Die Gartenlaube (1874)/Heft 17
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No. 17. | 1874. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
Liane stellte die Chocoladentasse, die sie ihm eben reichen wollte, wieder auf den Tisch – sie konnte sich nicht überwinden, sich jetzt dem Gesichte des mörderischen Mannes zu nähern, das wiederholt so sonderbar lechzend die Lippen öffnete und dann einen Moment völlig geistesabwesend niederstarrte auf die gekrümmten, krankhaft gebleichten Finger, die den Krückstock umklammerten. … Richtete sich die zertretene Lotosblume vor ihrem gänzlichen Auslöschen doch noch einmal von ihrem Marterroste auf, anklagend auf die blauen Streifen an ihrem zarten Halse deutend. … Er sah plötzlich auf, als fühle er die Augen der jungen Frau auf sich ruhen – sein Blick verschärfte sich sofort. „Nun, meine Gnädigste, Sie sehen, ich warte auf meine Chocolade – warum haben Sie sie denn wieder weggestellt? Vielleicht weil ich ein klein wenig nachdenklich ausgesehen? … Ah bah – mir war nur, als gucke dort aus der Asche in der Kaminecke ein kleiner rosenfarbener Rest.“
Es war schrecklich! Aber jetzt wurde die junge Frau erlöst – sie hörte Mainau kommen. Er trat rasch ein – welch ein Unterschied zwischen heute und jenem ersten Morgen! Sein Blick streifte nicht über sie hinweg, wie damals. Alle Vorsicht vergessend, ruhte dieser feurige Blick auf ihrem Gesichte, als könne er sich nicht losreißen. … Der alte, kranke Mann in seinem Lehnstuhle bemerkte das nicht; er saß mit dem Rücken nach der Thür – aber Frau Löhn sah plötzlich ganz bestürzt aus; sie strich aus allen Kräften mit ihren rauhen Händen über die steife, rauschende Schürze und schlug die Augen zu Boden.
„Du schon hier, Juliane?“ fragte Mainau leichthin – er sah nach seiner Uhr, als meine er, sich in der Zeit geirrt zu haben. „Hier – weshalb ich abgerufen wurde, Onkel,“ wandte er sich an den Hofmarschall und reichte ihm eine Karte hin. „Ein reitender Bote der Herzogin ist drunten und hat die Einladung zum Hofconcert für heute Abend gebracht. … Die Herzogin sprach schon gestern davon, daß ihre Lieblingsprimadonna die Residenz passiren werde, und sich bereit erklärt habe, bei Hofe zu singen. Nun ist sie einen Tag früher eingetroffen und reist morgen weiter – daher diese rasche Improvisation – nimmst Du an?“
„Ei das versteht sich! Habe lange genug in diesem einsamen Schönwerth hocken und verkümmern müssen. Du weißt auch, daß ich stets zur Stelle bin, wenn mein Hof befiehlt, und sollte ich mich auf allen Vieren hinschleppen.“
Mainau öffnete ironisch lächelnd die Thür und gab dem draußen harrenden Lakai den Bescheid.
„Mir kommt diese Zerstreuung sehr gelegen,“ setzte der Hofmarschall hinzu. „Die Verwüstung, die der Sturm diese Nacht in den Gärten angerichtet hat, verstimmt mich – dazu kommen noch allerlei unerquickliche Dinge. … Da, die Löhn“, – er zeigte, ohne hinüberzusehen, mit dem Daumen über die Schulter weg, nach der Beschließerin – „zeigt mir eben an, daß es mit ‚Der‘ im indischen Hause heute noch zu Ende gehen wird. … Ich alterire mich immer, wenn ich eine – eine Leiche auf meinem Grunde und Boden weiß; deshalb habe ich auch vor zwei Jahren den verunglückten Hausburschen sofort in die Leichenhalle der Stadt schaffen lassen – wie machen wir es nun in dem Falle?“
„Ich muß Dir sagen, Onkel – das klingt abscheulich! Das empört mir jeden Blutstropfen,“ sagte Mainau entrüstet. „Wie kannst Du über einen Menschen, der noch athmet, in einer solchen Weise verhandeln? … Haben Sie nicht sofort zum Arzt geschickt, Frau Löhn?“ wandte er sich mit sanfterer Stimme zu der Beschließerin.
„Nein, gnädiger Herr – wozu denn auch? Er kann ihr nicht mehr helfen und martert sie nur mit seinen Kunststückchen. … Ich sage, von ihrer Seele ist schon nichts mehr auf der Erde, sonst würde sie nicht mit so stillen, starren Augen vor sich hinsehen, wenn der Gabriel so entsetzlich weint und jammert –“
„Hören Sie mir auf mit dieser larmoyanten Tonart, Löhn!“ rief der Hofmarschall tief erbittert. „Wenn Sie wüßten, wie Ihrer groben Stimme das Gewinsel ansteht, da hielten Sie Ihren Mund. Ob sich Dir nun jeder Blutstropfen empört oder nicht, Raoul, darauf kann ich nicht die mindeste Rücksicht nehmen,“ sagte er in steigender Erregung zu Mainau. „In einem solchen Falle bin ich mir selbst der Nächste – meine Aversion läßt sich nicht beschreiben. – Mir graut vor jedem Athemzuge Luft, den ich einschlucken muß in solcher Umgebung. … Du sollst sehen, daß ich ein todtkranker Mensch werde, wenn Du nicht nach eingetretener Katastrophe sofort dafür sorgst, daß die Ueberreste dahin geschafft werden, wo sie für immer bleiben sollen – nach dem Stadtkirchhofe.“
Liane begriff seine Angst, das namenlose Grauen, das so wahr aus der Stimme, aus dem nervösen Schütteln des Körpers sprach. Er hatte die gemarterte Seele des unglücklichen Weibes nicht gefürchtet, so lange der schwer verletzte Körper sie niederhielt [268] – nun sollte sie befreit aufflattern und, wie der Volksglaube annimmt, über dem verlassenen Leichname frohlockend kreisen, bis die Erde ihn deckte – nur das nicht auf „seinem Grund und Boden“!
„Die Frau wird in der Gruft, unter dem Obelisken schlafen,“ sagte Mainau mit ernstem Nachdrucke. „Onkel Gisbert hat sie ihrer Heimath entrissen, und sie ist die einzige Frau gewesen, die er geliebt hat – sie gehört von Rechtswege an seine Seite; und damit sei diesen herzlosen Erörterungen ein Ende gemacht!“
„Sie gehört von Rechtswegen an seine Seite?“ wiederholte der Hofmarschall unter einem heisern Auflachen. „Wage es, Raoul, und Du sollst mich kennen lernen. … Ich – hasse dieses Weib bis in den Tod. Sie darf nicht an seine Seite, und sollte ich mich dazwischen betten.“
Was war das? … Mainau sah bestürzt mit großen Augen nach diesem Greise, von dem er gesagt hatte: „Der Onkel ist geizig; er ist vom Hochmuthsteufel besessen; er hat seine kleinen Bosheiten, aber einen besonnenen Kopf, eine kühle Natur, an die nie Verirrungen schlimmer Leidenschaften herantreten durften.“ … Was war es denn Anderes, als lange verhaltene, wahnwitzige Leidenschaft, die aus diesen wild protestirenden Geberden, diesen fieberlodernden Augen so abschreckend jäh hervorbrach?
Der Hofmarschall erhob sich und ging ziemlich raschen, sichern Schrittes nach dem nächsten Fenster. Er kam dicht an Frau Löhn vorüber und streifte fast diese seine heimliche, aber unerbittliche Feindin – allein seine Augen strebten vorwärts, in’s Leere; er sah nicht, daß dieses starre, eingerostete Dienstbotengesicht auch Geist haben konnte, einen unheimlichen Geist, der dem hochgeborenen Herrn Hofmarschall auf der Ferse folgte und bedeutungsvoll auf jede seiner Fußspuren hinwies.
Der Morgenwind blies durch das halboffene Fenster herein und hob dem alten Manne das sorgfältig geordnete greise Haar auf der Stirn; aber er, der sonst jedem Luftzuge wie seinem tödtlichsten Feinde auswich, er fühlte das nicht.
„Ich begreife Dich nicht, Raoul,“ sagte er, schwer mit seiner Aufregung kämpfend, vom Fenster herüber. „Willst Du meinen Bruder in der Gruft noch beschimpfen?“
„Hat er es nicht für einen Schimpf gehalten, das Hindumädchen an sein Herz zu nehmen und ihr eine abgöttische Liebe zu weihen, so“ – der Hofmarschall lachte gellend auf. „Onkel!“ rief Mainau und wies ihn mit finster gerunzelten Brauen in die Schranken der Selbstbeherrschung. „Ich bin nur ein einziges Mal zu jener Zeit in Schönwerth gewesen; aber ich weiß, daß mir damals die Erzählungen der Schloßleute das Herz fieberisch klopfen gemacht haben. Ein Mann, der den Gegenstand seiner Leidenschaft mit solch angstvoller Zärtlichkeit hütet“ – er verstummte unwillkürlich vor der Flamme, die drohend aus den sonst so kühl und scharf blickenden Augen des Hofmarschalls brach. Er ahnte ja nicht, an was er da mit unvorsichtiger Hand rühre. Die verführerische Hülle der unglückseligen Lotosblume lag drüben „mit stillen, starren Augen“, um zu sterben, in Staub zu zerfallen, und der Mann, der sie einst mit angstvoller Zärtlichkeit auf seinen Armen durch die Gärten getragen, damit kein Kiesel ihre wunderfeine Sohle drücke, er schlief längst unter dem Obelisken – und dennoch überwältigte eine rasende Eifersucht den Verschmähten dort; er gönnte dem todten Bruder bis heute nicht, daß das glühend begehrte Weib sein eigen gewesen. …
„Diese ‚angstvolle Zärtlichkeit‘ war glücklicher Weise nicht von Dauer,“ sagte er heiser. „Der gute Gisbert ist noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen; er hat die ‚berühmte Lotosblume‘ als – eine Unwürdige verstoßen.“
„Dafür fehlen mir die vollgültigen Beweise, Onkel –“
Als quelle die Windsbraut von gestern durch das Fenster und treibe die verdorrte, gebrechliche Höflingsgestalt vor sich her, so plötzlich verließ der Hofmarschall den Fensterbogen und stand vor seinem Neffen.
„Die vollgültigen Beweise, Raoul? Sie liegen drüben im weißen Saale im Raritätenkasten, der gestern leider das Opfer einer Attaque gewesen ist. Ich werde Dir doch wahrhaftig nicht wiederholen sollen, daß Du Onkel Gisbert’s fest und unwiderruflich ausgesprochenen letzten Wunsch und Willen gestern Nachmittag erst prüfend in den Händen gehabt hast?“
„Ist jener Zettel das einzige Document, auf welches Du Dich stützest?“ fragte Mainau kurz und rauh – der impertinente Ausfall gegen Liane hatte ihm das Blut in die Wangen getrieben.
„Das einzige allerdings – Raoul, wie kommst Du mir vor? Was soll noch gelten auf Erden, wenn nicht die eigenhändige Niederschrift des Sterbenden?“
„Hast Du ihn schreiben sehen, Onkel?“
„Nein – das nicht – ich war selbst krank. Aber ich kann Dir einen Zeugen beibringen, der es mit gutem Gewissen beschwören wird, daß er Buchstaben für Buchstaben hat niederschreiben sehen – schade, daß er vor einer Stunde nach der Stadt zurückgefahren ist. Du hast Dich zwar in neuester Zeit seltsam zu unserem Hofprediger gestellt –“
Mainau lachte fast heiter auf. „Lieber Onkel, diesen classischen Zeugen verwerfe ich hier und vor dem Gesetze. Zugleich erkläre ich die Wirksamkeit jenes sogenannten Documentes für null und nichtig und außer aller Kraft. O ja, ich glaube, daß der Herr Hofprediger bereit ist, zu schwören – er schwört bei seiner Seelen Seligkeit, daß er dem Sterbenden die Feder eingetaucht hat – warum denn nicht? Den Herren Jesuiten ist ja ein Schleichpförtchen in den Himmel garantirt, wenn sie das große Entrée der Seligen allzusehr verwirken sollten. … Ich muß mich selbst anklagen, gehandelt zu haben, wie ein Mann von Gewissen nicht handeln soll. Ich war nicht zugegen, als der Onkel gestorben ist – als Miterbe seiner reichen Hinterlassenschaft mußte ich doppelt vorsichtig sein und durfte nicht Anordnungen sanctioniren, lediglich gestützt auf ein kleines Stück Papier, das kein gerichtlicher Zeuge beglaubigt. In einem solchen Falle soll und darf man sich nur an den klaren Wegweiser des Gesetzes halten.“
„Gut, mein Freund,“ nickte der Hofmarschall – er war unheimlich ruhig geworden. Den Krückstock vor sich auf das Parquet stemmend, stützte er beide Hände darauf und ließ seine kleinen, funkelnden Augen über das schöne Gesicht des Neffen hinspielen. „Nun bezeichne mir aber auch das Gesetz, unter dessen Schutze die Frau im indische Hause steht. Sie ist vogelfrei, denn sie war nicht meines Bruders eheliches Weib. … Wenn wir uns also an den ‚klaren Wegweiser‘ halten wollten, dann hatten wir das Recht, sie sofort über die Schwelle zu stoßen, denn es existirte kein gerichtlich beglaubigtes Testament, das ihr auch nur einen Bissen Brod oder ein Nachtlager auf Schönwerther Grund und Boden zusicherte. Haben wir in dem Punkte nicht nach dem eisernen Gesetze gefragt, so sind wir in dem anderen Falle auch davon entbunden.“
„Onkel, soll das Logik sein? Also weil wir nicht teuflisch erbarmungslos gewesen sind, darum steht uns nun das gute Recht zu, nach einer unverbürgten letztwilligen Verfügung zu handeln, die eine grausame ist? … Gesetzt aber, Onkel Gisbert habe in der That das Document verfaßt und geschrieben und die Frau verstoßen, weil Gabriel nicht sein Kind gewesen, was, frage ich, gab ihm dann die Befugniß, über das Schicksal des ihm völlig fernstehenden Knaben aus eigener Machtvollkommenheit zu entscheiden? … Ich war ein noch junger, unbesonnener Kopf, als Onkel Gisbert starb. Was frug ich damals nach Gesetz und gründlicher Prüfung! – Mir genügte Deine Mittheilung, daß die Indierin eine Treulose gewesen, um mich toll und blind zu machen, denn ich hatte den Onkel innig geliebt. … Nur das entschuldigt mich einigermaßen. Später bestärkte mich der Knabe durch seine sclavische Fügsamkeit in dem festen Glauben, daß er keinen Tropfen des herrischen, stolzen Blutes der Mainaus in seinen Adern habe – ich stieß ihn wie einen Hund mit dem Fuße aus meinem Wege und habe die Verfügung, daß er Mönch werde, als vortrefflich passend, stets gebilligt – das widerrufe ich hiermit als einen beklagenswerthen Irrthum meinerseits.“
Auf diese letzten feierlichen Worte folgte eine secundenlange, athemlose Stille. Selbst Leo mochte instinctmäßig fühlen, daß im nächsten Augenblicke ein Riß durch das Haus Mainau gehen werde – er bog, seitwärts an die junge Frau geschmiegt, den Kopf vor und sah mit großoffenen, ängstlichen Augen in das tiefernste Gesicht seines Vaters.
„Willst Du die Güte haben, Dich deutlicher auszusprechen? Du weißt, mein Kopf ist alt; er faßt nicht mehr rasch; am wenigsten aber das, was nach modernem Umsturze aussieht,“ sagte der Hofmarschall. Seine hagere Gestalt streckte sich steif [269] und fremd, in einer Art von eisiger Unnahbarkeit – in diesem Moment bedurfte er des stützenden Stockes nicht; die Spannung hielt ihn aufrecht.
„Mit Vergnügen, lieber Onkel. Ich sage kurz und bündig: Gabriel wird nicht Mönch, nicht Missionär“ – er hielt inne und trat rasch auf die Beschließerin zu; diese robuste, vierschrötige Gestalt wankte und taumelte plötzlich, als erliege sie einem Schlaganfall. Liane hatte bereits ihren Arm stützend um sie gelegt und führte sie zu einem Stuhl.
„Ist Ihnen übel, Frau Löhn?“ fragte Mainau, sich besorgt über sie beugend.
„I Gott bewahre, gnädiger Herr – in meinem ganzen, langen Leben ist mir nicht so wohl gewesen,“ mumelte sie halb lachend, halb weinend. „Es flimmerte mir nur so vor den Augen, und ich dachte in meinem dummen Kopfe, der Himmel müßte einfallen. … O du mein Herr und Vater droben!“ seufzte sie aus tiefster Brust und bedeckte das dunkelroth gewordene Gesicht mit der Schürze.
Der Hofmarschall warf ihr einen stechenden Blick zu. Bei aller Aufregung, die in ihm tobte, verwand er es nicht, daß diese Untergebene in seiner Gegenwart saß, und nach ihrer Erklärung, daß ihr wohl sei, nicht sofort wieder aufstand.
