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Der Salzberg bei Hallstadt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCCXXXXI. Die Basteifelsen bei Dresden Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band (1843) von Joseph Meyer
CCCCXXXXII. Der Salzberg bei Hallstadt
CCCCXXXXIII. Baalbeck
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HALLSTADT

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CCCCXXXXII. Der Salzberg bei Hallstadt.




Die nördlichen Kalkalpen, welche den Zug des Urgebirges begleiten, bilden eine 300 Stunden lange Kette. Der Hauptmasse nach bestehen sie aus einem ältern Kalkstein, welcher mehre untergeordnete Lager führt. Zu letztern gehört auch das Steinsalz. In den Alpen kommt es jedoch nie in großen, compakten, ausgedehnten Massen vor, sondern meistens in Körnern, in größern und kleinern Stücken, auch sehr selten weiß, sondern gewöhnlich röthlich gefärbt und gemengt mit Thon und Gyps. Da, wo die Gebirgsmassen das Salz so reichlich enthalten, daß es bergmännisch gewonnen werden kann, heißen sie Salzberge: – so bei Hall in Tyrol, Berchtesgaden im Bayerschen, bei Ischl, bei Aussen und bei Hallstadt im Salzkammergute.

Weil das Steinsalz der Kalkalpen niemals reine, derbe Stöcke bildet, sondern mit andern Gebirgsmassen vermischt ist, so würde es sich nicht der Mühe lohnen, die einzelnen Salzbrocken herauszusuchen; es würde unbenutzt bleiben müssen, wenn man nicht der Natur ihr Verfahren, Soole zu bereiten, abgelauscht hätte und solches nachahmte. Schon die Römer kannten diese Benutzungsweise des Steinsalzes der Alpen und deutliche Spuren beweisen, daß vor ihnen auch der Hallstadter Salzberg bearbeitet wurde.

Derselbe erhebt sich fast senkrecht über das kleine Städtchen Hall 4000 Fuß hoch. Mit Mühe ersteigt man auf 2500 Stufen, ohne die aller Zugang unmöglich wäre, den sogenannten Rudolfsthurm, wo der Bergmeister wohnt und von wo man die ganze Steinsalzablagerung übersehen kann. Zwischen den kahlen Klippen des Kreuz- und des Kalenberges öffnet sich ein anderthalb Stunden weit zwischen den Bergen fortziehendes tiefes Thal, das ganz mit einem auflösbaren Gemenge von Salz und Thon ausgefüllt ist. Diese Masse, welche der eigentliche Salzberg heißt, ist durch mehre übereinander liegende Stollen, oder horizontale Gänge, aufgeschlossen. Das zwischen je zweien solcher Stollen, einem oberen und einem unteren, liegende Gebirgsstück heißt ein Grubenfeld, und dies auszulaugen, nämlich die Salze desselben mit Wasser aufzulösen und als Soole zum Abdämpfen zu gewinnen, ist der Zweck des hiesigen Bergbaues. Jeder obere Stollen führt das süße Wasser (Quell- und Regenwasser) in das Innere des Berges in ausgehauene große Weitungen, welche sich allmählig durch Auflösung des [58] salzigen Gesteins an den Wänden und Decken immer mehr vergrößern; die unteren Stollen führen die mit Salztheilchen gesättigten Gewässer (die Soole) wieder ab. Man nennt jene Weitungen Stockwerke oder Sulzenstöcke und sie wachsen allmähiig zu einer ungeheuern Ausdehnung an. Man hält sie so lange im Betrieb, als es überhaupt möglich ist. Werden sie endlich verlassen, so incrustiren im Laufe langer Zeit die Wände mit reinen Salzkrystallen und sie bieten in diesem Zustande bei Fackelbeleuchtung jenen zauberhaften Anblick dar, der die Bewunderung der Reisenden ausmacht. Die Zeit, welche das durch den obern Stollen in den Berg geleitete süße Wasser nöthig hat, um sich in brauchbare Soole zu verwandeln, ist hier sechs bis sieben Wochen. Zu Hallein sind drei Wochen ausreichend; da ist das Gebirge an Steinsalz reicher.

Man sieht ein, daß die Salzgewinnung in den Salzbergen der Alpen keineswegs leicht ist, und daß sie dort mit großen Kosten und vieler Mühe das künstlich thun muß, was in den Soolquellen die Natur anderswo selbst besorgt. Die Hallstadter Saline unterhält eine Knappschaft von 230 Mann blos für den Betrieb der bergmännischen Arbeiten, welche die Salzwerke erfordern, und ihre Produktion übersteigt doch nicht 120,000 Centner im Jahre. Gegenden, wie z. B. das nördliche Deutschland, welche an Soolquellen reich sind, haben daher jene Alpengegenden mit ihren ungeheuern Salzbergen nicht zu beneiden. Auch sind diese keineswegs unerschöpflich. Der Salzberg bei Ischl wird in 300 Jahren ausgebaut seyn; der bei Hallstadt in der doppelten Zeit. Was ist aber ein halbes oder ganzes Jahrtausend für die Dauer der Erde, oder der Menschheit?

Hallstadt, eine echte Gnomenstadt, liegt von himmelhohen, senkrecht aufsteigenden Bergen umgeben, in einem Kessel am See, dem die Alpen aus tief eingefurchten Schluchten ihre Gewässer zuführen. Drei Wintermonate lang fällt kein Sonnenstrahl auf Hallstadts Dächer und wenn die Schneestürme die Wege und Pässe zuwehen, ist wochenlang das Städtchen abgeschnitten vom Verkehr mit der übrigen Welt. Dagegen wimmelt es im Sommer von Reisenden und den Badegästen des nahen Ischl, welche die Merkwürdigkeiten, oder die erhabenen Schönheiten einer Gegend anziehen, über welche die Alpennatur ihr Füllhorn reichlich ausgegossen hat.