Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren/Neuntes Capitel
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- Der Act des Stirnrunzelns. — Überlegung mit einer Anstrengung oder mit der Wahrnehmung von etwas Schwierigem oder Unangenehmem. — Vertieftes Nachdenken. — Üble Laune. — Mürrisches Wesen. — Hartnäckigkeit. — Schmollen und Verziehen des Mundes. — Bestimmtheit oder Entschiedenheit. — Das feste Schließen des Mundes.
Die Augenbrauenrunzler bringen durch ihre Zusammenziehung die Augenbrauen etwas herab und nähern dieselben einander, wobei sie auf der Stirn senkrechte Falten, d. h. ein Stirnrunzeln hervorbringen. Sir Ch. Bell, welcher irrthümlicherweise der Ansicht war, daß der Augenbrauenrunzler ein dem Menschen eigenthümlicher Muskel sei, bezeichnet ihn als „den merkwürdigsten Muskel des menschlichen Gesichts. Er verknüpft die Augenbrauen mit einer energischen Anstrengung, was auf eine unerklärliche, aber doch unwiderstehliche Weise die Idee des Geistes hervorruft.“ An einer andern Stelle sagt er ferner: „Wenn die Augenbrauen zusammengezogen werden, so wird Energie des Geistes sichtbar; dabei vermischt sich die Idee des Gedankens und der Seelenbewegung mit der der wilden und brutalen Wuth des reinen Thieres“.[1] In diesen Bemerkungen liegt [203] sehr viel Wahres, aber kaum die ganze Wahrheit. Dr. Duchenne hat den Augenbrauenrunzler den Muskel der Überlegung genannt,[2] aber es kann dieser Name ohne einige Einschränkung nicht als völlig correct betrachtet werden.
Es kann ein Mensch in das tiefste Nachdenken versunken sein; seine Augenbrauen bleiben doch glatt, bis er im Zuge seines Nachdenkens auf irgend ein Hindernis stößt oder bis er durch irgend eine Störung unterbrochen wird, dann zieht ein Stirnrunzeln wie ein Schatten über sein Gesicht. Ein halbverhungerter Mensch kann intensiv darüber nachdenken, wie er sich Nahrung verschaffen könnte; wahrscheinlich wird er aber kein Stirnrunzeln zeigen, bis er entweder im Gedanken oder bei einer Handlung auf irgend welche Schwierigkeit stößt, oder wenn er die endlich erlangte Nahrung ekelhaft findet. Ich habe bemerkt, daß beinahe ein Jeder augenblicklich die Stirn runzelt, wenn er in dem, was er ißt, einen fremdartigen oder schlechten Geschmack wahrnimmt. Ich bat mehrere Personen, ohne ihnen meine Absicht zu erklären, aufmerksam auf ein leises klopfendes Geräusch hinzuhören, dessen Natur und Quelle sie sämmtlich vollkommen kannten; nicht eine von ihnen runzelte die Stirn. Als aber Jemand sich zu uns gesellte, der nicht begreifen konnte, was wir alle im tiefsten Stillschweigen thäten, und dann gebeten wurde, aufzuhorchen, runzelte er die Stirn stark, wenn schon nicht aus übler Laune, und sagte, er könne nicht im Mindesten verstehen, was wir Alle wollten. Dr. Piderit,[3] welcher Bemerkungen ähnlichen Inhalts veröffentlicht hat, fügt noch hinzu, daß Stotterer gewöhnlich beim Sprechen die Stirn runzeln und daß ein Mensch selbst beim Ausführen einer so geringfügigen Handlung wie dem Anziehen eines Stiefels die Stirn runzelt, wenn er ihn zu eng findet. Manche Personen runzeln die [204] Stirn so gewohnheitsgemäß, daß die einfache Anstrengung des Sprechens beinahe immer ihre Augenbrauen veranlaßt, sich zusammenzuziehen.
Menschen aller Rassen runzeln die Stirn, wenn sie in ihren Gedanken auf irgend welche Weise verworren werden, wie ich aus den Antworten schließe, die ich auf meine Fragen erhalten habe; ich habe indessen dieselben schlecht formulirt, da ich dabei das vertiefte Nachdenken mit perplexer Überlegung verwechselt habe. Nichtsdestoweniger ist es doch klar, daß die Australier, Hindus und Kaffern von Süd-Africa die Stirn runzeln, wenn sie in Verlegenheit gerathen. Dobritzhofer bemerkt, daß die Guaranis von Süd-America bei gleicher Gelegenheit ebenfalls ihre Augenbrauen zusammenziehen.[4]
Nach diesen Betrachtungen können wir schließen, daß das Stirnrunzeln nicht der Ausdruck der einfachen Überlegung, wie tief eingehend dasselbe auch sein mag, oder der, wenn auch noch so intensiven Aufmerksamkeit ist, sondern der Ausdruck für irgend eine Schwierigkeit oder etwas Unangenehmes, was während eines Gedankenzuges oder bei einer Handlung erfahren wird. Tiefe Überlegung kann indessen selten lange fortgesetzt werden, ohne auf irgend eine Schwierigkeit zu stoßen, so daß sie allgemein von einem Stirnrunzeln begleitet sein wird. Daher kommt es, daß das Stirnrunzeln dem Gesicht gewöhnlich, wie Sir Ch. Bell bemerkt, den Ausdruck intellectueller Energie gibt. Damit aber diese Wirkung hervorgebracht werde, müssen die Augen klar und fest sein, oder nach abwärts gerichtet werden, wie es häufig beim tiefen Denken vorkommt. Das Gesicht muß nicht auf andere Weise gestört sein, wie es bei einem übelgelaunten oder mürrischen Menschen der Fall ist, oder bei einem, welcher die Wirkungen lange anhaltenden Leidens zeigt mit matten Augen und schlaff herabhängenden Kinnladen, oder welcher einen schlechten Geschmack in einer Speise wahrnimmt, oder der es schwierig findet, irgend eine unbedeutende Handlung, wie das Einfädeln einer Nadel, auszuführen. In diesen Fällen kann man häufig ein Stirnrunzeln eintreten sehen, es wird aber hier von irgend einer andern Ausdrucksform begleitet sein, welche es vollständig verhindert, daß das Gesicht den Anblick intellectueller Energie oder tiefen Denkens darbietet.