„Also Gabriel wird nicht Mönch, nicht Missionär?“ fragte er höhnisch, indem er den Kopf wegwandte, um die Tactlosigkeit der Beschließerin nicht mehr zu sehen. „Darf man fragen, welche hohe Bestimmung Du für dieses kostbare Menschenexemplar im Auge hast?“
„Onkel, der Ton verfängt nicht mehr bei mir. Ich bin so lange so schwach gewesen, diesen ‚guten Ton‘ zu fürchten – ich habe mich auf den herzlosen Spötter gespielt, um nur ja nicht als ‚Gefühlsmensch‘ dem Fluch der Lächerlichkeit zu verfallen. Aber ich zerschneide das Tischtuch zwischen mir und denjenigen meiner Standesgenossen, unter denen dieser Ton fortlebt. … Ich bin fest davon überzeugt, daß Gabriel mein Vetter ist. Willst Du als erster Erbe seines Vaters nicht einen Theil der unermeßlichen Hinterlassenschaft herausgeben – wohl, es kann Dich Niemand zwingen, denn Gabriel ist kein legitimes Kind … Ich aber halte mich hier nicht an den ‚klaren Wegweiser‘ der weltlichen Gerechtigkeit, sondern an den meines Rechtsgefühles und werde dem Knaben den Namen seines Vaters und die Mittel zu einer standesgemäßen Stellung geben, indem ich ihn adoptire.“
Der Riß war geschehen, auch hier das Tischtuch zerschnitten. Aber der gewiegte Höfling, der bei bedrohlichen Disputen sehr bissig werden konnte, um das Heft in die Hand zu bekommen, er hatte gelernt, einer vollendeten Thatsache äußerlich völlig gefaßt gegenüberzustehen.
„Hier lassen sich nur zwei Momente denken,“ sagte er kalt und schneidend. „Entweder Du bist krank,“ – er griff mit einer beleidigenden Geberde nach der Stirne, – „oder Du bist, was ich längst geahnt, rettungslos in die Schlingen der rothen Flechten dort gefallen; ich glaube das Letztere – zu Deinem Unheil. Wehe Dir, Raoul! Ich kenne diese Frauengattung auch – gottlob, sie ist selten! Von dem brennenden Haar und der weißen Haut geht ein Phosphorlicht aus, wie von den Nixenleibern; sie fachen mit kühlem Athem Flammen an, ohne sie je zu löschen … Geist, aber keine Inbrunst der Seele – blendende Floskeln auf den Lippen, aber nie den holden Wahnsinn der Liebe, die leidenschaftliche Hingebung des Weibes im Herzen! Du wirst schon auf Erden im Fegefeuer brennen – denke an mich! … Sieh, wie Du blaß wirst –“
„Das glaube ich – das Blut stockt mir vor Bestürzung über Deine Sprache! Mein Ohr ist allerdings nicht allzu difficile – leider – aber hier trifft mich jedes Deiner Worte wie ein Schlag in das Gesicht … Muß ich Dich an Dein weißes Haar erinnern? –“
„Bemühe Dich nicht – ich weiß sehr wohl, was ich thue und sage. – Ich habe Dich gewarnt vor der Stiefmutter meines Enkels. Und nun nimm sie an Dein Herz, das nie Verständniß für mein inbrünstig frommes, mein inbrünstig liebendes Kind, meine Valerie, gehabt hat! … Bezüglich Deines neuen Protégé, – ich meine den Burschen im indischen Hause – verliere ich kein Wort – das ist Sache der Kirche. Leib und Seele des Knaben sind ihr specielles Eigenthum – sie wird Dir zu antworten wissen, wenn Du es wagen solltest, ihn zu reclamiren. Preis und Ehre dem Herrn, dem sie dient! Mit seiner Hülfe hat sie noch stets die Widerspenstigen zu ihren Füßen niedergezwungen, die Einzelnen sowohl, wie die Nationen – Du verlierst das Spiel, wie Alle, die sie jetzt anfeinden und ihre Diener zu Märtyrern machen – schließlich bleiben wir oben.“
Er wandte Mainau den Rücken, um zu gehen, aber den Krückstock auf den Boden stampfend, blieb er schon nach dem ersten Schritt stehen.
„Na, Löhn, haben Sie sich noch immer nicht genugsam ausgeruht? Es sitzt sich wohl recht schön auf den seidenbezogenen Stühlen der Herrschaft?“ schalt er.
Die Beschließerin, die in unbeschreiblicher Spannung und völliger Selbstvergessenheit dem Verlaufe der heftigen Scene gefolgt war, sprang tödtlich erschrocken auf.
„Ordnen Sie mir mein Frühstück auf einer Platte,“ befahl er, mit dem Kopf nach dem Tische hinübernickend, „und tragen Sie es mir nach in mein Arbeitszimmer – ich will allein sein.“
Er ging hinaus. Der Stock stampfte das Parquet, und der Schlüsselbund der Beschließerin und das Geschirr auf dem Silberteller, den sie trug, klirrten heftig dazu. In der Seele des Vorangehenden tobte der Ingrimm, und die Frau, die ihm pflichtschuldigst, mit schweigendem Munde folgte, zitterte vor innerem Jubel, aber auch vor „Gift und Galle“ – am liebsten hätte sie ihm seine Chocolade vor die Füße geworfen, „dem gelben Gerippe im Fracke, weil er von dem lieben, reinen Engel da drin so ganz niederträchtige Dinge gesagt hatte.“
In dem Augenblicke, wo die Thür hinter den Hinausgehenden schallend in’s Schloß fiel, kam Liane aus der fernen Fensterecke, wohin sie sich vorhin geflüchtet, auf Mainau zugeflogen – sie ergriff seine Rechte und zog sie an ihre Lippen.
„Was thust Du, Liane?“ rief er, in jäher Ueberraschung die Hand wegziehend. „Du mir?“ – Dann aber ging es wie eine Verklärung über sein Gesicht, und er breitete die Arme aus – die junge Frau schmiegte sich zum ersten Male freiwillig an seine Brust.
Leo stand, die Hände auf dem Rücken verschränkt, ganz blaß vor Ueberraschung; aber so ungenirt er sonst seine Meinung herauspolterte, diesem ungewohnten Anblicke gegenüber blieb er sprachlos. Lächelnd zog ihn die junge Frau zu sich herüber, und er legte, halb in Eifersucht trotzend, halb schmeichelnd die kleinen Arme um ihre Hüfte. Diese drei schönen Menschen bildeten eine Gruppe, wie man sie zur Verkörperung des häuslichen Glückes, der süßesten Eintracht nicht anmuthiger zusammenstellen konnte.
„Ich werde mich doch morgen von Euch Beiden trennen müssen,“ sagte Mainau im Tone der Entmuthigung. „Nach dem Auftritte mit dem Onkel darfst Du nicht hier bleiben, Liane. Ich aber kann Schönwerth nicht verlassen, bevor die offenen Fragen erledigt, die ausgebrochenen Kämpfe geschlichtet sind.“
„Ich bleibe bei Dir, Mainau,“ sagte sie entschieden. Sie wußte ja, daß ihm noch niederschmetternde Enthüllungen unvermeidlich bevorstanden – in diesen schweren Momenten gehörte sie an seine Seite. „Du sprichst von Kämpfen, und ich sollte Dich allein lassen? … Ich kann mich hier genau so isoliren wie in Wolkershausen – dem Hofmarschall brauche ich nie mehr zu begegnen –“
„Einmal noch wirst Du es müssen,“ unterbrach er sie, indem er ihr zärtlich das schwere, wuchtige Haar aus der Stirn strich, „Du hast gehört, er wird heute zu Hofe gehen, und müßte er sich ‚auf allen Vieren hinschleppen‘. Ich gehe aber auch – es ist das letzte Mal, Liane – wirst Du Dich überwinden können, mich zu begleiten, wenn ich Dich herzlich darum bitte?“
„Ich gehe mit Dir, wohin Du willst.“ – Sie sagte das muthig, wenn auch die Flamme eines lebhaften Erschreckens über ihr zartes Gesicht hinflog. Das Herz klopfte ihr doch bang und angstvoll bei dem Gedanken, daß sie noch einmal vor die Frau hintreten sollte, die ihre ergrimmte Feindin war, die Himmel und Erde in Bewegung setzen wollte, um sie aus ihrer Stellung zu verdrängen, ihr das Herz zu entreißen, das sich ihr gestern unter den heiligsten Betheuerungen für immer zu eigen gegeben.
Der Hofmarschall blieb den Tag über in seinem Zimmer – er aß allein und verlangte nicht einmal nach Leo. Die Schloßleute aber waren plötzlich wie aus den Wolken gefallen, denn der junge Herr hatte mit Leo und dem neuen Hofmeister drunten in einem Salon der gnädigen Frau gespeist … Er hatte auch den Arzt aus der Stadt holen lassen und war selbst mit ihm in das indische Haus zu der Sterbenden gegangen. Auf seinen Befehl und in seinem Beisein hatte man mit lautloser Behutsamkeit die schadhaften Stellen im Plafond des verwüsteten Hauses zudecken müssen, damit kein belästigender Sonnenstrahl hereinfalle – die exotische Thierwelt, die das Thal von Kaschmir bevölkerte, war in ihre Hütten und Schlupfwinkel eingesperrt worden, und „der junge Herr“ hatte die Röhre des nahen, rauschenden Laufbrunnens eigenhändig geschlossen – die scheidende Menschenseele sollte auch nicht durch das leiseste Geräusch beunruhigt werden.
Diese Anstalten genügten, um das wandelbare Völkchen der Bedientenseelen sofort umzustimmen. Die sterbende Frau, die man so lange Jahre eine unnütze Brodesserin gescholten, war mit einem Male eine arme Dulderin, und weil Baron Mainau mit einem so feierlichen Ernste aus dem indischen Garten zurückgekehrt war, schwebten die Lakaien noch leiser als sonst auf den Zehenspitzen durch die Gänge, und in den Ställen und Remisen wurde alles unnöthige Poltern, alles Singen und Pfeifen vermieden, als ob die Sterbende im Schlosse selbst läge. … Auch Hanna ging mit rothgeweinten Augen umher. Sie hatte heute zwei merkwürdige Dinge erlebt; einmal hatte sie durch das Schlüsselloch des Speisesalons gesehen, wie der Herr Baron „ihre Dame“ geküßt hatte – und dann war sie zum ersten Male im indischen Garten gewesen. Eine Tasse Bouillon für die Löhn in den Händen, war sie in das Sterbezimmer eingedrungen – seitdem weinte sie unaufhörlich und behauptete in der Küche, sie sei hier unter lauter Barbaren und Einfaltspinsel gerathen, denn Niemand, die harte, grobe Löhn ausgenommen, habe sich um die arme Kranke gekümmert, die doch, das sähe der gebildete Mensch auf den ersten Blick, ein aus der Fremde hergeschlepptes Fürstenkind sein müsse.
Auch Mainau hatte einen tieferschütternden Eindruck im indischen Hause empfangen. Das Antlitz, nach dessen verhüllendem Schleiern er einst in brennender Neugier vergeblich die Hand ausgestreckt, und welches er dann voll Abscheu geflohen, in dem Wahn, es müsse das Kainszeichen des tiefen Falles, das Grinsen des Irrsinns in seinen verheerten Zügen tragen – es hatte vor ihm auf dem Kissen gelegen, bleich, in friedlicher, unentstellter Schönheit – nicht Onkel Gisbert’s treulose Geliebte, nicht Gabriel’s Mutter – ein sündenlos sterbendes Kind, ein weißes Rosenblatt, das ein Lüftchen sanft aus dem heimischen Kelche gelöst und zum Sterben auf die Erde niedergestreut hat. … Der scharfe, unbestechliche Geist der zweiten Frau hatte eine grellleuchtende Fackel in das verschüttete Dunkel einer fernen Zeit geworfen; ein noch intensiveres Licht aber ging von diesem stillen Gesichte aus. Mainau wußte jetzt, daß sein tadellos ehrenhaftes Schönwerth Fallthüren des Verbrechens genug aufzuweisen habe – sie waren der Boden unter seinen Füßen gewesen, und er hatte es nie für nöthig gefunden, auch nur einmal prüfend auf diesen Boden zu klopfen, so abenteuerlich auch die Dinge, die sich auf demselben abgespielt, damals seinen jugendlichen Augen erschienen waren. Er fühlte sich tiefschuldig, der frivole Mann, der nur allzu gern sein blindes Vertrauen auf des Onkels unbestechliches Rechtsgefühl innerlich cajolirt hatte, um sich durch unliebsame Gründlichkeit, langweilige Untersuchungen im Lebensgenuß nicht stören zu lassen. … Hier hatte er in der That kein Mißtrauen gehegt; aber bei dieser augenblicklichen, unerbittlich richtenden, inneren Einkehr mußte er sich zu seiner Beschämung sagen, daß er noch vor wenigen Monaten bei dem ersten beleuchtenden Blitze auch „dieser unangenehmen Geschichte“ möglichst aus dem Wege gegangen sein würde. … Daß er nun, durch ein charaktervolles Weib aufgerüttelt, Urtheil und Willenskraft zusammenraffte und handelnd eingriff, änderte nicht viel mehr an dem, was er durch Indolenz und Egoismus gesündigt. Die Augen unter den zugesunkenen Lidern sahen nicht mehr, wie er das gemißhandelte Kind, das im thränenlosen Schmerze die letzten Athemzüge der Mutter bewachte, emporzog und an sein Herz nahm – die Frau hörte nicht, wie der arme „Bastard“ liebevoll „mein Sohn“ genannt wurde – sie empfand das so wenig wie der Knabe selbst, der keines Anderen Kind sein wollte, als ihr, der Scheidenden, an deren Herz ihn die harte, kalte abscheuliche Welt draußen zurückgestoßen hatte. … Noch konnte Mainau dem Hofmarschall keinen anderen Vorwurf machen, als daß auch er blind geglaubt habe. Bei der Unterschiebung des Documentes war er nicht betheiligt gewesen – er hatte sich heute zu unbefangen und sicher auf das Papier berufen, das nicht mehr existirte. Der Hofprediger ging hier auf eigenen Wegen, wie er auch der Briefaffaire jedenfalls eine zufriedenstellende Wendung dem Hofmarschalle gegenüber zu geben gewußt hatte, ohne die Wahrheit zu verrathen. Das sagte sich Mainau zur Selbstbeschwichtigung, und doch konnte er den Verdacht, ja, die schmerzliche Ueberzeugung nicht abschütteln, daß der Ruf der Mainaus geschädigt werde, sobald man fortfahre, den Schutt von jener halbverschollenen Zeit wegzuräumen. …
Zur späten Nachmittagszeit ging Liane auch in das indische Haus. Mainau hatte dringende Botschaft aus Wolkershausen erhalten und mußte sich für einige Stunden in sein Arbeitszimmer zurückziehen – Leo aber befand sich vortrefflich unter der Aufsicht des neuen Hofmeisters, an den er sich merkwürdiger Weise sogleich attachirt hatte. … Eine ungewohnte Stille umfing die junge Frau, als die Thür des Drahtgitters hinter ihr zugefallen war – ein so athemloses Schweigen, als habe die über dem Bambushause kreisende dunkle Gewalt auch alles pulsirende Leben aus der Luft und von der Erde weg aufgesogen. Seltsam – Onkel Gisbert’s Lieblinge gingen zusammen heim. Seine prachtvolle Musa, die so muthig in den fremden, nordischen Himmel hinaufgestiegen war, lag wie hingemäht auf dem Rasenplatze – der Sturm hatte sie grausam zerpflückt – je eher diese Spielerei zerfiel, desto besser, hatte ja der Herr Hofmarschall gesagt. … Die junge Frau mußte über weithingeschleuderte Baumäste wegsteigen, die quer die Wege versperrten; sie ging ganze Strecken lang auf abgeschüttelten Rosenblättern, und da, wo sie vereinzelt auf freien, weiten Rasenflächen standen, waren die Kronen alter, dickstämmiger Rosenbäume scheinbar so mühelos abgeknickt, wie ein Kinderfinger einen mürben Blumenstengel zerbricht. … Zerstörung, wohin der Blick fiel – nur der Hindutempel strahlte nach dem Regenbade frischer und goldiger als je, und der Teich breitete sich glatt und blauglänzend zu seinen Füßen, als sei er der falsche Nachbar nicht gewesen, der gestern den Gischt seiner gepeitschten Wellen über die Marmorstufen hinweg bis in die Tempelhalle hineingeschleudert hatte. An seinen sumpfigen Ufern aber waren über Nacht Hunderte von weißen Seerosen aufgegangen – die nordischen Wasserblüthen lagen frisch und lebenathmend auf dem hingebreiteten Blätterpfühle, während die indische vergehend das Haupt senkte.
