsten Morgen stand der Professor mit Vater Gottlieb zum Ausgehen gerüstet vor dem Hause.

„’S wird Euch Freude machen, Herr Professor,“ sagte der Bergmann, „und ist schon fast eine Sünde, daß Ihr nicht früher in den Gruben waret.“

[635] „Ja,“ versetzte Ehrenfried, „wer weiß, wie bald ich überdies Eurem stillen Hause Lebewohl sagen muß – ich will das Versäumte nachholen und gleich heute beginnen.“

Der Bergmann schnippte mit den Fingern.

„Ach, die Weibsleute! Gestern Morgen war meine alte Mutter so fuchtig und wild, wie eine echte Harzfrau. Und heute? Da ist Alles umgewandelt. Sitzt sie auf der Ofenbank mit dem Mädchen und herzt und streichelt es, wie eine junge Maikatze. Und die Jane erst! Die ist so wunderlich, macht ein paar traurige Augen und weint, daß es einen Erzblock rühren könnte. Als ich fort ging, rief sie mir nach, ich solle doch auf Euch Acht geben, daß kein Unglück geschähe, und lieber nicht leiden, daß Ihr einführet. Sie hätte eine große Herzensangst. Seht, das Mädchen verehrt Euch sehr – aber mit der Furcht vorm Einfahren, das ist nur dummes Weibergethue.“

Ehrenfried zauste an seinem Barte.

„Wir gehen nun erst nach dem nächstliegenden Stollen,“ sagte Gottlieb nach einer Weile. „Seht drüben, das ist schon das Zechenhaus; dort versammelt man sich zum Gebet vor’m Einfahren; der Eine betet vor. Man braucht’s, daß man sich dem großen Bergmanne empfiehlt, ehe man hinab geht in die Erde. Da –“ sie waren bei einem andern Hause angekommen, und er stieß den Brettereingang auf – „da sind die Bahren und Werkzeuge für Unglücksfälle – seht, auch zwei Särge. Ja, das ist eine Nothwendigkeit – ‚heute der, morgen ich‘, können wir oft sagen. Aber man denkt: wie Gott will. Einen frommen Sinn muß der Bergmann haben, sonst hält’s nicht mit dem Handwerk; die neue Zeit will wenig davon wissen, das ist aber auch das Verderben.“

Von dem Holzbau, der die Einfahrt zum Stollen bedeckte, klang das gläserne Glöckchen mit seinem eintönigen „Bimbim“ – dem Sicherheitszeichen. Die Räder drehten sich; die Seile ächzten; die „Kunst“, wie der Bergmann das Getriebe nennt, war im Gange. Gerade förderte dieselbe einen Kasten mit Material aus dem Schachte empor und drüben, aus der engen Oeffnung der Einfahrt, hob sich, von dem flimmernden Lichte am Gürtel beleuchtet, die Gestalt eines Bergmannes.

„Glück auf!“ sagte er, dem Tageslichte das bleiche Antlitz wieder zuwendend.

„Glück auf, Glück auf!“ tönte es nach ihm noch aus mehreren Kehlen, und hinter einander stiegen die fleißigen Männer aus dem Schachte empor, wo es von dem Räder- und Trittwerke knarrte, rollte, ächzte, und wo das unerfahrene Auge nichts sah, als die schwarze, unheimlich feuchte Tiefe, in der sich die Leitern neben einander hin und her bewegten. Andere rüsteten sich zur Einfahrt.

„Glück auf!“ sagen sie den Begegnenden, die nach gethaner Arbeit zum Tage aufstreben.

„Es gehe Euch wohl!“ ist der Wunsch, mit welchem Jene die begleiten, die erst zu hartem Werke hinuntersteigen.

Nachdem sie eine Weile vor der Oeffnung des Schachtes gestanden, führte Vater Gottlieb ihn in das Zimmer, wo der „Schützer“ saß, jener Mann, in dessen Händen eigentlich das Wohl und Wehe aller Ein- und Ausfahrenden liegt. Auf einer vor ihm stehenden Scheibe, welche durch einen sinnreichen Mechanismus den Gang der Kunst zeigt, sieht er, ob Alles in Richtigkeit, ob nicht die geringste Störung eintritt, die Gefahr und Unglück bringen kann.

Dann brachte man dem Professor einen Bergmannsanzug, – denn nur in solchem ist die Einfahrt gestattet – und der Steiger kam heran, der ihm vorsteigen, ihn geleiten sollte.

Ehrenfried sah prächtig aus in der malerischen Gewandung.

„Wie ein echter Bergmann,“ behauptete Vater Gottlieb. „Es ist ein wahrer Jammer, daß Euch die Jane nicht sieht – und erst die Großmutter, was würde die sagen!“

Er hängte seinem Hausgenossen das Lämpchen in den Gürtel und sagte: „Seid vorsichtig, Herr! Und nun: ‚Es gehe Euch wohl!‘“

Ehrenfried folgte dem voranschreitenden Steiger – da wurden sie plötzlich durch das schnelle Herantreten eines Fremden am Einfahren gehindert.

Es war der Baron, welcher, seine Mütze lüftend, zu dem Professor in seiner Muttersprache sagte:

„Sie versprachen mir eine Erklärung Ihrer Handlungsweise – bitte – ich bin in der Lage, dieselbe sofort verlangen zu müssen. Ihr Benehmen in Gegenwart Jeanne’s zwingt mich, alle Rücksicht bei Seite zu setzen.“

Der Professor erwiderte seinen Gruß höflich und antwortete in derselben Sprache:

„Sie sehen mich bereit, einzufahren – sobald ich zurückkomme, stehe ich zu Ihren Diensten!“

„Ah – Sie wollen auf’s Neue ausweichen?“

„Nein, Ihnen nur Zeit geben, zu überlegen, wie man einem Manne begegnet.“

Baron Negris knirschte mit den Zähnen. „Ich bin ein Edelmann und habe mir gelobt, Revanche für meinen zerrissenen Brief zu haben. Ich folge Ihnen so lange, bis Sie mir dieselbe zugestanden – auch dort hinein!“

„Wie Sie wünschen – also auf Wiedersehen!“ Dann bat der Professor seinen Führer zu beginnen, und sie fuhren ein. Die Grubenlichter wurden kleiner und kleiner. Noch ehe sie ganz verschwunden waren, kam der junge Akademiker in Bergmannstracht mit einem anderen Steiger und bestieg die Leiter. Sein Kopf war noch über der Oeffnung, als Jane plötzlich in den Ueberbau stürzte, sich verstört, mit wilden Augen umschaute und dann auf den Vater zueilte.

„Um aller Barmherzigkeit willen – sind sie Beide hinab?“ rief sie ihm entgegen – „Beide – o Vater, welch ein Unglück!“

„Kind – was redest Du da?“ fragte der Alte.

Sie rang die Hände und starrte ihn mit dem Ausdruck der Verzweiflung an. „Nun ist es zu spät; sie morden einander dort unten, der Professor und der Baron – o, meine Ahnung!“

„Jane, mein Kind, komm zu Dir – was in aller Welt –? ich verstehe Dich nicht.“

Sie kniete an dem Rande des Schachtes nieder.

„Still!“ sagte sie und lauschte.

Ein langgezogener, schrecklicher Schrei aus der Tiefe – ein anderer, herzzerreißender aus Jane’s Munde – dann brach sie ohnmächtig zusammen. Gottlieb schob sie zur Seite; ihr bleiches Haupt lag auf einer Anhäufung von Sprengsand; „Gerechter Himmel!“ flüsterte er mit bebenden Lippen, „es hat ein Unglück gegeben.“

Zeichen aus der Tiefe. Was oben seinen Posten verlassen konnte, stürzte nach dem Schacht. Aengstliche Gesichter, halblaute Fragen – am Getriebe war nichts passirt; es war also eine Unachtsamkeit der Einfahrenden gewesen.

Die Secunden wurden so lang wie Stunden.

„Da kommt’s,“ rief eine Stimme. Schwacher Lichtschimmer zeigte sich, hüben und drüben, und kam höher und höher.

Jetzt kamen die Aufsteigenden nahe – jetzt hob sich der erste Kopf – kein „Glück auf“ grüßte ihn; auf allen Lippen schwebte die bange Frage „Wer? Was?“

Der erste Steiger trat heraus; dann zeigte sich des Professors Haupt; Gottlieb streckte ihm wortlos die Hand entgegen.

„Der Akademiker muß unvorsichtig gewesen sein,“ sagte der Steiger, „er liegt unten beim ersten Absatz, wird den Arm gebrochen haben; wär’s früher oder später passirt, daß er den Griff fehlte, so war’s sein Tod. Hat nicht einmal die Besinnung verloren – wollte nur meinen Herrn erst sicher hinauf schaffen.“ Und er begann auf’s Neue dem Dunkel entgegen zu steigen.

Ehrenfried wurde von Gottlieb zu Jane geführt:

„Seht, sie rührt sich noch nicht.“

Ehrenfried kniete an ihrer Seite nieder, richtete ihr Haupt langsam empor und lehnte es gegen seine Brust.

„Jane,“ flüsterte er zärtlich, „Jane, hören Sie mich! Es ist nicht so grausam: er lebt.“

Als habe seine Stimme Macht über sie, öffnete sie die Augen und sah ihn groß an. Dann fuhr sie mit der Hand, als müsse sie ihre Besinnung zurückrufen, über die Stirn:

„Noch einmal das liebe Gesicht!“ sagte sie langsam, wie im Traum – „und drunten liegt es zerschmettert.“ Sie barg das Antlitz, zusammenschaudernd, in den Händen.

„Jane,“ rief er, dieselben zurückziehend, „Jane!“ Da stieß sie einen Freudenlaut aus und faßte nach dem Herzen.

„Er lebt – o, dem Himmel sei Dank!“

„Jane“ – er konnte es nicht so schnell fassen, daß ihm ihre Angst, ihr Schmerz gegolten – „Jane – Sie weinten um mich?“

„Ich weinte nicht,“ sagte sie seltsam ruhig, „aber ich wußte, daß ich gestorben wäre, wenn die dunkle Erde Sie behalten hätte.“

[636] Jetzt hielt er sich nicht länger; seine Arme umfaßten sie und zogen sie fest, fest an sein wildschlagendes Herz:

„Jane, so liebst Du mich? So bist Du mein – mein Weib!“

Sie richtete sich auf, ihr Gesicht sah wie verklärt aus:

„Ich wollte es nie und nimmer gestehen – nun mag’s drum sein. Braucht man sich zu schämen, wenn man das Hochstehende, das Gewaltige verehrt? Mögen sie es Alle wissen, damit sie nicht wieder wagen wollen, den Altar zu stürzen, auf dem Ihr Bild steht!“

Sie trat von ihm zurück und faßte Gottlieb’s Hand:

„Sieh Vater, um den Mann da, der herb und kurz mit mir war und vor dem ich mich doch beugen mußte, wie vor einer Gottheit, habe ich den Conrad verschmäht, und jetzt erkläre ich, daß ich nie –“

„Halt ein!“ rief Ehrenfried’s jauchzende Stimme, „nicht weiter, Gratiana! Sprich kein Gelübde aus, das Du nicht halten darfst, weil Du mein bist! Vater Gottlieb, Ihr wolltet einen Bergmann zum Sohne – da steht ein solcher vor Euch – wollt Ihr mich?“

„Dein Weib?“ flüsterte das Mädchen, während Gottlieb stumm auf die Beiden blickte, „nein, Deine Magd!“ aber wieder konnte sie nicht ausreden, denn Ehrenfried hatte sie auf’s Neue an seine Brust gezogen.

Der alte Gottlieb nahm seine Mütze ab und setzte sie wieder auf; endlich fragte er schüchtern die Umstehenden:

„Ist denn das wirklicher Ernst – und der da will mein Schwiegersohn werden? Leibhaftig, wie er da ist? Und gestern habe ich noch behauptet, daß kein Professor sie würde zum Weib haben wollen. Die Welt ist curios, aber da ist meine Hand – ‚Glück auf, Glück auf‘ – viel Worte mache ich nicht, das wißt Ihr.“

Der Baron Negris wurde an der Gruppe vorübergeführt.

„Komm’, Jane!“ sagte Ehrenfried und folgte mit ihr dem kleinen Zuge, der nach dem Zimmer des Schützers ging.

Dort ließ man den Beschädigten bis zur Ankunft des Arztes ausruhen. Gratiana am Arm, trat der Professor zu ihm heran und nahm die gesunde Hand in die seine.

„Ich bedaure Ihren Unfall von ganzem Herzen – vielleicht trug die Aufregung, in welcher Sie sich befanden, mit Schuld an demselben, was ich besonders beklage. Dennoch konnte ich Ihnen vor der Einfahrt noch nicht sagen, was ich jetzt thue: ‚Hier ist meine Braut‘; sie trägt diesen Namen erst seit wenigen Minuten.“

Eine peinliche Verlegenheit malte sich in den Zügen des jungen Mannes.

„Ah, das ahnte ich nicht –“

„Aber,“ fiel ihm Ehrenfried in’s Wort, „Sie erklären sich doch wohl daraus mein Benehmen. Ich bekenne ganz offen, daß etwas Eifersucht –“

„Ich habe um Verzeihung zu bitten – Sie und Fräulein Jeanne,“ fuhr der Akademiker fort.

Das Mädchen legte ihre Finger in seine ausgestreckte Hand; der Baron berührte sie mit einem ehrfurchtsvollen Kusse, und dann verließ Ehrenfried mit Jane das Gemach.

„Was nur die Großmutter, der Conrad und der Lehrer sagen werden?“ fragte Gottlieb, welcher hinter dem Paare drein schritt. „Am Ende ist das Bücherlesen doch nichts so Unrechtes gewesen, denn schwatzen hat sie dadurch gelernt – nein, was die Alle nur sagen werden?!“

Weder Ehrenfried noch Gratiana hatten eine Antwort; sie gingen stumm neben einander; nur dann und wann trafen sich ihre Blicke, und die sagten mehr, als Worte vermocht hätten.