[205] Wir können nun untersuchen, woher es kommt, daß ein Stirnrunzeln die Empfindung von irgend etwas Schwierigem oder Unangenehmem entweder in einem Gedankenzuge oder in einer Handlung ausdrücken soll. In derselben Weise wie es Naturforscher empfehlenswerth finden, die embryonale Entwickelung eines Organes zu verfolgen, um seinen Bau vollständig zu verstehen, ist es auch in Bezug auf die Bewegungen des Gesichtsausdrucks gerathen, so nahe als möglich denselben Plan zu verfolgen. Die früheste und beinahe einzige Ausdrucksform, welche während der ersten Tage der Kindheit zu sehen ist, dann aber häufig dargeboten wird, ist die im Acte des Schreiens gezeigte; und das Schreien wird sowohl zuerst als noch einige Zeit später durch jede ängstigende oder unangenehme Empfindung oder Gemüthsbewegung erregt, durch Hunger, Schmerz, Zorn, Eifersucht, Furcht u. s. w. In solchen Zeiten werden die Muskeln rings um das Auge heftig zusammengezogen, und dies erklärt, wie ich glaube, in hohem Maße den Act des Stirnrunzelns während der übrigen Zeit unseres Lebens. Ich habe wiederholt meine eignen Kinder von einem Alter unter einer Woche bis zu dem von zwei oder drei Monaten beobachtet und gefunden, daß wenn ein Schreianfall allmählich herankam, das erste Zeichen davon die Zusammenziehung der Augenbrauenrunzler war, welche ein leichtes Stirnrunzeln verursachte und welcher sehr bald die Zusammenziehung der andern Muskeln rings um das Auge folgte. Wenn ein kleines Kind sich ungemüthlich fühlt oder unwohl ist, so kann man kleine Stirnrunzelungen — wie ich in meinem Tagebuche notirt habe, — beständig wie Schatten über ihr Gesicht ziehen sehen; diesen folgen allgemein, aber nicht immer, früher oder später Schreianfälle. Ich beobachtete z. B. ein kleines, zwischen sieben und acht Wochen altes Kind, als es Milch saugte, welche kalt und ihm daher unangenehm war; während der ganzen Zeit behielt es ein leichtes Stirnrunzeln bei. Dies entwickelte sich nie zu einem wirklichen Anfall von Weinen, doch ließ sich gelegentlich jede Stufe des dichten Herannahens eines solchen beobachten.
Da kleine Kinder zahllose Generationen hindurch der Gewohnheit, beim Anfange jeden Anfalls von Weinen oder Schreien die Augenbrauen zusammenziehen, gefolgt sind, so ist dieselbe mit dem langsam eintretenden Gefühle von irgend etwas Ängstigendem oder Unangenehmem fest associirt worden. Sie ist daher leicht geneigt unter ähnlichen Umständen auch während des reifen Alters beibehalten zu [206] werden, obschon sie dann niemals zu einem Weinanfall weiterentwickelt wird. Schreien oder Weinen wird schon in einer frühen Lebensperiode willkürlich zurückzudrängen begonnen, während das Stirnrunzeln kaum jemals auf irgend einer Altersstufe unterdrückt wird. Es ist vielleicht der Bemerkung werth, daß bei zum Weinen sehr geneigten Kindern alles das, was ihren Geist verwirrt und was die meisten andern Kinder nur zum Stirnrunzeln bringen würde, leicht ein Weinen hervorruft. So führt auch bei gewissen Classen von Geisteskranken jede Anstrengung des Geistes, wie leicht sie auch sein mag, welche bei einem gewohnheitsgemäß die Stirn runzelnden Menschen ein leichtes Stirnrunzeln verursachen würde, zum nicht zurückzudrängenden Weinen. Darin, daß die Gewohnheit die Augenbrauen bei der ersten Wahrnehmung von irgend etwas Ängstigendem zusammenzuziehen, obschon sie während der Kindheit erworben wurde, für den übrigen Theil unseres Lebens beibehalten wird, liegt nicht mehr Überraschendes als darin, daß viele andere in einem frühen Alter erworbene associirte Gewohnheiten sowohl vom Menschen als den niedern Thieren dauernd beibehalten werden. So behalten z. B. völlig erwachsene Katzen häufig die Gewohnheit bei, wenn sie sich warm und gemüthlich fühlen, abwechselnd ihre Vorderpfoten mit ausgespreizten Zehen vorzustrecken, welche Gewohnheit sie zu einem bestimmten Zwecke ausübten als sie an ihren Müttern saugten.