Was würde wohl im Innern des mörderischen Verfolgers drüben im Schönwerther Schlosse vorgegangen sein, wenn er einen Blick auf dieses Rohrbett hätte werfen können! O, dagegen war er geschützt! Liane hatte gesehen, daß selbst die Fenster seiner Wohnung, die nach dem indischen Garten gingen, förmlich verbarricadirt waren. … Von leuchtenderer Schönheit konnte die Bajadere auch damals nicht gewesen sein, wo sie ihm die vertrocknete Höflingsseele in verzehrender Leidenschaft aufgestürmt, als jetzt in der Verklärung der letzten Lebensstunden. Frau Löhn hatte den leichten Körper, „diese Schneeflocke“, noch einmal in die frischeste, weiße Muslinwolke gehüllt, „weil sie das immer so gern gehabt.“ Auf der unmerklich athmenden Brust lag der Schmuck der Goldmünzen, und die linke Hand umschloß das an einer Kette hängende Amulet. Diese durchsichtigen bläulichen Lider hoben sich wohl noch einmal – wenn die Augen verglasten, aber den lieblichen Zug von Glückseligkeit, in welchem die halboffenen Lippen bereits erstarrt waren, nahm sie mit hinab unter den rothen Obelisken.
„Denken Sie um Gotteswillen nicht, daß ich um die arme Seele da weine, gnädige Frau,“ sagte die Löhn mit gedämpfter Stimme, als ihr Liane liebevoll unter die starkgeschwollenen Lider sah.
Es ist ein Februarabend in Berlin. Eine dichte Wagenreihe zieht sich in ununterbrochener Kette unter den Linden bis zum Thore des Opernhauses hin. Jeder geöffneten Kutschenthür, ohne Ausnahme, entsteigen, wenn die Equipage endlich langsam vorrückend vor jener Pforte anbelangt ist, Frauengestalten, die meist ganz umhüllt und umwogt sind von dem leichten, lichten Gewölk des Mulls, Krepps oder Tarlatans hochaufgenommener, enormer Robenschleppen. Schleunig, wie eine Sternschnuppe im nächtlichen Dunkel verschwinden die Trägerinnen derselben im Vorflur des Hauses den neugierigen Blicken der ringsum geschaarten Menge, welche dem winterlichen Schneesturme muthig trotzt.
Drinnen ist Alles verwandelt. In den Foyers strahlen heute große Spiegel, zwischen roth- und weißblühenden, tiefgrünen, laubreichen Gebüschen angebracht, die Bilder der Vorbeipassirenden gefällig zurück. Nicht zu den Bänken des Parquets öffnen sich heute die beiden Seitenthüren am rechten und linken Ende dieses halbrunden Ganges. Ein paar Stufen führen nur von dort hinauf in einen neugeschaffenen Riesensaal, welcher sich vom Fuße der [272] Logenbrüstung des ersten Ranges bis zur letzten Hinterwand des Bühnenraums erstreckt. Der Vorhang, welcher das Auditorium sonst von diesem trennte, ist verschwunden, das Parquet mit seinen Bankreihen begraben unter den Dielen des in der Höhe der Scene darüber gelegten Bodens. Die Kronen, Lüstres und Wandleuchter verbreiten ein taghelles Licht durch den kolossalen Raum. Allseitig einströmend, hebt dasselbe jeden Schatten auf und läßt nichts als die Farben wirken. Alle Ränge sind dicht besetzt mit einer in allen Tönen des Prismas in Seidenstoffen, Spitzen, Sammet, Edelsteinen und Perlen prangenden Menge. Auf den Stufen, welche von der großen königlichen Mittelloge zum Saale herabführen, sowie in diesem selbst drängt sich „ganz Berlin“ und was die Residenz gerade von genußfrohen ausländischen oder provinzialen Gästen der guten Gesellschaft beherbergt. Zum Klange der Orchester, beim Rauschen der Springbrunnen wallt diese schillernde Menge, immer wieder stockend, aufgehalten, zertheilt durch den entgegengesetzten Strom und die von der anderen Seite neu Eindringenden, den Saal auf und ab. Jeder und Jede ist zugleich Acteur und Zuschauer in diesem brillanten Schauspiele.
In den Prosceniumslogen zur Linken haben die Mitglieder der königlichen Familie Platz genommen. Davor staut unten im Saale die Menschenwoge. Alle Blicke richten sich dort hinauf. Des deutschen Kaisers ehrwürdiges Antlitz erscheint wieder wie seit so manchen Jahren, heiter theilnehmend, die wechselnden lebendigen Bilder hier unten betrachtend, im dunklen purpurnen Fond der Loge, in deren vorderster Sesselreihe die Damen des Königshauses, Kaiserin Augusta, Kronprinzessin Victoria, die Prinzessinnen Karl und Friedrich Karl und Andere sich niedergelassen haben. Die vom Orchester intonirte Weise der Königspolonaise ruft sie, die Prinzen und den gesammten Hof zu dem herkömmlichen „Umgang“ herab in den Saal. Das ist die Eröffnungsstunde eines jener weit berühmten Berliner Opernhaus- oder „Subscriptionsbälle“.
Wer dieses vornehme Ballfest häufig besuchte, der hat dort sicher wiederholt zwischen den Gruppen von ritterlichen Cavalieren der Garde in blitzenden Gala-Uniformen, zwischen den eleganten Schönheiten des Hofes und der Stadt, von den knisternden, farbigen Seidenwesten ihrer Schlepproben umwogt, einen Herrn von kaum mittlerer Größe bemerkt, dessen Erscheinung und Verhalten in dieser Umgebung so eigenartig, so charakteristisch ist, daß sich der Eindruck davon tief einprägen muß. Eine untersetzte, feste Gestalt, ein mächtiger kahler Schädel von ergrautem Haare umsäumt, eine stark vordringende, hügelige Stirn, graue tief beschattete Augen, von der Brille verdeckt, klare Intelligenz, scharfe Beobachtung und starken Willen in den energisch zusammengefaßten Zügen des von kurzem grauem Barte rings umrahmten, sonst glatt rasirten Antlitzes – so steht der Mann vor uns.
Wer ihn, wie festgewurzelt, im Gedränge dastehen ober ruhig seinen Weg durch dasselbe suchen sieht, den Blick durchdringend auf die ihn umgebenden Objecte gerichtet oder hier und da seinen verständnißvollen Bekannten, denen er im Gewühle begegnet, fast ohne ein Wort zu sprechen, auf den Gegenstand seiner Beobachtung hinweisend, der muß sich, auch ohne „Nam’ und Art“ des Mannes zu kennen, sagen: Das kann kein Ballgast gewöhnlichen Schlages und keiner von den Hunderten sein, welche hierhergekommen sind, um nur das leichtrauschende Vergnügen eines solchen Festes zu finden oder gar um die eigene werthe Person, Würde und Bedeutung im Dunstkreise der „hohen Herrschaften“ und der schönen Welt Berlins zur Schau zu stellen. Und was sucht er denn hier? Wer mich so fragte, dem würde ich antworten: Das, was ihn hierhergeführt und hier fesselt, ist das ernsthafteste Interesse vor Allem für die malerische Erscheinung der Dinge, der Gestalten, der wechselnden Gruppirungen, der Stoffe, welche jene umrauschen, der Lichteffecte, der Farbencombinationen, der anmuthigen und der scharf charakteristischen Bildungen, der blühenden, lachenden Jugend und des gebrechlichen oder künstlich versteckten Alters.
Hier in diesem aufgeregten festlichen Wirbel, wie draußen in schweigender Landschaft, auf den lärmenden Märkten und Straßen der Großstadt, wie im kühlen Dämmer der Kirchen, im strahlenden Prunksaale des Königsschlosses, wie im Lazareth, ja, wenn es die Gelegenheit gäbe, auf leichenbesäeter Wahlstatt, immer und überall gilt ihm die Welt des Sichtbaren zunächst als das überreiche vor ihm ausgebreitete Feld des künstlerischen, speciell malerischen Studiums. Ob er auch längst schon mehr weiß von der Natur aller erscheinenden Dinge als irgend einer der lebenden Meister der Künste, so ist ihm doch jede Wirklichkeit eine Lehrerin, die er in gewissenhaftem Aufmerken auf ihren wahren Sinn dankbar verehrt.
Dieser Meister ist Adolf Menzel in Berlin.
Es war längere Zeit gebräuchlich, denselben mit dem künstlerischen Ehrentitel „der Maler Friedrich’s des Großen“ zu bezeichnen und zu charakterisiren. Diese Bezeichnung hat indeß ihre Berechtigung verloren, weil sie eine zu einseitige, zu ausschließliche ist. Die allgemein gewordene Ansicht, daß sie es sei, hat sie seit einigen Jahren aus der Mode gebracht.
Aber es gab eine Periode in Menzel’s Leben, wo dieselbe, wenigstens für das große Publicum, welches nur seine damals rasch auf einander folgenden Hauptgemälde und zahlreich vervielfältigten Zeichnungen sah und kannte, wohl begründet erscheinen konnte. Sein Jugendwerk, die Illustrationen zu Franz Kugler’s „Geschichte Friedrich’s des Großen“ zeugt von reifster künstlerischer Bildung und männlichem Ernste der Natur- und Geschichtsanschauung und schien Menzel’s Malerkraft für seine ganze Zukunft diesem einen Helden geweiht zu haben. Diese unübertroffenen kleinen Schöpfungen, deren Entstehung auf mehr als dreißig Jahre zurückweist, bewähren eine ähnliche Eigenschaft wie edle Weine. Ihre Würze scheint sich mit dem Alter nur zu steigern. Während so vieles damals Hochgepriesene unter den zu jener Zeit entstandenen Werken der deutschen Malerei für uns Menschen von heute schal und ungenießbar geworden ist, uns matt, schwächlich, dilettantisch, geschmacklos erscheinen will, halten diese Holzschnittbildchen die geschärfte Prüfung aus und bewahren die gleiche Frische, mit welcher sie uns ehemals erquickten. An ihrem Bestehen im Wandel der Geschmacksrichtungen hat ihre innerste echte Wahrhaftigkeit einen Hauptantheil. Diese Wahrhaftigkeit ist immer die eigentliche Weise unseres Meisters gewesen und geblieben. Er hat sie nie verleugnet, und sie hat ihn zu hohen Zielen geführt.
Von Solchen, welche Menzel’s gesammtes künstlerisches Schaffen und dessen Entwickelung sowie die ganze zeitgenössische Kunst zur Genüge kennen gelernt haben, um vergleichen zu können, ist dieser Meister treffend der größte künstlerische Charakter unserer Zeit genannt worden. Er steht heute in demselben Lebensalter, wie der gewaltige deutsche Mann, welchen man als den größten politischen staatsmännischen Charakter nicht nur unseres Volkes zu bezeichnen gewohnt ist.
Menzel ist 1815 in Breslau geboren, der schönen geistig regsamen Hauptstadt Schlesiens, welche dem ganzen Vaterlande einen reichen Segen von hervorragenden Männern und Talenten auf allen Gebieten, besonders aber den künstlerischen, gegeben hat. Sein Vater war Vorsteher eines Lehr- und Erziehungsinstituts, übersiedelte, als der Sohn noch im Knabenalter stand, nach Berlin, um hier die damals eben aufblühende Lithographie zur Errichtung eines eigenen lithographischen Ateliers zu studiren, starb aber hier, als jener kaum das vierzehnte Jahr erreicht hatte. Der Sohn hatte gezeichnet, seit seine kindliche Hand einen Stift halten konnte. Nach dem Tode des Vaters sah er sich einer Aufgabe gegenübergestellt, welche seine natürliche Talent- und Geisteskraft hob und stählte; denn er mußte die durch seine bisherigen Versuche und Bemühungen errungenen künstlerischen Kenntnisse und Geschicklichkeiten zur Erwerbung des Lebensunterhalts der Seinigen verwerthen, ohne darum doch dem fortgesetzten Studium, dem Streben und Ringen nach den höchsten Zielen der Kunst zu entsagen. Sein eigenthümlicher künstlerischer Bildungsgang lag weit ab von dem damals bei uns gebräuchlichen. Es war die Blüthezeit der Alt-Düsseldorfer Romantik, jenes schwächlichen künstlerischen Nachklangs einer bereits ausgelebten und wenig gesunden literarischen Epoche. Die schönen Theaterritter, Kreuzfahrer und Saracenen, die Priester, Rathsherren, Edelknaben, die minniglichen Mägdlein und Kirchengängerinnen, meist unmögliche Existenzen, die weder dem Studium der Wirklichkeit noch dem der Geschichte oder der großen Schöpfungen der älteren Kunst entstammten, wuchsen dort zum Entzücken des Publicums empor, bevölkerten alle Ausstellungen und beherrschten den allgemeinen Geschmack. Auch in Berlin, [273] welches für diese Art von Kunst, seiner Vergangenheit gemäß, kein günstiger Boden war, gehörten sie zur Tagesordnung.
Künstlergeister von ganz anderem Schlage hatten hier in der Hauptstadt des jungen preußischen Staates und des ganzen protestantischen Norddeutschland gearbeitet und gewirkt. Es waren Talente voller Mark und Charakter; in der Natur sahen und verehrten sie „aller Meister Meister“. Nicht mit literarischen Träumen hatten sie ihre Phantasie befruchtet; aus der scharfen, unbefangenen Beobachtung, aus dem eindringenden unablässigen Studium der Natur hatten sie ihre Kraft gesogen, den Geschöpfen ihrer reichen Einbildungskraft wahrhaft lebensfähige und unvergleichlich lebendige Gestalt zu geben: Andreas Schlüter, Daniel Chodowiecky und Gottfried Schadow. Ihre von dem deutschen Künstlergeschlecht der dreißiger Jahre nach ihrer wahren Bedeutung zu wenig gewürdigten und verstandenen Meisterwerke wurden die eigentlichen Quellen der künstlerischen Bildung A. Menzel’s. Wohl zeichnete er für die Hofkunsthandlung von L. Sachse und Andere Titel- und Gedenkblätter, Illustrationen, freie phantastische Compositionen, Neujahrskarten, Arabesken, Randbilder, Etiquettes, Fest- und Tischkarten, Alles und Jedes, was bei ihm bestellt wurde, mit der Feder oder der lithographischen Kreide auf den Stein, um seine und der Seinen Existenz zu erhalten. Aber zugleich wußte er Zeit zum ernstlichsten Studium zu gewinnen. Und auch jede jener kleinen Erwerbsarbeiten trägt den Stempel dieses hohen und reinen Strebens; jede überrascht durch originelle geistreiche und phantasievolle Erfindung, durch den Ernst und die Solidität, die tiefe künstlerische Gewissenhaftigkeit, die reiche Naturkenntniß, welche sich in der zeichnerischen Lösung auch der geringsten Aufgabe noch bekundet. Aus der unabsehbaren Menge derartiger Jugendarbeiten Menzel’s seien hier nur die Einzelblätter: „das Vaterunser“, „die fünf Sinne“, von den cyclischen Werken „Künstlers Erdenwallen“, „Blätter aus brandenburgisch-preußischer Geschichte“, „das Gedenkbuch“ (Alle in Sachse’s Verlag) genannt.
In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre schrieb Franz Kugler seine schon oben erwähnte populäre „Geschichte Friedrich’s des Großen“, die bei J. J. Weber (jetzt bei Mendelssohn) in Leipzig erschien. Sie sollte ein Gegenstück zu dem bekannten französischen Werk „Das Leben Napoleon’s“ von Laurent, mit den Holzschnittillustrationen von Horace Vernet bilden. Ein richtiger Tact ließ ihn den jungen Menzel wählen, die Illustrationen des Buches auszuführen. Dieser nahm den Auftrag an und ging mit dem ihm eigenen Ernst an’s Werk. Er machte sich durch das genaueste Studium alter Denkmale und erhaltener Zeugnisse des achtzehnten Jahrhunderts dessen gesammte Erscheinungsformen, Menschen, Architekturen, Sitten so zu eigen, wie es Keinem vor noch nach ihm gelungen ist. So erreichte er es, mit der Welt und Zeit des großen Königs auf’s Intimste vertraut zu werden. Ihre Charaktere, Scenen, Localitäten, jede ihrer Lebensäußerungen in Krieg und Frieden sah er „mit seines Geistes Aug’“ so genau und richtig, wie die ihn umgebende Wirklichkeit, und verstand es, sie demgemäß zu gestalten und somit dem preußischen Volke seines echten großen Friedrich’s Bild zuerst so wieder zu geben, wie es der Art und Größe dieses Königs und Helden entsprach. Aber diese Illustrationen haben für uns noch eine andere wichtig und folgenreich gewordene Bedeutung. Von ihnen ist der neue prächtige Aufschwung des deutschen Holzschnitts ausgegangen, des ersten und segensvollsten unter allen Mitteln, das Kunstschöne zum Gemeinbesitz des ganzen Volkes werden zu lassen, wozu später (sie kann es ohne falsche Bescheidenheit sagen) auch die „Gartenlaube“ ihr redlich Theil und mit vollem Erfolge beigetragen hat. Und an diesen bewundernswerthen Arbeiten bildete sich die künstlerische und technische Kraft der an ihrem Facsimileschnitt thätigen Xylographen Unzelmann, A. und O. Vogel, Kretzschmar, Georgy, Ritschl, zur Meisterschaft heran.
