Der Dom auf dem Burgplatz in Braunschweig
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Herzog Heinrich der Löwe, Braunschweigs gefeierter Held im Mittelalter, der eben so fromm und leichtgläubig war, als tapfer, hatte eine Wallfahrt nach dem heiligen Grabe gemacht und kehrte im Jahre 1329 mit einem für schweres Geld erkauften Reliquienschatze wieder heim. Da beschloß er, das fromme Werk mit dem Bau einer Kathedrale und der Stiftung eines Domkapitels zu krönen, und die Frucht dieses Entschlusses war der Braunschweiger Dombau. Er entstand in dem Zeitraume von 1130–1170. Er ist im gothischen Style aus Werkstücken aufgeführt und eins der besterhaltenen Denkmäler aus so früher Zeit; denn nur das linke Seitenschiff hat eine Veränderung erlitten: es wird von gewundenen Säulen der elegantesten
[40] Form getragen. – Auch die innere Ausschmückung ist größtentheils noch die ursprüngliche. Der Kronleuchter mit sieben Armen, der Hochaltar und vieles Andere sind offenbar Werke byzantiner Künstler. Deutsch aber und eines der schönsten Werke seiner Zeit ist das Grabmal Heinrich’s des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde, im Mittelschiff der Kirche. Ihre lebensgroßen Bildnisse von Marmor liegen auf den Sarkophagen ausgestreckt, die ihre Asche bewahren. Unter diesem Denkmal befindet sich die Gruft der Guelphen, von Heinrich dem Löwen an bis auf heute. Es war eine kriegerische Raçe: denn auf 8 Särgen liest man, daß ihre Inhaber in der Schlacht gefallen sind. Auch die zwei letzten Fürsten traf dies Loos: jenen Veteranen aus Friedrich’s des Großen Kriegerschule, der bei Jena die Todeswunde empfing und seinen Sohn, der des Vaters Tod bei Waterloo rächte und rächend den Tod fand. Zwischen ihnen ruht ein Weib, die Königin Caroline von England, die, angeklagt des Ehebruchs, ich einst vor dem ersten Gericht ihres Königreichs hatte stehen sehen. Das Schicksal trifft selten Menschen, durch die es zu den Völkern en gros sprechen kann. Caroline und Georg IV. waren solche, und in seiner Hand wurde das noble Paar zum Werkzeug, den Schmutz eines königlichen Privatlebens aktenmäßig zur Wissenschaft aller Welt zu bringen und den Schleier von Verhältnissen zu reißen, welche man früher nur im Dämmerlicht der Memoiren treubrüchiger Kammerfrauen und Leibdiener gesehen hatte. Caroline hat viel gelebt, viel erlebt und durch das Oeffentlichwerden ihres Lebens viel gewirkt. Gönne man ihr denn das Plätzchen zwischen den beiden Helden!
Noch werden im Dome einige der Reliquien bewahrt, welche die pfäffische Habsucht dem Löwen-Heinrich und seiner gläubigen Einfalt in Palästina aufgebunden hatte. Man zeigt das gekrümmte Horn einer Antelope, welches einst angestaunt wurde als die veritable Klaue des Satans, und eine Wallfischrippe, die man viele Jahrhunderte für eine Rippe des Philistertodtschlägers Simson hielt. – Interessanter als diese Denkmäler des Pfaffentrugs ist die schöne, antike Bronzestatut eines Löwen, welche die werthvollste Beute von Heinrich’s Pilgerfahrt ausmacht. Sie steht auf hohem Fußgestell vor dem Dome auf dem Markte und ist vollkommen erhalten.