Der Morgen-Stern (Hebel, 1803)
Siehe auch: Der Morgen-Stern (Werkausgabe 1834) |
Woher so früeih, wo ane scho,
Her Morge-Stern enanderno
in diner glitzrige Himmels-Tracht,
in diner guldige Locke Pracht,
und sufer g’wäschen im Morge-Thau?
Hesch gmeint, de seigsch elleinig do?
Nei weger nei, mer meihe scho!
Mer meihe scho ne halbi Stund;
es macht e frische frohe Muth,
und d’ Suppe schmekt eim no so gut.
’s git Lüt, sie dose frili no,
sie chönne schier nit use cho.
stöhn zitli uf, und wache gern,
und was me früeih um Vieri thut,
das chunnt eim z’ Nacht um Nüni gut.
Und d’ Vögeli sin au scho do,
und uffem Baum und hinterm Hag
seit eis im andere Gute Tag!
Und ’s Turtel-Tübli ruukt und lacht,
und ’s Betzit-Glöckli isch au verwacht.
e gute Tag, und bhütis Gott!
Mer beten um e christlig Herz,
es chunnt eim wohl in Freud und Schmerz;
wer christli lebt, het frohe Muth:
Weisch Jobbeli, was der Morge-Stern
am Himmel sucht? Me seits nit gern!
Er wandlet imme Sternli no,
er cha schier gar nit vonnem lo;
und thut en wie ne Hüenli i.
Drum stoht er uf vor Tag, und goht
si’m Sternli no im Morgeroth;
er sucht und ’s wird em windeweh,
er möcht em sagen: I bi der hold!
es wär em über Geld und Gold.
Doch wenn er schier gar bynem wär,
verwacht si Mutter handumcher,
sen isch mi Bürstli niene do.
Druf flicht sie ihre Chranz ins Hoor,
und lueget hinter de Berge vor.
Und wenn der Stern si Mutter sieht,
er rüeft si’m Sternli: Bhütdi Gott!
es isch, aß wenn er sterbe wott.
Jez Morge-Stern hesch hohi Zit
di Mütterli isch nümme wit.
in ihrer stille Herlichkeit!
Sie zündet ihri Strahlen a,
der Chilch-Thurn wärmt si au scho dra,
und wo sie fallen in Berg und Thal,
Der Storch probirt si Schnabel scho,
„de chaschs perfekt, wie gester no!“
und d’ Chemi rauchen au alsgmach;
hörsch ’s Mühli-Rad am Erle-Bach,
mit schwere Streiche d’ Holz-Ax fallt?
Was wandlet dört im Morge-Stral
Mit Tuch und Chorb dur’s Matte-Thal?
’s sin d’ Meidli jung, und flink und froh,
und ’s Anne Meili vornen a,
es lacht mi scho vo witem a.
Wenn ich der Sunn ihr Büebli wär,
und ’s Anne Meili chäm ungfähr
i müeßt vom Himmel abe cho,
und wenn au d’ Muetter balge wott,
i chönnts nit lo, verzeihmers Gott!
[Notenbeilage]