Friedrich Wilhelm der Vierte beauftragte A. Menzel 1842 mit der Illustrirung der Prachtausgabe der Werke Friedrich’s des Großen. Bis zum Jahre 1849 hat ihn, allerdings neben einer Menge gleichzeitiger anderer Arbeiten, diese Aufgabe beschäftigt. Wohl ohne Gleichen in der gesammten illustrirenden Kunst ist eine solche Vereinigung aller besten und wichtigsten Eigenschaften wie hier: diese Spiegelung, dieses reine Wiederstrahlen des Geistes des darin illustrirten Autors und seiner Epoche, diese Fülle des Ideengehalts, des Witzes, des Tiefsinnes, der Poesie, dieser umfassende Reichthum des künstlerischen Könnens und Wissens, diese Beherrschung des ganzen weiten Gebietes der Phantasiewelt, wie der wirklichen, der menschlichen wie der landschaftlichen.
Die Beschäftigung mit dem Zeitalter Friedrich’s des Großen führte Menzel in demselben Jahrzehnt zu einer der merkwürdigsten und eigenartigsten künstlerischen Unternehmungen, zu deren Durchführung in so eminenter und vollendeter Weise es eben einer Willensenergie, Arbeitskraft und Consequenz wie Menzel’s, aber auch zugleich einer so divinatorischen Phantasie wie der seinigen bedurfte. Es ist das die von ihm in dreihundert Blättern mit der Feder auf den Stein gezeichnete Galerie der Truppentypen und Uniformen der „Armee Friedrich’s des Zweiten“. Er benutzte die noch vorhandenen erhaltenen Montirungs-, Waffen- und Ausrüstungsstücke, um alle jene lebendigen soldatischen Instrumente der Thaten des großen Königs, mit ihnen bekleidet und gerüstet, noch einmal in voller überzeugender Wahrhaftigkeit und Charakterechtheit in diesen erstaunlichen Zeichnungen vor unserem Blick heraufzubeschwören. Das berühmte Werk existirt nur in kaum mehr als dreißig Exemplaren im Besitze großer öffentlicher Bibliotheken und Museen. Die Platten sind, nach dem Abzuge jener – vernichtet.
In ähnlicher Weise hat Menzel im Anfange der fünfziger Jahre die Generale, die Paladine des großen Königs, wieder „lebig“ gemacht, indem er sie in charakteristischen Situationen auf Holz zeichnete, die dann, in A. Kretzschmar’s Institute geschnitten, bei A. Duncker in Berlin, mit Text vom Verleger erschienen.
Während dieser illustrirenden und zeichnerischen Thätigkeit, welche so manches arbeitsvolle Jahr seines Leben in Anspruch nahm, hatte er dennoch nie die malerische ruhen lassen. Mit der Gleichgültigkeit und dem Unverständnisse des damaligen Ausstattung- und Liebhaberpublicums hatte er manchen Kampf zu bestehen. Weil die ergreifenden Bilder der Natur, des gegenwärtigen und des historischen Lebens, wie er sie schuf, von allem theatralisch-declamatorischen Phrasenwesen, woran die zeitgenössische Modekunst uns gewöhnt hatte, frei waren, sprach man wohl ihrem Maler die Fähigkeit ab, die Sinne zu entzücken, die zarten Seelen zu rühren, nannte ihn wohl den „Maler des Häßlichen“. Auf der großen Berliner Kunstausstellung von 1850 erst schlug er siegreich durch mit jenem jetzt in der Berliner Nationalgalerie befindlichen Oelgemälde, welches seinen bisherigen Lieblingshelden Friedrich den Zweiten, umgeben von den Männern seiner geistigen Tafelrunde, Voltaire, d’Argens, Maupertuis, Lord Keith etc. im runden Speisesaale zu Sanssouci darstellte. Schnell folgten die anderen berühmten Gemälde aus Friedrich’s Leben: „Das Flötenconcert zu Sanssouci“ (1854 für zweitausendfünfhundert Thaler an einen Liebhaber verkauft, 1873 von Banquier Magnus Herrmann in Berlin um – dreißigtausend Thaler erstanden), 1856 „König Friedrich und die Seinen bei Hochkirch“ (im Besitze des Kaisers, im Berliner Schlosse), 1858 „Friedrich der Zweite auf Reisen“.
Mit einem der umfangreichsten künstlerisch und geistig bedeutendsten Werke seines Lebens, „Der König im Kreise seiner Generale am Morgen der Schlacht von Leuthen“, beschäftigt, rief ihn lange vor dessen Vollendung der Auftrag ab, das große Bild der Krönung König Wilhelm’s des Ersten in Königsberg zu malen. Eine, Dank der Menzel’schen Art, sie aufzufassen und anzugreifen, unendlich mühevolle und langwierige Arbeit! Nicht nur ein großes Kunstwerk, vor Allem ein unschätzbares historisches Denkmal, das wahrheits- und geistgetreue Spiegelbild des ganzen officiellen Preußen, aller Hauptträger seiner Staats- und Waffenmacht hat Menzel darin geschaffen.
Seit dieses Werkes Abschluß wandte er sich fast ausschließlich der Malerei von Bildern aus dem Leben der Gegenwart, und meist kleinen Maßstabes, zu. An Erfindungs-, Beobachtungs- und Darstellungskraft wie in der malerischen Kunst schien sein Talent noch fort und fort zu wachsen. Seine Kunst ist der beste und kräftigste praktische Protest gegen jene noch immer in unserer Kunstlehre spukende zopfige Rubricirung, Ordnung und Unterordnung der malerischen Gattungen nach ihren Gegenständen. Wo er die Welt und das Leben – und nicht blos das „volle Menschenleben“ – packt, da ist’s interessant.
Von Menzel’s neueren Oelbildern führe ich hier einige der bekanntesten an: „Der Tuileriengarten“, „Die Straße in Paris“, [274] „Gottesdienst im Freien“, „Auf dem Hofballe“ (Tanzpause), „Abfahrt König Wilhelm’s zur Armee 19. Juli 1870“. Gegenwärtig beschäftigt ihn ein größeres Bild, „Das Innere der Schmiedewerkstätten zu Königshütte mit den Arbeitern in voller Thätigkeit an den gluthsprühenden Oefen“. Schlechthin unabsehbar und unregistrirbar aber ist die Zahl der vollendetsten Aquarell- und Gouachebilder, der Gedenkblätter, der Radirungen, Lithographien in Kreide, Pinsel und Schabeisen, Transparentgemälde; der Tausende von Zeichnungen, Natur-Studien, welche seine Mappen und Schränke füllen, gar nicht zu gedenken.
Er hat seine Zeit, seine Kunstgenossen und sein Volk, die sich lange abweisend gegen ihn verhielten, „durch seine Kraft bezwungen, in seinem Kreise willig festgebannt“, durch die Kraft des Genies gewiß, aber eben so durch die der Wahrheit und des Gewissens, die sich in ihm jederzeit auf’s Innigste verbanden. Jedes Stück, das er geschaffen, legt dafür Zeugniß ab.
Viel ist dieser große Realist der deutschen Kunst geworden; viel noch mag sie von ihm erwarten. Er bildet in seiner Werkstatt zwar keine Schüler aus, aber es geht doch von ihm eine wohlthätige Zucht des künstlerischen Geistes aus. Das leuchtende Beispiel der Wahrhaftigkeit, der sittlichen Energie in Kunst und Leben, des heiligen Respectes vor der Natur, der vollen Freiheit von Allem, was Phrase, Lüge, falscher Aufputz, täuschende hohle Virtuosität heißt, der vordringenden Arbeit, des unablässigen, sich nie genügenden Fleißes, wie dieser Mann und Meister es giebt, kann nicht ohne segensreichen Einfluß auch auf die weiteren Kreise der Genossen, auf die Kunstanschauung und Kunstübung der Gegenwart bleiben. – Erscheint er auf dem Hof- oder Opernball zwischen den Höchsten dieser Erde, im Salon zwischen schönen Damen und geistreichen Cavalieren, in der Collegen Werkstatt, im Kreise der Jungen wie der Alten, in der Kneipe oder im gastlichen Haus: – Keiner, wie verschieden auch die Meinungen, Richtungen, Lebensalter und ‑Stellungen sein mögen, der Menzel nicht mit einer gewissen der Ehrfurcht sehr nah verwandten Empfindung entgegenträte. Es ist seine von allem pedantischen, gemachten Wesen freie und in ihrer Natürlichkeit so imposante, künstlerische und sittliche Persönlichkeit, welche durch ihr Thun und Sein jene Empfindung ungesucht und unbeabsichtigt erweckt.
In den Gedenkbüchern des deutschen Volkes findet sich vom Jahre 1870 ab ein recht unerquickliches Blatt, das wir aus Gründen der Versöhnlichkeit gerne herausreißen und vergessen möchten, wenn es nicht Winke und Lehren gäbe, die uns nöthig sind. Das Blatt erzählt von neidvoller Bosheit und gehässiger Schmähung, deren verschiedene Völkerschaften des Auslandes wider den deutsche Namen sich befleißigten, von heimlichen Genickstößen und offenen Beschimpfungen und Mißhandlungen, welche die als friedliche Mitbürger unter diesen Völkerschaften lebenden Deutschen erdulden mußten, weil ihr Vaterland es gewagt hatte, einen feindseligen Bedroher ihrer Existenz niederzuwerfen und wider den Willen desselben zu Eintracht und Macht sich aufzuringen. Die Liste der betreffenden Thatsachen ist groß, und überblickte man sie noch vor Kurzem, so zeigte sie eine so vielseitige Blumenlese des unverständigen Uebelwollens, der Schnödigkeit und Ungerechtigkeit, daß man wirklich glauben durfte, es sei genug des vermessenen Spiels und wir könnten durch Neues aus diesen Windrichtungen eines frevelhaften Nationalhasses nicht mehr überrascht werden. Dennoch befinden wir uns heute in diesem Falle.
Kaum jemals hat Deutschland von bedrängten Volksgenossen des Auslandes einen so tief begründeten, so machtlos aus den Herzen quellenden, so erschütternd in die Seelen greifenden Angst- und Verzweiflungsschrei gehört, wie denjenigen, der soeben aus den fernen Grenzlanden Ungarns in den bewegendsten Tönen unserer Muttersprache zu uns herüberdringt. Und was diesen Nothruf aus weiter Ferne für uns noch ergreifender macht, das ist der Umstand, daß er in schonungsvoller Berücksichtigung unseres eigenen Werdekampfes nicht speciell an uns sich wendet, sondern ein Appell unterdrückter Deutscher an die öffentliche Meinung des gesammten Europas und an das Sittengesetz der richtenden Geschichte ist.
Ungarn ist nach seiner Geschichte und nach der Art seiner Bevölkerung kein Magyarenland. Wenn die Magyaren auch einen großen und hervorragenden Haupt- und Kernstamm der ungarischen Bevölkerung bilden, so besteht die Gesammtmasse dieses Volkes doch aus verschiedenen, zusammen an Seelenzahl den Magyaren überlegenen Nationalitäten, unter denen sich auch beinahe zwei Millionen Deutsch-Ungarn befinden, die notorisch das eigentliche Culturvolk sind. Daß sie das sind, zeigt sich in vielen dortigen Erscheinungen, besonders aber in dem Vorherrschen der deutschen Sprache. Immer mehr und mehr ist sie in Ungarn die Sprache der Bildung, des Handels und Völkerverkehrs geworden, und es lesen und schreiben dort viel mehr Menschen deutsch als ungarisch. Ganz ohne innere Reibungen freilich ist es zwischen den verschiedenen Nationalitäten im Laufe der Zeit nicht immer abgegangen, im Ganzen aber war das Verhältniß ein friedliches; die Völkerschaften lebten ruhig beieinander, weil jede unberührt blieb in ihrer nationalen Sprache, Tracht und Sitte, und sie dabei fast sämmtlich dem gemeinsamen Vaterlande eine treue Anhänglichkeit und Liebe bewahrten. So war es bis zu den preußischen Siegen im Jahre 1866, welche Ungarn unerwartet zu jener selbstständigen Stellung verhalfen, für die es in der Revolution von 1848 unter der warmen Theilnahme der europäischen Völker so mannhaft geblutet, welche in den folgenden Zeiten der Niederwerfung und des Reactionsdruckes das Ziel seines Ringens und seiner heißesten Wünsche geblieben war. Nun war das Ziel erreicht und eine neue Aera des Aufschwunges heraufgezogen, die Früchte aber kamen nicht allen Bewohnern des Landes zu Gute, sondern fielen ausschließlich den Magyaren in den Schooß. In ihre Hände legte der Ausgleich mit Oesterreich die volle Herrschaft über Ungarn. Niemand mißgönnte ihnen das im Anfange; es war auch in der That eine andere Stellung des Verhältnisses kaum denkbar, und das Arrangement enthielt nichts, was nicht zum Segen für das neugebildete Staatswesen hätte führen können, wenn nur die Magyaren neben ihren vielen vortrefflichen Eigenschaften, neben ihrer Energie und ihrem politischen Talent auch jene weise Mäßigung besäßen, jener mitfühlenden Rücksicht auf die Rechte Anderer fähig wären, jener großmüthigen und edlen Gesinnung, welche die Völker oft schon in der Schule des Unglücks für die Tage aufsteigenden Glanzes erworben haben.
Davon aber zeigte das Verhalten der Magyaren während ihrer nunmehr siebenjährigen Staatsführung keine irgend merkbare Spur. Indem sie die Zügel der Regierung ergriffen, ließen sie ihrer selbstsüchtigen Nationaleitelkeit, ihrem bis zur Ueberspanntheit leidenschaftlichen, bis zur Krankhaftigkeit reizbaren Nationalstolze den zügellosesten Lauf. Nicht die wahre Förderung des Landeswohls durch Lösung großer Culturaufgaben, denen vor Allem ihre Aufmerksamkeit sich hätte zuwenden sollen, sondern die Magyarisirung des Landes, die bis zur Exaltation gesteigerte Sucht, Anderen gewaltsam das eigene Volksthum aufzupfropfen, wurde die Richtschnur ihrer inneren Politik und all ihres Planens und Denkens. Und je weniger dieses Unternehmen ein leichtes war, je mehr es rings umher und weit und breit im Umkreise namentlich das überlegene Deutschthum, die deutsche Cultur und Bildung als ein schweres Hinderniß auf seinem Wege fand, um so mehr wuchs die eigenartige und wilde Hartnäckigkeit, vor Allem diesen so stark sich ausprägenden Gegensatz mit nachdrücklicher Kraft hinwegzufegen. Alles, was bisher deutsch gewesen, sollte nun im Sturme magyarisch werden, die Gesetzbücher und Gerichte, die höheren und mittleren Schulen, selbst die Amtssprache der Gemeinden. Ueberall wurden die deutschen Professoren und Beamten vertrieben, überallhin Magyaren oder ihre Lakaien geschickt, gleichviel, ob sie für die Aufgabe befähigt waren oder nicht. Was diesem Treiben widerstand, wurde verdächtigt, verfolgt, untergraben. Das brennende [275] Verlangen nach dem „großen magyarischen Nationalstaat“ war der Quell geworden, aus welchem sich in übersteigender Hast Gesetze, Einrichtungen und Unternehmungen ergossen, welche Ungarns übrige Völkerschaften bis zum Grunde aufwühlten und bei keiner einzigen nur den Schimmer einer Befriedigung erreichten.
Auf Seiten der Hunderttausende in Ungarn zerstreut wohnender, unter die übrigen Bevölkerungen gemischter Deutscher – oft der Mehrzahl großer Stadt- und Dorfgemeinden – hat freilich bisher das mit allen Mitteln der Regierungsgewalt betriebene Entnationalisirungswerk eine thatkräftige Gegenwehr nicht finden können. Nicht Wenige dieser Deutschen haben sogar durch liebedienerisches Ueberlaufen in das Lager der herrschenden Macht ihren Vortheil wahrzunehmen gewußt, spielen mit oder ohne Geschick die Rolle der heißspornigen Magyaren und beißen eine wüthige Deutschenfresserei heraus, ohne sich daran zu kehren, daß sie wegen dieser ehrlosen und vielfach sehr lächerlichen Verleugnung ihrer Abkunft der Verachtung preisgegeben und ihre magyarisirten Familiennamen – denn so weit geht die Erbärmlichkeit dieser Renegaten – wiederholt an den Schandpfahl geschlagen wurden. Ein anderer Theil hat allerdings den Wünschen und Forderungen der neuen Oberherren nicht eine so entgegenkommende Fügsamkeit gezeigt; er leistet vielmehr eine Art passiven und grollenden Widerstandes, der sich zuwartend verhält, aber den Fortschritt der Unterdrückung nicht hindern kann. Ein zusammenhangslos über ein ganzes Land sich verbreitendes Volkselement, mag es durch seine Zahl und seine höhere Cultur immerhin die gerechtesten Ansprüche besitzen, wird doch nur selten im Stande sein, den feindselig auf seine Vernichtung ausgehenden Maßregeln eines regierenden Stammes mit irgend einem durchgreifenden Erfolge Trotz zu bieten. War bisher in Ungarn von einer tapfern Gegenwehr des Deutschthums die Rede, so fand sich dieselbe nur bei der sogenannten „Sächsischen Nation“, jenen zweimalhunderttausend Sachsen Siebenbürgens, die hier, verbunden durch ein fest organisirtes Gemeinwesen, auf einem und demselben Territorium beieinander leben. Hat jemals ein der Heimath entrückter Stamm in vollständig fremder Umgebung die unzerstörbare Kraft seines Volksthums offenbart, so ist es Seitens dieser Deutschen im entlegensten Lande der österreichischen Monarchie, an dem äußersten Endpunkte der europäischen Civilisation geschehen. Vor sechshundert Jahren haben ihre Väter als friedliche Colonisten auf dem fernen Boden sich angesiedelt, und sechs Jahrhunderte hindurch haben alle ihre weiteren Geschlechter, oft genug von wilden Kämpfen umwogt, die von den Vätern ihnen gegründete Heimath als eine stolze Heim- und Pflanzstätte deutscher Cultur und Bildung, deutscher Sprache, Sitte und Sittlichkeit mit einer Ausdauer ohne Gleichen zu behaupten gewußt.