Eine andere und verschiedene Ursache hat wahrscheinlich die Gewohnheit die Stirne zu runzeln, so oft der Geist sich intensiv mit einem Gegenstande beschäftigt und auf irgend eine Schwierigkeit stößt, noch verstärkt. Das Sehen ist der bedeutungsvollste von allen Sinnen, und während der Urzeiten muß die gespannteste Aufmerksamkeit unaufhörlich auf entfernte Gegenstände gerichtet worden sein, um Beute zu erlangen und Gefahren zu vermeiden. Ich erinnere mich, als ich in Theilen von Süd-America reiste, welche wegen der Anwesenheit von Indianern gefährlich waren, darüber frappirt gewesen zu sein, wie unaufhörlich und doch allem Anscheine nach unbewußt die halb wilden Gauchos den ganzen Horizont aufmerksam prüften. Wenn nun Jemand ohne irgend wie den Kopf bedeckt zu haben (wie es doch ursprünglich beim Menschen der Fall gewesen sein muß) sich bis zum Äußersten anstrengt, in hellem Tageslicht und besonders wenn der Himmel glänzt, einen entfernten Gegenstand zu unterscheiden, so zieht er beinahe ausnahmslos seine Augenbrauen zusammen, [207] um den Eintritt von zuviel Licht in seine Augen zu verhüten; die untern Augenlider, die Backen und die Oberlippe werden zu gleicher Zeit emporgehoben, so daß die Öffnung der Augen verkleinert wird. Ich habe absichtlich mehrere Personen, junge und alte, gebeten, unter den oben erwähnten Umständen nach entfernten Gegenständen zu sehen, wobei ich sie glauben machte, daß ich nur die Stärke ihres Gesichtssinnes zu prüfen wünschte; und sie alle benahmen sich in der eben beschriebenen Art und Weise. Einige von ihnen hielten auch ihre flachen offenen Hände über die Augen, um den Überschuß von Licht abzuhalten. Nachdem Gratiolet einige Bemerkungen nahezu derselben Art gemacht hat,[5] sagt er: „ce sont là des attitudes de vision difficile.“ Er kommt zu dem Schlusse, daß sich die Muskeln rings um das Auge zum Theil zu dem Zwecke zusammenziehen, zu vieles Licht auszuschließen (was mir die bedeutungsvollere Absicht zu sein scheint), zum Theil um alle Strahlen von der Netzhaut abzuhalten, ausgenommen diejenigen, welche direct von dem Gegenstande herkommen, welcher erforscht wird. Mr. Bowman, welchen ich über diesen Punkt um Rath frug, meint, daß die Zusammenziehung der das Auge umgebenden Mukeln außerdem noch „zum Theil dazu dienen dürfte, die consensuellen Bewegungen der beiden Augen dadurch zu sichern, daß ihnen ein festerer Stützpunkt gegeben wird, während die Augäpfel durch die Thätigkeit ihrer eigenen Muskeln für das binoculare Sehen eingestellt werden.“
Da die Anstrengung, bei hellem Lichte mit Aufmerksamkeit einen entfernten Gegenstand zu betrachten, sowohl schwierig als ermüdend ist, und da diese Anstrengung durch zahllose Generationen hindurch gewohnheitsgemäß von der Zusammenziehung der Augenbrauen begleitet worden ist, so wird die Gewohnheit des Stirnrunzelns hiedurch bedeutend verstärkt worden sein, obschon sie ursprünglich während der ersten Kindheit aus einer davon völlig unabhängigen Ursache ausgeübt wurde, nämlich als erster Schritt zum Schutze der Augen beim Schreien. Soweit der Seelenzustand dabei in Betracht kommt, besteht allerdings eine große Analogie zwischen dem aufmerksamen Prüfen eines entfernten Gegenstandes und dem Verfolgen eines [208] schwierigen Gedankenzuges oder auch der Ausführung irgend einer kleinen und mühsamen mechanischen Arbeit. Die Annahme, daß die Gewohnheit des Stirnrunzelns beibehalten wird, wenn auch durchaus gar keine Nöthigung vorliegt, zu viel Licht abzuhalten, erhält durch die früher erwähnten Fälle Unterstützung, bei denen die Augenbrauen oder Augenlider unter gewissen Umständen in einer zwecklosen Art und Weise in Thätigkeit geriethen, weil sie früher unter analogen Verhältnissen zu einem nützlichen Zwecke ähnlich benutzt wurden. So schließen wir z. B. willkürlich unsere Augen, wenn wir einen Gegenstand nicht zu sehen wünschen, und wir sind sehr geneigt sie zu schließen, wenn wir einen Vorschlag verwerfen, als wenn wir ihn dann nicht sehen könnten oder wollten, oder auch aus gleichem Grunde, wenn wir an etwas Schauerliches denken. Wir erheben unsere Augenbrauen, wenn wir schnell Alles rings um uns her zu sehen wünschen, und dasselbe thun wir häufig, wenn wir ernsthaft wünschen, uns an irgend etwas zu erinnern, gewissermaßen um zu versuchen es zu sehen.
