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Christliche Symbolik/Blind

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Blind.

Die ganze Menschheit war geistig blind, oder in tiefer Nacht befangen, ehe ihr die Sonne Christus aufging. Deshalb ist die Wintersonnwende, die jährlich die Geburt des neuen Lichts in der dunkelsten Winternacht erneuert, ein Sinnbild der Erleuchtung der alten Welt durch das Christenthum. Christus heilt die ganze Menschheit von der alten Blindheit. Daher ist der Tag des Apostels Thomas der kürzeste im Jahre (21. Dezember), und gilt dieser Apostel als der, welcher, dem Heiland am nächsten stehend, gleichwohl am längsten an seiner Mission zweifelte, weshalb Christus die tief bedeutsamen Worte zu ihm sprach: „Selig, die da nicht sehen und dennoch glauben.“ Joh. 20, 29. Derselben Symbolik gehört die Feier der heiligen Lucia (13. Dezember) an, die freiwillig ihre Augen ausriss, um derentwillen sie von ihrem Liebhaber verfolgt worden war, und leibliche Blindheit wählte, um geistig desto heller zu sehen. „Die Blinden werden sehen, wie die Sehenden nicht sehen.“ Jesaias 29, 18. „Wäret ihr blind, hättet ihr keine Sünde, da ihr aber sprecht: wir sehen! [136] bleibt eure Sünde.“ Joh. 9, 41. In diesem Sinne ist auch zu verstehen, dass kein Blinder den Andern führen kann, es fallen denn beide in die Grube, Matth. 15, 14. Nur Einer heilt von Blindheit, von dem schon der alte Prophet sagt: „Ich will die Blinden führen.“ Jesaias 42, 16.

Die Blindheit wird auch speziell vom Judenthum verstanden. In alten christlichen Bildern, besonders Miniaturen, kehrt oft ein Weib wieder, welches blind ist oder die Augen verbunden hat, und dessen Stab, Lanze oder Scepter zerbrochen ist. Das stellt die Synagoge oder das Judenthum vor im Gegensatz gegen die triumphirende christliche Kirche. Vgl. Waagen, Paris 345. Herrad von Landsberg von Engelhardt S. 40. Die Blindheit ist aber in viel weiterem Sinne auch Sinnbild des ganzen Erdenlebens, denn das wahre Schauen wird uns erst im Himmel beschieden. Daher die Heilung des Blinden durch Christus eine häufig sich wiederholende Darstellung auf den altchristlichen Gräbern in den Katakomben.

Die Blinden, welche Christus heilt, sind nur Vorbild der geistig Blinden, denen er das Licht gebracht. Die heilige Ottilie war von Geburt an blind, wurde aber sehend durch die Taufe, und das geistige Licht gab ihr zugleich das leibliche. St. Quintinus, Bekehrer von Amiens, wurde daselbst im Jahre 302 als Martyrer enthauptet. Fünfundfünfzig Jahre später wurden seine in der Somme unverwest erhaltenen Gebeine der blinden Eusebia von einem Engel gezeigt, die durch ihren Anblick wieder sehend wurde. Also fand eine Blinde, was kein Sehender bemerkt. Sigeb. Gembl. ad annum 964, 31. Okt. – Ein böhmisches Mädchen, blind und ohne Hände, wiegte unwissend das Christkind, das ihr die heilige Jungfrau brachte, wurde dadurch sehend und bekam auch die Hände wieder. Ida von Düringsfeld, böhmische Rosen S. 187. – Dass Blinde durch Heilige oder durch Berührung ihrer Reliquien geheilt werden, wiederholt sich unzähligemal.

Oft wählen Heilige eine freiwillige äussere Blindheit, weil sie zufrieden sind mit dem innern Geisteslichte. Die [137] heilige Lucia ist Patronin der Blinden, wie schon gesagt ist. Die heilige Taria war blind, wurde von der heiligen Brigitta sehend gemacht, bat aber, wieder blind werden zu dürfen, um die Sünden der Welt nicht zu sehen, und Brigitta erfüllte ihre Bitte. Surius zum 1. Februar. St. Aquilinus war Bischof von Evreux und so demüthig, dass er, um sich nie durch einen Blick zu versündigen, Gott bat, ihn lieber blind zu machen. Er wurde nun wirklich blind, hielt aber die herrlichsten Predigten, besser, als ob er sie hätte aufschreiben und studiren können. Er wird am 20. Oktober verehrt. – St. Lukas Casalius, ein sicilianischer Abt des 8ten Jahrhunderts, war blind. Seine Mönche führten ihn einst in eine Felskluft und machten ihm weiss, er stünde vor einer zahlreichen Gemeinde. Er predigte nun, aber als er fertig war, riefen alle Steine umher: Amen. Da fielen die Mönche erschrocken ihm zu Füssen und flehten ihn um Vergebung. 2. März. Dasselbe wird vom heiligen Beda von Rovigo berichtet, zum 10. April. – St. Sabinus, ein frommer Bischof, war vor Alter blind geworden, als sein Archidiakon ihn vergiften lassen wollte, um selber Bischof zu werden. Aber der Blinde segnete den Kelch und trank ohne Schaden, während in demselben Augenblicke der weit entfernte Archidiakon alle Wirkungen des Giftes fühlte und starb. S. Gregorii dialog. III. 5. Die selige Jungfrau Margarita von Ravenna war blind, fand aber den Weg in die Kirche immer ohne Führer, und obgleich sie selber nichts sah, strahlte doch ihr Antlitz Andern wie von Licht. Sie starb am 23. Januar 1505. Die blinden Nonnen Luitgarde und Sibylla zu Pavia wurden jene vom Heiland, diese vom Christkind besucht. Steill, Ephemeriden, zum 19. März. In Turin ist ein wunderthätiges Muttergottesbild, das kein Sehender bemerkt hatte, von einem Blinden gefunden worden. Gumppenberg, mar. Atlas I. 120.