Der Schnee lag so hoch im December, daß man vor den niedern Bergmannshäusern förmliche Gänge aufschaufeln mußte. Vor den Fenstern bildete sich dadurch eine Art weißer Mauer. Auch für den heutigen kleinen Brautzug war über den Marktplatz hin ein besonderer Weg gemacht worden, und Kinder hatten in das frische Weiß Tannengrün und einige bunte Blumenblätter gestreut, die jetzt die Füße der aus der Kirche strömenden Neugierigen vollends zertraten. Darüber aber war nur eine Stimme in dem Publicum, bei Männern wie Frauen, daß man noch nie solch rührender Trauung beigewohnt habe. Und obgleich die Gottlieb’s „Jane“ eine so vornehme Heirath gemacht, war Alles einfach gewesen, wie bei jeder Bergmannshochzeit; sie hatte sich gar nicht überhoben – das mußte die böseste unter allen scharfen Harzzungen anerkennen.

Unten in Großmutters Stübchen versammelte sich die kleine Gesellschaft beim Hochzeitsmahle; es waren lauter glückliche Gesichter, die auf das junge Ehepaar blickten, selbst die Großmutter, in deren Herzen schon das Abschiedsweh lauerte, sah heiter aus. Herr Anton führte das größte Wort am kleinen Tische; Vater Gottlieb schwieg vor solch wohlgesetzten Reden; Conrad war roth vor Verlegenheit und drückte nur dann und wann seiner Braut, die das Liebesglück wunderbar verschönt hatte, die Hand, und Baron Negris, dessen Arm aus der Schlinge befreit war und welcher der Braut einen weißen Camelienstrauß aus der Residenz geschenkt hatte, stieß sehr häufig mit dem Brautvater an.

„Euch würde ich schon in’s Haus nehmen,“ flüsterte ihm Großmutter zu, „da oben in die Professorstube – aber das Haus muß leer bleiben, denn im Sommer kommen die Kinder hierher; sehet, daran muß ich doch denken.“

Herr Anton hatte zur Feier des Tages den grünen Augenschirm abgelegt und sah in der blauen Brille recht vornehmfeierlich aus. Jetzt stand er auf und hielt eine Rede.

„Auch heute,“ sagte er, „selbst ehe wir des Ehepaares Gesundheit trinken, müssen wir unseres alten Spruches gedenken:

‚Es grüne die Tanne, es wachse das Erz,
Gott schenke uns Allen ein fröhliches Herz!‘

Der Harzspruch hat sich wunderbar an dem jungen Gatten erfüllt – er weiß es am besten – er kam weltmüde und traurig und geht mit ‚fröhlichem Herzen‘. Stoßt an: ‚Gott schenke uns Allen ein fröhliches Herz!‘“

Dieser Probe von Herrn Anton’s Rednergabe folgten noch viele andere, und es wurde immer lustiger in dem kleinen Kreise. Plötzlich kam die Großmutter feierlich zu der jungen Frau heran.

„Sieh, Jane, ich lasse Dich auch fröhlichen Herzens ziehen, so schwer mir der Abschied schon wird, aber – na, das Bild, das wir für Ehrenfried’s Liebste hielten, das hänge ich, da er’s mir einmal geschenkt hat, hier unten auf, und dabei denke ich jeden Tag an Dich. Was ich hier bringe, das hab’ ich absichtlich bewahrt – seit langen Jahren. Das sind die ersten Kinderschuhe, die Du selber gestrickt hast und die ich nicht verkaufen wollte – heb’ sie auf, Kind!“ Und eine Thräne im Auge ging sie davon.




Die römische Campagna.

Die Blicke nach Rom zu richten, ist immer zeitgemäß; bei keiner Stadt der Welt, selbst Paris nicht ausgenommen, bedarf es so wenig einer besondern Gelegenheit, um das Interesse der Leser dorthin zu lenken, wo Alles, was Herrschaft, Glaube, Kunst, Natur und Geschichte Gewaltiges und Fesselndes zubieten vermögen, in unvergleichlichem Maße vor Aller Augen liegt. Eng zu Rom gehört die römische Campagna.[1] Unter der „Campagna di Roma“ versteht man die weitgedehnte Ebene, welche von den prächtigen Sabinerbergen, von den ausgebrannten Kratern der Albanerhügel und von den Höhen, welche die Grenzscheide des alten Etrurien bilden, auf drei Seiten eingeschlossen wird, während die vierte, die südwestliche Grenze, das Meer bildet. Nur sehr uneigentlich kann man diesen Landstrich eine Ebene nennen; denn er besteht aus einer Menge zwar niedriger, aber in verschiedenen Richtungen laufender Hügelketten, Thäler und Schluchten, durch welche in zahllosen

[637]

Hirt aus der Campagna.
Originalzeichnung von Louis Schulz.

[638] Krümmungen die Flüsse Tiber, Anio und Cremera ihren Weg nehmen. Die geringe Senkung der ganzen Landschaft gegen das Meer veranlaßt nicht nur das Stocken von Wassermassen, selbst in den vom Strande entlegenen Strichen, sondern auch die Versumpfung des Ufers. Das Terrain trägt besonders in den östlichen Regionen noch deutlich wahrnehmbare Spuren großer vulcanischer Revolutionen der vorhistorischen Zeit, was nicht nur durch die dort häufig anzutreffenden Steinarten: Peperin, Lava und Tuff, sondern auch durch die Bodenfiguration an den Tag tritt, in welcher sogar verschiedene Krater deutlich wiedererkannt werden können.

Wenn man in Rom auf der Kuppel der Peterskirche steht, oder die Höhen entweder des Albanergebirges oder der Sabinerberge bei Tivoli ersteigt, so überblickt das Auge die Ebene in ihrer ganzen Ausdehnung, eine kolossale Steppe, je nach den verschiedenen Jahreszeiten bald mit üppigem Grün bedeckt, bald nackt, gelb und versengt, wie ein von barbarischen Feinden durchzogenes Land. Die Campagna ist verödet, ein kolossaler Friedhof, in dessen Mitte sich wie ein Riesenmonument Rom erhebt. So wenig das Land bewohnt erscheint, so reich ist es doch mit den Trümmern mächtiger Bauwerke ausgestattet, ein Widerspruch, welcher wesentlich zu dem seltsamen poetischen Reize der ganzen Scenerie beiträgt.

Wir verlassen Rom im Süd-Osten, auf der altberühmten Via Appia. Wenn wir an den Ruinen des Forum Romanum und am Colosseum sowie an der Niederung zwischen Coelius und Palatin, endlich an dem weitgestreckten Circus Maximus, welcher jetzt von der städtischen Gasfabrik und von dem Begräbnißplatz der Juden eingenommen wird, vorüber gekommen sind und nun nach dem Stadtthor wandern, so berühren wir auf diesem annähernd halbstündigen Wege noch innerhalb der Mauern schon keine menschlichen Wohnungen mehr. Nur hier und da steht eine altersgraue Kirche am Wege. Seit Jahrhunderten ist der Mauerumfang viel weiter, als zum Schutze des bewohnten Areals nöthig ist, so daß die Campagna selbst einen großen Theil des antiken Stadtgebietes mitumfaßt.

Das Stadtthor, durch welches wir in’s Freie treten, hat seinen stolzen Namen des Appischen, welchen es dem Censor Appius Claudius Caecus (312 vor Christus), dem Gründer der „Königin der Straßen“ verdankt, verloren an den heiligen Sebastian. Denn durch diesen Ausgang strömten im Mittelalter die Pilger nach dem außerhalb gelegenen Grabe des Märtyrers. Wenn wir vor dieses ganz mittelalterliche aus Marmorquadern errichtete Stadtthor treten, erfreut sich das Auge eines ersten freien Blickes über die weite Fläche, welche die edel geformten Linien des fernen Albanergebirges abschließen. Aber ehe wir völlig das Freie erreichen, zieht sich der Weg noch lang hin zwischen lästigen hohen Mauern, welche zur Einhegung von meist öden Grundstücken dienen.

Nur hier und da ragt vereinzelt eine thurmhohe Ruine über den Hohlweg; weiterhin begegnet man einer elenden Osterie, die den Fuhrleuten, welche hier mit ihren Schuttkarren vorüberfahren, ein kaum erträgliches Obdach bietet. Diese repräsentiren jetzt fast ausschließlich den Verkehr auf der Straße, welche ehedem die bedeutsamste Verkehrsader Roms war, denn durch sie wurde Griechenland und der Orient in die directeste Verbindung mit der Welthauptstadt gesetzt. Und jetzt? Wir befinden uns noch in der nächsten Nähe der Hauptstadt, aber was es mit dem Verkehre dort auf sich habe, wird jedem einleuchten, der die Aufschrift des daselbst befestigten Postbriefkastens eines Blickes würdigt: wöchentlich einmal werden hier Briefe abgeholt. Nebenan steht ein unansehnliches Kirchlein, „Domine, quo vadis“ genannt und dem Gedächtnisse einer Legende im frühen Mittelalter errichtet. Die Legende ist diese: Da in Rom unter Nero die erste Christenverfolgung wüthete, suchte der heilige Petrus sein Heil in der Flucht. An der bezeichneten Stelle angelangt, erscheint ihm Christus. Erschrocken fragt ihn der Apostel: „Herr, wohin gehst Du (Domine, quo vadis)?“ und erhält zur Antwort: „Ich komme, mich nochmals kreuzigen zu lassen“ – worauf der Apostel umkehrte.

Neben der kleinen Capelle theilt sich der Weg. Nach rechts zweigt sich die Via Ardeatina ab. Auf eine kurze Strecke wird sie noch als Zugang zu einer Anzahl hier gelegener Grundstücke benutzt, aber alsbald verliert sie sich in ödem Haidelande. Das am Meere gelegene Porto d’Anzio (Antium), ehedem das Biarritz von Rom, die Geburtsstätte der Kaiser Claudius und Nero und die Fundstätte weltberühmter Statuen, wie des Apollo von Belvedere und des borghesischen Fechters, ist heutigen Tages ein elendes und verkommenes Fischernest.

Auf der Via Appia, welche jetzt in der Länge vieler Miglien eine ganz gerade Linie verfolgt, erreicht man erst das Freie, nachdem man noch eine lange Strecke zwischen einförmigen Mauern weiter gewandert ist. Dann senkt sich plötzlich der Weg, und jenseits des schmalen Thales, den Abhang krönend, thront in majestätischer Einsamkeit der thurmartige Quaderbau des Grabmales der Cäcilia Metella. Man kann es das Wahrzeichen der Via Appia nennen. Ohne alle Frage gehört es zu den anziehendsten Punkten der weiten römischen Campagna; es stammt indessen weder aus der Zeit republikanischer Größe, noch feiert es eine geschichtlich bedeutende Persönlichkeit; denn diese Metella war die Gemahlin des bekannten, nicht eben durch Römertugend glänzenden Triumvirn Crassus. Die Dauerhaftigkeit des Monumentes war im Mittelalter auf eine harte Probe gestellt worden; denn das Geschlecht der Gaetan hielt das classische Bauwerk für eben gut genug, um als Festungsthurm für ihre berufsmäßigen Straßenräubereien erwünschte Dienste zu thun. Die Burg selbst, welche so angelegt war, daß die Via Appia ihren Hof passirte, liegt längst wieder in Trümmern, und nur ihre Umfassungsmauern sind noch deutlich zu erkennen; dabei befinden sich die ansehnlichen Reste einer dazu gehörigen mittelalterlichen Kirche, in der die Priester den Baronen für ihr sauberes Geschäft wohl ihren salbungsvollen Segen gaben. Die Ironie des Schicksals, welche gerade in Rom sich sehr vernehmbar macht, hat im Laufe der Jahrhunderte diese Raubschloßkirche zu einer Stätte des Friedens, zu einem wirklichen Schafstall umgewandelt, bei welchem romulische Hirten ihr Wesen treiben.

Es giebt an der Via Appia kaum einen zweiten gleich angenehmen Ruheplatz als hier am Fuße des Grabmales der Cäcilia Metella, wo sich vor dem Auge landschaftliche Scenerien in ungewöhnlicher Mannigfaltigkeit ausbreiten: in der Ferne die finsteren Mauern der Stadt, zu den Füßen ein einförmiges, aber im Schmucke des Frühlings um so anziehenderes Thal. Langgestreckte Mauerreste kennzeichnen deutlich die Anlage eines antiken Circus. Tausende harrten hier ehedem in fieberhafter Aufregung der Entscheidung bei den öffentlichen Wettfahrten, aber heutigen Tages ist es höchstens eine Heerde Büffel, von einem Campagnolen gehütet, welche hier in träger Rast den Tag verbringt. Die Niederung führte im Alterthume den halb griechischen, halb lateinischen Namen „ad catacumbas“. Daraus hat man später das Wort „Katakombe“ gebildet, womit allgemein die Begräbnißplätze der ersten Christen bezeichnet werden.

Man berechnet die Ausdehnung dieser oft in drei bis vier Reihen übereinander liegenden Höhlengänge auf nicht weniger als hundert geographische Meilen. Als Grabstätte benutzte man die verticalen Wände der Gänge, in die man viereckige Nischen von der Tiefe der Körperlänge eingrub, die, sobald sie die Leichname aufgenommen, mit Marmor- oder Ziegelplatten, welche die Namen des Todten trugen, geschlossen und dann hermetisch verkittet wurden. Eine Verpestung der Luft war auf diese Weise unmöglich gemacht; neuerdings hat man sogar eine Wiederaufnahme dieses Bestattungsverfahrens empfohlen und darin einen glücklichen Mittelweg in der Streitfrage zwischen Beerdigung und Verbrennung der Leichen zu finden geglaubt. In der Geschichte der katholischen Kirche des Mittelalters spielt das Beinhaus der Katakomben eine bedeutende Rolle, und man kann sie geradezu das Arsenal ihrer Bekehrungsfeldzüge nennen; denn Knochen der Märtyrer wanderten von hier in alle Welt. Bar des Gefühles der rein menschlichen Pietät gegen die Todten, plünderte man schonungslos diese Stätten, um im Eifer frommen Betruges Propagandageschäfte zu machen. Wandert man jetzt in diesen wüsten Gängen, so stößt wohl der Fuß an die Grabplatte einer obscuren Magd oder eines Sclaven mit völlig unbekannten Namen, deren Gebeine sicher in irgend welcher Kathedrale Frankreichs oder Spaniens als angebliche Reliquie einer heiligen Katharina oder eines heiligen Blasius göttlich verehrt werden. Jenseits des Thales „ad catacumbas“ erblicken wir das berühmte Kirchlein des heiligen Sebastian von dem aus man in eine der berühmtesten Katakomben gelangt. Hier ist unter mehreren Tausenden von Gräbern auch nicht ein einziges, nicht einmal ein [639] Kindergrab unzerstört erhalten, aber der päpstliche Permiß, welcher dem gewöhnlichen Sterblichen jetzt den Zutritt zu dieser geheiligten Stätte zu erlauben hat, bedroht jeden mit Excommunication, welcher es wagen würde, hier ein Steinchen aufzuheben. Auf der entgegengesetzten Seite desselben Thales leuchtet uns ein erfreulicheres Bild entgegen. Dort krönt ein kleiner Olivenwald die Kuppe eines Hügels – in der sonst fast baumlosen römischen Campagna ein seltsamer und befremdlicher Anblick.