Versunkensein, Nachdenken. — Wenn eine Person in Gedanken verloren und ihr Geist abwesend ist, oder, wie es zuweilen gesagt wird, „wenn sie in Gedanken hinbrütet“, so runzelt sie ihre Stirn nicht, aber die Augen erscheinen leer. Die untern Augenlider werden meist in die Höhe gezogen und gefaltet, in derselben Weise wie wenn eine kurzsichtige Person einen entfernten Gegenstand zu erkennen versucht; gleichzeitig werden auch die obern Augenkreismuskeln leicht zusammengezogen. Das Falten der untern Augenlider unter solchen Umständen ist bei einigen Wilden beobachtet worden, so von Mr. Dyson Lacy bei den Australiern von Queensland und mehrere Male von Mr. Geach bei den Malayen des Innern von Malacca. Was die Bedeutung oder die Ursache dieser Handlung sein mag, kann für jetzt nicht erklärt werden; es liegt uns aber hier ein anderes Beispiel einer Bewegung rund um die Augen herum in Beziehung auf den Seelenzustand vor.
Der leere Ausdruck der Augen ist sehr eigenthümlich und zeigt sofort an, wenn ein Mensch vollständig in seinen Gedanken verloren ist. Professor Donders hat mit seiner gewöhnlichen Freundlichkeit diesen Gegenstand meinetwegen untersucht. Er hat Andere in diesem Zustand beobachtet und ist selbst wieder von Professor Engelmann beobachtet worden. Die Augen werden dann nicht auf irgend einen [209] Gegenstand fixirt, also nicht, wie ich mir vorgestellt hatte, auf einen entfernten Gegenstand. Die Sehachsen der beiden Augen werden sogar häufig in geringem Grade divergent; wird der Kopf senkrecht gehalten, und ist die Gesichtsebene horizontal, so steigt die Divergenz im Maximum bis zu einem Winkel von 2°. Dies wurde ermittelt durch Beobachtung des gekreuzten Doppelbildes eines entfernten Gegenstandes. Wenn sich der Kopf nach vorn neigt, wie es häufig bei einem in Gedanken absorbirten Menschen vorkommt, in Folge nämlich der allgemeinen Erschlaffung seiner Muskeln, dann werden, wenn die Gesichtsebene noch immer horizontal bleibt, die Augen nothwendigerweise ein wenig aufwärts gedreht, und dann beträgt die Divergenz 3° oder 3°5'; werden die Augen noch weiter nach oben gewendet, dann steigt sie bis auf 6° oder 7°. Professor Donders schreibt diese Divergenz der beinahe vollständigen Erschlaffung gewisser Augenmuskeln zu, welche leicht in Folge des Versunkenseins des Geistes eintritt.[6] Der thätige Zustand der Muskeln der Augen führt zur Convergenz derselben; Professor Donders bemerkt hierbei noch, als die Divergenz der Augen während einer Zeit vollständigen Versunkenseins erläuternd, daß, wenn ein Auge erblindet, es beinahe immer nach Verlauf einer kurzen Zeit sich nach außen wendet; seine Muskeln werden nämlich nun nicht mehr dazu benutzt, den Augapfel behufs des binocularen Sehens nach innen zu bewegen.
Verlegenes Überlegen wird häufig von gewissen Bewegungen oder Geberden begleitet. In solchen Momenten erheben wir gewöhnlich unsere Hände an die Stirn, den Mund oder das Kinn; soweit ich es beobachtet habe, thun wir es aber nicht, wenn wir vollständig im Nachdenken versunken sind und wenn keine Schwierigkeit uns entgegentritt. Plautus beschreibt in einem seiner Stücke[7] einen verlegenen Menschen und sagt: „Seht ihn an, er hat sein Kinn auf den Pfeiler seiner Hand gestützt.“ Selbst eine so kleinliche und allem Anscheine nach bedeutungslose Geberde, wie das Erheben der Hand nach dem Gesichte, ist bei einigen Wilden beobachtet worden. Mr. J. Mansel Weale hat es bei den Kaffern in Süd-Africa gesehen; und der eingeborene [210] Häuptling Gaika fügt hinzu, daß die Leute „manchmal an ihrem Barte zupfen.“ Mr. Washington Matthews, welcher einige der wildesten Indianerstämme in den westlichen Gegenden der Vereinigten Staaten beobachtet hat, bemerkt, daß er gesehen habe, wie dieselben, wenn sie ihre Gedanken concentriren, „ihre Hände, gewöhnlich den Daumen und Zeigfinger, mit irgend einem Theile des Gesichts, meistens mit der Oberlippe, in Berührung bringen.“ Wir können wohl einsehen, warum man die Stirn drückt oder reibt, da tiefes Nachdenken das Gehirn ermüdet; warum man aber die Hand nach dem Mund oder dem Gesicht erhebt, ist durchaus nicht klar.
Üble Laune. — Wir haben gesehen, daß das Stirnrunzeln der natürliche Ausdruck irgend einer empfundenen Schwierigkeit oder von irgend etwas Unangenehmem ist, was sich entweder in Gedanken oder bei einer Handlung darbietet; und wessen Geist häufig und leicht in dieser Weise afficirt wird, der wird sehr leicht übel gelaunt oder in unbedeutendem Grade zornig oder reizbar werden und wird dies gewöhnlich durch ein Stirnrunzeln zeigen. Aber ein in Folge des Stirnrunzelns verstimmt erscheinender Ausdruck kann ausgeglichen werden, wenn der Mund, weil er gewohnheitsgemäß in ein Lächeln gezogen wird, freundlich erscheint und die Augen hell und fröhlich sind. Dasselbe tritt ein, wenn das Auge klar und sicher blickt und das Aussehen eines ernsten Überlegens vorhanden ist. Stirnrunzeln mit etwas herabgezogenen Mundwinkeln, welches letztere ein Zeichen des Kummers ist, gibt das Ansehen eines mürrischen Gereiztseins. Wenn ein Kind während es weint stark die Stirn runzelt (siehe Tafel IV, Fig. 2),[8] aber nicht in der gewöhnlichen Art stark die Kreismuskeln zusammenzieht, dann bietet sich ein scharf ausgesprochener Ausdruck des Zornes oder selbst der Wuth, in Verbindung mit dem des Unglücks dar.
