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Franz Deák (Die Gartenlaube 1866/23)

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Franz Deák
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 367–368
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[367] Franz Deák. Unter den Führern der magyarischen Bewegung ist im Auslande kaum ein Name mehr genannt und mehr bekannt, als der des Leiters der gemäßigt liberalen Partei, Franz Deák; daher wird es sicher unsern Lesern interessant sein, über Persönlichkeit und Leben des unermüdlichen Patrioten aus einer mit den ungarischen Verhältnissen sehr vertrauten Feder im Nachstehenden einige Einzelheiten zu erfahren, die zur Charakteristik des bedeutenden Mannes beitragen.

Es kann nicht unsere Absicht sein, uns in eine Auseinandersetzung der politischen Verdienste Deák’s einzulassen; dies würde zu weit führen, liegt außerhalb der Tendenz dieser Blätter und ist überdies in den zahlreichen politischen Zeitschriften ausführlich zu finden. Nur dies sei uns erlaubt zu bemerken, daß diejenigen, welche ihn für einen Agitator halten, im Irrthume sind; Deák ist nichts weniger als dies. Er ist ein seinem Volke und Vaterlande innigst ergebener, weiser Politiker, der zu warten, der Einiges zu opfern versteht, um das Wichtigere zu retten und zu bewahren, wie der Steuermann oft kostbaren Ballast über Bord wirft, um das Schiff in den schützenden Hafen führen zu können. Er ist ganz eigentlich der Mann des Friedens; nichts desto weniger ist er in der Nationalitätsfrage durch und durch Magyare, der die Einheit und damit die Kraft und das Glück seines Vaterlandes in dessen möglichst ausgedehnter Magyarisirung sucht, gleichwohl aber ein entschiedener Gegner jeder andere Nationalitäten aufregenden Vergewaltigung ist.

Allein selbst gänzlich abgesehen von der hervorragendsten seiner Begabungen – von seinen eminenten politischen Fähigkeiten – bleibt noch so viel des Erwähnenswerthen an diesem merkwürdigen Manne, daß man kaum weiß, wo anzufangen, wo zu enden ist! Sein Glaubensbekenntniß ist in seinen unvergeßlichen, nie genug zu wiederholenden Worten enthalten: „Um frei zu sein, müssen wir zuerst gerecht sein! Wir fordern Gerechtigkeit von oben, wohlan, laßt sie uns zuerst nach unten üben!“ Demgemäß ist er bei jeder Gelegenheit der eifrige Vertreter der untern Volksclassen, für welche er sein unglaubliches Rednertalent freudig in die Wagschale legt. Dieses Talent ist aber so großartig, daß wir nicht anstehen zu behaupten, Deák sei einer der ersten Redner, nicht nur seines Vaterlandes, sondern der Welt. Was seine Reden charakterisirt, ist nicht jene mit Blitzesschnelle ergreifende, zauberhaft anziehende, glänzende, blumenreich dichterische Sprache, nicht jene glühende und sprühende Beredsamkeit, mit welcher Kossuth seine Erfolge erzielte, sondern eine sonnenklare, scharfe, fehlerlose Logik, ein ruhiger, fester, tiefer Ideengang und eine wohlthuende innere Wärme, welche sich über die ihrer Natur nach kältesten und trockensten Fragen ergießt. Bei ihm ist eben der kühl erwägende Verstand mit dem wärmsten, tiefstfühlenden Gemüthe gepaart, und davon trägt auch sein Aeußeres das deutlichste Gepräge. Niemand kann in dieses wohl und gesund aussehende, regelmäßige Gesicht mit den strahlend schönen, lebhaften Augen, der hohen Stirn, den heitern ruhigen Zügen blicken, ohne von der Reinheit dieser Seele überzeugt zu sein und sich unwiderstehlich zu dem Träger desselben hingezogen zu fühlen. Seine [368] Gestalt ist etwas über Mittelgröße und fängt an sich der Corpulenz zu nähern. Wie richtig Deák von seinen Landsleuten erkannt und gewürdigt wird, zeigte sich unwiderleglich, als bei einem Gastgebote einer der Koryphäen des Tages sich, das Glas in der Hand, erhob und, im Begriffe einen der von den Ungarn so sehr geliebten, endlosen Toaste auszubringen, mit den Worten anhob: „Ich bringe dies Glas auf die Gesundheit und das lange glückliche Leben des ehrenhaftesten, gerechtesten, weisesten unter den Magyaren, des Mannes, auf den das ganze Land voll Liebe, Vertrauen und Hoffnung emporblickt“ –, „Genug, genug! Wir wissen wer gemeint ist! Das kann nur Deák sein!“ ward er einstimmig unterbrochen, und „Eljen Deák Ferencz!“ brauste es einem Orcane gleich durch den Saal, daß die Fenster zitterten.