Von deutschen Reisenden, welche in jene Gegenden gekommen und sich hier plötzlich in deutsche Städte und Dörfer versetzt sahen, von deutschem Laut und Wesen sich angeheimelt fühlten, ist uns der überraschende Zauber dieses Eindruckes inmitten einer rumänischen Welt, sowie die ergreifende und schicksalsreiche Geschichte des wunderbar zäh seine Eigenart bewahrenden Völkchens längst in den wärmsten Farben geschildert worden. Seinem Ackerbau und seinem emsigen Landwirthschaftsbetriebe, seinem rüstigen und rührigen Gewerbfleiße, dem verständigen und gesitteten Ernste seines Charakters ist der behagliche Wohlstand des wahrhaft „prangenden“ Gebietes zu danken, und auf diesem Gebiete streuen vortreffliche deutsche Volks- und Mittelschulen, sowie höhere Lehranstalten den Samen geistiger Erweckung aus, ertönt in den Kirchen aus meistens freisinnigem Munde das deutsche Predigtwort, spricht eine wohlgeleitete Presse in reinem und schönem Deutsch zu einer Bevölkerung, deren gebildete Classen ihr Wissen und ihr Geistesleben durch einen innigen und regen Zusammenhang mit den Bewegungen der deutschen Literatur, der deutschen Wissenschaft und Kunst in frischer Strömung zu erhalten suchen. Niemals haben die deutschen Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen Siebenbürgens aufgehört, sich mit nachdrücklichem Stolze als Deutsche zu bekennen; das Bewußtsein ihrer Abkunft ist ihnen keine bloße geschichtliche Erinnerung, es ist der lebendige Kern ihres Daseins, die innerste Richtschnur ihres Denkens und Fühlens geblieben. Als es sich im Jahre 1870 für Deutschland um Sein oder Nichtsein handelte, da merkten wir die ganze Innigkeit der Wärme, mit welcher dort fern an den Karpathen ein längst versprengter Theil der deutschen Volksfamilie ob der uns drohenden Gefahren bangte und jubelnd das Hochgefühl der Rettung mit uns theilte wie einen Sieg der eigenen Sache.
Irgend ein verständiger politischer Grund, der eine Staatsregierung veranlassen könnte, den Frieden dieses Menschenhäufleins durch einen Angriff auf ihre nationale Besonderheit zu stören, irgend ein Nutzen, der aus solchem Angriffe dem Bestande und dem Wohle des Gesammtlandes erwachsen sollte, läßt sich bei ruhiger und unbefangener Erwägung der Verhältnisse nicht finden. Die Siebenbürger Sachsen sind kein Staat im Staate, treu dem Boden anhängend, auf dem sie wohnen, sind sie seit Menschengedenken hingebend treue Bürger des Reiches, zu dem sie gehören, mit dem sie durch Bande der Liebe, der Gewohnheit und der Interessen verwachsen sind. Ihre Geschichte verzeichnet manche That der Nothwehr, aber keine That der Auflehnung oder Feindseligkeit gegen Oesterreich und Ungarn. Wie sie heute anerkannt die pünktlichsten Steuerzahler, die pflichtgetreuesten Patrioten sind, sind sie auch stets mit Herz und Hand opfervoll und aus ureigenem Eifer dabei gewesen, wo es das Gesammtland zu vertheidigen, seine Freiheit zu erringen, sein Wohl zu fördern galt. Verlangen sie also Selbstständigkeit, so ist es eine wesentlich ideale und besteht nur in der Wahrung innerer Güter: unbeschränkt wollen sie das Recht behalten, Deutsche zu bleiben in Sprache und Bildung, Sitte und Cultur, wollen sie weiter innerhalb des Staates gleichsam eine einheitliche Familie, eine zu Culturzwecken vereinigte Gemeinschaft bleiben, wollen sie die freie Verfügung über ihr althergebrachtes, in Stiftungen bestehendes gemeinsames Privateigenthum, das sächsische Nationalvermögen behalten, mit dem sie bisher die Kosten ihres blühenden Schul- und Bildungswesens gedeckt haben. Alle diese natürlichen Rechte sind ihnen denn auch früher nicht bestritten, sondern in zahllosen Urkunden ausdrücklich verbrieft, durch Gesetze, Verträge und Krönungseide gewährleistet, auch bei dem Ausgleiche des Jahres 1867 von Neuem feierlich bewilligt worden. Nüchterne und tiefer blickende Staatsmänner haben stets erkannt, daß der Staat von der sorgfältigen Erhaltung eines so edeln Gemeinwesens, eines solchen Cultureinflusses inmitten halbbarbarischer Umgebungen nur Vortheil, aber keinerlei Schaden hat. Nur die Magyaren verschließen sich dieser Einsicht, und von welcher Seite man ihr Verhalten auch betrachten mag, es läßt sich für dasselbe kein anderer Grund erkennen, als eben die Verblendung des zur Leidenschaft gewordenen Nationaldünkels, ein engherziger Widerwille gegen alles fremde Verdienst, der eingefleischte National- und Deutschenhaß. Seitdem die Magyaren an’s Ruder gekommen, ist ihnen das selbstbewußte Deutschthum Siebenbürgens ein Dorn im Auge, haben sie ihm den Strick immer fester um den Hals gelegt, so daß es in den letzten Jahren nur eine Frage der Zeit war, wann der Henker die in seinen Händen befindliche Schlinge anziehen und seine Vernichtungsarbeit vollbringen würde.
Dieser Augenblick scheint jetzt gekommen zu sein, und wenn die Magyaren in ihren gegenwärtig so schweren Wirrsalen zu einer so gänzlich unnöthigen, so weit von ihren wichtigsten Lebensfragen ablenkenden und die Verwirrungen nur vermehrenden Grausamkeit sich entschlossen haben, so zeigt das am besten, daß es hier nicht um ein Resultat besonnenen Ueberlegens sich handelt, sondern um die Befriedigung eines stürmischen und blinden Verlangens, die unwiderstehlich treibende Macht einer fixen Idee. Vielleicht rechneten sie auch darauf, daß gerade bei den heute so vielfachen Erregungen der europäischen Völker die Erdrosselung da draußen im fernen Winkel ganz in der Stille und ohne alles Aufsehen vollführt werden könnte und die Welt dann nachher der vollendeten Thatsache eine sonderliche Beachtung nicht schenken würde. Um aber das Urtheil des befreundeten Deutschlands schon im Voraus gegen das etwa herüberdringende Geschrei der Mißhandelten unempfänglich zu machen, wurden von Ungarn aus sogenannte aufklärende Artikel in die liberale deutsche Presse gespielt, welche den Sachverhalt beschönigen und das schnöde Attentat mit einem Walde großer Redensarten umhüllen sollte.
Darin aber hatten die diplomatischen Herren in Pest sich geirrt. Die Zeit der heimlichen Unterdrückungen ist vorüber, und wenn man heut in Europa Gewaltthat und Rechtsbruch verüben will, so muß man sich wenigstens darauf gefaßt machen, seinen Namen fortan mit einem unsterblichen Flecken behaftet zu sehen. Ob die Magyaren den traurigen Act ausführen werden, steht noch dahin; daß sie es wollen, ist unzweifelhaft. Man [276] höre. Im December vorigen Jahres legte plötzlich das Ministerium in Pest dem ungarischen Reichstage den Entwurf eines Gesetzes vor, durch welches eine neue Eintheilung und Abrundung der Bezirke und Kreise herbeigeführt werden soll. Das Gesetz ist angeblich im Interesse des Landes und der Verwaltung beantragt und zeigt dem Unkundigen kaum etwas Verfängliches. Sieht man es aber mit einiger Kenntniß der Verhältnisse an, so ist auf den ersten Blick zu erkennen, daß es in der Form einer als nothwendig und nützlich bezeichneten Administrationsmaßregel nichts Geringeres als einen Völkermord bezwecken, gegen die nichtmagyarischen Nationalitäten Ungarns und namentlich gegen das sächsische Gemeinwesen in Siebenbürgen den längst beabsichtigten Todesstreich unter dem Scheine der Gesetzlichkeit vollführen will.
Nachdem man ihnen Jahre hindurch schon einen Mangel an Wohlwollen gezeigt, ihnen quälerisch zugesetzt, allen ihren Klagen und Bitten verletzenden Hohn entgegengesetzt hat, ohne ihre Gesinnung ändern und ihren Willen brechen zu können, will man jetzt durch einfache Zerstückelung ihres Gebietes ihre Gemeinschaft auseinanderreißen und die losgetrennten Theile mit den Bruchstücken ganz ungleichartiger Bezirke in einer Weise zusammenkoppeln, daß die einzelnen Volksfetzen entweder in magyarischen Volksmehrheiten verschwinden, oder in der Zusammengebundenheit mit anderen Nationalitäten allmählich aufgerieben werden. Daß das Gesetz diesen Sinn und keinen andern hat, wird kein irgend ehrlicher magyarischer Politiker zu leugnen wagen. Sollte aber Jemand noch einen Zweifel hegen können, so würde er eines Besseren durch den unscheinbar unter alle anderen Bestimmungen gemischten § 97 des sogenannten Arrondirungsgesetzes belehrt werden, der in trockener Gelassenheit das große Wort spricht: „Ueber das unter Aufsicht und Verwaltung der Siebenbürger Sachsen-Universität stehende gemeinschaftliche Vermögen wird ein besonderes Gesetz verfügen.“ Wir haben oben bereits von diesem Vermögen gesprochen, das bisher ein sorgsam gehütetes, von Geschlecht zu Geschlecht überpflanztes, niemals von einer Regierung angetastetes Kleinod des sächsischen Stammes, sein wohlerworbenes Privateigenthum gewesen und von ihm nur zu den höchsten und edelsten Zwecken verwendet worden ist. Seit wann verfügen Gesetze über die längst als rechtmäßig anerkannten Besitztümer von Personen oder Corporationen? Indem der Magyarismus sich hier das Recht einer etwaigen Confiscation zuspricht, setzt er seiner gewaltthätigen Anmaßung die Krone auf. Was man damit will, liegt ja auf der Hand. Sind diese so beharrlichen Deutschen auseinandergesprengt, da- und dorthin verstreut, und hat man ihnen obendrein auch ihr Geld genommen, so mögen sie zusehen, wie sie ihr Deutschthum und ihre überlegene Cultur ferner aus eigener Kraft erhalten und auf ihre Nachkommen verpflanzen wollen!
Als die erste Nachricht dieser schnell hereingebrochenen Gefahr mit Windeseile nach Siebenbürgen drang, bemächtigte sich ein unbeschreiblicher Schmerz, eine heiße Angst und bittere Entrüstung der in ihren geliebtesten und heiligsten Gütern bedrohten Sachsen. In früheren Schilderungen amerikanischer Sclavenmärkte hat man mit Entsetzen von der fühllosen Grausamkeit gelesen, mit der hier die Familienglieder der unglücklichen Opfer von einander gerissen und ihrer herzzerreißenden Proteste nicht geachtet wurde. Was aber die Magyaren gegenwärtig dem ihnen verhaßten Sachsenvolke anthun wollen, das steht moralisch mit jener Handlungsweise brutaler Seelenverkäufer auf gleicher Stufe. Ihr Angriff ist ein Angriff auf die ersten Natur- und Menschenrechte eines durch Bande des Blutes, der Lebensinteressen und Sitte vereinigten, durch Verdienst und Herkommen geheiligten Familienwesens, das bisher dem Staate niemals einen Anlaß zu Beschwerde, wohl aber an hingebender und aufopfernder Pflichterfüllung stets dem Kaiser gegeben hat, was des Kaisers ist.
Auf jahrelange Kämpfe, auf endlose Nörgeleien und Störungen von Pest aus waren die Sachsen allerdings gefaßt, aber einen so plötzlich herniederfahrenden, so listig ausgesonnenen, gegen ihre Zusammengehörigkeit und auf die völlige Zernichtung ihrer gemeinsamen Culturwerke gerichteten Schlag hatten sie nicht erwartet. Sollten sie fügsam der tödtlichen Gefährdung den Nacken beugen und schweigend das Unerhörteste und Unerträglichste über sich ergehen lassen? Kann denn jede übermüthige Herrscherlaune des Starken ohne Weiteres das unwidersprechlich klare Recht des Schwachen zu einem bloßen Spielball seiner abenteuerlichen Wünsche machen? O nein, das kann er ohne ein Umwerfen der gesetzlich entgegenstehenden Hindernisse gegen die Sachsen in Siebenbürgen nicht. Ihr Recht auf Erhaltung ihrer Nationalität ist ihnen nicht blos durch vollgültige Verträge gewährleistet, seit einem halben Jahrtausend besitzen sie auch in der bereits oben erwähnten sogenannten „Nations-Universität“ einen erwählten Vertretungskörper, eine Art Provincial- oder Communallandtag, der stets bei wichtigen politischen Differenzen sein ehrwürdiges und altbewährtes Ansehen in die Wagschale geworfen und der Stimme der Gemeinden den gesetzlichen Ausdruck gegeben hat.
Wenn jemals, so war jetzt für die vierunddreißig Mitglieder dieses Bezirksparlaments der Augenblick gekommen, wo sie handeln mußten. In einem energischen, aber bescheiden und maßvoll gehaltenen Schreiben an den Minister des Innern, Graf Julius Szapary, erhoben sie am 19. December 1873 mit Gründen belegten Einspruch gegen die beabsichtigte Vergewaltigung. Der Minister erwiderte erst nach einigen Wochen, aber seine Worte waren schneidend und voll kalten und abweisenden Hohnes. In derbem Tone kanzelte er die an ihn ergangene Vorstellung als eine ungehörige herunter, nahm einen verschollenen Wiener Hofukas aus der Zeit der tiefsten Erniedrigung des Magyarenthums in die Hand und sprach der Vertretung der sächsischen Nation unter Berufung auf jene einstmalige Maßregel der Reactionsperiode geradezu das Recht zur Besprechung öffentlicher Angelegenheiten ab, indem er den von der Regierung ernannten Vorsitzenden dafür verantwortlich machte, daß die Nations-Universität durch Verhandlungen „solcher Art“ ihren Wirkungskreis nicht wieder überschreite.
Und nun spielte sich am 16. Februar 1874 im altehrwürdigen Berathungssaale des sächsischen Nationshauses zu Hermannstadt eine erschütternde Scene ab, die als einzig in ihrer Art bezeichnet wurde, seitdem ein Sachsenstamm in diesem Lande besteht. Die Mitglieder der Landesvertretung hatten, der ministeriellen Warnung nicht achtend, von ihrem niemals angetasteten Rechte Gebrauch gemacht und versammelten sich, um ihrer Pflicht gemäß eine Angelegenheit zu berathen, bei der es sich um Leben oder Untergang der von ihnen vertretenen Gemeinschaft handelt. Was konnte ihnen näher liegen und sie tiefer bewegen? Bevor sie aber die Besprechung eröffnen konnten, wurde ihnen jede Verhandlung des Gegenstandes im Namen des Ministers untersagt. Mit geknebeltem Munde mußten sie von dannen ziehen, ihre Versammlung wurde geschlossen, vielleicht auf Nimmerwiedersehen, falls Alles sich nach den Wünschen der magyarischen Deutschenfresser gestalten sollte. Eine Bestürzung und ein Wehklagen ohne Gleichen ging durch die Gemeinden der Sachsen ob solchen unverdienten Fußtrittes der Gewaltigen. Selbst das verfassungsmäßige Recht der Petition und Beschwerde, dieses Grundrecht jeder Dorfgemeinde und jeder einzelnen Person, hatte man ihnen also entzogen, ihnen eigenmächtig das Organ genommen, das bisher ihre Sachen in allen Wirrnissen der Geschichte geführt und vertheidigt hatte. Wahrlich, aus dieser Handlungsweise spricht noch etwas Anderes als eine rücksichtslose, von Haß und Hochmuth eingegebene Politik, es spricht aus ihr die widerwärtige Feigheit eines bösen Gewissens.
