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Der Heuersche Kolk bei Rechtenfleth in Osterstade

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Textdaten
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Autor: Hermann Allmers
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Titel: Der Heuersche Kolk bei Rechtenfleth in Osterstade
Untertitel:
aus: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden: Noch lebende Volkssagen und Legenden, S. 240–241
Herausgeber: Friedrich Köster
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: In Commision bei A. Pockwitz
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Erscheinungsort: Stade
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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e. Der Heuersche Kolk bei Rechtenfleth in Osterstade.

Zwischen den Dörfern Sandstedt und Rechtenfleth liegt dicht innerhalb des Deiches, der hier eine große Biegung macht, ein stiller, tiefer, schilfumkränzter Wasserkolk, der Ueberrest eines großen Deichbruches, der vor vielen Jahren, man weiß nicht mehr wann? bei einer Sturmfluth geschehen ist. Als man nun den zerstörten Deich wieder herstellen wollte, versank jede Karre voll Sand wieder in die Tiefe. Alle Mühe, die Lücke zu füllen, war vergebens, denn der Zorn Gottes ruhete auf der Feldmark, um der Ueppigkeit und Gottlosigkeit willen der Bewohner Sandstedt’s und Rechtenfleth’s. Man arbeitete den ganzen Frühling, Sommer und Herbst hindurch: der Winter war vor der Thür, aber die Arbeit war nicht um ein Haar fortgerückt; der Boden schien unergründlich.

Da befragte man eine weise Frau. „Ihr werdet bis an den jüngsten Tag arbeiten können, antwortete diese, [241] wenn ihr den Himmel nicht zuvor versöhnt habt. Den Ersten, der am nächsten Morgen vorüber geht, den ergreifet, werfet ihn in die Tiefe und bedeichet ihn: dann erst wird der Grund fest werden.“

Und der Erste, der am andern Morgen vorüber ging, war ein reicher stolzer Bauer, Namens Heuer. Sie ergriffen ihn, warfen ihn in die Tiefe und bedeichten ihn; und es geschah, wie die weise Frau gesagt hatte. Der Grund wurde fest, und bald war der Deich mit Gottes Hülfe vollendet. Der einsame Kolk aber heißt seitdem der Heuersche, und bei stiller Nacht soll es drunten in der Tiefe dumpf stöhnen und klagen.

Auch diese Sage wird vielerwärts ähnlich erzählt. In Naumburg konnte der Dom nicht gegründet werden, bis der Erste, der vorüber ging, eingemauert wurde. In den von Talvj meisterhaft übersetzten Serbischen Volksbildern enthält Eins auch eine solche Geschichte, wo bei Gründung einer festen Burg der erste Nahende eingemauert wurde. Bekannt ist die Erzählung in der Römischen Urgeschichte von einem plötzlich entstandenen Abgrunde, welcher sich nicht eher wieder schloß, als bis, nach dem Rathe der Priester, der junge M. Curtius sich zu Pferde in denselben gestürzt hatte. Daß der Zorn der Gottheit nicht anders abgewendet werden könne, als durch Aufopferung des höchsten menschlichen Gutes, nämlich des Lebens, ist die zum Grunde liegende Idee.

(Von Herrn Herm. Allmers.)