Wir setzen unsern Weg auf der Via Appia fort. Von dem Grabmal der Cäcilia Metella an mehren sich auf beiden Seiten die Trümmer heidnischer Grabdenkmäler. Die Straße selbst, deren antikes Pflaster hier zu Tage tritt, ist so schmal, daß auf ihr kaum zwei Wagen einander auszuweichen vermögen. Von den meisten der dicht an der Straße stehenden Bauwerke ist nur noch der rohe Mauerkern erhalten, aber der wegen seiner Vortrefflichkeit berühmte römische Mörtel hat ihnen eine solche Festigkeit verliehen, daß sie oft Ihre ursprüngliche Höhe noch einnehmen, während ihre grotesken Formen ihnen das Ansehen wilder in die Luft starrender Felszacken geben.

Welchen Anblick die Campagna in der römischen Kaiserzeit geboten haben mag, als noch zu beiden Seiten der Heerstraßen die Villen der Großen im buntem Gemisch sich ausdehnten, davon können wir uns heute kaum eine Vorstellung machen. Das Geröll der Schutthaufen weist wohl manches Stück kostbaren Marmors auf, mit welchem die Gemächer jetzt völlig verschwundener Paläste ausgelegt waren, und hin und wieder findet auch ein Hirt eine Münze, ein altes Blech oder eine Scherbe mit alten Buchstaben, deren Deutungen das Entzücken der Archäologen bilden.

Ueberblickt man die ganze Campagna von einem höher gelegenen Standpunkte, so wirkt die Uncultur des Landes um so ergreifender, als dann die verstreuten elenden Wohnhäuser meist verborgen bleiben. In der breitgestreckten Fläche sucht das Auge unwillkürlich nach einem Ruhepunkte, und da bemerkt es denn eine größere oder geringere Anzahl gerader, die Landschaft durchstreichender Linien, welche insgesammt von einem Mittelpunkt, der in der Ferne undeutlich wahrnehmbaren Stadt, auslaufen. In den einen erkennen wir die Gräberstraßen wieder. Die anderen, aus dicht an einander gereihten, durch Bogen verbundenen Pfeilern bestehend, sind die Aquäducte, die Wasserstraßen des alten Rom. Noch heute sind einige dieser Aquäducte zum Segen der Stadt erhalten.

Den Eindruck, den die Scenerie der Campagna auf das Gemüth macht, kann man wohl nur mit der Empfindung vergleichen, welche uns erfüllt, wenn wir die Trümmerfelder der classischen Antike im Orient betreten. Ephesus, Sardes, Baalbek, Palmyra, jene in eine Wüstenei umgewandelten Stätten einer Cultur, von deren Früchten wir noch zehren, sie üben auf unsere Seele denselben tiefen Eindruck aus. Während aber diese denkwürdigen Ruinenfelder des Orients ganz im Einklange mit dem landschaftlichen Charakter der antiken Culturländer überhaupt stehen, umgiebt die römische Campagna eine Stadt, welche nicht nur den nationalen Mittelpunkt des schönsten Landes von Europa bildet, sondern auch, in sich selbst unabhängig, die Stätte regsten Verkehres geblieben ist. Wie es möglich ist, daß Italien, der Garten Europas, zu seinem Mittelpunkte eine Stadt hat, deren nächste Umgebung auf die Dauer von Jahrhunderten und, wie es scheint, auch noch für eine lange Zukunft von einer durch Fieber verpesteten Einöde rings umschlossen ist – für diese unmöglich scheinende Thatsache kann nur die Geschichte eine Erklärung geben. Es offenbaren sich darin die tragischen Consequenzen des Falles der Welthauptstadt im Mittelalter. So mächtig ist jene Katastrophe gewesen, daß ihre Spuren unvermischt bleiben.

Die Campagna ist bekanntlich der Schauplatz der ersten Kämpfe der Römer. Gegen 350 Jahre brauchten sie, um all die Städte und Völkerschaften zu unterwerfen, welche darin ansässig waren, und in ebenso viel Jahren, von da an gerechnet, machten sie den ganzen Weltkreis sich unterthänig. In der Zeit des höchsten Glanzes der Hauptstadt war die Campagna nicht mehr der Sitz jener Bevölkerung, welche in der ersten Geschichte der Republik eine so wichtige Rolle spielte, und die Mehrzahl der in den Urzeiten berühmten Ortschaften war unter der Herrschaft der Kaiser kaum noch dem Namen nach bekannt. Als die germanischen Völkerschaften in das Tiberthal herabstiegen und Gothen und Byzantiner in nur zu häufigem Wechsel um die Mauern Aurelian’s beutegierig lagerten und gegen dieselben Sturm liefen, da war natürlich aller Reichthum der Campagna, die zahllosen Villen der Großen, die das Land bedeckten, einer schonungslosen Vernichtung preisgegeben, und da die Stadt selbst Jahrhunderte hindurch nicht im Stande war, von den furchtbaren Schlägen sich zu erheben, um wie viel weniger die Campagna! Mittelalter und Renaissance haben wohl die Stadt wieder emporgehoben, aber die Campagna ist dieselbe geblieben, öde und traurig.

Nimmt man die wenigen Villen der Großen, der Albani, Pamfili, Borghese, Patrizi aus, so darf man wohl annehmen, daß die Landschaft wesentlich denselben Charakter noch bewahrt, wie einige Jahrzehnte nach ihrer Verheerung im Beginn des Mittelalters. Ja noch weiter zurück, in die Zeiten der frühesten Geschichte Roms, müssen wir uns versetzt fühlen angesichts der in elenden Hütten wohnenden Bevölkerung, welche der urrömischen nicht nur an Anspruchslosigkeit und Einfachheit der Sitten nahe kommt; nein selbst in der persönlichen Erscheinung, sogar in der Bekleidung, scheinen hier Erinnerungen an die Antike sich fortzupflanzen. Bei rauhem Wetter wirft der Campagnole den togaartigen Tuchmantel um seine Schultern, und als Fußbekleidung dient ein einfaches Stück Leder, welches durch kreuzweis um die Unterschenkel gewundene Riemen festgehalten wird, wie wir es ähnlich in den Darstellungen von Hirten auf altrömischen und pompejanischen Fresken sehen. Die Oberschenkel tragen die Bewohner der Campagna in Ziegenfelle gehüllt, die langen Zotten nach außen gewandt; selbst im Sommer legen sie dieses scheinbar sehr entbehrliche Bekleidungsstück nicht ab, welches uns unwillkürlich an den mythischen Pan-Typus erinnert.

Ein träges, aber entbehrungsvolles Dasein führend, leben die Campagnolen als Hirten ihrem eintönigen Beruf. In großen Schaaren kann man sie Sonntags auch in Rom antreffen, denn so arm ist das Land im Umkreise der Stadt, daß seine Bewohner genöthigt sind allwöchentlich zur Stadt zu gehen, um den Brodvorrath einzukaufen. Man sieht sie dann an den Nachmittagen in großen Schaaren auf dem Heimwege nach ihren oft meilenweit entfernten Hütten, auf dem Rücken eines Jeden an eine Schnur gereiht sieben Laibe Brod, welche ihnen dann für die Woche mit Milch und Käse als Nahrung dienen. Fleisch bleibt ihnen unbekannt; sie leben wie die Senner in den Hochalpen, denen sie übrigens in ihrer kräftigen und gesunden Erscheinung nicht nachstehen. Doch begegnet man wohl auch Gestalten, welchen nur zu deutlich die alle Lebenskraft zerrüttenden Folgen der römischen Malaria auf der Stirn geschrieben stehen. Die harten Entbehrungen ihrer Existenz verleiten wohl auch manchmal diese Natursöhne, einen verwegenen Streich gegen den Fremdling auszuführen, welcher so ohne jeden für sie plausiblen praktischen Zweck ihr Gebiet durchstreift, und ihre nicht leicht abzuwehrenden Hunde leisten ihnen bei solchen Ueberfällen treffliche Dienste. Doch sind’s im Großen und Ganzen gutmüthige Charaktere, und auch da, wo sie begehrlich auftreten, sind sie leicht zu befriedigen, sobald man nur zu ihnen „auf römisch“ spricht und vor allen Dingen das ständige Bedürfniß nach Tabak und Cigarren reichlich stillt. Ist es doch allgemeiner Glaube unter ihnen, daß mit dem Rauchen die Schädlichkeit der Fieberluft aufgehoben werde.

Es giebt wohl kaum eine Stadt in der Welt, wo Künstler, insbesondere Maler, so heimisch wären, wie gerade in Rom. Unter diesen sind natürlich die Landschaftler vor allen Dingen auf die römische Campagna angewiesen, und ihre Productivität hat es veranlaßt, daß die bildlichen Darstellungen derselben uns ziemlich vertraut sind. Die treffliche Composition von der Hand des eine Reihe von Jahren in Rom thätigen Künstlers Louis Schulz, welche uns beistehender Holzschnitt vorführt, gewährt uns einen Blick auf die der Via Appia nahe gelegenen Theile der Campagna. Neben der Bogenreihe einer alten zerfallenen Wasserleitung erblicken wir rechts einen großen unter dem Namen Roma Vecchia bekannten Ruinencomplex, ehedem eine ausgedehnte Villenanlage, und die Tenuta oder das Gehöft auf der andern Seite des Bildes darf als ein nicht minder charakteristisches Wahrzeichen der römischen Campagna gelten; denn da weitaus der größte Theil des Terrains in der Hand großer Grundbesitzer liegt und an große Unternehmer verpachtet wird, so wird die Bewirthschaftung Verwaltern übergeben, welche mit ihren Leuten diese Gehöfte (tenuta, casale) bewohnen.

Nicht blos die Campagna, sondern auch die Landschaftsmalerei [640] derselben hat ihre interessante Geschichte. Sie ist freilich noch nicht geschrieben worden, obwohl sie ein sehr wichtiges Glied im großen allgemeinen Entwickelungsgang der modernen Malerei bildet. Da aber dieser Gegenstand einer besondern Darstellung würdig ist, so wollen wir uns hier nur die Bemerkung erlauben, daß es wunderbarer Weise nicht die Italiener, sondern Nordländer, insbesondere die Niederländer, waren, welche, auf Grund ihrer Studien in der Campagna, von der Blüthezeit der Früh-Renaissance an, die Landschaftsmalerei zu einer selbstständigen Kunst erhoben. Bis dahin hatte die Landschaft nur als Hintergrund der Staffage Geltung, und diese mußte sogar noch ein Claude Lorrain ausschließlich aus der biblischen Geschichte oder der Mythologie wählen, um gleichsam seine einzig werthvollen und großartigen landschaftlichen Schilderungen vor dem Publicum – zu entschuldigen. In der italienischen Kunst mit ihren einseitig idealen Tendenzen wäre niemals die Abtrennung der Landschaftsmalerei als eines eigenen selbstständigen Kunstzweiges möglich gewesen, hätten nicht die holländischen Eindringlinge in der Naivetät ihres kerngesunden Naturalismus die Verantwortung für diese Neuerung unbedenklich auf sich genommen. Später sind auch italienische Maler, wie Pannini am Anfange des vorigen Jahrhunderts, in ihren Schilderungen der römischen Campagna darauf ohne weiteres eingegangen, und heutigen Tages, wo diese Auffassung in der Malerei die allgemein herrschende ist, scheint es uns wohl befremdlich, daß die Landschaftsmalerei nach naturalistischen Grundsätzen nicht schon längst zu ihrem Rechte gelangen konnte. Wir feiern in ihr eine der schönsten ästhetischen Errungenschaften der Neuzeit, aber das Schlachtfeld, auf dem sie ihre Siege erfochten hat, ist der classische Boden der römischen Campagna gewesen.

Jean Paul Richter.




Der Werbellin-See.

Alljährlich, wenn die Kaiserjagden in der Schorfhaide abgehalten werden, das erlegte Wild unter den Buchen liegt und die Dunkelheit des Heimweges durch den Wald bis zur Chaussee von unzähligen Haufen brennenden Kiefernscheitholzes erleuchtet wird, dann wird auch des Werbellin gedacht, an dessen Ufern der Weg hinführt und dessen Fluthen im Widerschein der Feuer glänzen.

Es ist ein eigenthümlich märchenhafter Glanz, der auf diesem Wasser ruht. Der See ist immer schön, mag die Sonne ihn bescheinen oder der Mond sich in seinen Fluthen spiegeln. Fremde, die der Zufall an seine Ufer führt, stehen erstaunt; Heimische sehen an ihm sich nimmer satt, denken sein in der schönsten, reichsten Ferne, während Weitgereiste seines Lobes voll sind und ihn mit dem Königssee des baierischen Hochlandes vergleichen. Der See liegt abseits vom Wege der allgemeinen Heerstraße – man kennt ihn nicht – und doch hat auch hier einst das Leben in so reichem Maße gefluthet; Schlösser haben an seinen Ufern, in seiner Nähe gestanden – und die Fäden der deutschen Geschichte knoteten sich hier oder wurden von hier aus gesponnen. Wir sehen ab von jener Urgeschichte, wo Pfahlbauten, deren Reste Professor Virchow auch hier gefunden, die Ufer säumten, jenen Steingräbern, die im Walde zerstreut sich noch immer zeigen – wir denken der Zeit der Askanier, jenes Fürstengeschlechts, das, über die Mark Jahrhunderte herrschend, dieselbe zu Glanz und Ehren brachte, um wie ein Nebelstreif dahin zu wallen und in Nacht zu versinken.