Die Abgeordneten der mundtodt gemachten Nations-Universität sind jedoch nicht auseinander gegangen, ohne eine „Verwahrung“ zu erlassen, die ihren Weg in unsere Zeitungen gefunden und bei uns bereits Aufregung hervorgerufen und die Aufmerksamkeit vieler denkenden Patrioten auf den bittern Ernst des außerordentlichen Vorganges gelenkt hat. Um jedoch über jenes Schriftstück und andere über diese Sache verbreitete Mittheilungen eine volle Klarheit zu erlangen, muß man eine ausführliche Darlegung gelesen haben, die unter dem Eindrucke der furchtbaren Verfolgung, aus der Mitte des Sachsenstammes hervorgegangen ist. Es ist dies jener Verzweiflungsschrei, der gegen die heraufdrohende Gewaltthat an die öffentliche Meinung Europas sich wendet und von dem wir am Eingange unseres Artikels gesprochen haben. Unter dem Titel: „Das Erwürgen der deutschen Nationalität in Ungarn“ ist das gewaltige, von Franz von Löher warm bevorwortete Denkschriftchen (in München bei Ackermann) erschienen, und es wäre traurig, wenn es in Deutschland nicht die ihm gebührende Beachtung fände.
[277] Noch freilich ist das düstere Vernichtungsgesetz nur ein weiser Vorschlag, eine Willenskundgebung, ein verschmitztes Hamansplänchen der Regierung, noch ist darüber im ungarischen Reichstage nicht berathen und entschieden worden. Im Reichstage sitzen auch sächsische Abgeordnete, die für das längst schon geknickte Recht der Ungarn ihres Stammes mit aller Kraft eines reinen Bewußtseins in die Schranken treten werden. Da sie aber mit den Mitgliedern der anderen, gleichfalls bedrohten Nationalitäten nur einen Bruchtheil der Versammlung bilden, deren Mehrheit eine magyarische ist, so liegt die Befürchtung sehr nahe, daß die neue „Arrondirung“ demnächst beschlossen wird. Gelangt sie zur Ausführung, so hat ein deutsches Volksthum in Ungarn und namentlich in Siebenbürgen aufgehört zu existiren, nur weil es den Magyaren so beliebt. Ist die lebenskräftige sächsische Gemeinschaft über den Haufen geworfen und räuberisch über ihre Geldmittel verfügt, so muß auch das höchste und edelste Product ihres Strebens, ihr ausgezeichnetes deutsches Schul- und Bildungswesen, rettungslos dahinsinken.
Als im vorigen Jahre Franz von Löher schon erstaunliche Thatsachen dieses unterdrückerischen Treibens zusammenstellte, sprach er noch die Hoffnung aus: „Todtschlagen kann man ja diese treuen Deutschen doch nicht!“ Nun, daß es jetzt auch an das „Todtschlagen“ im moralischen Sinne des Wortes geht, glauben wir durch unsere ganze Darstellung hinlänglich bewiesen zu haben. Kann ein solcher Streich auf das Haupt eines Gliedes der deutschen Nation, eines wichtigen Außenpostens unserer Cultur fallen, ohne daß eine Zuckung des Schmerzes erweckend durch alle Nerven unseres Volkes zittert? Die Siebenbürger Sachsen sind nicht Angehörige unseres Reiches und werden es niemals sein; die deutsche Regierung kann ihnen nicht beistehen, da sie nicht amtlich in die Angelegenheiten und inneren Kämpfe eines fremden Landes sich mischen kann. Gewiß aber ist es hohe Zeit und eine heilige Ehren- und Gewissenspflicht des deutschen Volkes, daß es in seiner Presse, in seinen Vereinen und Versammlungen durch Kundgebungen aller Art laut und unablässig Zeugniß ablege wider die Beschimpfer seines Namens für jene verfolgten Brüder, die hülflos unter den Fußtritten eines Unterjochers sich winden und flehend ihre Hände ausstrecken mit dem Rufe: „Solche schnöde Frevelthat will man an uns verüben, weil wir Deutsche sind und von unserm Deutschthum nicht lassen können!“
Schmähe mir die kleinen deutschen Residenzen nicht, du modern-politisches Geschlecht, das mit Recht so stolz und selbstbewußt von seiner hohen deutschen Warte hinaus in die Welt schaut! Bedenke stets, daß auch das politische Großwerden seine innere organische Entwickelung hat, und daß diese kleinen Fürstensitze, an denen du natürlich in Drang und Hast des modernen Lebens auf Flügeln des Dampfes vorübersausest, die Stätten waren, an denen die Apostel der Offenbarungen eines neuen Geistes und einer neuen Zeit Schutz, Gehör und Pflege fanden. Das deutsche Bürgerthum that das nicht; das hatte sich bei ihrem Auftreten abwehrend – sogar feindlich gegen sie verhalten; es war zu eifrig mit der Aufbesserung der materiellen und ökonomischen Verheerungen beschäftigt, die der dreißigjährige Krieg hinterlassen hatte. Und die auf dem großen deutschen Throne als Herrscher und Gebieter saßen, ihnen schwebten andere politisch-dynastische Zwecke und Ziele vor. Aber die kleinen Höfe der gegenwärtig mit so vornehmer Ueberhebung behandelten Duodezstaaten, diese setzten in der Pflege der geistigen und künstlerischen Interessen den ersten Hebel an, um das Vaterland wieder in die Höhe zu bringen, indem sie die zerstreuten oder brachliegenden geistigen Kräfte sammelten und pflegten. Ob philosophirt oder gemalt, gedichtet oder musicirt wurde, gleichviel, der Idealismus war die Atzung, mit welcher der deutsche Adler groß gezogen werden mußte, daß er mit seinen Schwingen so stolz und hehr durch die Gegenwart rauschen konnte. Ehe Juno den Mars, das heißt die schlagfertige That, gebären konnte, mußte sie zuerst an einer Blume riechen – darum, du junges Geschlecht, vergiß nicht, wenn du an Dessau, Gotha oder Weimar – an Eutin, Bückeburg oder Braunschweig vorüberfährst, daß dort die Keime des stolzen nationalen Bewußtseins liegen, mit dem du auf diese stillen Orte hinüberschaust.
Auch Darmstadt ist so ein Ort. Jenes hohe Kuppeldach, welches der Passagier vom Bahnhofe aus erblickt, birgt eine der größten und kostbarsten Bibliotheken Deutschlands, ein naturhistorisches Cabinet, über das Goethe viel geschrieben, und wo er nach dieser wissenschaftlichen Richtung hin seine ersten Eindrücke empfangen hat. Aber nicht genug – unter jenem Kuppeldache hat eine der herrlichsten Frauen Deutschlands einen großen Theil ihres Lebens verbracht, und unter den hohen Bäumen, die dort über den flachen Dächern der Häuser aufragen, ihre letzte Ruhestatt gefunden unter Tannen- und Cypressengrün und dem Blau des Himmels – unter dem Wehen und Wirken der Elemente, aus denen sie ihr körperliches Dasein erhalten hatte, und denen sie es durch ihre Auflösung wieder anheim gab.
Dies war die Landgräfin Caroline von Hessen-Darmstadt, in der Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts als „die große Landgräfin“ bekannt und gefeiert. Was sie gethan hat, um sich diesen Beinamen zu verdienen? wird mancher Leser fragen. Sie hat keine Kriege geführt und keine Schlachten gewonnen oder auch verloren, sie hat auch nicht durch große organisatorische Gesetze in den Entwickelungsgang eines großen Staates eingreifen können, wie ihre Zeitgenossinnen Maria Theresia oder Katharina von Rußland – sie war keine Heldin unter den Fürstinnen jener Zeit, auch keine Aspasia, keine Sappho – sie war aus dem nach außen beschränkt weiblichen Kreise nicht herausgetreten, nichts mehr und nichts weniger als eine Frau, aber diese in dem höchsten Begriffe der vollsten, edelsten und erhabensten Weiblichkeit. Ein solches Wesen zeichnet sich im Grunde lediglich durch das, was es nicht thut, aus, namentlich in einem Zeitalter, wie das der Landgräfin, wo die Unnatur, die Frivolität, die Herzlosigkeit und geistige Stumpfheit auf den Thronen saßen. Verwandeln wir diese Eigenschaften in ihr höchstes Gegentheil, dann gewinnen wir einige annähernde Begriffe für den edlen, lauteren Kern ihres Wesens, für den hohen, sittlichen und geistigen Adel ihrer Persönlichkeit.
Abgesehen von individuellen Aeußerungen in ihrem reichhaltigen Briefwechsel tritt diese der Gegenwart eigentlich nur aus dem Reflexe auf Andere, aber dann klar und voll entgegen, und immer gewinnt man daraus die Ueberzeugung, daß sie den mächtigen Eindruck, den sie auf die größten ihrer Zeitgenossen hervorgebracht hat, der echten Weiblichkeit angemessen, weniger durch das, was sie that, als das, was sie war, übte. Das Jahrhundert blickte zu ihr als zu einer neuen Offenbarung idealer deutscher Weiblichkeit empor. Das Schicksal schien sie mit Absicht auf eine so hervorragende Stelle socialer Verhältnisse gestellt zu haben, damit sie als Frau und Fürstin der Zeit weithin eine Leuchte sei. Für eine Ehe hätte man nicht zwei verschiedenartigere Naturen zusammen bringen können, als die zwanzigjährige Prinzessin Caroline von Pfalz-Birkenfeld und den zweiundzwanzigjährigen Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt. Jene wohnte mit ihrer Mutter in dem reizenden Bergzabern; dort machte der Erbe von Darmstadt, der für eine arme apanagirte Prinzessin eine glänzende Partie war, öfters Besuche, und vielleicht war es bei einer so edel und groß denkenden Natur gar nicht die Rücksicht auf die äußeren Vortheile, welche Caroline bestimmte, ihm die Hand zu reichen; jedenfalls sprachen zu ihrem Herzen die persönlichen Eigenschaften des Erbprinzen, seine äußere vortheilhafte Erscheinung, die er mit allen Mitgliedern seines Hauses gemeinsam hatte, weiter sein frisches soldatisches Wesen, das freilich später mehr die Dressur des Zopfes, als die Ausbildung soldatischen Geistes zum Ausgangspunkte nahm. Als junge Erbprinzessin wohnte Caroline in Buchsweiler, einer jener kleinen Residenzen von Fürsten, die gern groß sein wollten. Goethe hat uns aus seiner Straßburger Zeit eine begeisterte Schilderung des Ortes hinterlassen. Er war von der Hauptstadt des Elsasses oft nach der kleinen Residenz gekommen, aber damals war er der Erbprinzessin noch nicht näher getreten.
Buchsweiler blieb Aufenthaltsort der Erbprinzessin, auch
[278]nachdem ihr Gemahl an die Spitze eines Regiments getreten war, das in Straßburg in Garnison lag. Später schied der Erbprinz Ludwig aus dem französischen Dienste aus, und die Vermuthung liegt nahe, daß Caroline es war, die ihn hierzu und zu dem Entschlusse veranlaßte, Friedrich dem Großen seinen Degen anzubieten. Der junge Preußenkönig, der seine Fahne bereits gegen Maria Theresia entfaltet hatte, hieß den Erbprinzen von Hessen-Darmstadt in seiner Armee willkommen. In welchen Zeitpunkt die erste persönliche Bekanntschaft des jungen Ehepaares um Friedrich dem Zweiten fallen mag, ist historisch nicht festgestellt, selbst ein so gewissenhafter Forscher, wie der Oberbibliothekar Dr. Walther in Darmstadt, der Verfasser eines in hohem Grade anziehenden Lebensbildes der „großen Landgräfin“, giebt darüber keine bestimmten Data, aber jedenfalls traf das Ehepaar im Jahre 1744 mit dem jugendlichen Preußenkönig zuerst zusammen. Der Erbprinz begab sich damals zum ersten Male nach Potsdam; hier bekam er das Regiment von Selchow, das in Prenzlau in der Uckermark in Garnison lag. Auch die Erbprinzessin war dabei, und bei diesem Aufenthalte knüpften sich zwischen Ludwig und Caroline einerseits und dem Könige und seiner Schwester Amalie andererseits die innigen Beziehungen, welche fast ein ganzes Menschenalter hindurch ihre Lauterkeit und Festigkeit bewährten und bei dem großen Friedrich über das Grab hinaus dauerten.
[279] Beide Ehegatten theilten sich gewissermaßen in das Wesen des Königs; die Erbprinzessin erfaßte die ideale Seite desselben, den Dichter, den Denker, den Menschen; der Erbprinz verstand nur den König, der die besten und schönsten Soldaten mit den steifsten Seitenlocken und Zöpfen hatte, und der anerkannt der erste Exercirmeister Europas war. Wenn schon zwischen den blühenden Gefilden des Elsasses und den Haiden der Uckermark sich für die naturgestimmte Erbprinzessin einiger Unterschied ergeben mochte, so schien sie mit den reichen Gaben ihres Geistes und dem Schatze ihrer Bildung doch den einen Ausgleich gefunden zu haben. Und dann erkannte sie in jeder Bewegung der Bataillone, die der Erbprinz mit Eifer exercirte, in jeder Maßregel der Regentenfürsorge des Königs seinen Geist – war sie doch hier in dem reizlosen Städtchen der Mark den Aeußerungen
seiner gewaltigen Persönlichkeit näher als daheim im Elsasser Land. Und wenn es am Ende gar nicht mehr länger gehen wollte, dann war Potsdam ja wohl nur eine Tagereise von Prenzlau entfernt.
Dem alten Nimrod von Darmstadt, Landgrafen Ludwig dem Achten, dem Vater des Erbprinzen, der von seinem Jagdschlosse Kranichstein mit einem Gespann von Hirschen in seine Residenz zu fahren pflegte, ihm war der Eintritt seines Sohnes in preußische Dienste eine Quelle großen Kummers. Von jeher war die darmstädtische Linie des Hauses Hessen gut kaiserlich gesinnt gewesen; zudem hatte er in seiner Jugend in der österreichischen Armee gedient und war von der jugendlichen Maria Theresia ob seiner herrlichen Erscheinung stets sehr wohlgefällig bemerkt worden. Ja, eine Zeit lang wurde in den Kreisen des Wiener Hofes die Möglichkeit einer Verbindung der Tochter Karl’s des Sechsten mit ihm ganz ernsthaft in Erwägung gezogen, bis diese dann zuletzt, wohl mehr aus religiösen Rücksichten, den Lothringer Franz dem schönen Hessenprinzen vorzog.
Aber in dem alt gewordenen Liebhaber war der Kaiserin darob kein Gegner erwachsen – im Gegentheile blieb er durch sein ganzes Leben ihr in ritterlicher Treue zugethan, und nun mußte er den Sohn in den Reihen ihres Feindes sehen! Das ließ er bis zum Beginn des siebenjährigen Krieges gewähren, aber dann setzte er Alles in Bewegung, um den Erbprinzen aus der preußischen Armee zur Rückkehr nach seinem Erblande zu vermögen. Er erreichte es, gewiß nicht ohne Einfluß der Erbprinzessin. Sie war dem alten Landgrafen mit kindlicher Liebe zugethan, und jedenfalls ging es nicht ohne Kämpfe ab, wobei sie ihren Gemahl wohl an die Pflichten eines Sohnes gegen den Vater erinnert haben mag. Im Uebrigen kannte sie den erhabenen Sinn ihres königlichen Freundes zu gut, als daß sie aus diesem Schritte, den Pietät und vielleicht auch politische Nothwendigkeit vorschrieben, ein Erkalten ihrer durch persönliche Begegnung noch erhöhten freundschaftlichen Gefühle hätte besorgen müssen. Aber mit wie schwerem Herzen mag sie im Jahre 1756 von Potsdam, vom Könige geschieden sein! Dann saß sie wieder in dem stillen Buchsweiler, während der Erbprinz in dem pfälzischen Pirmasenz, auf seinem eigenen Grund und Boden seiner Soldatenliebhaberei [280] mehr als je nachhing. Pirmasenz wurde in dieser Beziehung das pfälzer Potsdam (siehe Gartenlaube 1871, Nr. 31 und 32) – dort hielt er ein Regiment der schönsten geworbenen Leute; exerciren lassen war seine Lust, und er selbst rühmte sich, der beste Trommelschläger Europas zu sein. Ja, bei Gelegenheiten großer Schaustellungen, zu denen Zuschauer aus aller Herren Länder kamen, verschmähte er es nicht, den Soldaten selbst die Bärte zu wichsen und die Zöpfe zu drehen, damit nur Alles recht stramm und proper sich ansah. Daß bei einem so gearteten Charakter kein tieferes, seelisches und geistiges Verhältniß möglich war – braucht wohl nicht erst besonders betont zu werden. Und doch war die erbprinzliche Ehe keine unglückliche, und daß sie das nicht war, mag wohl allein das Verdienst der Erbprinzessin gewesen sein. Die ihr eigene tiefe Charakteranlage bekundet sich wohl darin am deutlichsten, daß sie das Achtungswerthe und Treffliche in dem Wesen des Erbprinzen, sein klares, praktisches Denken, sein höfliches Wesen, seine Rechtlichkeit und Einfachheit und seine Willenskraft herauszufinden wußte. Indem sie so den inneren sittlichen Kern aller seiner Handlungen loslöste, schuf sie sich dadurch eine praktische Lebensbasis, die sie wenigstens vor innerem Unbefriedigtsein bewahrte. So reich und vielseitig ihr geistiges Wesen war, so bestimmt und praktisch war es in seinen Zwecken und Zielen. Das war etwas ganz Außerordentliches in jenem Jahrhundert, das so viel Geist zeigte, und diesen so wenig bewährte.
