nach ein Resultat davon, daß eine ursprüngliche Gewohnheit hauptsächlich während der Kindheit beibehalten worden ist oder daß gelegentlich zu ihr zurückgegriffen wird. Junge Orangs und Chimpansen strecken ihre Lippen bis zu einem außerordentlichen Grade vor, (wie in einem früheren Capitel beschrieben wurde), wenn sie unzufrieden, etwas erzürnt oder mürrisch sind, auch wenn sie überrascht, ein wenig erschreckt werden und selbst wenn sie in unbedeutendem Grade vergnügt werden. Der Mund wird hier wie es scheint zu dem Zwecke vorgestreckt, um die den verschiedenen Seelenzuständen eigenthümlichen Laute hervorzubringen; wie ich beim Chimpansen beobachtete, ist die Form des Mundes etwas verschieden, wenn der Ausruf des Vergnügens und wenn der des Zorns ausgestoßen wird. Sobald diese Thiere in Wuth gerathen, ändert sich die Form des Mundes vollständig und die Zähne werden dann gezeigt. Wenn der erwachsene Orang verwundet wird, so gibt er, wie man erzählt, „einen eigenthümlichen Schrei von sich, der zuerst aus hohen Tönen besteht, sich aber zuletzt in ein leises Brummen vertieft. Während er die hohen Töne ausstößt, streckt er seine Lippen trichterförmig vor, beim Brummen in den tiefen Tönen hält er seinen Mund weit offen“[1]. Beim Gorilla ist die Unterlippe, wie angegeben wird, großer Verlängerung fähig. Wenn dann nun unsere halbmenschlichen Urerzeuger ihre Lippen, wenn sie verdrießlich oder etwas erzürnt waren, in derselben Weise vorstreckten, wie es die jetzt lebenden menschenähnlichen Affen thun, so ist es keine anomale, aber doch merkwürdige Thatsache, daß unsere Kinder in ähnlichen Affecten eine Spur derselben Ausdrucksform und eine geringe Neigung, einen Laut auszustoßen, darbieten. Denn es ist bei Thieren durchaus nicht ungewöhnlich, daß sie Charactere, welche ursprünglich ihre erwachsenen Urerzeuger besaßen und welche noch immer von bestimmten Arten, ihren nächsten Verwandten, besessen werden, während der Jugend mehr oder weniger vollkommen beibehalten und später verlieren.
Es ist auch keine anomale Thatsache, daß die Kinder der Wilden eine stärkere Neigung zum Vorstrecken der Lippen, wenn sie mürrisch schmollen, darbieten, als die Kinder civilisirter Europäer; denn das
- ↑ Sal. Müller, citirt von Huxley, Zeugnisse für die Stellung des Menschen, S. 44 (Übersetzung).
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/225&oldid=- (Version vom 31.7.2018)