Dort am Grimnitzsee, jenem zuhöchstgelegenen See der Mark Brandenburg, stand das Schloß gleichen Namens, erbaut von Markgraf Johann im Jahre 1247, in welchem Jahre auch Schloß Werbellin von ihm erbaut sein soll, wenige Stunden von ersterem entfernt. Beide Seen können – der Grimnitz liegt einige fünfzig Meter höher als der Werbellin – von einzelnen Punkten aus zugleich übersehen werden. Ein drittes Schloß, Schloß Breden, stand gleichfalls höchst wahrscheinlich am Ufer des Werbellin, dort hinaus, wo jetzt das Försterhaus im Dorf Altenhof sich befindet; bei Erbauung desselben fand man tief gemauerte Keller, in deren Räumen alter Wein lagerte, dessen Flüssigkeit bereits fast zu Gallert sich verdickt hatte; auch will die Sage hier eine fest vermauerte eiserne Thür entdeckt haben, uneröffenbar, aber einen Gang verschließend, der hinabführen soll zur alten, im See versunkenen Stadt Werblo. Die Glocken der alten Stadt, heißt es, läuten noch am Johannistage aber auch sonst wohl aus der Tiefe herauf, Unheil verkündend und dem, der den Glockenklang vernehme, Verderben bringend. Es sind alte Sagen, wie es deren ähnliche ja so viele giebt. Bei keinem See aber klingen sie glaubhafter und natürlicher, als bei dem Werbellin. Liegt doch auf demselben ein Märchenzauber, ein Hauch der Sage, der unvergleichlich ist. Man lese die alten Chroniken, die Bücher der Geschichte, und man wird finden, daß die Fürsten aus dem Hause der Askanier nirgend lieber und länger verweilten, als in diesen ihren Schlössern am Grimnitz und Werbellin. Ersteres hat bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts gestanden; während letzteres bereits im Jahre 1344, wie es heißt, von den Litthauern zerstört wurde. Im Grimnitzschloß weilte Otto mit dem Pfeil, der Minnesänger, besonders gern. Hier saß er, wie ein Bild der Manessischen Sammlung der Minnelieder zeigt, mit seiner Gemahlin, der Heilwig, am Schachbrett, während die Sänger, von nah und fern herbeigekommen, ihre Harfen schlugen. Heilwig war es, die ihn mit kühnem Muthe und echter Frauenlist aus der schimpflichen Gefangenschaft der Magdeburger Bischöfe befreite, in welche er nach unglücklichem Ausgange eines Krieges mit denselben gerathen war.

Otto mit dem Pfeil ist hier im Grimnitzschloß gestorben und im Kloster Chorin begraben, wo ja auch bereits sein Vater, Markgraf Johann, der Erbauer Chorins, beigesetzt war. Jahrhunderte hindurch weilten die Fürsten der Mark mit ihren Gästen in Schloß Grimnitz; manche von hier aus unternommene Bären- und Wolfsjagd steht auf den Blättern der Chroniken und Geschichtswerke verzeichnet. Der Sage Epheu hat sich um die verfallenen Mauern gelegt, und in den noch vorhandenen tiefgemauerten Kellern des Schlosses glaubt man die Seufzer des Kanzlers Buch zu hören, den Waldemar hier gefangen setzen und verhungern ließ, nachdem derselbe wider seinen Willen zu Rhense den Baier zum Kaiser kürte. Die Sage erzählt es, und Männer der Geschichtsschreibung haben dieselbe als Eckstein zur späteren Geschichte des sogenannten falschen Waldemar genommen. Nicolaus von Buch hatte den Hungertod erleiden müssen, aber sein Sohn Johannes ward Hofrichter des Markgrafen Ludwig, der ein Sohn des Kaisers Ludwig war. Dieser hatte mit durch die Stimme Buch’s die Kaiserkrone erhalten und seinem Sohne die herrenlose Mark übergeben, nachdem Markgraf Waldemar plötzlich 1319 auf der Reise zu Bärwalde in der Neumark gestorben und zu Chorin beigesetzt worden war. Johannes von Buch war der einzige märkische Edelmann am Hofe des Baiern. Er hatte den von Eike von Repgow verfaßten Sachsenspiegel, das berühmte Rechtsbuch seiner Zeit, auf’s Neue glossirt und herausgegeben, und sein Wort, sein Ausspruch in Sachen des Rechts galt als maßgebend. Und als im Jahre 1348 Waldemar, der sogenannte falsche Waldemar, den uns der märkische Walter Scott, Wilibald Alexis, in seinem Romane geschildert, zurückgekehrt war, da war der Ausspruch Johann von Buch’s entscheidend; sein Ansehen gab in vielfacher Hinsicht den Ausschlag. Der Heimgekehrte, erst von Kaiser Karl dem Vierten Anerkannte, wurde als ein Fälscher, als ein Betrüger erklärt, sodaß sein Bildniß, sein Name noch heute in den Büchern der Geschichte schwankt. Unaufgeklärt wird dieses Blatt der Geschichte wohl für immer bleiben, wenn auch die neuere und neueste Forschung, nach welcher es kein Betrüger gewesen, der zurückgekehrt, mehr und mehr zur Geltung kommt.

Es ist bei dieser Annahme nur Eines auffällig. Waldemar hat, wenn er nicht im Kriege war, bis zu seinem angeblichen Tode fast regelmäßig auf Schloß Werbellin geweilt. Von hier aus sind die meisten seiner Erlasse ausgestellt. Schloß Werbellin war ihm der liebste Aufenthalt – und die Insassen des dicht am Schlosse gelegenen Dorfes Altenhof sahen ihn fast täglich. Jeder Einwohner daselbst kannte ihn. Warum berief sich der Heimgekehrte, der vom heiligen Grabe Zurückgekehrte, als man

[641] seine Echtheit in Frage stellte, nicht auf die Einwohner des Alten Hofes?

Die Mönche des Klosters Chorin trugen den Mantel auf beiden Schultern. Die Altenhofer würden mehr der Wahrheit die Ehre gegeben haben. Oder siegte auch hier in der Brust des Heimgekehrten, der ja in früheren Jahren die Mark zu so großem und hohem Ansehen gebracht hatte, wie kein Fürst aus dem Hause der Askanier vor ihm - die Liebe zum Vaterlande, die ihn heimgeführt hatte, um das Elend desselben zu beseitigen, über das eigene Interesse, das eigene Ansehen, selbst über die eigene Ehre, sodaß er lieber die Schmach, als ein Betrüger zu gelten, auf sich nahm, als er sah, daß sein Abtreten die Noth des Landes eher mindern würde, als sein Verweilen? Waldemar war in seiner Jugend ein romantisch-hochherziger Charakter. Er trat, wie die Geschichte es verzeichnet hat, freiwillig ab. Er entsagte der Mark und entband seine Unterthanen ihres Eides. Still und unangefochten ist er zu Dessau gestorben. Spricht auch dieses nicht für die Echtheit des Heimgekehrten? Johann von Buch aber, der sich ganz dem Baier zugewendet hatte, sagte, als er die Worte vernahm: „Er ist größer im Scheiden als im Kommen – und im Entsagen herzgewinnender als im Fordern. Wer ihn für den Rechten hält, muß ihn bewundern und achten, und wer das Gegentheil glaubt, wird ihm Beides auch nicht versagen können.“

Schloß Werbellin ist längst gefallen. Der Ort, wo es gestanden, heißt bis auf den heutigen Tag noch der Schloßberg. Die Linde, die damals an der Grundmauer gestanden, ist längst dahin, aber aus der Wurzel sprossen noch heut junge Schößlinge auf. Man hat von dem Berge aus eine köstliche Aussicht über den ein und eine halbe Meile langen, meist achtunddreißig Meter

Der Werbellin-See.
Nach der Natur aufgenommen von Wilhelm Claudius.[WS 1]

tiefen See, in dessen Fluthen sich die waldbestandenen bergigen Ufer spiegeln.

Jetzt hat, wie verlautet, Prinz Karl von Preußen den Schloßberg gekauft. Wird auf demselben ein neues Schloß entstehen? Soll auch nach dieser Richtung hin die Zeit des so lange Verkannten zu neuen Ehren gebracht werden, die Erinnerung eine Rose auf ein überwuchertes Grab legen?

Der Schimmer der Romantik liegt über der Zeit der Askanier, ihre Burgen und Schlösser sind zerfallen - aber die Sage lebt fort.

Wie ein Gottesauge glänzet,
D’rüber dunkle Brauen glüh’n,
Liegt, von Berg und Wald umkränzet,
Märchenhaft der Werbellin.

Und das Nebelkind, die Sage,
Schmücket ihn mit Blüth’ und Kranz
Längstvergess’ne schöne Tage
Steigen auf in vollem Glanz.

Aus der Fluth, in Abendfeier,
Schwimmt ein Schifflein sonder Eil’,
Braungelockten Haar’s am Steuer
Lehnet Otto mit dem Pfeil.

Heilwig, seines Herzens Minne,
Schaut ihn blauen Auges an,
Und es geht ihm durch die Sinne,
Was sie einst für ihn gethan;

Wie sie ihn aus Haft und Banden
Jüngst befreit durch Muth und List,
Fürst und Held er seinen Landen,
Dichter ihr geworden ist.

[642]

Lieder tönen; Harfen klingen,
Und ein Stern vom Himmel fällt.
Ferner, ferner schallt das Singen –
O, wie schön ist doch die Welt!

Well’ auf Welle schäumt zur Stunde,
Mond vollendet seinen Lauf.
Aus versunk’ner Stadt im Grunde
Läuten Glocken dumpf herauf.

Wie ein Gottesauge glänzet,
D’rüber dunkle Brauen glüh’n,
Liegt, von Berg und Wald umkränzet,
Märchenhaft der Werbellin.

Wald und See im Wolkendunkel!
Trägen Flugs ein Weihe dort.
Stille rings – dann Sterngefunkel –
Und die Glocken läuten fort.

F. Brunold.




Der nächste Nachbar der Sonne.

„Schreiber des Weltalls! – Träger des höchsten Scepters, der die Legionen des Himmels überwacht! – Ordner der Natur, der die Zeit zählt und dem Aufgange der Gestirne zur rechten Stunde ihren Niedergang folgen läßt! – Deuter der himmlischen Geheimnisse! – Höchste Einsicht! – Prophet!“ So und in ähnlichen Wendungen pflegten die ältesten Sternkundigen, die Chaldäer, in ihren neuentzifferten schwungvollen astronomischen Hymnen den Planeten Mercur anzureden, eben weil er ihnen als der Nächste am Throne der strahlenden Königs des Weltalls, als der Vertraute ihrer Geheimnisse und Hausminister erschien. In der Klarheit des südlichen Firmaments geht Mercur, wie ein pünktlicher Oberceremonienmeister, alltäglich entweder dem Triumphwagen der Sonne voraus oder er folgt ihr, stets in ihrer unmittelbaren Nähe weilend, auf dem Fuße, gleichsam ihre Purpurschleppe tragend, wenn sie in den Ocean hinabsteigt. Man betete ihn daher in zweierlei Gestalt als Nabu und Nusku an, wie wir die Venus als Morgen- und Abendstern, als Lucifer und Hesperus feiern. Das assyrische Amt des Vertrauten und Geheimsecretärs der Sonne erklärt zugleich, warum Aegypter und Griechen ihren Mercur (Thoth und Hermes) zum Erfinder der Schrift und zum Hüter und Hort der geheimen Wissenschaften erhoben haben.

Weiter nördlich oder südlich von den Wendekreisen wird ein derartiger Mercur-Dienst nahezu unverständlich. Die nur kurze Dauer seiner Sichtbarkeit in den Dämmerungsstunden, die um diese Zeit in unseren Breiten herrschende Helligkeit, und die vorwiegende Trübung der tieferen Luftschichten erklären es hinlänglich, daß sich bei uns die Wenigsten der persönlichen Bekanntschaft des nunmehr abgedankten „Ministers des Innern“ erfreuen, und dieselben Mißverhältnisse müssen in noch höherem Grade auch den Astronomen zur Entschuldigung dienen, wenn diese einen noch näheren und wirklichen „Geheimrath der Sonne“ bis vor wenigen Wochen ganz übersehen haben.

Seit mehr als dreißig Jahren von der rechnenden Astronomie verkündet, wahrscheinlich auch bereits zu wiederholten Malen bei seinen Vorübergängen vor der Sonnenscheibe beobachtet, ist dieser innerste Planet immer wieder in seiner Existenz angezweifelt worden, bis er nunmehr in der letzten nur in Amerika sichtbaren Sonnenfinsterniß vom 29. Juli dieses Jahres, während ihrer kaum drei Minuten dauernden Totalität, deutlich von dem Astronomen J. Watson aus Ann Arbor (Michigan) und Professor Lewis Swift als Stern vierter bis fünfter Größe, einige Grade von der Sonne entfernt, erblickt worden ist. Werfen wir zunächst einen Blick auf die dem menschlichen Selbstgefühl höchst wohlthuende Vorgeschichte dieser Entdeckung, die unmittelbar an die höchsten Triumphe des menschlichen Scharfsinns anknüpft. Es sind dies Geschichten, die man, gegenüber den neueren Angriffen auf das Erkenntnißvermögen des Menschen, nicht oft genug erzählen kann.

Vierzig Jahre, nachdem Herschel (im Jahre 1781) den Planeten Uranus, als einen dem unbewaffneten Auge entgehenden Stern sechster Größe, entdeckt hatte, fand der Astronom Bouvard, daß die Bahn dieses äußersten Planeten Unregelmäßigkeiten aufweist, die sich keineswegs durch die von der Anziehungskraft seiner inneren Nachbarn Saturn und Jupiter verursachten Störungen erklären ließen, und vermuthete schon damals (1821), daß noch weit jenseits der Uranusbahn ein mächtiger Planet um die Sonne kreisen müsse, um den Uranus so weit von seinen rechtmäßigen Bahnelementen abzulenken, wie es offenbar der Fall war. Spätere Rechnungen des englischen Astronomen Airy erhoben diese Vermuthungen zu noch größerer Wahrscheinlichkeit, und in den vierziger Jahren nahmen gleichzeitig und ohne von einander zu wissen, Leverrier in Paris und Adams in Cambridge die Aufgabe in Angriff, aus den beobachteten Störungen sowohl die Masse, wie den Ort zu berechnen, an welchem der Störenfried zu einer bestimmten Zeit am Himmel zu finden sein müßte.

