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Das große neue Wasserwerk für London

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Titel: Das große neue Wasserwerk für London
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 368
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[368] Das große neue Wasserwerk für London. Kein Land der Welt kann sich so großartiger und nützlicher Unternehmungen rühmen, wie England. Während bei uns noch so viele Geld- und Geisteskräfte durch politische Unruhen und Conflicte verbraucht werden, richtet England seine reichen Capitalien und Geisteskräfte ungehindert und frei auf Vervollkommnung socialer und gesundheitlicher, der Verkehrs- und Handelsverhältnisse. So liegt jetzt einer der großartigsten Pläne zur Versorgung Londons mit gutem und reinem Wasser vor. Es gilt nichts Geringeres, als einen Aquäduct von mehr als einhundert und siebenzig Meilen Länge, der sich von den Hügeln von Wales, Plinlimmon und Cader Idris bis vor London erstrecken soll. Jene Hügel liefern das Wasser zum Severn und zwei kleineren Flüssen, die für London in Anspruch genommen werden sollen. Die Terrainverhältnisse und das Wasser selbst sind ungemein günstig; letzteres ist als Gebirgswasser ungemein weich und rein und fließt in solcher Fülle, daß London täglich mit zweihundert Millionen Gallonen versorgt werden kann. Da die Hügel mit diesen Flüssen vierhundert und fünfzig Fuß über dem Hochwasser der Themse liegen, geben sie Gelegenheit, das Wasser in natürlichem Gefälle heranzuleiten. Es soll zunächst durch zwei Aquäducte je zwanzig Meilen lang in zwei Reservoirs geleitet werden; diese sollen dann vermittels zusammenlaufender Aquäducte vor acht Städten vorbei im Nordwesten Londons große Dienst-Reservoirs füllen. Von diesen aus werden zehn Meilen lange Röhren in die schon liegenden Röhren der jetzigen Wasser-Compagnien führen, von wo aus dann alle Theile Londons durch natürlichen Hochdruck ohne Pumpwerke mit dem besseren und gesünderen Wasser versorgt werden sollen. Die Kosten des ganzen Werkes sind auf siebenzig Millionen Thaler veranschlagt worden, für die Ausführung glaubt man sieben Jahre zu brauchen. Die Kosten erscheinen groß und werden wahrscheinlich noch überschritten werden; aber wenn der Nutzen an Gesundheit und sonstige Vortheile berechnet werden, wie man das nur in England versteht, wird auch dieses große Capital sich reichlich verzinsen.

So hat man bereits berechnet, daß dies neue Wasser wegen seiner Weichheit eine jährliche Ersparniß von mindestens zwei und einer halben Million Thaler verursachen werde und zwar hauptsächlich allein an Seife. Dies erklärt sich durch die von Rawlinson ermittelte Thatsache, die er selbst im Wesentlichen so mittheilt: „Wasser bis zu sechs Grad Härte ist weiches Wasser, darüber hinaus hartes Wasser. Die Härte fängt mit einem Gran doppelkohlensaurem oder Schwefelkalk in jeder Gallone Wasser an. Jeder Grad der Härte zerstört fünf Loth Seife in je hundert Gallonen Wasser, das zum Waschen gebraucht wird. Weiches Wasser ist daher ökonomisch werthvoller als hartes, und zwar in dem Verhältniß von zehn Loth Seife für je hundert Gallonen Wasser und für jeden Grad der Härte; d. h. also im Allgemeinen, je mehr Kalktheile das Wasser enthält, desto mehr Seife ist nöthig, um diese zu binden und zu fällen. Erst wenn die Seife dies gethan hat, übt sie ihre reinigende Kraft auf die Wäsche aus. Außerdem ist weiches Wasser aber auch viel gesünder, abgesehen davon, daß das Gebirgswasser, welches London versorgen soll, weit reiner ist, als alle Quellen, aus denen London bis jetzt getränkt wird. Endlich ist es bekannt, daß weiches Wasser nicht nur beim Waschen, sondern auch beim Kochen, namentlich bei der Zubereitung von Thee und Kaffee und von Hülsenfrüchten, sowie ganz besonders bei Verwandelung in Dampf große Ersparnisse verursacht.

Der Schöpfer dieses großen Planes, London mit Wasser zu versorgen, heißt J. F. Bateman, welcher schon Glasgow durch ein großartiges Bauwerk mit reinem und gutem Wasser versorgt hat.

Da man in London vor den größten Kosten und Hindernissen nicht zurückschreckt, wenn es öffentliches Wohl und das große Gut der Gesundheit gilt, läßt sich erwarten, daß es auch mit frischer Kraft und seinem bekannten Unternehmungsgeiste an Ausführung dieses Rieseswerkes gehen werde. Die großen Städte Deutschlands, welche zum Theil an viel schlechterem Wasser und geradezu vergifteten Brunnen leiden, können sich leider nicht einmal kleiner Unternehmungen gegen dieses zunehmende Uebel rühmen, so daß noch mancher sogenannte Labetrunk Tod und Verderben mit sich bringen wird.