Der Vogt von Hornberg
In jener Zeiten Schwere,
Wo Luthers fromme Lehre
Die uns zu Gottes Ehre
Der theure Brenz gebracht,
Bedrängt vom schweren Kriege,
Geängstet ward vom Siege
Der span’schen Heeresmacht:
Da hat es sich begeben,
Ein muthiges Bestreben
Im Dörflein Gutach war.
Dort lehrte noch zur Stunde
Mit seinem freien Munde,
Ein Pfarrer fromm und klar.
So stand er ohne Sorgen,
An einem Sonntagsmorgen
Im Kanzelstuhl geborgen,
In andrer Hörer Mitten
Durch’s Kirchenthor geschritten
Des Hornbergs neuer Vogt.
Jedoch den Text ihm lesen,
Mag doch nicht übel wesen!“
Der Pfarrer bei sich spricht:
Er fordert die verdammten,
Die all’ der Höll’ entstammten,
Vor Gottes Strafgericht.
Als er der langen Predigt
Mit Poltern sich entledigt,
Steigt er vergnügt herab;
Ihm naht der Vogt mit Nicken,
Mit Gruß und Händedrücken:
„Laßt euch zu Mittag blicken,
Was ist’s? er muß wohl kommen!
Er saß und aß beklommen,
Doch als er eingenommen
Den guten Neckarwein,
Ergötzt mit ehrbar’n Scherzen,
Wollt’ ihn schon reu’n und schmerzen
Das übermäß’ge Schrei’n.
Zuletzt: „Herr! könnt ihr’s meiden,
So predigt nicht so streng!
Das Schimpfen und das Schelten,
Glaubt mir, es frommet selten,
Dem macht’s um’s Herz nicht eng.“
Das zieht dem guten Alten
Die Stirn’ auf’s neu’ in Falten;
Er spricht halb ungehalten,
„Ihr werdet mich nicht fragen,
Doch wenn ihr’s könnt ertragen,
Was hier die Leute sagen,
So leg’ ich’s euch an’s Herz:“
Mag Trunk und Spiel nicht üben,
Treibt kein verbot’nes Lieben,
Fürwahr, Er ist kein Vogt!
O, laßt die Leute schmähen,
Ihr scheut das Kirchengehen!
Fürwahr, ihr seyd ein Vogt!“
Er predigt’ immer länger,
Er predigt’ immer strenger,
Da ward die Lung’ ihm krank;
Bis daß er widerstrebend,
Des Amtes sich begebend,
Vom heißen Fieber bebend,
Er mußte lange liegen,
Kein Schlummer mocht’ ihn wiegen,
Der Trost ging ihm versiegen,
Er lag so gar allein.
Im Zweifel an zu wanken;
Da stellte bei dem Kranken
Des Vogts Besuch sich ein.
Der naht sich seinem Bette
Greift Alles in die Wette
Mit Magd und Diener an;
Bringt labende Geschenke,
Erfüllt die leeren Schränke
Und pflegt den kranken Mann.
Und setzt sich zu ihm nieder,
Indem er fromm und bieder
Aus seinem Munde quellen
Die schönsten Bibelstellen;
Von Thränen glänzt, von hellen,
Des Kranken Angesicht.
Die Hoffnungen, die schliefen,
Des Glaubens tiefste Tiefen
Aus seiner Seele Grund.
Das Wort, das er, entzündet,
Verklärt, verherrlicht findet
Er’s in des Trösters Mund.
Das dringt in seine Säfte,
Erneuert ihm die Kräfte,
Der ringenden Natur.
Jetzt heilt, was war verwundet,
Was krank war, das gesundet,
Und Trank und Speise mundet:
Die Frühlingsboten sangen,
Da kam ihn zu umfangen
Zum letztenmal gegangen
Der Vogt, sein Trost und Hort.
Bin dieses Amts entlassen;
Laßt eure Hand mich fassen:
Gott sey mit eurem Wort!“
Der Pfarrer, tief sich neigend,
Dann auf die Brust sich zeigend,
Auf die erstarkte, spricht:
„O könntet ihr hier lesen,
Wie sie sich fühlt genesen!
Ein Vogt, Herr! seyd ihr nicht!“
Jetzt predigt er so milde,
Nach seines Meisters Bilde,
Das Wort in dem Gefilde
Und Friedenstauben flogen,
Und über wilden Wogen
Erschien der Regenbogen:
Der Feind zog aus dem Land.
Da reifte froh die Aehre,
Da hub die gute Lehre
Das müde Haupt in Kraft.
Die Kirche sich entfalten
Befreit aus langer Haft.
Und wo durch’s Kriegestoben
Sich eine Stimm’ erhoben,
Die hallt in aller Ohr.
Drum, wo wer unbethöret
In schwerer Zeit gelehret,
Den rief man hochverehret
Da macht sich auf die Reise
Zu seines Amtes Preise,
Beschieden vor die Greise,
Von Gutach unser Hirt:
Weil sich von seiner Heerde
Trotz Jammer und Beschwerde
Kein Schäflein hat verirrt.
Er kommt mit Furcht und Beben;
Nicht viel sich abgegeben
Mit hoher Obrigkeit.
Er will im Vorsaal bleiben,
Da sitzen viel und schreiben;
Hat er da gute Zeit.
Die hin und wieder rennen,
Jetzt wagt er sich zu nennen,
„Seyd Ihr’s? Euch kann’s nicht fehlen!
Ja, Herr, ihr dürft nur wählen,
Euch steht, auf meine Seelen,
Bei’m Brenz im Brett ein Stein!“
Der Kirche Hort im Staate,
Der drin in dem Senate
Den hohen Vorsitz führt?
Wann hat mich der gesehen?
Daß seines Geistes Wehen
Mein niedrig Haupt berührt?““
Ein geht er zu der Pforten
Mit solchen Zweifelsworten;
Ist auch sein Auge klar?
In Seide, Sammt und Spitzen
Mit gold’nem Kreuze blitzen,
Zu oberst sieht er sitzen
Der streckt mit Gruß und Segen,
Wie alte Freunde pflegen,
Die treue Hand entgegen:
„Gelobt sey Jesus Christ!
Den Flüchtling gar vergessen,
Der als ein Vogt gesessen
Zu euren Füßen ist?“
„Ihr aber seyd mir theuer,
Und eurer Worte Feuer
Hat oft mich noch durchglüht;
Wie kann man euch vergelten?
Ihr seyd ein Hirte selten,
Euch nicht vergeblich müht.“
„„Für Sorgen und Beschwerden,““
Spricht jener, „„kann auf Erden
Kein größ’rer Lohn mir werden,
Jetzt geh’ ich ruhig schlafen;
Und, wollt ihr mich nicht strafen,
So laßt mich bei den Schafen
Zu Gutach fort und fort!““
Den lieben, frommen Seelen,
Will ihnen nicht verhehlen,
Daß ihr den Vogt nicht logt.
Ihr seyd, was ihr gewesen,
Ihr seyd, zu Trotz dem Bösen
Herr Brenz! des Himmels Vogt!““