Leverrier veröffentlichte seine Arbeit etwas früher als Adams, was ihm dieser sehr übel genommen hat, und der Berliner Astronom Galle, dem Leverrier am 23. September 1846 seine Rechnungen mit der Bitte, die lange verzögerte Aufsuchung vorzunehmen, zugesandt hatte, fand noch an demselben Abend, als er das Fernrohr nach der berechneten Gegend des Weltalls gerichtet hatte, einen Stern achter Größe, der sich als der gesuchte äußerste Wandelstern unseres Systems erwies. Mit Recht lehnte Leverrier den Vorschlag ab, ihm den Namen Janus zu geben, welcher andeuten sollte, daß dieses nun der letzte Planet sein müßte, und legte ihm wegen seines meergrünen Lichtes den Namen Neptun bei. Er braucht, nebenher bemerkt, mehr als 217 Erdenjahre, um einen einzigen Umlauf um die Sonne zu vollenden, von der er 744 Millionen Meilen entfernt ist. So waren nun jenseits der den Alten bekannten großen Planeten zwei neue entdeckt worden, abgesehen von der inzwischen bereits ziemlich angewachsenen Schaar kleiner Planeten oder Planetoiden, die zwischen den Mars- und Jupiterbahnen um die Sonne kreisen.

Da man nun aber aus mehr als einem Grunde außerhalb der Neptunbahn vorläufig das Planetenentdecken aufstecken mußte, so richtete sich gleich damals das Bestreben der Astronomen darauf, dem neuen äußersten Planeten einen neuen innersten gegenüber zu stellen, und schon im Jahre 1847 bemühte sich der jüngere Bradley mit seinem Freunde Henrick in Newhaven (Connecticut), den Mercur seines viertausendjährigen Amtes als Sonnenminister des Inneren zu ersetzen, ein Unternehmen, welches aber aus den schon erörterten Gründen nicht so leicht war und völlig fehlschlug. Man sieht daraus jedoch, daß die amerikanischen Astronomen gewisse alte Anrechte auf diese Entdeckung haben. Eine bestimmtere Gestalt gewannen diese Angriffe erst, als der Neptun-Bezwinger selber, der im Rechnen den Meisten „über“ gewesen zu sein scheint, die Sache in die Hand nahm. Er verfolgte seinen gewöhnlichen sicheren Weg, indem er zu prüfen begann, ob die Straße des Mercur vielleicht ebenfalls durch eine unbekannte Größe „unsicher“ gemacht werde, die sich zur Abwechselung, statt im Dunkel der Nacht, in den Strahlen der Sonne verberge.

Das beste Mittel zu einer solchen Prüfung boten die Mercur-Durchgänge, bei denen der in achtundachtzig Tagen seinen Umlauf vollendende Planet als höchst winziger schwarzer Punkt vor der Sonnenscheibe vorüberzieht, was im Laufe eines Jahrhunderts durchschnittlich dreizehnmal zu geschehen pflegt. Der große Kepler hatte zuerst im Jahre 1631 einen solche Mercur-Durchgang verkündet, und seit dem Jahre 1697 hatte man einundzwanzig solcher Durchgänge genau beobachtet. Aus den hierbei gewonnenen Ergebnissen ging zunächst auf das Klarste hervor, daß die Bewegungen des Mercur noch nicht mit der Rechnung genau genug übereinstimmten. Da die Fehlerquelle nicht leicht darin liegen konnte, daß man die Masse der Venus unterschätzt hätte, – denn das hätten wir als nächste Nachbarn anderweitig spüren müssen – so mußte sie wohl bei irgend welchen incognito kreisenden Planeten innerhalb der Mercurs-Bahn gesucht werden. Dabei ergaben sich nun gewisse Unwahrscheinlichkeiten.

Nahm Leverrier nämlich an, daß ein einzelner Planet etwa halb so weit wie der Mercur in seiner mittleren Entfernung, das heißt beinahe vier Millionen Meilen von der Sonne entfernt sei, so mußte seine Masse bereits ebenso groß wie diejenige des Mercur angenommen werden, um die beobachtete Anziehung auszuüben; [643] nahm man, was wahrscheinlicher klang, an, daß er der Sonne noch etwas näher stehe, so mußte er noch größer sein. Nun konnte sich Leverrier kaum vorstellen, daß die Astronomen bei allen seitherigen totalen Sonnenfinsternissen einen so ansehnlichen Planeten regelmäßig übersehen haben sollten, und er neigte daher zu der Annahme, es möge sich nicht um einen einzelnen großen Planeten, sondern um mehrere, vielleicht viel kleinere Planeten in jenem inneren Raume handeln, die bei ihrer Kleinheit leichter zu übersehen wären, aber in ihrer Zusammenwirkung die vorhandene Störung ebensowohl hervorbringen könnten, wie ein einzelner größerer.

Kaum hatte Leverrier seine Rechnungen (September 1859) der Pariser Akademie der Wissenschaften vorgelegt, als sich auch schon mehrere Beobachter meldeten, die den fraglichen Planeten bereits gesehen haben wollten. Insbesondere sprach man davon, daß ein in einer kleinen, unweit Chateaudun belegenen Landstadt, Orgères, wohnhafter Arzt, Namens Lescarbault, einen Durchgang des betreffenden Planeten am 26. März 1859 genau beobachtet haben wolle. Leverrier legte anfangs kein Gewicht auf diese bei ähnlichen Gelegenheiten regelmäßig auftretenden Bewerbungen, aber schließlich wurden die Angaben so bestimmt, daß der große Astronom „ein Exempel zu statuiren“ beschloß und zu strengem Verhör nebst Haussuchung am 30. December 1859 bei dem kecken Planetenentdecker eintraf.

Sehr humoristische Beschreibungen dieses Besuches drangen damals in die Oeffentlichkeit. Der Director der kaiserlichen Sternwarte, entschlossen, dem Gerede ein Ende zu machen und einen Betrüger zu entlarven, sei, so erzählte man, wie ein Löwe über das unschuldige Lamm hergefallen, welches er einer derartigen Beobachtung für schlechterdings unfähig hielt, aber das Lamm, welches einsah, daß es bei der ersten ungeschickten Bewegung verloren wäre, antwortete herzhaft auf alle vorgelegten Fragen und gelangte dahin, den großen Astronomen zu überzeugen, daß es nicht nur im Stande sei, mit seinen einfachen Instrumenten eine solche genaue Beobachtung zu machen, sondern dieselbe auch wirklich gemacht habe. Leider hatte er den winzigen schwarzen Punkt nicht gleich in dem Augenblicke bemerkt, wo er den Rand der Sonnenscheibe zuerst passirt hatte, und obendrein hatte ihn während des Vorübergangs ein Patient consultirt, aber das Verlassen des Sonnenrandes hatte er genau beobachtet und auch die Sehne des Bogens der Sonnenscheibe, welche der Planet durchlaufen hatte, bestimmt. Leverrier legte die Ergebnisse dieser Beobachtung der Pariser Akademie der Wissenschaften in einer ihrer ersten Sitzungen im folgenden Jahre vor; er hatte daraus einen Planeten abgeleitet, der sich in einer Entfernung von etwa drei Millionen Meilen und in einem Zeitraume von neunzehn und dreiviertel Tagen um die Sonne bewege. Die allgemeine Stimme legte dem nicht officiell Getauften den Namen Vulcan bei, einerseits, weil er wie der Gott des Feuers unmittelbar um den Gluthherd unserer Welt kreist, dann aber auch im ausgesprochenen Gegensatze zu der Gottheit der Gewässer, die bei dem äußersten Planeten Pathe gestanden. Indessen glückte eine Wiederauffindung nicht, wahrscheinlich weil die auf so ungewissen Bahnelementen begründete Rechnung falsch gewesen war, und der Planet Vulcan gerieth in Vergessenheit und Mißcredit.

In der Zwischenzeit hatte ein Schüler Leverrier’s, der Züricher Astronom Professor R. Wolf, auf einem andern Wege neue Zeugnisse für das Vorhandensein eines oder mehrerer innersten Planeten gewonnen. Da dieselben nämlich offenbar wegen ihrer engern Bahn und kürzern Umlaufszeit den irdischen Astronomen viel häufiger das Schauspiel eines Durchgangs bieten müßten, als Mercur und Venus, so war es bei dem Eifer, mit welchem die Sonnenscheibe in unserm Jahrhundert von vielen Beobachtern gemustert wird, unwahrscheinlich, daß etwa vorhandene innere Planeten nicht auch öfter gesehen worden sein sollten. Er sah also die vorhandenen Aufzeichnungen über kleine Sonnenflecke durch, von welchen beobachtet worden war, daß sie schneller als die übrigen über die Sonnenscheibe dahinziehen. Die eigentlichen Sonnenflecke, welche man für Wolken oder andere Oberflächenbildungen der Sonnenhülle ansieht, brauchen von ihrem ersten Auftauchen an dem einen Rande der Sonne bis zum Erreichen des andern, wenn sie sich so lange erhalten, gewöhnlich die Zeit einer halben Sonnenumdrehung, also gegen dreizehn Tage, während ein Planet, selbst wenn er den weitesten Weg durch das Centrum der Scheibe nimmt, dazu nur den vierzigsten oder fünfzigsten Theil dieser Zeit gebraucht. Wirklich fand nun auch Professor Wolf Angaben über fünfzehn derartige kleine und durch ihre Bewegungsschnelligkeit verdächtige Flecken, von denen sich mehrere auf einen kleinen Planeten von achtunddreißig und einen halben Tag Umlaufszeit beziehen ließen.

Eine erste Probe der neuen Mercur-Theorie, die sich auf die Annahme eines oder mehrerer innerster Planeten stützte, lieferte bereits der nächste Mercur-Durchgang (12. November 1861). Er folgte ziemlich genau der neuen Rechnung, die von der älteren um mehr als drei Minuten abwich. Auch die Beobachtung des letzten Mercur-Durchgangs (6. Mai 1878) ergab Stützpunkte für die Richtigkeit der ersteren. Ein Vergleich der Bestimmungen der Zeitpunkte, in denen der Mercur die Ränder der Sonnenscheibe berührte, mit den Angaben der amerikanischen und englischen Schiffsalmanache ergab, daß der englische der Wahrheit viel näher gekommen war. Da nun die Tafeln des amerikanischen Almanachs nach Leverrier’s alter Theorie der Mercurs-Bahn berechnet sind, die des englischen aber nach seiner den innersten Planeten berücksichtigenden neueren Theorie, so bewies auch dadurch der noch immer incognito seinen Weg fortsetzende innerste Planet seine Gegenwart.

In der That hat Leverrier bis zu seinem am September 1877 erfolgten Tode nicht aufgehört, die Astronomen zur Aufsuchung des zweiten, von ihm durch Rechnung gefundenen Planeten anzuspornen, und noch ein kurz vor seinem Tode an Airy gerichteter Brief behandelte diese Frage. So hatte er auch den nunmehrigen Entdecker J. Watson persönlich dazu aufgefordert, als dieser ihn vor viertehalb Jahren in Paris auf der Rückreise von Peking besucht hatte, wohin er im Auftrage seiner Regierung zur Beobachtung des letzten Venus-Durchgangs gegangen war. Watson hatte sich durch die Auffindung einer großen, nachher bis auf fünfzehn Häupter angewachsenen Reihe jener kleinen Planetoiden ausgezeichnet, die zwischen Mars und Jupiter kreisen und von vielen Astronomen für die Bruchstücke eines durch eine Katastrophe in Trümmer gegangenen großen Planeten gehalten werden. Der Entdecker zahlreicher, so winziger Objecte schien Leverrier der rechte Mann zu sein, den oder die innersten, möglicher Weise nicht größeren Planeten aufzufinden, die er mit seinem geistigen Auge erschaut hatte. Ebenso, wie ehemals Monate vergangen waren, ohne daß Jemand an die Aufsuchung des Neptun ging, dessen Ort er genau bezeichnet hatte, so waren Jahrzehnte vergangen, bevor man sich ernsthaft an die Entdeckung der innersten Planeten machte, und ein neidisches Schicksal versagte Leverrier diesen zweiten Triumph seiner Rechnungen zu erleben.

Watson kehrte mit dem Entschlusse heim, der erhaltenen Aufforderung Folge zu leisten, und Leverrier’s in frischem Andenken stehender Tod mag ein Motiv mehr gewesen sein, die Ausführung seines Vermächtnisses als heilige Pflicht zu betrachten. Natürlich ist eine totale Sonnenfinsterniß die einzige günstige Gelegenheit, noch näher als der Mercur um die Sonne kreisende Weltkörper zu entdecken, und so hatte man sich denn in Amerika mit Eifer dazu gerüstet und besondere, sehr genaue Sternkarten der der Sonne in jenen Minuten als Hintergrund dienenden Region des Sternhimmels zum Vergleiche entworfen.

Die kleinsten Sterne waren daselbst eingetragen, um jeden dort nicht stationirten Wanderer sogleich erkennen und in Haft nehmen zu können. Besonders günstig war die Gelegenheit nicht zu nennen, denn die vollständige Verfinsterung währte noch nicht einmal drei Minuten, und in der That haben nur wenige von den über verschiedene Stationen Nordamerikas zerstreuten Beobachtern den inneren Planeten gesehen. Vielleicht wäre er wiederum gar nicht gesehen worden, wenn der Sonnenrand auch diesmal ebenso prachtvolle Lichtphänomene wie bei den letzten totalen Verfinsterungen dargeboten hätte. Aber während sich damals Ausbrüche und Eruptionen glühender oder brennender Dämpfe bis zur Höhe von zwanzigtausend Meilen erhoben, zeigten sich diesmal nur geringe Hervorhebungen über den Sonnenrand; in der gewaltigen Thätigkeit der Verbrennungsprocesse scheint eine wahrscheinlich mit der elfjährigen Periode der Sonnenflecke im Zusammenhange stehende Ruhepause eingetreten zu sein. Die Aufmerksamkeit der Professoren Watson, Newcomb, Holder und Anderer, die sich zur speciellen Aufgabe gesetzt hatten, den Vulcan aufzufinden, wurde also nicht allzusehr durch glänzende Erscheinungen von ihrem [644] Endzweck abgelenkt, und Professor Watson, der auf einer Station in Wyoming beobachtete, sah deutlich zwei Grade südwestlich von der Sonnenscheibe einen Stern vierter Größe, der dicht bei einem noch lichtschwächeren, aber auf den Karten verzeichneten Sterne im Thierkreisbilde des Krebses stand, und der, weil nie vorher beobachtet, nur der gesuchte Planet sein konnte. In der That erschien er im Fernrohre mit einem deutlichen Durchmesser, wie dies nur bei Planeten (und Kometen) der Fall ist, während die Fixsterne auch im stark vergrößerten Fernrohre Punkte bleiben. Er besaß übrigens nur eine Helligkeit, um in anderer Gegend des Nachthimmels einem guten Auge gerade noch ohne Fernrohr gut erkennbar zu sein, aber aus seiner Stellung geht hervor, daß er zur Zeit nur einen Theil des auf ihn fallenden Sonnenlichtes uns zuwarf. Die zwischen uns und der Sonne stehenden Planeten zeigen bekanntlich Phasen wie der Mond, das heißt der Planet erscheint bald voll, bald nur zu einem Theile beleuchtet, und Watson nimmt an, daß der neu entdeckte Planet gelegentlich wohl als Stern erster Größe erscheinen könnte. Der Director des Pariser Observatoriums Gaillot, welcher lange Jahre Leverrier in seinen Rechnungen unterstützt hat, findet, wie er soeben veröffentlicht, daß Watson’s Planet, dessen scheinbarer Durchmesser mit dem des Mercur ziemlich übereinstimmte, ganz wohl der sogenannte Vulcan Lescarbault’s sein könnte und dann bei einer Umlaufszeit von 24 Tagen und 6 Stunden ungefähr dieselbe Masse wie der Mercur besitzen möchte. Ob diese Annahme richtig ist, und ob er den einzigen Beherrscher dieser Sphäre darstellt, muß die Zukunft entscheiden. Vielleicht wird man ihn dereinst, wenn man erst seine Bahn genauer kennt, ebensowohl am hellen Mittag beobachten können, wie den Mercur, von dem Copernicus noch auf seinem Todtenbette bedauert haben soll, daß er ihn nie habe sehen können. Dann wird man wohl auch seine näheren Verhältnisse kennen lernen, von denen man vorläufig nicht viel mehr weiß, als daß ihm die Sonnenstrahlen noch stärker einheizen werden, als dem Mercur, dessen etwaige Bewohner bereits zur Classe der Salamander-Menschen gerechnet worden sind.