Wenn die ganzen, zum Stirnrunzeln gebrachten Augenbrauen durch die Zusammenziehung der Pyramidenmuskeln der Nase stark nach unten gezogen werden, was quere Furchen oder Falten quer über die Basis der Nase hervorruft, wird der Ausdruck der des mürrischen Wesens. Duchenne glaubt, daß die Zusammenziehung dieses Muskels ohne jedes Stirnrunzeln die Erscheinung der äußersten und aggressiven [211] Härte veranlaßt.[9] Ich zweifle aber sehr, ob dies ein wahrer oder natürlicher Ausdruck ist. Ich habe die Duchenne'sche Photographie eines jungen Mannes, bei welchem dieser Muskel mittelst des Galvanismus in starke Contraction versetzt worden war, elf Personen, darunter einigen Künstlern, gezeigt und keiner konnte sich eine Idee davon machen, was beabsichtigt wurde, ausgenommen ein Mädchen, welches ganz richtig antwortete: „mürrische Zurückhaltung.“ Als ich, wohl wissend was damit beabsichtigt war, zum ersten Male diese Photographie betrachtete, fügte meine Einbildungskraft wie ich glaube das, was noch nothwendig war, nämlich die Runzelung der Augenbrauen, hinzu; in Folge hievon schien mir dann der Ausdruck richtig und zwar äußerst mürrisch zu sein.
Ein fest geschlossener Mund gibt in Verbindung mit herabgezogenen und gerunzelten Augenbrauen dem Ausdrucke Entschiedenheit oder kann ihn auch zu dem der Halsstarrigkeit und Verdrießlichkeit machen. Woher es kommt, daß der fest geschlossene Mund dem Gesichte den Ausdruck der Entschiedenheit gibt, wird sofort erörtert werden. Ein Ausdruck mürrischer Hartnäckigkeit ist von meinen Correspondenten deutlich bei den Eingeborenen von sechs verschiedenen Gegenden Australiens erkannt worden. Dasselbe ist auch bei den Malayen, Chinesen, Kaffern, Abyssiniern und der Angabe des Dr. Rothrock zufolge in einem auffallenden Grade bei den wilden Indianern von Nord-America und nach Mr. D. Forbes bei den Aymaras von Bolivien erkannt worden. Ich habe ihn auch bei den Araucanern des südlichen Chile beobachtet. Mr. Dyson Lacy bemerkt, daß die Eingeborenen von Australien, wenn sie sich in diesem Seelenzustand befinden, zuweilen ihre Arme über die Brust kreuzen, eine Stellung, die man häufig bei uns sehen kann. Eine feste Entschiedenheit, zuweilen sich bis zur Hartnäckigkeit steigernd, wird auch zuweilen dadurch ausgedrückt, daß beide Schultern heraufgezogen werden; die Bedeutung dieser Geberde wird im folgenden Capitel erklärt werden.
Bei kleinen Kindern zeigt sich das Schmollen durch Hervorstrecken oder Verziehen des Mundes; wie es zuweilen genannt wird: „sie machen ein Schnäuzchen“.[10] Wenn die Mundwinkel stark herab [212] gedrückt werden, so wird die Unterlippe ein wenig umgewandt und vorgestreckt und dies wird gleichfalls „Verziehen des Mundes“ genannt. Aber das hier besprochene Mundverziehen besteht in einem Vorstrecken beider Lippen in einer röhrigen Form, zuweilen in einem solchen Grade, daß sie bis zur Nasenspitze reichen, wenn die Nase kurz ist. Das Verziehen des Mundes wird gewöhnlich von Stirnrunzeln, zuweilen von Äußerung eines Lautes, wie ,buh‘ oder ,wuh‘ begleitet. Diese Ausdrucksform ist deshalb merkwürdig, als sie, so weit mir bekannt ist, beinahe die einzige ist, welche viel deutlicher während der Kindheit als während des erwachsenen Alters dargeboten wird. Indessen ist eine gewisse Neigung zum Vorstrecken der Lippen unter dem Einflusse großer Wuth bei den Erwachsenen aller Rassen vorhanden. Manche Kinder strecken den Mund vor, wenn sie schüchtern sind, und dann kann man kaum sagen, daß sie schmollen.
