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Der wirkliche Komponist der Marseillaise

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Textdaten
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Titel: Der wirkliche Komponist der Marseillaise
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 595
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[595] Der wirkliche Komponist der Marseillaise scheint endlich in Frankreich entdeckt worden zu sein. Es ist ein alter Kirchenkomponist, Jean Baptiste Lucien Grison, von 1775 bis 1787 Kapellmeister an der Kathedrale zu St. Omer (Pas-de-Calais). Während dieser Zeit komponirte er ein Oratorium „Esther“, Text der gleichnamigen Tragödie Racine’s entnommen, dessen erste Nummer, „Die Verleumdung“ betitelt, Note für Note die Melodie der Marseillaise zeigt. Somit ist Grison’s Komposition mindestens 5 Jahre älter als die Nationalhymne Rouget de Lisle’s, der bisher auch als Komponist seiner Strophen galt – wenn dies auch oft und mit Recht angezweifelt worden ist. Er selbst hat sich übrigens nur einmal, 1825, also erst 33 Jahre nach der Entstehung seiner Hymne, öffentlich auch als deren Komponist genannt.

An der Autorschaft Grison’s in Bezug auf die von Rouget de Lisle benutzte Melodie ist nicht zu zweifeln, da der Entdecker dieses wirklichen Komponisten der Marseillaise, Arthur Loth, in seinem vor einiger Zeit erschienenen Buche: „Le Chant de la Marseillaise et son véritable auteur“ („die Marseillaise und ihr wahrer Komponist“) zugleich den Beweis für die Wahrheit seiner Angabe antritt und die Komposition Grison’s mit allen dazu nöthigen Urkunden mittheilt. Hiermit wären denn alle anderen Ansprüche an die Autorschaft der bedeutsamen Melodie beseitigt, auch die, welche von deutscher Seite erhoben worden sind.

Diese deutschen Ansprüche wurden übrigens in erster Linie von französischer Seite veranlaßt. Sollte doch nach einer Lesart das Gedicht von J. G. Forster, die Musik von J. F. Reichardt herrühren und das Ganze später, mit deutschem und französischem Text und den oben genannten Namen versehen, bei Rellstab im Druck erschienen sein. Die deutsche Autorschaft der Marseillaisen-Melodie lag gleichsam in der Luft und der Glaube daran lebte fort. Da kam 1861 Herr Fridolin Hamma und erklärte in der Presse (siehe „Gartenlaube“, „Kölnische Zeitung“ vom 24. April 1861), die Melodie der „Marseillaise“ sei dem Credo einer Messe aus dem Jahre 1775 von einem Kapellmeister „Holtzmann“ entnommen und diese Messe befinde sich in Meersburg am Bodensee. Die Behauptung trat trotz ihrer sonstigen sich widersprechenden Angaben in der Hauptsache so bestimmt auf, indem sie zugleich einem Jeden die Möglichkeit bot, sich von ihrer Wahrheit persönlich überzeugen zu können, daß man wohl daran glauben mußte, wie sie denn auch von den verschiedensten Blättern geglaubt und den Lesern mitgetheilt wurde. Doch den Beweis für seine Angabe hat Herr Fridolin Hamma bis heute nicht erbracht, wie auch andere Wißbegierige dazu nicht im Stande gewesen sind. Jetzt wird dies wohl auch nicht mehr nothwendig sein, denn einstweilen steht es fest, daß der wirkliche Komponist und Erfinder der Marseillaisen-Melodie nicht Rouget de Lisle, sondern der alte Kapellmeister Grison in St. Omer gewesen ist.