Das Burgfräulein von Windeck (Chamisso)
Halt an den schnaubenden Rappen,
Verblendeter Rittersmann!
Gen Windeck fleucht, dich verlockend,
Der luftige Hirsch hinan.
Vom äußern verfallenen Thor,
Durchschweifte sein Auge die Trümmer,
Worunter das Wild sich verlor,
Da war es so einsam und stille,
Er trocknete tiefaufathmend
Von seiner Stirne den Schweiß.
„Ach, würde des köstlichen Weines
Mir nur ein Trinkhorn voll,
Verborgen noch hegen soll!“
Kaum waren die Worte beflügelt
Von seinen Lippen geflohn,
So bog um die Epheumauer
Die zarte, die herrliche Jungfrau,
In blendend weißem Gewand,
Den Schlüsselbund im Gürtel,
Das Trinkhorn hoch in der Hand.
Den würzig köstlichen Wein,
Er schlürfte verzehrende Flammen
In seinen Busen hinein.
Des Auges klare Tiefe!
Es falteten seine Hände
Sich flehend um Minnesold.
Sie sah ihn an mitleidig
Und ernst und wunderbar,
Wie schnell sie erschienen war.
Er hat seit dieser Stunde,
An Windecks Trümmern[1] gebannt,
Nicht Ruh noch Rast gefunden,
Er schlich im wachen Traume,
Gespenstig, siech und bleich.
Zu sterben nicht vermögend
Und keinem Lebendigen gleich.
Erschienen nach langer Zeit,
Und hab’ ihn geküßt auf die Lippen,
Und so ihn vom Leben befreit.