Nach den Erkundigungen, welche ich bei mehreren großen Familien angestellt habe, scheint das Vorstrecken des Mundes bei europäischen Kindern nicht sehr allgemein zu sein; doch kommt es auf der ganzen Erde vor und muß bei den wilden Rassen sowohl allgemein als auch scharf ausgesprochen sein, da es die Aufmerksamkeit vieler Beobachter gefesselt hat. Es ist in acht verschiedenen Bezirken in Australien bemerkt worden, und einer der Herren, die mir Aufschlüsse verschafften, bemerkt, wie bedeutend dann die Lippen der Kinder vorgestreckt werden. Zwei Beobachter haben das Mundverziehen bei Kindern der Hindus gesehen, drei bei denen der Kaffern und Fingos in Süd-Africa und bei den Hottentotten, und zwei bei den Kindern der wilden Indianer von Nord-America. Verziehen des Mundes ist auch bei den Chinesen, Abyssiniern, Malayen von Malacca, den Dyaks von Borneo und häufig bei den Neu-Seeländern beobachtet worden. Mr. Mansel Weale theilt mir mit, daß er nicht bloß bei den Kindern der Kaffern, sondern auch bei den Erwachsenen beiderlei Geschlechts gesehen habe, wie sie, wenn sie mürrisch sind, ihre Lippen bedeutend vorstrecken, und Mr. Stack hat dasselbe in Neu-Seeland zuweilen bei den Männern und sehr häufig bei den Frauen beobachtet. Eine Spur derselben Ausdrucksform läßt sich gelegentlich selbst bei erwachsenen Europäern entdecken.
Wir sehen hieraus, daß das Vorstrecken der Lippen besonders bei kleinen Kindern über den größten Theil der Erde für das mürrische Schmollen characteristisch ist. Diese Bewegung ist dem Anscheine [213] nach ein Resultat davon, daß eine ursprüngliche Gewohnheit hauptsächlich während der Kindheit beibehalten worden ist oder daß gelegentlich zu ihr zurückgegriffen wird. Junge Orangs und Chimpansen strecken ihre Lippen bis zu einem außerordentlichen Grade vor, (wie in einem früheren Capitel beschrieben wurde), wenn sie unzufrieden, etwas erzürnt oder mürrisch sind, auch wenn sie überrascht, ein wenig erschreckt werden und selbst wenn sie in unbedeutendem Grade vergnügt werden. Der Mund wird hier wie es scheint zu dem Zwecke vorgestreckt, um die den verschiedenen Seelenzuständen eigenthümlichen Laute hervorzubringen; wie ich beim Chimpansen beobachtete, ist die Form des Mundes etwas verschieden, wenn der Ausruf des Vergnügens und wenn der des Zorns ausgestoßen wird. Sobald diese Thiere in Wuth gerathen, ändert sich die Form des Mundes vollständig und die Zähne werden dann gezeigt. Wenn der erwachsene Orang verwundet wird, so gibt er, wie man erzählt, „einen eigenthümlichen Schrei von sich, der zuerst aus hohen Tönen besteht, sich aber zuletzt in ein leises Brummen vertieft. Während er die hohen Töne ausstößt, streckt er seine Lippen trichterförmig vor, beim Brummen in den tiefen Tönen hält er seinen Mund weit offen“[11]. Beim Gorilla ist die Unterlippe, wie angegeben wird, großer Verlängerung fähig. Wenn dann nun unsere halbmenschlichen Urerzeuger ihre Lippen, wenn sie verdrießlich oder etwas erzürnt waren, in derselben Weise vorstreckten, wie es die jetzt lebenden menschenähnlichen Affen thun, so ist es keine anomale, aber doch merkwürdige Thatsache, daß unsere Kinder in ähnlichen Affecten eine Spur derselben Ausdrucksform und eine geringe Neigung, einen Laut auszustoßen, darbieten. Denn es ist bei Thieren durchaus nicht ungewöhnlich, daß sie Charactere, welche ursprünglich ihre erwachsenen Urerzeuger besaßen und welche noch immer von bestimmten Arten, ihren nächsten Verwandten, besessen werden, während der Jugend mehr oder weniger vollkommen beibehalten und später verlieren.
Es ist auch keine anomale Thatsache, daß die Kinder der Wilden eine stärkere Neigung zum Vorstrecken der Lippen, wenn sie mürrisch schmollen, darbieten, als die Kinder civilisirter Europäer; denn das [214] Wesen der Wildheit scheint in der Beibehaltung eines ursprünglichen Zustandes zu bestehen, und dies gilt gelegentlich sogar für körperliche Eigenthümlichkeiten.[12] Man könnte dieser Ansicht von dem Ursprunge des Mundverziehens den Umstand entgegenhalten, daß die menschenähnlichen Affen ihre Lippen auch dann vorstrecken, wenn sie erstaunt und selbst wenn sie etwas vergnügt gestimmt sind, während bei uns der Ausdruck allgemein auf einen mürrischen Seelenzustand beschränkt ist. Wir werden aber in einem späteren Capitel sehen, daß die Überraschung bei verschiedenen Menschenrassen zuweilen zu einem geringen Vorstrecken der Lippen führt, obschon großes Überraschen oder Erstaunen gewöhnlicher dadurch gezeigt wird, daß der Mund weit geöffnet wird. Ebenso ziehen wir ja, wenn wir lächeln oder lachen, unsere Mundwinkel zurück und haben daher jede Neigung die Lippe vorzustrecken, wenn wir vergnügt gestimmt sind, verloren, wenn wirklich unsere frühen Urerzeuger das Vergnügen in dieser Weise ausdrückten.
