Das Goldschiffchen in der Kirche zu Ebersdorf (Ziehnert)
Das Goldschiffchen in der Kirche
zu
Ebersdorf.
[82] In der Kirche zu Ebersdorf bei Chemnitz hängt ein etwa 1 Elle langes Schiffchen von Holz, welches ehemals mit Gold gefüllt war. Das Gold, so wie alle andere Kapitalien, welche sich das Stift Ebersdorf, durch sein im 14. und 15. Jahrhundert sehr berühmtes und besuchtes Marienbild erworben, hat die Lichtewalder Gutsherrschaft an sich genommen, dagegen aber sich zu allen Baulichkeiten der Kirche zu Ebersdorf, so wie, sollte sie abbrennen, zu deren Wiederaufbau aus eignen Mitteln, ohne Zuthun der Gemeinde und des Kirchenärars, verpflichtet. Die Zeit nachstehender Begebenheit ist nicht zu bestimmen, vielleicht schon das 14. Jahrhundert.
Wohl gräßlich ist des Feuers Wuth,
doch rettet aus ihr schnelle Flucht;
weh aber, wenn des Meeres Fluth
im Aufruhr ihre Opfer sucht!
und giebt zum Entrinnen nicht Raum noch Zeit. –
Das große, weite Mittelmeer
durchfurcht ein Schiff mit schnellem Kiel,
vom heil’gen Lande kommt es her,
Wie schwellen die Segel vom Morgenwind,
wie rühren die Ruder sich so geschwind!
Die welsche Mannschaft freute sich,
daß ihre Fahrt so glücklich wär’,
voll bangem Ernst am Bord umher,
und sprach zu den Leuten: „Seid rüstig und wacht,
hart wird es hergehen in kommender Nacht!“
Kaum sinkt der Abend auf das Meer,
und graue Wolken, regenschwer,
umzieh’n des Himmels reines Blau,
und umlagern das Schiff wie ein drohender Wall,
als wollten sie’s fangen, all überall.
und flattern ängstlich um den Mast,
dumpf rauscht die Fluth, und fürchterlich
entladet sich der Wolken Last.
Die Blitze zerreißen den Mantel der Nacht,
Heisch durch des Wetters Toben dringt
des Hauptmanns ängstliches Gebot,
wie rafft die Mannschaft sich, wie springt,
wie müht’ sich Jeder in der Noth!
als verschmäht’ es der Himmel, der Schiffer Gebet.
Todtbleich auf dem Verdecke stand,
gleich einer geistischen Gestalt,
ein Rittersmann aus Sachsenland,
Er kehrte vom heiligen Lande zurück,
durch Narben gewürdigt für’s schönste Glück.
Er hatt’ ein Lieb im Vaterland,
ein Fräulein, wunderhold und schön,
von ihrem Vater nicht erflehn;
er solle, sprach dieser, zuvor noch zwei Jahr
sich rühmlich erproben in Kampf und Gefahr.
Der Junker, seinem Liebchen treu,
und als das zweite Jahr vorbei,
und er bestanden manchen Straus,
da schifft’ er zur Rückkehr in Joppe sich ein,
ach Jammer! ein Opfer der Wogen zu sein.
Wie flog im Sturm so wild sein Haar,
wie furchte seine Stirn der Schreck,
wie schlug sein Herz in der Gefahr!
Er schaute voll Angst in den Kampf der Natur,
Und wilder wird des Sturmes Wuth,
er wirft das Schiff hinauf hinab,
und wühlet Schlünde in die Fluth,
als grüb’ er rastlos Grab an Grab;
verzweiflungsvoll blicken die Schiffer darein.
Der Ritter rang die Händ’, und rief:
„So soll ich sie nicht wiederseh’n?
Nicht wiederseh’n – und muß ich tief
Gott, Herrscher im Himmel, das Meer ist ja dein!
Gebiete den Fluthen! Erbarme dich mein!“
Und schonungsloser tost die Fluth,
das Schiff fliegt wie ein Federball,
hinauf hinab im Wogenschwall.
Der Sturm macht die Mühe der Schiffer zum Spott;
sie befehlen müssig die Seele zu Gott.
Der Ritter stürzt auf seine Knie:
in Ebersdorf oft mich und sie
mit freud’ger Zuversicht erfüllt!
Wir lagen andächtig vor deinem Altar:
ach, hilf mir, ach, rette mich aus der Gefahr!“
und wird in Hoffnung glücklich seyn,
und ha, indeß bricht fürchterlich
des Schicksals Zorn auf mich herein.
O heil’ge Maria, erbarme dich mein!
„Ein Schiffchen, voll mit Gold gefüllt,
gelob’ ich dir daheim zu weih’n,
und wüßt’ ich, was dir theuer gilt,
es sollte dir zu Eigen seyn.
und führ’ mich zu meiner Verlobten zurück!“
Der Ritter ruft’s so inniglich,
sein Auge glänzet thränenfeucht –
und sieh, die Wolken klären sich,
und in den gelüfteten Wolken erglänzt
die Scheibe des Mondes, mit Sternen umkränzt.
Wie weht so sanft der Morgenwind,
wie freuen sich die Schiffer sehr,
und sicher durch das glatte Meer!
Was innige Liebe verzweifelt begehrt,
die heilige Jungfrau hat’s gnädig erhört.
Nach sieben Tagen lief das Schiff
und immer mächtiger ergriff
den Ritter Wolf der Liebe Pein;
er kaufte ein wackres arabisches Roß,
das eilends ihn trüge zum heimischen Schloß.
da grüßt ihn treuer Liebe Gruß,
sein hocherfreuter Schwäher wehrt
ihm nicht mehr Kunigundens Kuß,
und giebt gern den Bitten der Liebenden nach,
Wolf aber, dem Gelübde treu,
das er der heil’gen Jungfrau that,
schafft freudig alles Gold herbei,
das er in seinen Säckeln hat,
ein sauberes Schiffchen, und füllt es mit Gold.
Drauf als die zwanzig Tage voll,
und freudighell das Traugeläut
von Ebersdorf herüber scholl,
zur Trau, an der Rechten sein Liebchen hold,
in der Linken das kostbare Schiffchen voll Gold.
Und eh’ die Weihe noch beginnt,
da kniet er betend am Altar,
stillschaudernd denkt er der Gefahr,
und schweigend legt er mit frommen Sinn
das Kleinod am Fuße des Altars hin.
Der Priester weiht die Beiden ein,
der christlich fromme Sinn allein
macht euch die Benedeite hold!
Das Schiffchen, es zeige den Pilgern fortan
die mächtige Hülfe der Heiligen an!“