Carus Sterne.




Aus Robert Blum’s Leben.
9. In der Paulskirche und daheim.

Wenn man beklagen muß, daß Robert Blum seine Thätigkeit im Deutschen Parlamente nach einem von Anfang an unerreichbaren Ziele richtete, so erscheint andererseits sein Charakterbild auf diesem Höhepunkt seines politischen Wirkens in edelster Reinheit und Größe. Voll entfaltete sich hier sein hohes natürliches Talent. Er war der anerkannte Führer der Linken. Auch die Gegner waren bezaubert von der gewaltigen Macht seiner Rede. Sie ist stets getragen von tiefster, innerlichster Ueberzeugung. Sein monatelanges Wirken in Frankfurt war aber auch ein Beispiel von Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes, ein so hingebendes Opfer aller persönlichen Interessen, wie es wenige unter den sechshundert Abgeordneten der Paulskirche dargebracht haben mögen. Denn Blum zog nach Frankfurt ohne Mittel, fort von einem kaum gegründeten jungen Geschäft, das ihn und die Seinen unmöglich schon nähren konnte. Die Abgeordnetendiäten reichten nicht einmal für ihn allein, geschweige denn für die Seinen. Unter den drückendsten Sorgen um’s Dasein hat er seine Pflicht für das Vaterland gethan: denn nun waren die Tage gekommen, die er schon kommen sah, ehe er seinen Herd begründete, die ihn zu höherem Wirken beriefen, als zur Sorge für Weib und Kind und Haus. Vor Allem aber ist Eins Robert Blum zu danken: all die gefährlichen Ausbrüche mit bewaffneter Hand, welche das Jahr 1848 aufzuweisen hat, wären noch bei weitem gefährlicher und blutiger geworden, hätten viel breitere Schichten des Volkes ergriffen, wenn Blum sich mit seinem großen Einfluß und Anhang auf die Seite der bewaffneten Empörung gestellt hätte. Er hat das Gegentheil gethan, und er hat sich dadurch das Eine verscherzt, was er im vollsten Maße besaß: die Gunst der Massen.

In das Parlament wurde Blum so gut wie einstimmig von Leipzig gewählt. Sofort mit Eröffnung des Parlaments – an jenem unvergeßlichen 18. Mai – beginnt wieder unendliche Arbeit für den Führer der Linken. „Der Sturm hat seit vorgestern begonnen“ – schreibt er der Frau am 19. Mai – „und Tag und Nacht vermengen sich bei uns in der sonderbarsten Weise. Erwarte daher jetzt keine Briefe! Ab und zu ein Zettelchen sollst Du haben. George[2], Schaffrath und ich – wir wohnen jetzt zusammen in einer prächtigen Wohnung mit schönem Garten und bezaubernder Aussicht; Georg ist der unerbittliche Wecker, wenn wir Morgens oft nur zwei, höchstens drei Stunden geschlafen haben. Denn frühestens kommen wir ein Uhr nach Hause und stehen schon um vier Uhr wieder auf. Bleibt recht gesund und munter! Wenn Ihr könnt, so schlaft etwas für mich, denn ich erhalte jetzt meinen Bedarf nicht.“ Am 30. Mai schreibt er der Frau: „Also unsere Leute kümmern sich gar nicht um Dich. Nun, Du kannst ja mitunter mit Cramer’s und Friese’s ausgehen, damit Du und die Kinder doch wohin kommen. Bleibe nur gesund und spare nicht etwa zu sehr, sodaß Hans sagt: ‚Wir essen nichts.‘“

Die Klagen über die schwerste Sorge des Daseins ziehen sich durch viele Briefe der Gatten. Anfang Juli hatte Advocat Haubold in Leipzig, der spätere Vormund der Waisen Blum’s, seinen Freund Robert mit 350 Thalern überrascht, welche die wohlhabenden Freunde Blum’s in Leipzig für ihn aufgebracht hatten. Blum nahm die Summe nur an „als ein Darlehen, als eine heilige Schuld, die ich dem Vaterlande abzutragen habe. Und ich kann sie nicht besser abtragen, als wenn ich dem Vaterlande, der Freiheit, der Verbesserung der politischen und socialen Zustände meine Kraft, mein Leben, mein Gut und Blut widme, wo und wie es nöthig ist.“ Dennoch hat Blum diese Summe in Wahrheit nur als ein Darlehn betrachtet, denn am 18. September schrieb er an seine Frau: „Die Diäten vom Fünfzigerausschuß nutzen mir leider nichts, denn ich muß sie, sobald sie bezahlt sind, dem Leipziger Ausschuß erstatten, welcher damals für uns gesammelt hat.“ Jedenfalls ist das Geld für seine und der Seinigen dringendste Lebensbedürfnisse schnell genug verbraucht gewesen. Denn schon am 15. bis 16. Juli schrieb er an die Gattin: „Also werde gesund und bewahre mir die lieben Kinder! Aber die entbehren mich wohl gar nicht mehr? Warum muß man so arm sein, daß man dieselben gar nicht sehen kann! Leider bemerke auch ich, wie die Vierteljahre enteilen. Bereits ist der längste Tag vorüber, und ich habe vom Sommer nichts, gar nichts bemerkt, als daß die Hitze in der Paulskirche und in den Commissionslocalen unerträglich ist und mir oft nur alle acht Tage Zeit bleibt, einmal zu baden. Wir müssen wirklich große Opfer bringen an Kräften und Wohlsein, und wenn sie nur nutzten!“ „Paulskirche, den 2. August 1848: Mein Gott, schon August!“ Was Blum durch diese lange Abwesenheit von den Seinen, durch die Unmöglichkeit aus seinen Mitteln eine Reise nach Leipzig zu bestreiten, in gemüthlicher Hinsicht gelitten hat, das offenbaren uns vollständig erst die Briefe an seine Mutter und Schwester Margarethe nach Köln. Denn aus diesen erhellt mit Bestimmtheit, daß er seine Gattin schon 1846 für auszehrend hielt.[3] Gewiß, wiederholen wir, haben wenige Abgeordnete der Paulskirche ihrer patriotischen Pflicht so schwere Opfer gebracht.

In dieser monatelangen, ruhe- und beinahe freudlosen Thätigkeit bot die Pfingstreise der Linken in die Rheinpfalz (10. bis 14. Juni) eine wunderbar reiche geistige und körperliche Erfrischung. Beinahe die ganze dortige Bevölkerung harmonirte damals mit Blum’s Parteirichtung. Nun denke man sich die ganze Linke des Parlaments von der „fröhlichen Pfalz“ eingeladen und bewillkommnet, von Deidesheim und Neustadt an bis Edenkoben, Gleisweiler und zur majestätischen gewaltigen Ruine des Eschbacher Schlosses geleitet von Tausenden von Bürgern; in jedem größeren Orte zum Reden und dem landesüblichen Trinken gezwungen, beherbergt, gefeiert wie Gott in Frankreich – und man wird ermessen, welch reiche Freude hier Blum beschieden war. Alle Huldigungen wendeten sich ihm, dem Führer, zu, namentlich alle Huldigungen der patriotisch begeisterten Frauenwelt.

[645]

Die Judengasse in Wien.
Nach der Natur aufgenommen von Theodor Breidwiser.

[646] Und wie nahm Blum sie auf? Am 25. Juni schreibt er der Gattin, nachdem er ihr von der Pfälzer Reise und den ihm von den Pfälzerinnen gespendeten Gunstbezeigungen erzählt: „Das ist ein schönes Zeichen, aber vor persönlicher Eitelkeit bewahrt mich erstens jeder Blick in den Spiegel, der mir sagt, daß ich nicht schön und vierzig Jahr alt bin. Zweitens das Bewußtsein, daß es nicht dem Manne, sondern dem Parteiführer gilt und ich also stets mit meinen Getreuen theilen muß, wobei mir sehr wenig bleibt. ... Ging es doch dem alten, häßlichen Mirabeau gerade so; hoffentlich werde ich demselben in anderer Beziehung nicht ähnlich.“

Noch als ich 1864 zum ersten Male in der schönen Pfalz war, traf ich überall die lebendigste Erinnerung an diese Pfingstreise der Linken und besonders an Robert Blum. „Hier hat er gestanden, gesprochen“ – erzählen noch heute die Alten, die damals jung waren. Und auf dem Eschbacher Schloß stand einst auf steinerner Platte eingegraben, daß hier auf den Trümmern des gebrochenen Bischofssitzes, von wo der Blick umspannt die Höhen des Schwarzwaldes von Baden-Baden, die Vogesen von Straßburg an bis zu dem fernen Kaiserstuhl von Heidelberg und dem ferneren Melibocus der Bergstraße, Robert Blum gesprochen habe zum Volke über seine heiligsten Rechte und Ziele. Der Stein ist zerschlagen von der Wuth einer baierischen Soldatenschaar. Neue Trümmer haben sich zu den Trümmern gesellt, die einst Melac’s Wüthriche gebrochen. Die Gebeine des gefeierten Redners und Volksmannes modern an den Ufern der Donau. Das erzählt das Eschbacher Schloß von der Pfingstfahrt der Linken.

Nach fast fünfmonatlicher Abwesenheit von Leipzig war es Robert Blum vergönnt, Mitte August die Seinen wiederzusehen, auf wenige Tage wieder sein Haus zu betreten. Aber nur mit tiefem verhaltenem Schmerz mochte er der Gattin in’s Auge blicken. Sie war im Sommer schwer erkrankt. „Jenny hatte sich mühsam und eben wieder etwas erholt, war aber noch keineswegs wieder gekräftigt. Meine Vermuthung, daß sie die Auszehrung habe, bestätigt sich, und ich weiß wahrlich nicht, ob ich es preisen oder beklagen soll, daß ich hier bin. Zeuge einer Krankheit zu sein, die mit furchtbarer Langsamkeit den Menschen aufreibt, ist entsetzlich; fern zu sein, ist um so entsetzlicher, als bei der Zunahme der Kraftlosigkeit die Kinder natürlich verwildern und den Vater doppelt bedürfen.“ So schrieb er am 29. August von Frankfurt an Mutter und Schwestern.

Natürlich durfte Blum auch in Leipzig nicht auf ein idyllisches Stillleben im Familienkreise hoffen. Tag und Nacht nahmen die politischen Freunde den gefeierten Volksmann in Beschlag mit Versammlungen, Volksfesten, Ehrenbezeigungen aller Art. Was immer das Herz des Mannes mit Stolz und Freude erfüllen kann, hat damals Leipzig seinem Abgeordneten geboten. Noch heute leben jene Festestage, die Robert Blum von der ganzen Bevölkerung der Stadt dargebracht wurden, in der Erinnerung des Volkes; namentlich der gewaltige Fackelzug, der an seinem bescheidenen Hause in der Eisenbahnstraße vorüberwallte, über eine Stunde lang, mit zehntausend Fackeln; noch unvergessener ist die Rede, die Blum am 16. August 1848 im Garten des (alten) Schützenhauses vor zehn- bis zwölftausend Hörern hielt. Er gab hier einen Rechenschaftsbericht über sein Verhalten im Vorparlament, im Fünfzigerausschuß und der Paulskirche. „Ich beginne damit,“ sprach er, „daß ich nach langer Abwesenheit einen herzlichen Gruß an Sie richte, den Gruß, den man den Seinen bringt (Stimmen: es lebe Blum!) bei endlichem Wiedersehen. Eine gewaltige Zeit ist in unserm Vaterlande dahingegangen, seit wir uns nicht gesehen. In dem Gesetze, welches die Vertreter des Volkes schaffen und feststellen sollen, sehen meine Genossen und ich die Bürgschaft der Einheit unseres Vaterlandes, basirt auf die einzig dauernde Grundlage der Freiheit, durch welche die Größe und Kraft eines Volkes allein wachsen und gedeihen kann.“ Er schildert dann, wie er von Anfang an im Sinne dieser gesetzlichen Entwickelung in Frankfurt gewirkt habe gegen die Reaction wie gegen die Anarchie, wie ihn das Vertrauen des Fünfzigerausschusses nach Köln, Coblenz, Aachen, Mainz etc. als Commissar gesandt habe, um dort nach blutigen Empörungen „die Einheit, das Recht und den Frieden zu befördern, und diejenigen, die mich gesandt hatten, waren mit mir zufrieden“. Nachdem er dann aller wichtigen Beschlüsse der Nationalversammlung gedacht und seine und seiner Partei Haltung in derselben beleuchtet hatte, schloß er: „So also werde ich fortfahren. Ich werde festhalten an der Einheit, die ruht auf der Freiheit, an der einzig haltbaren Grundlage und an der Beförderung des Volkswohls nach meinen Kräften. Die Grundzüge meines Handelns stehen fest, und ich werde nicht von ihnen wanken. Das ist ein schlechter Soldat, der sich zurückzieht vom Schlachtfelde, weil er eine Niederlage erhalten hat. (Allgemeiner Applaus.) Die Linke wird die Paulskirche nicht verlassen; sie wird bleiben und aushalten, wie der Würfel auch fallen möge; sie wird immer auf’s Neue kämpfen für ihre Ansicht. Aber sie wird und muß sich auch fügen der Mehrheit und ihren Beschlüssen. Was einmal die Mehrheit gewollt hat, das ist Gesetz und die Linke wird dasselbe anerkennen als heiligen Willen der Nation, deren Vertreter es gegeben. (Großer Beifall.) Und so scheide ich von Ihnen, geehrte Mitbürger, mit der offenen Darlegung meines Bekenntnisses und der heiligsten Versicherung, das Wohl des Volkes, die Freiheit und Einheit des Vaterlandes zu vertreten nach Kräften und, wenn es die Zeit erfordert, freudig Gut und Blut dafür aufzuopfern.“