Eine kleine von schmollenden Kindern gemachte Geberde mag hier noch erwähnt werden, nämlich das Zucken oder das Erheben der einen Schulter. Dies hat wie ich glaube eine verschiedene Bedeutung von dem Hochhalten beider Schultern. Ein eigensinniges Kind, welches auf dem Knie seiner Mutter sitzt, hebt die ihr nähere Schulter empor, bewegt sie dann schnell weg, um gewissermaßen einer Liebkosung auszuweichen und stößt dann mit ihr rückwärts, als wollte es einen Beleidiger fortstoßen. Ich habe ein Kind in ziemlicher Entfernung von irgend jemand Anderem stehen und seine Empfindungen deutlich dadurch ausdrücken sehen, daß es die eine Schulter erhob, ihr dann eine geringe Bewegung nach rückwärts gab, und dann den ganzen Körper herumdrehte.
Bestimmtheit und Entschiedenheit. — Das feste Schließen des Mundes dient dazu, dem Gesicht einen Ausdruck der Entschiedenheit oder Bestimmtheit zu geben. Kein entschlossener Mensch hat wahrscheinlich jemals einen gewöhnlich weit offenstehenden Mund gehabt. Es wird daher auch eine kleine und schwache Unterkinnlade, welche anzudeuten scheint, daß der Mund nicht für gewöhnlich und [215] fest geschlossen wird, allgemein für ein characteristisches Zeichen einer Schwäche des Characters gehalten. Eine länger anhaltende Anstrengung, sei es des Körpers oder des Geistes, setzt einen vorhergehenden Entschluß voraus; und wenn gezeigt werden kann, daß der Mund vor und während einer bedeutenden und andauernden Anstrengung des Muskelsystems allgemein mit Festigkeit geschlossen wird, dann wird auch nach dem Princip der Association der Mund beinahe sicher geschlossen werden, sobald irgend ein entschiedener Entschluß gefasst wird. Nun haben mehrere Beobachter bemerkt, wie ein Mensch beim Beginn irgend einer heftigen Muskelanstrengung ausnahmslos zuerst seine Lungen mit Luft ausdehnt und sie dann durch kraftvolle Zusammenziehung seiner Brustmuskeln zusammendrückt; um dies aber zu bewirken, muß der Mund fest geschlossen werden.
Für diese Handlungsweise hat man verschiedene Ursachen angegeben. Sir Ch. Bell behauptet,[13] daß zu solchen Zeiten die Brust mit Luft ausgedehnt und im Zustande der Ausdehnung erhalten wird, um den am Brustkasten befestigten Muskeln einen festen Stützpunkt zu geben. Er bemerkt dann: wenn zwei Menschen auf Tod und Leben mit einander ringen, so herrscht ein fürchterliches Stillschweigen, welches nur durch das harte, halb erstickte Athmen unterbrochen wird. Es herrscht Schweigen, weil das Austreiben von Luft beim Ausstoßen irgend eines Lautes den Stützpunkt für die Muskeln der Arme erschlaffen würde. Wird ein Aufschrei gehört, — angenommen der Kampf fände im Dunkeln statt, — so wissen wir sofort, daß einer von beiden den Kampf verzweifelnd aufgegeben hat.
Gratiolet nimmt an,[14] daß, wenn ein Mensch mit einem andern bis aufs Äußerste zu kämpfen oder eine schwere Last zu unterstützen oder lange Zeit hindurch eine und dieselbe gezwungene Stellung beizubehalten hat, er nothwendigerweise zuerst tief einathmen und dann mit dem Athemholen aufhören müsse; er glaubt aber, daß Sir Ch. Bell's Erklärung irrig ist. Er behauptet, daß aufgehobene Respiration den Kreislauf des Blutes verlangsame, worüber, wie ich meine, kein Zweifel besteht; er führt auch einige merkwürdige Beweise aus dem Baue der niederen Thiere an, welche auf der einen Seite zeigen, [216] daß für eine länger andauernde Muskelanstrengung eine verlangsamte Circulation und auf der anderen Seite für schnelle Bewegungen eine beschleunigte Circulation nothwendig ist. Wir schließen dieser Ansicht zufolge, wenn wir irgend eine bedeutende Anstrengung beginnen, unsern Mund und unterbrechen das Athmen, um die Circulation des Blutes zu verlangsamen. Gratiolet faßt den Gegenstand mit den Worten zusammen: „C'est là la théorie de l'effort continu“; in wie weit aber diese Theorie von andern Physiologen angenommen wird, weiß ich nicht.
Dr. Piderit erklärt[15] das feste Schließen des Mundes während heftiger Anstrengung der Muskeln aus dem Princip, daß sich der Einfluß des Willens auch auf andere Muskeln ausbreitet als auf die, welche bei Ausführung irgend einer besonderen Anstrengung nothwendig in Thätigkeit gesetzt werden; und es sei natürlich, daß die Respirationsmuskeln und die des Mundes, welche so beständig gebraucht werden, ganz besonders leicht in dieser Weise beeinflußt werden. Mir scheint es wahrscheinlich, daß in dieser Ansicht wohl etwas Wahres liegt; denn wir pressen gern während heftiger Anstrengungen die Zähne aufeinander und dies ist so lange die Muskeln der Brust stark zusammengezogen sind nicht nothwendig, um die Exspiration zu verhindern.