Daß ein solcher Mann nicht unbeobachtet durch das Leben schreitet, ist begreiflich; allein jedes gekrönte Haupt könnte sich höchlich befriedigt fühlen mit den ehrerbietigen und doch gar herzlichen Huldigungen, welche der bescheidene Mann des Volkes in so reichlichem Maße erhält. Zeigt er sich auf einem öffentlichen Spaziergange, so macht sein Erscheinen Epoche. Die vornehmsten Damen verlassen ihre Kutschen, eilen auf ihn zu und fühlen sich beglückt und in ihren eigenen Augen erhoben, dem „Deák bácsi“ die Hand drücken zu können. An dem Tage, als er seine berühmte Adreßrede hielt und Nachmittags im Stadtwäldchen, Pests reizendstem Spaziergange, erschien, verbreitete sich die Kunde von seiner Anwesenheit mit Blitzesschnelle unter den Lustwandelnden. Frauen und Mädchen der höchsten Aristokratie umringten ihn, alle wollten ihm die Hand schütteln, alle dankten dem verehrten Manne, viele vergossen Thränen der Rührung; und als der anspruchlose Patriot einen schlichten Omnibus bestieg, um nach Hause zu fahren, füllte sich derselbe im Nu mit den vornehmsten Damen, welche sich zu der Ehre drängten, in Gesellschaft des Gefeierten zur Stadt zurückzufahren. Eine noblere Fracht hat wohl selten ein Omnibus gehabt! Deák lebt und wird noch lange nach seinem Tode leben im Munde des Volkes; denn, wie um König Matthias und Kaiser Joseph den Zweiten, hat sich auch um ihn ein eigener Anekdotenkreis gebildet.

Er aber bleibt sich gleich! Einfach, ein zweiter Cincinnatus, lebt er auf seinem Gütchen im Zalaer Comitate, dem einzigen, welches er sich vorbehielt, als er seine übrigen Güter an seinen Bruder abtrat, der ihm dafür eine Leibrente zahlt. Sobald das Vaterland seiner bedarf, verläßt er seine geliebte ländliche Einsamkeit und eilt nach Pest, wo er in einem der ersten Hotels seine bleibende Wohnung hat, die dem Andrang der Besuchenden, der Rath- und Hülfesuchenden häufig zu klein wird. Er hört Jeden freundlich an, geht voll herzlicher Theilnahme in die Angelegenheit jedes Einzelnen ein, hat Rath, Trost und thätige Hülfe für Jeden, denn sein Wohlthätigkeitstrieb ist so stark, daß er durch denselben manchesmal über die vernünftig gesetzte Grenze gerissen, ja, bis zur Erschöpfung seiner nicht allzubedeutenden Mittel bewogen wird. In solchen ihn jedesmal lebhaft betrübenden Fällen, wo seine eigenen Kräfte zur Hebung einer großen Noth nicht ausreichen, nimmt er anstandslos seine Zuflucht zu den Börsen seiner bemittelten Freunde. So z. B. verdanken ihm die Kinder des vor einigen Jahren arm verstorbenen Dichters Vörösmarty, Sängers des in Ungarn allbekannten und allbeliebten „Szozat“, deren Vormundschaft er willig übernahm, ein Vermögen von über 100,000 Gulden, welches er durch Subscription für sie zusammenbrachte. In eigenthümlicher Weise aber ist er erfinderisch, Hülfsquellen für wohlthätige Zwecke zu eröffnen. Da mit seinen Bildnissen und Photographien ein begreiflicher Cultus getrieben wird, indem Jeder das Portrait des allgemein verehrten Mannes besitzen will und es auch thatsächlich in der ärmsten Hütte, wie im fürstlichen Palaste zu finden ist, so ist Deák den Bitten und Zumuthungen der Photographen und bildenden Künstler in oft belästigender Weise ausgesetzt. Doch giebt er sich willig zu allen diesen zahllosen Abconterfeiungen her unter der Bedingung, daß gewisse Procente des dadurch erzielten Reinertrages dem Blinden- und dem Waiseninstitute zufallen, worüber die Pester Stadtbehörde die Controle hat. Durch diese Verfügung sind den genannten beiden Wohlthätigkeitsanstalten bereits sehr erhebliche Summen zugegangen.

Ja, „Az ország nagyja!“ so grüßte ihn im vorigen Jahre der Kaiser bei einer zufälligen Begegnung im Stadtwäldchen – „der Große des Landes (Ungarn)“, und gewiß ziemt dies Prädicat dem Manne, dessen Treue, Redlichkeit, unerschütterliche, aber gleichwohl weise Vaterlandsliebe nicht, wie die Mächtigen der Erde pflegen, mit Gold, Rang und Würden belohnt werden kann. Die Bürgerkrone allein wäre die passende Zier für diese greise Stirn!