Blindheit als Strafe: Der Zauberer Elymas, Apostelg. 13. Saul, der drei Tage lang geblendet bleibt, ehe er als Paulus unter die Apostel tritt. Theodokles, der erblindet, als er heilige [138] Gegenstände auf der Schaubühne profanirte. Gfrörer, Kirchengeschichte I. 244. Franciscus de Grotti, der als Spieler einmal seine eignen Augen einsetzte und verlor, sogleich erblindete, aber durch Bekehrung wieder sehend und ein Heiliger wurde. Asklepiades, römischer Präfekt unter Antonin, liess die christliche Jungfrau Veneranda, weil sie den Glauben nicht abschwören wollte, in Pech sieden. Da spritzte ihm selbst ein Tröpflein in’s Auge und er erblindete unter den furchtbarsten Schmerzen. Die Heilige aber erbarmte sich seiner, betete und heilte ihn. Silbert, Legenden I. 130. St. Andromarus bewirkte, dass ein Meineidiger, den man auf sein Grab führte, sogleich blind wurde und in drei Tagen starb. So soll es Allen ergehen, die einen falschen Eid geschworen und die man daher zur Probe auf sein Grab führt. Paulli, Schimpf und Ernst Nr. 460. Zum Heiligenberg am Bodensee brachte Emericus Geschenke der heiligen Helena, ein Stück des heiligen Kreuzes und andere Reliquien von Jesu Tode. Eine fromme Frau, die heilige Clareta, aus jener Gegend pilgerte nach Rom, da sagte ihr der Papst, es thäte eher Noth, dass er zum Heiligenberg pilgere. So wurde offenbar, welche Gnadenschätze der Berg besitze, und alles Volk wallfahrtete dahin und brachte reiche Opfer. Amelang und Gilg, zwei mächtige Herren in der Nähe, beneideten den Berg und wollten seine Schätze plündern. Als sie aber heranzogen, wurden sie blind allesammt und nur durch Bekehrung von Seite der heiligen Clareta gerettet. Lirers Chronik, 14. – Bonifacius, Apostel der Russen, angeblich ein Verwandter Kaiser Otto’s III., ging nach Russland, um die Wilden daselbst zu bekehren, wurde aber von des Königs Bruder ergriffen und sollte hingerichtet werden. Da erblindete das ganze Volk und wurde nicht eher wieder sehend, als bis Alle gelobt hatten, sich taufen zu lassen. Das soll im Jahre 1008 geschehen seyn, in welchem aber Russland schon von Constantinopel aus bekehrt war. Die Kirche gedenkt seiner am 19. Juni. Als die heilige Epistene nackt gemartert wurde, erblindeten 53 Menschen, welche [139] zusahen. Surius zum 5. November. Als die Normannen die Abtei des heiligen Omer in den Niederlanden belagerten, machte er sie alle durch sein Gebet blind. Berkenmeyer, kur. Antiquit. I. 228. Zu Heiligenbrunn in Preussen wollte ein roher Gesell nicht glauben, dass die heilige Quelle daselbst Blinde heile, und liess zum Spass sein blindes Ross daraus saufen. Da wurde das Ross sehend, er aber blind. Die Quelle selbst verlor seitdem ihre Kraft. Karl, Danziger Sagen II. 9. Noch viel dergleichen Beispiele s. in den Registern zu den Actis SS. unter der Rubrik coecus und coecitas.

Ein angesehener, aber sehr lüderlicher Mann wurde durch die Syphilis blind und war in Verzweiflung, bis ihm einmal träumte, eine Buhldirne hänge sich in seine Arme, und um sie los zu werden, stelle er sich blind, und sogleich fühlte er sich wieder frei von ihr und daheim. Da erkannte er, die Dirne bedeute die Sünde dieser Welt, von der er durch seine Blindheit frei werden solle, und von Stund an ertrug er sein Unglück mit Demuth und Freude. Magikon von J. Kerner I. 93.

In einer modernen Legende von Herder kommen drei Blinde zu einem Heiligen und bitten um Hülfe. Der Eine ist blind geworden, weil er immer in die Sonne gesehen hat, um zu prüfen, ob sein Auge den steten Glanz ertrüge. Der Andere, weil er aus seinen Augen die Lichtkraft selbst hat herauspressen wollen. Der Dritte, weil ihm ein Todter, den er hatte berauben wollen, die Augen eingedrückt hatte. Der Heilige erlöst jene Beiden, dieser Dritte aber soll ewig blind bleiben. Die Anwendung auf die Kirchenparteien und Bibelkritiken liegt nahe.