Wenn endlich Jemand irgend eine delicate und schwierige Operation auszuführen hat, welche kein Aufbieten irgend bedeutender Kraft erfordert, so schließt er doch nichtsdestoweniger seinen Mund und hört eine Zeit lang zu athmen auf; er thut dies aber, damit die Bewegungen, seiner Brust nicht diejenigen seiner Arme stören sollen. Wenn z. B. eine Person versucht, eine Nadel einzufädeln, so kann man sehen, wie sie ihre Lippen zusammendrückt und entweder aufhört zu athmen oder so ruhig als möglich athmet. So war es auch, wie früher angegeben wurde, mit einem jungen und kranken Chimpanse, während er sich damit unterhielt, die Fliegen mit seinen Knöcheln zu tödten, wie sie an den Fensterscheiben auf- und niedersummten. Eine Handlung, wie geringfügig sie auch sein mag, wenn sie nur schwierig auszuführen ist, setzt einen gewissen Grad einer vorausgehenden entschlossenen Sammlung voraus.
Darin scheint nichts Unwahrscheinliches zu liegen, daß die eben [217] genannten Ursachen in verschiedenen Graden entweder verbunden oder einzeln bei verschiedenen Veranlassungen in's Spiel gekommen sind. Das Resultat wird eine sicher entwickelte, jetzt vielleicht vererbte Gewohnheit sein, beim Beginn oder während einer jeden heftigen und lange anhaltenden Anstrengung oder jeder delicaten Operation fest den Mund zu schließen. Durch das Princip der Association wird auch eine starke Neigung zu dieser selben Gewohnheit eintreten, sobald sich der Geist zu irgend einer besondern Handlung oder Art des Benehmens entschlossen hat, selbst ehe irgend eine körperliche Anstrengung aufgewendet wurde oder wenn gar keine solche nothwendig war. Das gewohnheitsgemäße und feste Schließen des Mundes würde danach dazu gekommen sein, Entschiedenheit des Characters zu zeigen; und Entschiedenheit geht leicht in Hartnäckigkeit über.
- ↑ Anatomy of Expression, p. 137, 139. Es ist nicht überraschend, daß sich die Augenbrauenrunzler beim Menschen viel stärker entwickelt haben, als bei den menschenähnlichen Affen; denn sie werden von ihm unter verschiedenen Umständen in beständige Thätigkeit versetzt und werden auch durch die vererbten Wirkungen des Gebrauchs gestärkt und modificirt worden sein. Wir haben gesehen, was für eine bedeutungsvolle Rolle sie in Verbindung mit den Kreismuskeln des Auges spielen, um die Augen vor dem Überfülltwerden mit Blut während heftiger exspiratorischer Bewegungen zu schützen. Wenn die Augen so schnell und so gewaltsam [203] wie möglich geschlossen werden, um sie vor einem Schlage zu retten, so ziehen sich die Augenbrauenrunzler zusammen. Bei Wilden oder andern Menschen, deren Kopf unbedeckt getragen wird, werden die Augenbrauen beständig gesenkt und zusammengezogen, um als ein Schirm gegen das zu starke Licht zu dienen; und dies wird zum Theil durch die Augenbrauenrunzler ausgeführt. Diese Bewegung würde dem Menschen noch specieller von Nutzen gewesen sein, wenn seine frühen Urerzeuger den Kopf aufrecht getragen hätten. Endlich glaubt Prof. Donders (Archives of Medicine, ed. by L. S. Beale, Vol. V, 1870, p. 34), daß die Augenbrauenrunzler in Thätigkeit gesetzt werden, um das Hervortreten des Augapfels bei der Accomodation des Sehens für die größte Nähe zu verursachen.
- ↑ Mécanisme de la Physionomie Humaine, Album, Legende III.
- ↑ Mimik und Physiognomik. S. 46.
- ↑ History of the Abipones. Engl. Übers. Vol. II, p. 59, citirt von Lubbock, Origin of Civilisation, 1870, p. 355.
- ↑ De la Physionomie, p. 15, 144, 146. Mr. Herbert Spencer erklärt das Stirnrunzeln ausschließlich durch die Gewohnheit, die Augenbrauen zur Bildung eines Schirms für die Augen in einem hellen Lichte zusammenzuziehen, s. Principles of Psychology, 2. edit., 1872, p. 546.
- ↑ Gratiolet bemerkt (De la Physionomie, p. 35); „Quand l'attention est fixée sur quelque image intérieure, l'oeil regarde dans le vide et s'associe automatiquement à la contemplation de l'esprit.“ Diese Ansicht verdient aber kaum eine Erklärung genannt zu werden.
- ↑ Miles Gloriosus, Act. II. Sc. 2.
- ↑ Die Originalphotographie des Herrn Kindermann ist viel ausdrucksvoller als diese Copie, da sie die Runzelung an den Augenbrauen viel deutlicher zeigt.
- ↑ Mécanisme de la Physionomie Humaine, Album, Legende IV, Fig. 16—18.
- ↑ [Das provincielle „einen Flunsch machen“ entspricht dem englischen „to pout“ am meisten. C.] Hensleigh Wedgwood, On the Origin of Language, 1866, p. 78.
- ↑ Sal. Müller, citirt von Huxley, Zeugnisse für die Stellung des Menschen, S. 44 (Übersetzung).
- ↑ Ich habe mehrere Beispiele hievon in meiner „Abstammung des Menschen“, Bd. 1, Cap. 4 gegeben.
- ↑ Anatomy of Expression, p. 190.
- ↑ De la Physionomie, p. 118—121.
- ↑ Mimik und Physiognomik, S. 79.
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