Aber auch zur Vermeidung dieses Fehlers mag ihr der Weise von Sanssouci Form und Richtung gewesen sein. Er war ihr Held, und die Begeisterung für ihn trug ihre reichen Früchte, namentlich als der alte Verehrer Maria Theresia’s zu seinen Vätern eingegangen war und der Erbprinz als Landgraf Ludwig der Neunte die Regierung des Landes angetreten hatte. Hier zeigte es sich, was die geistige Kraft einer Frau im Verein mit feinem Tacte, mit graziöser Anmuth und einer unversiechbaren Güte des Herzens zu schaffen vermag.
Die Landgräfin verstand es, den guten wie den schlimmen Eigenschaften ihres Gemahles eine Richtung zu geben, die zum Segen des Landes und der Unterthanen wurde. Auf ihre Veranlassung geschah es, daß der Minister von Moser in das Land gezogen wurde; mit ihm begann eine Reihe von Reformen, die den Wohlstand in Städten und Dörfern durch Einführung rationeller, von den Banden des Feudalstaates befreiter Landwirthschaft und Industrie hoben, Reformen, welche auch die Hebung der Finanzkraft des Landes, in erster Linie Tilgung und Verminderung der Landesschulden, bezweckten und sich namentlich auf Schulen und Unterricht erstreckten, hauptsächlich aber die Uebung und Aufrechthaltung religiöser Toleranz zur Folge hatten, welche den Frieden in die Herzen und in die Hütten trug. Aber auch dem Schmucke, dem Reize und der Schönheit des Lebens wurde bei der so allseitigen Begabung der Landgräfin ihr Theil.
Sie hielt im Schlosse von Darmstadt Hof – nicht für Höflinge, sondern für die Geister der Nation, für die Barden und Weisen, die dem Volke der Lieder Kunst enthüllten und hohe Lehren vortrugen.
Da kam der graciöse Wieland und der feurige junge Goethe und hatte jenes Abenteuer, von dem einst den Lesern dieses Blattes Levin Schücking in seiner Novelle „Der gefangene Dichter“ (Gartenlaube, Jahrgang 1858 Nr. 6 und folg.) erzählt hat; da verkehrte Herder und holte sich seine Braut, Karoline Flachsland, vom Darmstädter Hofe hinweg; da drückte der geniale Merck dem dortigen Kreise seine geistige Signatur auf; da erschienen Georg Schlosser, der phantastische Leuchsenring, Herr von Grimm, und so viele Andere, und Jeder ging beglückt und begeistert von dannen, und Jeder trug von dem Walten der Persönlichkeit der Landgräfin eine innere Befruchtung davon, und wie der Vogel auf seinen Flügeln den Samen in weit entlegene Gegenden trägt, so wurde jeder Mund zum Verkündiger ihres Ruhmes, der ihr schon von ihren Zeitgenossen den Beinamen „Die große Landgräfin“ eintrug.
Entsprechen nicht die leiblichen Züge des beifolgenden Portraits, welches nach einem Originalölbilde im Darmstädter Schlosse angefertigt und durch die Güte der Frau Prinzessin Ludwig von Hessen der Gartenlaube zugänglich gemacht worden ist, entsprechen sie nicht dem geistigen Bade, welches wir soeben von ihr entworfen haben? Jedenfalls stammt das Bildniß aus den späteren Zeiten ihres Lebens, und während aus allen Portraits fürstlicher Personen dieser Zeit nur die Coquetterie spricht, sieht uns hier ein charaktervolles Gesicht an, das in jedem Zuge den Stempel der Wahrheit trägt. Schön war die Landgräfin wohl auch in ihrer Jugend nicht gewesen, dazu ist das Gesicht zu lang gezogen; aber wie edel ist die Stirn geformt, wie eigenthümlich und stark entwickelt ist der untere Theil des Gesichtes, die Partien des Kinns! Hier sind die Eigenschaften des Charakters ausgedrückt, während an der Stirn und aus den klugen, hellen Denkeraugen die Strahlen geistiger Freiheit leuchten, in deren Cultus sie ihr Leben gegeben hatte. Auch die lautere Güte und die Wärme des Herzens sprechen zu uns aus diesen Blicken; aber das vereinte Wesen der Frau, die volle schöne Natur liegt in ihrem Munde, in der Form, dem Zuge der Lippen, in die ein unnachahmlicher Liebreiz gelegt ist, von dem Maler, der ein ganz bedeutender Künstler gewesen sein muß, von der Natur, welche gerade diesen Theil des Gesichtes der Landgräfin, diesen Theil, in dem sich Geist und Herz äußern, zum Sitze der Schönheit gemacht hat. Dieser Mund scheint eben ein menschenbeglückendes Wort gesprochen zu haben.
Man muß wissen, wie die Fürstenkinder des vorigen Jahrhunderts erzogen wurden, wie alle dahin ausgehenden Bestrebungen auf äußerliche Dressur gerichtet waren, wie Herz, Charakter, Geist und Leib dabei verkümmerten, um die hohe, ihre Zeit weit überragende Stellung beurtheilen zu können, welche die Landgräfin als Erzieherin ihrer Kinder einnahm. Sie hatte deren neun, drei Söhne und sechs Töchter. Namentlich beschäftigte sie die Sorge um Heranbildung des Erbprinzen Ludwig, des spätern ersten Großherzogs zu einem tüchtigen Menschen und guten Regenten. Von welcher Anschauung sie dabei geleitet ward, möchte aus folgender kurzen Briefstelle hervorgehen:
„Ich will nicht, daß ein Kind von mir sich einbildet, es sei mehr werth als die übrigen Menschen, und daß es darum Alles, was Andere für dasselbe thun, nur als eine Pflicht derselben ansehe. Bitten wir den lieben Gott für Louis, daß er einst sein Land glücklich mache. Das ist Alles, was ich wünsche.“
Ueber die körperliche Ausbildung der Kinder dachte sie in einer Weise, die den Professor Bock in Leipzig zu ihrem begeisterten Freunde gemacht hätte.
„Lasse Karl zu Fuß gehen,“ so schreibt sie einmal an ihre Schwägerin von Baden, „ich befehle es Dir an, und wenn er nicht daran gewöhnt ist, dann gewöhne ihn eben nach und nach. Spaziergänge zu Fuß härten die Kinder ab und geben ihnen ein frisches Aussehen.
Eine Stelle eines Prenzlauer Briefes an die Prinzessin Amalie in Preußen lautet:
„Sie würden sich über mich moquiren, sähen Sie mich ist meinem Wagen, von meinen zwei Kindern begleitet, ausfahren. Ich lasse sie dann laufen, sich tummeln, wenn wir draußen im Freien sind. Man könnte sagen, das sei zu spießbürgerlich; Sie, theuerste Prinzessin, denken das nicht.“
Selbst als die Töchter schon verheirathet waren, glaubte sie ihr Erziehungswerk damit noch nicht vollendet. Sie setzte es brieflich fort. Sie suchte ebenso sehr auf Gemüth und Charakter einzuwirken, wie sie ihnen Rathschläge für ihre äußere Erscheinung, ihr Auftreten vor der Welt gab. „Daß man nicht die Frisur zum Schrecken des Mr. Snieder (damals ein berühmter Friseur in Berlin, wahrscheinlich Herr Schneider deutschen Namens) betaste und daß die Finger nichts im Gesicht und an der Nase zu thun haben – daß man gleich beim Aufstehen sich frisiren oder wenigstens die Haare in Ordnung bringen lasse; man muß besonders schön sein, wenn die Unordnung nicht auffallen soll,“ schreibt sie einmal an die Tochter in Preußen, der sie dabei eine besondere Sorgfalt im Morgenanzuge empfiehlt. „Wenn dasselbe selbst etwas raffinirt erscheint, schadet das nichts; denn es ist eine Pflicht für eine junge Frau, sich in den Augen ihres Gemahles so anziehend wie möglich zu machen.“
Wie sie hier ihre Welterfahrung zeigt, so gewinnt man aus einem anderen Briefe an dieselbe Tochter einen Einblick in ihr Inneres: „Ich bitte Dich inständigst, Jedermann in seiner Art glücklich zu machen, und wenn Du Anwandlungen von übler Laune und Heftigkeit hast, Dich dem einen und dem andern gegenüber zu prüfen. Bemühe Dich nicht, Deine Heftigkeit zu zügeln, sondern sie auszurotten; denn sie verletzt die Menschen. – Hüte Dein Herz, damit es niemals lernt, Jemandem zu [281] schaden, damit man es nur kenne an der Wohlthätigkeit und an den Wünschen, die Welt einig zu sehen.“
Durch die Heirathen, welche ihre Töchter machten, wurde sie die Großmutter Deutschlands. Es giebt heutzutage keinen deutschen Thron, auf dem nicht ein Urenkel oder eine Urenkelin von ihr säße. – Ja zu ihrer Nachkommenschaft gehört auch noch die russische und schwedische Dynastie.
Die älteste Tochter heirathete ihren Vetter von Homburg. Prinzessin Friederike wurde Gemahlin Friedrich Wilhelm’s des Zweiten, des Neffen Friedrich’s des Großen, und als Mutter Friedrich Wilhelm’s des Dritten die Stammmutter der heutigen königlichen Hohenzollern; die dritte Prinzessin Louise flößte als Gemahlin Karl August’s von Sachsen-Weimar selbst einem Napoleon Respect ein, und die Jüngste ward Erbprinzessin von Baden und Großmutter der Kinder König Max des Ersten von Bayern. Wohl auch nur allein die hohen und außergewöhnlichen Vorzüge der Mutter waren es, welche die Aufmerksamkeit der nordischen Semiramis, Katharina’s der Zweiten von Rußland, auf die Darmstädtischen Töchter lenkte. Eine derselben sollte ihr Sohn, der Großfürst-Thronfolger Paul als Gemahlin wählen. Es bedurfte langer Unterhandlungen und der kräftigen Fürsprache des königlichen Freundes von Sanssouci, um die Landgräfin zu bewegen, mit drei Prinzessinnen zur Auswahl die Reise nach Rußland anzutreten.
Das Heirathsproject wurde zwischen den Eingeweihten unter dem Titel einer „Subscription zur Herausgabe eines Werkes“ verhandelt; die Kaiserin figurirte als „Buchhändler“, Friedrich der Große als „Associé des Buchhändlers“ und die drei Prinzessinnen waren die einzelnen Bände des Buches. Die spätere Großherzogin Louise von Sachsen war unter der Dreizahl und erzählte noch in späten Jahren, wie sie sich alle erdenkliche Mühe gegeben habe, recht unliebenswürdig zu erscheinen, damit die Wahl des Großfürsten-Thronfolgers nur nicht auf sie fiele. Es geschah auch nicht, Paul oder vielmehr seine Mutter wählte die Prinzessin Wilhelmine, die als Großfürstin Natalie Alexejewna ihm angetraut wurde. Diese Reise dauerte vom Mai bis December. Die Strapazen derselben, die Anstrengungen, die der Aufenthalt in Petersburg von der ohnehin nicht sehr starken Gesundheit der Landgräfin forderte, hatten ihre Kräfte tief erschöpft. Auf der Hin- und auf der Rückreise hatte sie ihren großen Freund in Potsdam gesehen und in dankbarer Erinnerung an die Hochgenüsse, welche das Beisammensein mit ihm ihr bereitete, schrieb sie ihm bei ihrer Abreise und Rückkehr nach Darmstadt: „Ich verlasse mit schmerzlichem Bedauern Euer Majestät Staaten, durchdrungen von Respect und Verehrung für den Helden und großen Menschen. Der Himmel schütze immerdar Ihre Tage. Sie sind seine vollkommenste Schöpfung.“ – Liegt es in diesen Worten nicht wie eine Thräne des Abschiedes von der Hoffnung „den ersten Mann des Weltalls“ je wiederzusehn – des Abschiedes vom Leben? Diese Ahnung, welche die Landgräfin beim Schreiben und den König beim Empfang des Briefes beschleichen mochte – leider hatte sie nicht getrogen! Am 30. März 1774 endete ein schneller Tod dieses durch seine reiche und tiefe Innerlichkeit so große, durch seine sittlichen und geistigen Bestrebungen nach allen Seiten hin so ausgiebige, so harmonische und segensreiche Leben „der besten Fürstin“, wie Wieland’s Grabschrift sagt, „erhaben durch Geburt und Verbindungen, erhabener durch ihren Geist und ihre Tugenden, geprüft in beiderlei Glück und in Beiden gleich groß.“ – Wenige Stunden vor ihrem Tode und wohl im Vorgefühle desselben hatte sie an ihren Gemahl folgenden Brief geschrieben.
„Theuerster und liebster Gemahl! Die entscheidende Stunde meines Todes kommt und eilt heran, und ich danke Gott, daß er mich nach so vielem Glücke in der Welt noch des Glücks werth hält, sie mir so laut anzukünden. Auf Erden setzt mich nichts mehr in große Unruhe. Meine Seele genießt schon den Vorgeschmack der Freuden jener Welt.
Ich wünsche Ihnen und meinen lieben Kindern ein frohes Leben, das größte Glück, das sich nur denken läßt, ein ruhiges, seliges Ende! –
Meine Schatulle wird Ihnen Baron von Riedesel einhändigen. Ich weiß, daß sie in Hände kommt, die sich ebenso sehr gerne wie die meinigen für die Dürftigen öffnen. – Aber noch einen Wunsch habe ich, und dieser ist der letzte, den ich in die Welt schicke. Lassen Sie mich in dem großen Bosquet im englischen Garten begraben! Man wird daselbst eine Grotte finden, die außer mir bisher Niemand als Ihrem Werkmeister bekannt war. Hierin ist mein Grab mit einigen Steinen bezeichnet, und ich habe den größten Theil mit eigenen Händen vollendet. Hier an dem Orte, wo ich dem Geräusche des Hofes mich entzogen und meine Seele mit Gott unterhalten habe, dem ich bald für ein Leben Rechenschaft geben werde, das ich mit Ihnen, mein Gemahl, getheilt; hier an dem Orte, wo ich oft Sie und meine Kinder dem Herrn empfohlen habe; hier, wo Gott alle meine Wünsche gnädigst erhört hat; hier will ich ausruhen! Sie, mein theuerster Gemahl und Herr, erwartet jenseits des Grabes, in einer besseren Welt, Ihre gute Gemahlin, die noch den letzten Laut mit Ihnen theilt.“
Sie wollte in keiner Kirche beigesetzt sein – sie hatte sich ihre Grabstätte bei Lebzeiten selbst bereitet in dem von ihr angelegten und mit fremden Baumarten bepflanzten Garten. Nicht ohne Mühe fand man einen unterirdischen Gang, der zu einer Felsengrotte führte; durch eine Oeffnung von sechs Zoll Umfang fiel in dieselbe so viel Licht, wie zum Lesen nothwendig war; die Oeffnung konnte man durch einen Stein von innen verschließen. Hier fand man ein Ruhebett, mehrere Andachtsbücher und das mit Steinen bezeichnete Grab. Nach dieser Stelle bewegte sich in der Nacht des dritten April 1774 vom Schlosse zu Darmstadt aus ein stiller Trauerzug, der „die Zierde und Bewunderung des Jahrhunderts“, wie Friedrich der Große die Dahingeschiedene nannte, zur Grabesruhe brachte.
Wenn der Lebende der Gegenwart, vielleicht angeregt durch diese im Hinblicke auf die Bedeutung seines Gegenstandes so unvollkommene Skizze, dem Andenken Carolinens von Darmstadt einen Gang der Pietät weihen will, der Weg nach dem stillen Orte ist leicht zu finden. Unter alten mächtigen Bäumen des Herrengartens von Darmstadt führt ein schmaler Pfad rechts abseits. Die tieferen Laubfärbungen bereiten die Stimmung vor – allmählich wird es stiller und dunkler. Ein runder Platz, von einem Eisengitter umgeben, überragt von Fichten und Cypressen, die sich kuppelförmig über demselben wölben; inmitten desselben ein sanftgewölbter Hügel mit Epheu bewachsen und auf dessen Spitze eine Urne von Marmor, der früher weiß war, den aber ein Jahrhundert dunkel gefärbt hat – eine Urne, auf der zwei Genien lagern und welche die Aufschrift trägt: „Femina sexu – ingenio vir.“ (Von Geschlecht ein Weib – von Geist ein Mann.) Unsere Illustration ist eine getreue Abbildung. Friedrich der Große hatte den Marmor auf den Grabeshügel gesandt, um künftigen Jahrhunderten, wie er schrieb, seine Gefühle der Verehrung für die großen Geistesgaben und reichen Tugenden der Dahingeschiedenen zu verkünden und, möchte man hinzufügen, um die Gegenwart daran zu mahnen, welch erhabener Gegenstand nationalen Gedankens dieser Grabhügel mit dem von Thränen der Liebe und Freundschaft benetzten Staube einer deutschen Frau und Fürstin ist.