So tief die Wirkung dieser Rede, dieser Feste war, so hat doch Robert Blum’s Reise nach Leipzig ihren wahren eigentlichen Zweck, den nämlich: die mehr und mehr aus einander fallenden demokratischen und fortschrittlichen Elemente Leipzigs und des Landes sämmtlich, wie ehedem, unter Blum’s Führung zu vereinigen und an seinen guten Namen zu fesseln, nicht erreicht. Als er Sachsen Ende März verlassen, war sein Einfluß unter den politischen Männern des Landes bei weitem der größte gewesen. Die Wahlsitze im Landtag, im Parlament wurden damals beinahe ausschließlich von ihm vergeben. Nur vier bis fünf entschiedene Anhänger der Erbkaiserpartei sandte Sachsen in’s Parlament. In Leipzig vollends war Blum’s Einfluß im März 1848 fast dominirend. Sein Leipziger Blatt, das sich mit der Revolution des Jahres 1848 wieder „Vaterlandsblätter“ nannte, war die gelesenste politische Zeitung des Landes. Von Frankfurt aus wirkte er außerdem durch die von ihm dort mit Günther begründete „Deutsche Reichstagszeitung“. Die von ihm in’s Leben gerufenen sächsischen „Vaterlandsvereine“ waren im März zu einer einheitlich organisirten, im ganzen Lande nach seinem Willen einheitlich und energisch handelnden Macht im Staate geworden.

Das Alles war in den wenigen Monaten seiner Frankfurter Abwesenheit in’s Schwanken gerathen. Denn erstes war an dem Bewußtsein, die große Mehrheit des Frankfurter Parlaments hinter sich zu haben, in Leipzig die gemäßigt liberale Partei, die fest und bestimmt auf ein monarchisches Oberhaupt aus dem preußischen Herrscherhause hinsteuerte, immer mehr erstarkt, und im Parlament saßen ihre Mitglieder Biedermann und Koch, der spätere gefeierte Bürgermeister Leipzigs. Auch die Fehler der politischen Haltung der Linken in Frankfurt erhöhten den Einfluß dieser „Deutschen Partei“ in Leipzig und im Lande täglich. Schon Anfang Juli war von dieser Partei, die ihre Agitation durch die „Deutschen Vereine“ über das Land spann, bei der Nationalversammlung eine mit 9600 Unterschriften bedeckte Adresse überreicht worden, welche sich gegen die Republik aussprach. Diese eine Thatsache schon hatte Blum bereits am 6. Juli 1848 einen Brief „an die Generalversammlung der Sächsischen Vaterlandsvereine zu Dresden“ entlockt, der trotz aller Zuversicht in die Gesinnung der Adressaten doch deutlich zeigt, wie ernst Blum die Gefahr ansah, welche die „Deutschen Vereine“ seinem politischen Einflusse bereiteten, und mit welchen Mitteln er dagegen zu operiren gedachte. Es sollte der Trumpf des republikanischen Particularismus gegen das Project des Erbkaiserthums der Mehrheit des Frankfurter Parlaments ausgespielt werden.

Nun, da Blum in Leipzig am 16. August sein Verhalten vertheidigt, sprachen die Führer des „Deutschen Vereins“ in Leipzig im Tageblatte in einer öffentlichen „Erklärung“ vom 18. August offen aus, warum sie mit dem Vertreter Leipzigs im Parlament unzufrieden seien und die Versammlung im Schützenhause nicht besucht hätten. Der Vorwurf „undeutscher Gesinnung“, der hier gegen Blum erhoben wurde, war gewiß unberechtigt, aber im Uebrigen traf die kurze Erklärung scharf und schneidend die Fehler seiner Parteipolitik. Blum’s sehr umfangreiche Entgegnung („Offener Brief“) aus Frankfurt vom 25. August 1848 widerlegt mit Glück, was zu widerlegen war, den ungerechten Vorwurf undeutscher Gesinnung. Aber dem Unparteiischen wird kaum entgehen, [647] daß er in diesem Federkriege eine Niederlage erlitten hat. Daß ihm selbst nicht ganz wohl dabei war, verrieth seine leidenschaftliche persönliche Sprache im „Offenen Briefe“, die ihm sonst, auch in der Rede im Schützenhause, so fern lag.

Aber noch weit peinlicher als dieses Anwachsen gegnerischer Kräfte mußte ihm sein der sichtliche Zerfall der Disciplin und Einigkeit im eigenen Lager.[4] Das Aergste geschah durch einen gewissen Jäkel, welcher damals die Rolle eines Dictators der sächsischen Volkssouveränetät spielte und an Robert Blum schrieb: „Lieber Blum! Nur wenige Worte. Daß Du nebst Günther mit Ablauf dieses Quartals von der Redaction der ‚Vaterlandsblätter‘ zurücktrittst, wird hier allgemein (!) erwartet. Das Blatt ist zu scheußlich, zu charakterlos. Unzählige (!) Schreiben, die bei dem Centralausschusse aus der Provinz eingegangen, sprechen ihre Verwunderung darüber aus, wie Eure Namen noch auf diesem reactionären Blatte stehen können.“

Es würde unbegreiflich erscheinen, daß ein Robert Blum sich dazu herbeiließ, diesen Zumuthungen und unverlangten Rathschlägen Folge zu leisten, wenn damals bei ihm und seinen Parteigenossen in Frankfurt nicht der unselige Gedanke zum Durchbruch gekommen wäre, mit Hülfe des radikalen Particularismus die monarchische preußische Majorität in Frankfurt zu bekämpfen. Energisch warnten ihn Leipziger Freunde. Mehr noch als die überzeugende Darstellung treuer Freunde hatte aber inzwischen bei Blum einen Umschwung der Meinung jene unselige Katastrophe bewirkt, welche wir heute in unserer Erinnerung als die Frankfurter Septembertage zusammenfassen.

Hans Blum.




Blätter und Blüthen.

Die Judengasse in Wien. (Mit Abbildung S. 645.) „Jedes Land hat die Juden, die es verdient“ – das ist ein in der jüngsten Zeit ziemlich populär gewordenes Wort, und es wird vielleicht sogar über kurz oder lang Herrn Büchmann, dem geistvollen Sammler und Erklärer der „geflügelten Worte“, verfallen sein. Es ist aber auch ein gutes und ein treffendes Wort, darum dürfte der Eifer so groß sein, mit welchem K. E. Franzos[WS 2], der rasch beliebt gewordene Novellist und Sittenschilderer der osteuropäischen Juden, die Urheberschaft desselben für sich in Anspruch nimmt. In der That können Lage und Art der Juden innerhalb eines Staates als Culturgradmesser desselben betrachtet werden, insofern wir eine Nation als um so entwickelter betrachten dürfen, je weniger man von einem specifisch-orthodoxen Judenthum innerhalb derselben wahrnimmt. Fassen wir einmal die Stellung in’s Auge, welche die Juden in Amerika, in England, selbst in Frankreich einnehmen, so haben wir es in allen diesen Ländern durchgängig nur immer mit Amerikanern, mit Engländern, mit Franzosen zu thun. Daß Leute dort zufällig auch Juden sind, das schafft ihnen keine Ausnahmestellung. Ganz so weit sind wir in Deutschland und in Oesterreich noch nicht, noch viel weniger in Rußland, Rumänien etc. Aber, wird man einwenden, die gesetzliche Gleichberechtigung ist ja längst fast überall schon ausgesprochen worden. Das ist allerdings richtig, aber ebenso richtig ist es, daß das volle Bewußtsein davon noch keineswegs überall ganzen Kreisen der Bevölkerungen so in’s Bewußtsein gedrungen ist, daß sie diese Gleichstellung als etwas ganz Natürliches und Selbstverständliches zu betrachten vermöchten. Erst wo letzteres in vollem Maße der Fall ist, können sich die Juden mit der übrigen Bevölkerung verschmelzen, und dann erst schleifen die noch zurückgebliebenen Elemente derselben auch ihre besonders in die Augen springenden, nicht immer sehr sympathischen Eigenthümlichkeiten ab. Dann erst gehören sie der Nation, unter welcher sie leben, vollständig an, und auf welche Weise sie dann selig zu werden hoffen, das bleibt im Ganzen und Großen für das Gemeinwesen gleichgültig.

Was speciell Oesterreich betrifft, so sind, wie gesagt, die Juden hier noch keineswegs so mit der übrigen Bevölkerung verschmolzen, daß ihnen nicht in vieler Beziehung eine besondere Ausnahmestellung zufiele. Nichts desto weniger vollzieht sich, wenn auch nur langsam, der Verschmelzungsproceß, durch welchen schließlich doch eine Ausgleichung erfolgen wird. Es wäre kurzsichtig, daran zweifeln zu wollen, weil dieser Proceß bisher noch so wenig Resultate zu Tage gefördert hat. Vergesse man doch nicht, daß in Oesterreich eine dem liberalen Zeitgeiste entsprechende Wendung der Dinge und also auch eine Erlösung der Juden aus crassester Bedrückung überhaupt erst seit 1848, also seit relativ sehr kurzer Zeit im Zuge ist. Daß die Ausgleichung in Wien selbst am ehesten erfolgen wird, erklärt sich aus den Verhältnissen einer Großstadt leicht. In der raschlebigen Reichshaupt- und Residenzstadt hat das Judenthum noch zehnmal rascher gelebt und zehnmal so viel erlebt, wie die übrige Bevölkerung.

Unter Karl dem Sechsten durfte kein Christ einem Juden ein Nachtquartier bieten, und da es doch manchmal vorkam, daß Juden sich in Christenwohnungen aufzuhalten vermaßen, erließ der Kaiser ein Patent, nach welchem jeder christliche Hauseigenthümer oder Inwohner, der einem Juden auch nur über Nacht Unterstand geben würde, „mit einer unnachlässigen Strafe pr. Eintausend Reichs-Thaller beleget werde, so auch mit allem Ernste von ihnen eingetrieben werden solle“. Unter Maria Theresia erging es den Juden in Wien nicht besser. Sie mußten, wenn sie den Schutz der Gerichte anriefen, doppelte Gerichts- und Kanzleitaxen bezahlen; sie durften an christlichen Feiertagen, deren es damals sehr viele gab, während des Gottesdienstes nicht auf die Straße sehen, geschweige denn sie betreten. Sie durften nur in bestimmten, ihnen zugewiesenen Häusern und Straßen wohnen, mußten die Erlaubniß, Wiener Luft einathmen zu dürfen, mit schwerem Gelde bezahlen, und mußten sich den Abscheu und die Verachtung nicht nur des Volkes, sondern auch der Regierung selbst gefallen lassen. Wird doch erzählt, daß die große Kaiserin, als sie einmal nicht umhin konnte, einem Juden eine Audienz zu gewähren, sich während der Audienz, bei welcher es sich um das Wohl und Wehe von 10,000 Prager Juden handelte, hinter eine spanische Wand versteckte. Dieser Wand hatte der Jude seine Bitten vorzutragen, denn die Kaiserin wollte nicht, daß ein Jude sie auch nur ansehe.

Wie eine Erlösung mußten daher diese von roher Beschränktheit, von unmenschlichem Fanatismus und nimmersatter Hab- und Aussaugungssucht herabgedrückten Menschen das von Kaiser Joseph dem Zweiten am 8. Januar 1782 erlassene Toleranz-Edict begrüßen. Freilich war der Zeitgeist des vorigen Jahrhunderts auch in seinen erfreulichsten Aeußerungen noch immer anders geartet, als er es heute ist, und daß die Judenschaft Oesterreichs von diesem kaiserlichen Patente so hoch beglückt ward, spricht nur dafür, unter wie furchtbarem Drucke sie vorher zu leiden hatte. Der erste Paragraph des Toleranz-Edictes beginnt mit den Worten: „Zwar geht unser höchster Wille keineswegs dahin, der in Wien wohnenden Judenschaft in Beziehung auf die äußere Duldung eine Erweiterung zu gewähren –“; es wird ferner in demselben Absatze das Verbot erneuert, nach welchem die Juden keinen öffentlichen Gottesdienst, keine Synagoge, keine Buchdruckerei halten durften. In den weiteren Paragraphen wird verordnet, daß „dort, wo niemals Juden ansässig gewesen, auch künftig keinen sich ansässig zu machen zustehen soll“, daß ohne obrigkeitliche Bewilligung kein Jude aus der Provinz nach Wien kommen dürfe; wollte ein ausländischer Jude nach Wien, so mußte er erst dem Kaiser selbst eine Bittschrift einsenden.

Ein Gewerbe zu betreiben, wurde den Juden zwar nunmehr verstattet, aber vom Bürger- und Meisterrecht sollten sie ausgeschlossen bleiben. Man sieht, noch immer hatten sie unter einem harten Drucke zu leben, und doch war die neue Stellung, die ihnen der „Schützer der Menschheit“ angewiesen hatte, eine menschenwürdige im Vergleiche zu der ihnen bis dahin eingeräumten. Sie konnten jetzt überall in der Stadt Wohnungen beziehen; die doppelten Gerichtstaxen für sie waren abgestellt; sie durften sich Schulen gründen und Lehrer halten; der Leibzoll, den die fremden Juden zu entrichten hatten, wurde aufgehoben; sie durften nun auch an Sonn- und Feiertagen ungehindert die Straßen betreten und hatten noch dergleichen „Rechte“ mehr, die sich allerdings im Lichte der heutigen Zeit etwas eigenthümlich ausnehmen. Sofort nach dem Tode Kaiser Joseph’s des Zweiten erhob die Reaction wieder ihr Haupt, und am 30. October 1790 erschien denn auch schon eine wahrhaft monströse Juden-Verordnung, die alle liberalen Bestimmungen des sogenannten Toleranz-Edictes illusorisch machte. Aber schon warf die Sonne der neuen Zeit ihre ersten Strahlen herein und verscheuchte brutale Inhumanitäten und Ungerechtigkeiten. Ein halbes Jahr später wurde jene Verordnung wieder außer Kraft gesetzt, und noch ein Jahr später wurde sogar verordnet, daß dieses Gesetz aus der Hofgesetz-Sammlung vollständig zu streichen sei.