Rauchcoupés in Eisenbahnzügen. Als Schreiber dieser Zeilen in Nr. 19 und 24 der Gartenlaube von 1873 dem Wunsche Ausdruck gab, daß zur Bequemlichkeit des reisenden Publicums auf den Eisenbahnstationen Brunnen angelegt werden möchten, war kaum zu hoffen, daß dieser Wunsch so rasch seine Erfüllung finden würde, wie dies thatsächlich durch eine bald darauf erfolgte Verfügung des preußischen Handelsministers Dr. Achenbach wenigstens für die preußischen Staatsbahnen geschah. Freilich hat noch nichts verlautet, daß die übrigen Verwaltungen deutscher Staatseisenbahnen diesem rühmlichen Beispiele gefolgt seien. Doch werden sie hinter demselben gewiß nicht lange zurückbleiben. Was aber die Privateisenbahnen betrifft, welche, mit seltenen Ausnahmen, aus Rücksicht auf eine möglichst hohe Dividende gewöhnlich am hartnäckigsten selbst die billigsten Wünsche des Publicums mißachten, so wird hoffentlich das neubegründete Reichseisenbahnamt und das von demselben bereits entworfene Reichseisenbahngesetz in dieser wie in vielen anderen Beziehungen gründlichen Wandel schaffen.
Als einen Mißstand, dessen Beseitigung dringend gewünscht werden muß, betrachte ich auch die gegenwärtig noch sehr ungenügende Einrichtung
[282] von abgesonderten Coupés zweiter Classe für Damen und für Nichtraucher. Nach meinen Erfahrungen befindet sich gewöhnlich in einem Zuge nur ein Damencoupé und nur ein Coupé für Nichtraucher. Dies ist entschieden nicht ausreichend. Das Damencoupé ist in der Regel, namentlich während der sommerlichen Reisezeit, sehr rasch von alleinreisenden Damen gefüllt, und diejenigen Damen, welche dort keinen Platz mehr finden, melden sich dann meist für das Nichtrauchercoupé, so daß auch dieses vorherrschend von Damen besetzt wird. Viele Damen aber, welche auch hier keinen Platz mehr finden, werden einfach in jedes beliebige Coupé zweiter Classe verwiesen, wo nach deutscher Gewohnheit die meisten der mitreisenden Herren sich nicht verpflichtet glauben, aus Rücksicht auf eine Dame hinsichtlich des Rauchens sich Zwang anzuthun. Denn, so denken sie, warum ist die Dame, wenn sie den Tabaksrauch nicht vertragen kann, nicht in das Damen- oder in das Nichtrauchercoupé gestiegen? Daß sie dort keinen Platz mehr gefunden, darum kümmert sich Niemand, das ist ihr specielles – Unglück.
Wenn aber die reservirten Coupés schon von den Damen so stark in Anspruch genommen werden, wo bleibt dann genügender Raum für die Herren, die sich aus Gesundheitsrücksichten oder aus Gewohnheit dem Tabaksqualme zu entziehen wünschen? Die deutschen Eisenbahnverwaltungen befolgen bis jetzt den Grundsatz, daß für Herren das Rauchen normal, das Nichtrauchen hingegen abnorm sei. Nun giebt es aber, abgesehen von der allerdings kleinen Zahl solcher Herren, die gar nicht rauchen, nicht wenige, welche an sich keine starken Raucher sind und auf Reisen lieber auf die Cigarre verzichten, als daß sie in demselben Coupé mit gewohnheitsmäßigen Rauchern zusammensitzen, welche an der zu Ende gehenden Cigarre sofort eine neue anzünden und den engen für acht Menschen bestimmten Raum des Coupés mit einem Qualme erfüllen, welcher oft einer Räucherkammer alle Ehre machen würde. Besonders lästig ist solcher Rauch bei Nachtfahrten, wenn man der nächtlichen Kühle halber die Fenster geschlossen halten muß und in einer Atmosphäre, die kaum noch zu athmen ist, vergeblich zu schlafen versucht. In solchen peinlichen Stunden ist mir wiederholt der Gedanke gekommen, ob dieser Zustand, wie er bei uns in Deutschland besteht, wirklich als der normale betrachtet werden dürfe, ob auf deutschen Eisenbahnen jede Dame, die nicht mehr in dem Damen- und Nichtrauch-Coupé, und jeder Herr, der nicht in letzterm ein Unterkommen findet, ohne Weiteres dem Tabaksqualme verfallen sein soll.
Ich glaube, wir Deutsche könnten in dieser Beziehung noch etwas lernen von fremden Nationen, insbesondere von den Engländern und den Franzosen. Bei Diesen gilt es zunächst als Regel, daß in Gegenwart von Damen überhaupt nicht geraucht wird, was freilich uns Deutschen als ein längst überwundener Standpunkt erscheint, was aber im Grunde nicht mehr als recht und billig ist, so lange die herrschende Sitte den Damen nicht allgemein das Recht zugesteht, sich gleichzeitig mit den Herren ihre Cigarre anzuzünden und durch Mitrauchen die Dampfatmosphäre sich weniger fühlbar zu machen. Sodann herrscht in Betreff des Rauches auf englischen und französischen Eisenbahnen gerade die umgekehrte Einrichtung gegenüber der unsrigen. Man geht dort zu Lande von der offenbar richtigeren Ansicht aus, daß durch Erlegung des Fahrpreises der Reisende den Anspruch auf einen Platz mit möglichst reiner, athembarer Luft erwirkt, daß ein oder mehrere Menschen, welche in Gesellschaft Anderer reisen, nicht ohne Weiteres das Recht haben, den Mitreisenden durch Tabaksrauch die Luft zu verderben, daß mit einem Worte beim gesellschaftlichen Reisen in geschlossenem Raume das Nichtrauchen die Norm und das Rauchen die erlaubte Ausnahme ist. Daraus folgt, daß nicht, wie bei uns in Deutschland, Damen und Nichtraucher verpflichtet sind, sich einen besondern Platz zu suchen, wo sie von Tabaksqualm verschont bleiben, sondern daß im Gegentheil, wie in England und Frankreich, den Rauchern besondere Coupés anzuweisen sind, wo sie völlig unter sich sind und nach Herzenslust, ohne Belästigung der Mitreisenden, ihrer Gewohnheit, die ihnen ja nicht verkümmert werden soll, sich hingeben können.
Also fort mit dem armseligen einen Coupé für Nichtraucher! Möglichst viel abgesonderte Coupés für Raucher!
Wir benutzen diese Gelegenheit, um eine andere Reform der Eisenbahnverwaltung zu berühren, welche augenblicklich in England Aufsehen erregt.
Es ist schon längst ein Gegenstand der Verwunderung gewesen, daß beim Verkaufe der Eisenbahnbillets keine besseren Einrichtungen getroffen worden, als die bis jetzt bestehenden. Es ist durchaus kein anderer Zweck dabei abzusehen, als der, dem Publicum Unannehmlichkeiten zu bereiten, wenn man den Zeitraum, in welchem die Billets zu erlangen sind, auf wenige Minuten vor dem Abgange des Zuges beschränkt, für welchen dieselben gültig, und sodann die Ausgabe durch eine ganz kleine Oeffnung stattfinden läßt, deren Anlage darauf berechnet zu sein scheint, die unglücklichen Reisenden den größten Mühseligkeiten und der Gefahr des Zerquetschtwerdens auszusetzen. Die Directoren der Lancashire- und Yorkshire-Eisenbahn sind es, welche zuerst einen Schritt zur Besserung gethan, indem sie eine Reform einführten, die Anerkennung und von Seiten der übrigen Eisenbahngesellschaften Nachahmung verdient. Die Bureaus der Hauptstationen ihrer Linie, Manchester, Liverpool, Leeds, Rochdale, Wakefield, Bolton, Blackburn etc., werden von jetzt ab an allen Wochentagen von früh acht Uhr bis Abends sieben Uhr ununterbrochen geöffnet sein, um jederzeit und für jeden Zug während des Tags Billets daselbst entnehmen zu können.
Hoffen wir, daß diese Einrichtung nur der Vorläufer weiterer Verbesserungen, und daß der Tag nicht mehr fern ist, wo die Ausgabe der Billets sich nicht nur auf die Bahnhöfe beschränkt, sondern auch in Verkaufsstellen an verschiedenen Punkten der Stadt stattfindet, damit man dieselben ebenso bequem erhalten kann wie jetzt die Postmarken. Auch dürften sich wohl keine unübersteiglichen Hindernisse in den Weg stellen, wenn die Eisenbahnen die Entnahme der Billets schon einen Tag vor Abgang des betreffenden Zugs gestatten wollten, falls hier überhaupt eine Beschränkung nöthig. Die Eisenhahn-Unfälle sind jetzt leider so häufig, daß die Reisenden in dem letzten Momente vor der Abfahrt noch einmal auf ihr vergangenes Leben zurückblicken, Abschied von den Eitelkeiten dieser Welt nehmen und ernste Betrachtungen anstellen, nicht aber sich herum stoßen und drängen sollten in einem Augenblicke, wo sie vielleicht schon vor den Pforten der Ewigkeit stehen.
Heinr. St. in Troy. Empfangen, aber nicht verwendbar. Geben Sie zum Zwecke der Zurücksendung Ihre Adresse genau an! Welches Troy?
G. B. in R. Die Adresse des Herrn Fritz Rödiger lautet: Meierhof Bellach, Solothurn in der Schweiz.
Für den
gingen wieder ein: Gottfried Stommel in Düsseldorf 50 Thlr.; Dr. Gustav Kühne in Dresden, Europa-Honorar, 12 Thlr.; Pauline Meißner-Keil 2 Thlr.; ges. beim Geburtsfeste des Kaisers von den Zittauer Vereinen, durch Gymnasiallehrer Held 25 Thlr.; Dr. E. P. in Weida 5 Thlr.; L. W. in Wiesbaden 2 Thlr.; R. Fleischer, J. Samter u. G. G. in Bradford 5 Thlr.; J. Kz. in Walldürn 5 Thlr. 21 Ngr. 4 Pf.; Nit-Nat-Nu in Celle 3 Thlr. 17 Ngr. 7 Pf.; Harmonie-Gesellschaft in Münchberg 10 Thlr.; Stammgäste des Gasthofs „Zum heitern Blick“ in Neu-Oppach 3 Thlr 18 Ngr.; Volkmarsen 1 Thlr.; Henr. Rautmann in Magdeburg 3 Thlr. 10 Ngr.; Unbekannt 2 Thlr.; A. G. 1 Thlr.; F. M. in Frankfurt a. M. 1 Thlr.; J. Sch. in Tetenhüll 10 Thlr.; Dr. Müller in Goslar 2 Thlr. 7½, Ngr.; E. K. in Adrianopel 20 Franken (9 Ngr. für Porto ab); Frau F. Th. in Rostock 2 Thlr.; von Mitgliedern des dramat. Vereins in Frankenberg 1 Thlr. 16 Ngr.; 5 Pf.; durch die Redaction des „Windsheimer Wochenblattes“ 12 Thlr.; Leseverein zu Cotta bei Pirna 5 Thlr.; B. N. in Soden 1 Thlr.; Dr. V. in Thierscheim 2 Thlr. 25 Ngr. 8 Pf.; Th. Rhdt. u. Gustav Kchnmstr. in Dresden 10 Thlr.; Julius Schomburgk 10 Thlr.; Emil Houck in Dürkheim 1 Thlr.; Comm.-Rath L. W. in Köthen 5 Thlr.; ges. in der Gemeinde Schönheide, durch Gemeindevorsteher Lenk 41 Thlr. (Bravo und zur Nachahmung empfohlen!); Dr. E. in Frankfurt 1 Thlr.; ges. in einer fröhlichen Gesellschaft zu Klingenthal 6 Thlr. 26 Ngr.; Theatervorstellung des Ersten geselligen Vereins in Grünhainichen, zum Besten der Nothleidenden in Paris 20 Thlr.; W. B. in Regensburg 2 Thlr.; beim Geburtstage des Kaisers in Grebendorf 4 Thlr. 3½ Ngr.; aus der Oberpfalz 5 Thlr. 20 Ngr.; von einem Butjadinger Bauer 3 Thlr.; Frau C. S. in Crossen 1 Thlr.; A. B. in Boizenburg 5 Thlr.; ges. durch Förster Stampe in Reisewitz 1 Thlr.; H. Reinhard in Solenhofen 2 Thlr.; W. Schubart in Bochum 2 Thlr.; Wulsten in Danzig 2 Thlr.; Ex post 3 Thlr. 22½ Ngr.; M. Lange in Dresden 1 Thlr.; Grundstock einer Reisecasse von H. Th. in Düsseldorf 4 Thlr.; vom Paradies-Club in Dresden 4 Thlr.; Conrad S. in Berlin 5 Thlr.; Paul Sch. 3 Thlr.; M. Z. 2 Thlr.; P. R. in Frankfurt a. M. 3 Thlr.; J. Hfm. in Rochlitz 10 Thlr.; Trinks in Neustadt 2 Thlr.; Gott segne es 1 Thlr.; A. H. 1 Thlr.; K. X. in Mühlhausen (Elsaß) 1 Thlr.; Sammlung durch Buchdr.-Bes. Kaiser in Künzelsau 1 Thlr. 21 Ngr. 5 Pf.; J. R. in Berlin 2 Thlr.; Dr. W. in U. 1 Thlr.; Adv. Naumann in Neustadt 2 Thlr.; A. M. in Baireuth 1 Thl.; A. H. in Mainz 10 Thlr.; Fr. Gundelach in Lpzg. 2 Thlr.; Ws. in N. 2 Thlr.; ein Forstmann 1 Thlr.; A. K. in Bromberg 2 Thlr.; ges. in einer Gesellschaft Deutscher in Prag 36 Thlr.; Th. Arends in Hamburg 10 Thlr.; A. Apell in Dresden 2 Thlr.; Advocat Kotte 1 Thlr.; C. F. in Marktbreit 10 Thlr.; L. Schäfer in Heidelberg 1 Thlr. 4 Ngr. 2 Pf.; J. St. in Calw 2 Thlr.; M. L. 1 Thlr.; P. Harkort in Schede 20 Thlr.; aus Pegau 1 Thlr.; J. H. in Hbg. 1 Thlr.; aus Dewsbury und zwar: Klien und Steigerwald 2 Pfd. St., F. Liebig 2 Pf., Roßkammer und Lindener 2 Pf., C. Thiele 1 Pf., zusammen 7 Pf. oder 175 Franken; fünf Offenbacher Realschüler 1 Thlr. 24 Ngr.; Sammlung bei einem fröhlichen Familienfeste in Berlin 7 Thlr.; aus Treuchtlingen 10 fl. südd.; K. u. V. in Dresden 5 fl. ö. u. 1 Thlr.; Sammlung durch A. Brieff in Kiew 35 Franken 40 Cent.; R. Phllipp in Hermannstadt 2 fl. ö.; beim Geburtsfeste des Kaisers, ges. durch das Bürgermeisteramt in Gengenbach (Baden) 10 fl. 15 kr. südd.; E. P. in Fiume 5 fl ö.; Dr. Lesko in Constantinopel 1 Thlr.; Unbekannt 1 Thlr.; Hielle und Dittrich in Schönlinde (die stets Opferwilligen) 50 Thlr.; Nachlaß des deutschen Nationalvereins, einges. aus Weimar 65 Thlr.; Heinrich B. in Hamburg 50 Thlr.; Julius Lehmann in Leipzig 10 Thlr.; von opferwilligen Menschen aus Lemberg, ohne Unterschied der Nationalität, gesammelt durch die Ingenieure Sriba und Christian 80 fl. Banknoten; aus Weißenburg am Sande (Baiern) 98 Thlr. 11 Ngr., Ertrag einer theatralisch-musikalischen Abendunterhaltung, ermöglicht durch die opferwillige Mitwirkung von vier Damen (Fräulein Henninger, Frl. Stolberg, Frl. Tröltsch u. Frl. Werner) und sechs Herren (Gehring, Kern, Leuchs, Friedrich und Wilhelm Tröltsch, Walser) und der Fürst’schen Capelle. „Wir sind ein Volk und einig wollen wir handeln.“
Wir freuen uns, den opferwilligen Gebern heute mittheilen zu können, daß wir abermals eine Geldsendung von 4210 Francs an den Hülfsverein in Paris abgehen ließen, und bitten gleichzeitig nochmals uns für unsere armen Landsleute dort weitere Gaben einzuschicken.