Bis zu dem Sturmjahre 1848 dauerte die Periode der „Toleranz“, und es war das keine beneidenswerthe Periode. Denn die Juden waren bis dahin in Oesterreich eben nur geduldet, und das unter den mannigfachsten Verclausulirungen. Bei der Polizei gab es noch ein besonderes Judenamt, wo die Taxen bezahlt und die Erlaubnißscheine zum Aufenthalte in Wien ausgefolgt wurden. Es gab im Jahre 1847 nicht einmal 200 geduldete Judenfamilien in Wien.

Werfen wir nun nach alledem einen Blick auf die heutigen Verhältnisse des Judenthums in der österreichischen Hauptstadt, so erscheint Alles wie durch Zauberei verwandelt. Ueber 50,000 Juden leben in Wien, und sie zeichnen sich hier keineswegs blos durch den Reichthum vieler ihrer Mitglieder aus, durch den großartigen Besitzstand derselben in einer Stadt, wo sie vor kurzer Zeit noch keinerlei Grundbesitz haben durften, sondern vielfach auch durch Bildung und Bildungsstreben, sowie namentlich durch ihre imposanten Gemeindeanstalten, ihre schönen Cultuseinrichtungen, ihr vortrefflich geordnetes, in Kirche und Schule dem Fortschritte zugeneigtes Gemeindeleben. Auf allen Gebieten des Handels, der Gewerbe und der schönen Künste haben sie sich hervorragende Plätze und im öffentlichen Leben eine Position errungen.

Dennoch giebt es inmitten aller dieser neugewordenen Verhältnisse einen Punkt des Wiener Straßenlebens, der lebhaft an ein Stück des altwienerischen Judenthums erinnert. Wie Prag seine Judenstadt, Frankfurt seine Judengasse hat, so findet sich auch in der bis zur höchsten Eleganz verjüngten Hauptstadt Oesterreichs noch solch’ ein charakteristisches und malerisches Judenrevier. Da der Strom der fortschreitenden Zeit alle derartige Erinnerungen unbedingt früher oder später auf Nimmerwiedersehen hinwegspülen wird, ist es gewiß den Lesern draußen von

[648] Interesse, über das Vorhandensein dieses eigenthümlichen, halb ehrwürdigen, halb komisch wirkenden Gegensatzes auch auf dem Boden Wiens Kunde zu erhalten, besonders da ich meiner Hinweisung auf die mittelalterlich enge Judengasse unserer inneren Stadt ein so beredtes Genrebild hinzufügen kann, wie es Meister Breidwiser hier für die „Gartenlaube“ nach dem Leben gezeichnet hat. Kein Mensch zwingt heute die jüdischen Kleidertrödler („Tandler“, sagt der Wiener), sich in diese elende Wohnstätte ihrer Vorfahren hinein zu pferchen; sie thun es jetzt aus freien Stücken, aus Geschäftsrücksichten.

Jede Manufacturbranche hat ihr besonderes Viertel; die Bandfabrikanten und Galanteriewaarenerzeuger haben ihre Straßen, für welche sie eine besondere Vorliebe haben, und so wollen denn auch die kleinen Kaufherren der Judengasse ihr Quartier haben. Die Concurrenz hebt das Geschäft und belebt den Eifer, und da es in vielen Fällen durchaus nicht leicht sein mag, einen alten Rock an den Mann zu bringen, so wird jedenfalls die gegenseitige Anfeuerung wesentlich mit zur Belebung des Geschäftes.

B. G.




Das Mikro-Tasimeter. Edison hat wiederum eine neue und werthvolle Erfindung gemacht; er hat ein Instrument hergestellt, welches die allerleisesten Druckäußerungen und Veränderungen mißt, das Mikro-Tasimeter. Da nun dieser Druck durch die Ausdehnung eines erwärmten Stabes hervorgebracht werden kann, so ist damit ein höchst empfindliches Mikro-Thermometer erfunden, mit welchem man hoffen kann, die Wärme der Sterne und Kometen zu messen, sowie andere höchst subtile Untersuchungen vorzunehmen. Die Erfindung gründet sich auf dieselbe Entdeckung, wie das Edison’sche Telephon, von welchem der Leser eine Beschreibung in dem Artikel „Die menschliche Stimme auf Reisen“ (Jahrgang 1877, S. 799) findet, nämlich darauf, daß eine Kohlen- oder Graphitmasse den elektrischen Strom sofort besser leitet, wenn sie auch nur unmerklich mehr zusammengedrückt wird als vorher. Das ganze Instrument besteht einfach aus einem Kohlenscheibchen, welches zwischen einer feststehenden und einer beweglichen Platinplatte, welche letztere den zu messenden Druck entgegennimmt, eingeschlossen ist. Die beiden Platinplatten bilden die Pole einer elektrischen Batterie, in deren Stromkreis ein Galvanometer, das heißt eine die Stromstärke anzeigende Magnetnadel eingeschlossen ist. Spannt man nun zwischen der beweglichen Platinplatte und einer gegenüberstehenden Schraube einen beliebigen, am besten stabförmigen Körper wie zwischen den Wangen eines Schraubstocks ein, um seine Ausdehnung durch die Wärme zu messen, so erlangt der gleichmäßige Batteriestrom in Folge des auf das Kohlenscheibchen ausgeübten Druckes und der dadurch erhöhten Leitungsfähigkeit einen bestimmten Stärkegrad, der durch eine entsprechende Ablenkung der Nadel von ihrer Nordpolrichtung gemessen wird. Nunmehr wird aber die geringste Ausdehnung oder Zusammenziehung des eingespannten Körpers in Folge vermehrten oder verminderten Druckes auf Platinscheibchen und Kohle sofort die Ablenkung erhöhen oder schwächen. Wie unglaublich die Empfindlichkeit dieses Instrumentes ist, zeigten folgende Versuche: Ein Stück Hartgummi oder Glimmer erregte, wenn man ihm die warme Hand nur auf einige Zoll näherte, durch ihre Ausdehnung einen Ausschlag der Nadel um mehrere Grade, und ähnlich gab sich die Ausdehnung eines Streifen Gelatine durch die Feuchtigkeit eines nassen Papieres zu erkennen, welches man ihm auf einige Zoll näherte. Erwies sich das Instrument schon in diesem Zustande empfindlicher als die Thermosäule, die man bisher zum Messen der Gestirnwärme anwendete, so konnte seine Empfindlichkeit durch Anwendung eines Spiegel-Galvanometers und Einschaltung einiger Zwischenapparate so gesteigert werden, daß schon die Wirkung der Handwärme auf sechs bis acht Zoll Entfernung auf den Hartgummistreifen starke Ausschläge verursachte. Das Tasimeter ist auch bei der drei Minuten langen Sonnenfinsterniß vom 29. Juli benützt worden, um die Wärme der Sonnen-Atmosphäre zu messen. Leider nicht auf derselben Station in Wyoming, auf welcher der amerikanische Astronom J. Watson den lange gesuchten innersten Planeten, den „Vulcan“ entdeckt hat (siehe Seite 642 dieser Nummer), sonst hätte man vielleicht gleich eine Ahnung davon gewinnen können, welche Gluth dieser nächste Nachbar der Sonne auszuhalten haben mag. Uebrigens hofft Edison, mittelst seines Tasimeters die kleinsten Bewegungen anderer Meßinstrumente, wie des Barometers, Hydrometers etc., messen zu können.





     Im Paradiese.

Im Schlafe schon? - So hell erklang noch eben
Dein frohes Lachen durch den hellen Raum,
Und nun verräth das holde kleine Leben
Der leise Hauch der Purpurlippe kaum?
Wie süß, in gold’ner Lockenfluth begraben,
Die liebe Hand Dir unter’m Haupte ruht,
In Frieden still - o, Frieden darfst Du haben,
Du warst ja glücklich und Du warst ja gut.

Was war Dein Schmerz? Ein Rauschen nur im Walde,
Der frisch im Laub und hell in Blüthe steht;
Ein Schatten nur auf sonnenwarmer Halde,
Der, wie die Wolke droben, kommt und geht;
Ein rascher Vogel, dessen dunkle Schwinge
Des Weihers Fläche streckt mit leisem Schlag:
Erbebend zieht das Wasser seine Ringe
Und liegt dann wieder ruhig, wie es lag.

Und Deine Schuld? Des Haares wirre Strähne
Vom Raub aus Vaters Lieblingsbeet umgrünt;
Ein Schrei des Kindertrotzes, eine Thräne,
Von Deiner Schönheit tausendfach gesühnt –
Von Deiner Schönheit, die aus lichter Ferne
In’s trübe Reich der Menschen sich verlor,
Noch rein und heilig, wie des Himmels Sterne,
Und wie im Paradies der Engel Chor.

Gleich einem Vöglein hast Du Deine Glieder
Am Freudenquell gebadet ohne Rast,
Und, wie am Morgen warst Du Abends wieder
Bei Tisch und Spiel des Hauses bester Gast.
Doch sahst Du ernst von Gramesschatten werden
Ein theures Antlitz, hast Du nicht geruht
Mit holdem Wort, mit strahlenden Geberden –;
Du warst so glücklich, und Du warst so gut.

So schlafe denn und laß Dein sonnig Eden
Im Traume Dir noch lieblicher erblüh’n,
Und laß Dir keinen Deiner Engel reden
Von Erdenjammer und von Erdenmüh’n!
Wie bald, und tödtlich rauhe Stürme wallen
Durch Deiner Seele frühlingshellen Wald,
Und fordern wird die Welt, der Du verfallen,
Auch Dich, mein süßes Kind – ach, wie so bald!

     Gustav Weck.




Kleiner Briefkasten.

Ein eifriger Leser. Den von Ernst Keil verfaßten und in dem Lebens- und Charakterbild unseres theueren Entschlafenen (Nr. 35) erwähnten Brief an eine Gläubige finden Sie im Jahrgange 1866 der Gartenlaube, Nr. 42.




Für die Hinterlassenen der verunglückten Seeleute vom „Großen Kurfürsten“

gingen wieder ein: Gemeinde Schwechingen, durch Oberamtmann Salzer in Meßkirchen M. 15; von der Wittwe eines Thüringers M. 30; Sammlung des Krieger-Unterstützungs-Vereins für Stadt und Amt Hilchenbach M. 18.60; Sammlung in Biberbach, durch Daniel Schulz M. 67; Frl. F. R. in Starnberg M. 1; L. M. in Neu-Ruppin M. 6; fernerer Beitrag einer Sammlung der Redaction des „Waldenburger Wochenblattes“ M. 10; Ertrag einer Theatervorstellung in der Gesellschaft „Falkonia“ in Aken M. 15.80; Dr. Barkau in San Francisco, Californien, M. 20; Amicus juventutis academicae M. 1; Leer’sche Weinstube in Neuwied M. 20; F. in Senftenberg M. 1; B. und H. in Hanau M. 2.70; H. R. in Dresden M. 20; Gesangverein „Germania“ in Basel, Sammlung am Sedanfest M. 64.12; „Ubedisser Kreis“ in Bielefeld M. 10; Prof. Blümmer in Zürich M. 5; Gesangverein „Liederkranz“ in Freiberg M. 43.20; Blondköpfchen in Berlin M. 3; Gebr. Sch. in P. B. M. 10; R. F. Klim in Bim. M. 14.30; Ertrag eines Concertes des Gesangvereins in Börssum M. 33.

Die Redaction.




Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Das vierte Quartal dieses Jahrgangs wird mit der bereits angekündigten Erzählung

„Lumpenmüllers Lieschen“ von W. Heimburg,

der talentvollen Verfasserin der mit so vielem Beifall aufgenommenen Novelle „Aus dem Leben meiner alten Freundin“, beginnen. Anschließen wird sich derselben das farbenprächtige transatlantische Charaktergemälde „Der canadische Achill“ von E. Werber; unsere Leser hatten bereits Gelegenheit dieses ebenso kraftvoll-markige wie gemüthswarme Talent in Erzählungen wie „Eine Leidenschaft“, „Ein Meteor“ etc. von der besten Seite kennen zu lernen. – Außerdem werden wir fortfahren durch Abdruck instructiv-unterhaltender Artikel aus dem Leben - der Zeit wie der Wissenschaft, unserer Nation wie der Menschheit den Aufgaben unseres Blattes gerecht zu werden.



Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahres aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle l Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.



  1. Bekanntlich liegt dieses ehemalige Parkgefilde Roms nicht blos in Folge der Kriegszerstörungen jener Gegenden, sondern auch deshalb in weitesten Strecken öde und wüst, weil der größte Theil der Ländereien Eigenthum der Kirche, etwa ein Drittel im Besitz von einundsiebenzig fürstlichen Familien und nur der geringe Rest das Besitzthum von ungefähr siebenzehnhundert Bewohnern ist. Seitdem das Mißregiment des Kirchenstaats aufgehört hat, erheben sich in ganz Italien die Stimmen dafür, daß die Campagna der „todten Hand“ und damit seinem Wüstenzustand entrissen werden müsse. Da dieser Gegenstand jetzt häufiger zur Besprechung kommen dürfte, halten wir es für unsere Pflicht, unsere Leser schon jetzt mit Wort und Bild in jenes verlorene und so schwer wieder zu gewinnende Paradies zu führen.
    D. Red.
  2. Günther, sein Schwager, gleichfalls Parlamentsmitglied.
  3. Sie ist erst am 15. März 1874 an Altersschwäche gestorben.
  4. Dieser mehr localen, auf die Vaterlandsvereine in Sachsen beschränkten Kämpfe wird der Herr Verfasser in seiner ausführlichen Lebensgeschichte Robert Blum’s den nöthigen Raum anweisen. Hier konnten wir nur das erwähnen, was auch außerhalb Sachsens Interesse hat.
    Die Redaction.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Otto Vollrath (korrigiert nach: Berichtigung, Heft 41, Seite 688). Von Otto Vollrath stammt der Holzschnitt.
  2. Vorlage: R. E. Franzos