Beschreibung des Oberamts Tuttlingen/Kapitel B 6
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Die Markung des Orts liegt durch einen schmalen Streifen preußischen Gebiets (mit Bärenthal) vom übrigen Oberamtsbezirk getrennt, wird gegen Süden von preußischem und badischem, gegen Osten von badischem Gebiet umschlossen und stößt nur gegen Norden mit einer Stelle an Württemberg (O.-A. Spaichingen). Der reinlich gehaltene Ort selbst liegt einsam nördlich von den gewaltigen Jurakalkfelsen des Donauthals unregelmäßig zerstreut und zum Theil mit Obstbäumen belebt auf felsigen Hügeln und macht einen abgelegenen und verlassenen Eindruck. Die Häuser sind zum großen Theil aus Stein erbaut und meistens weiß getüncht.
Von den südlich vom Ort gelegenen Anhöhen und Felsrändern, z. B. vom „gespaltenen Felsen“ und dem „Eichfelsen“, hat das Auge überall die herrlichsten Ausblicke an die großartigen, zum Theil von kühnen Burgen beherrschten Felsengruppen des Donauthals, zu deren Füßen sich das enge vielfach gewundene Thal mit seinen Wäldern, seinen phantastisch geformten einzelstehenden Klippen und dem üppigsten Wiesengrün in wunderbarer Schönheit hinabzieht. Im Hintergrund sieht man bei hellem Himmel die Ketten der Schweizeralpen.
Erdfälle (trichterförmige Einsenkungen) kommen häufig vor; ebenso höchst malerische, ganz eigenthümlich gestaltete Felspartien, die man hauptsächlich an der neuen von Langenbrunn aus dem Donauthal heraufführenden Steige erblickt.
Die in den Jahren 1848–1849 erbaute (neue) dem heil. Petrus geweihte Pfarrkirche steht über vielen Staffeln erhöht frei und hoch nördlich am Ort, und ist in modernem Rundbogenstil erbaut mit schmälerem vieleckig schließendem Chor und mit einem aus Quadern errichteten Thurm im Westen, der in ein hohes achtseitiges Zeltdach endigt. Im Innern sind die Decken flach, die drei Altäre neu, im Triumphbogen hängt ein großes gothisches Kruzifix. Die drei Glocken sind ebenfalls neu und von Hugger in Rottweil gegossen. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf einem eigenen Baufonds.
| Der ummauerte Begräbnisplatz liegt erhöht südlich am Ort, besitzt schöne Steindenkmäler und hübsche Schmiedeisenkreuze und umschließt die alte, auch dem heil. Petrus geweihte Pfarrkirche; sie stammt im Schiff noch aus alter Zeit, hat gothische Spitzbogenfenster, der vieleckig schließende Chor scheint neuer zu sein, in seinem Mörtelverputz ist die Jahreszahl 1737 eingeritzt. Der an der Nordseite des Chores stehende Thurm schließt mit einem Zwiebeldach und enthält zwei Glocken, mit den Jahreszahlen 1630 und 1680. Die drei Altäre sind im Zopfstil gehalten; auf dem Hochaltar befindet sich eine schöne lebensgroße gothische Pieta (Maria mit dem Leichnam des Herrn). Das im Jahr 1814 ganz neu erbaute Pfarrhaus ist vom Staat zu unterhalten.Das Schul- und Rathhaus, erbaut im Jahre 1835, enthält außer den Raths- und Schulgelassen auch die Lehrerwohnung.
Ein öffentliches Backhaus und zwei öffentliche Waschhäuser bestehen; außerdem ist im Gemeindebesitz eine Scheune mit zwei Schafställen (die ehemalige Zehntscheuer), und eine Remise zur Aufbewahrung von Pferchgeräthschaften.
Der Ort hat gesundes und gutes Trinkwasser; in trockenen Jahrgängen entsteht jedoch Wassermangel und es muß dann das Wasser 3/4 Stunden weit aus dem Donauthal geholt werden. Die Markung ist quellenarm; es fließen nur zwei auf derselben, eine in der Nähe der alten Pfarrkirche, die andere, sehr starke, im Donauthal bei St. Maurus, „Schmittenbrunnen“ genannt; letztere Quelle führt vorzügliches, von Kranken sehr geschätztes Trinkwasser.
Es bestehen im Ort zwei öffentliche Pumpbrunnen mit Quellwasser und 26 Privatbrunnen (Dachbrunnen). Auch sind drei sogenannte Hülen vorhanden.
Vizinalstraßen führen von hier nach Langenbrunn, Fridingen, und die Vizinalstraße von Schwenningen im Badischen nach Bärenthal geht durch den nördlichen Theil der Markung.
Die Einwohner sind ein kräftiger Menschenschlag, – dermalen befinden sich zwei Personen, die das achtzigste Lebensjahr überschritten haben, im Ort – fleißig und sparsam, denn nur durch angestrengte Thätigkeit vermögen sie dem ziemlich unfruchtbaren Boden einen Ertrag abzuringen.
Die Vermögensverhältnisse sind mittelmäßig. Der Vermöglichste besitzt über 155, der Mittelmann 32, die ärmere Klasse stark 2 Morgen Feld.
| Auf fremden Markungen haben hiesige Ortsbürger 6–8 Morgen Wiesen (im Bärenthal) und einige Morgen Wald.Unterstützung von Seiten der Gemeinde beziehen gegenwärtig drei Personen.
Die Haupterwerbsquellen der Einwohner bestehen in Feldbau und Viehzucht; ferner in Gewerben, die sich aber auf die nöthigsten Handwerke beschränken; überdies bestehen eine Ölmühle, zwei Schildwirthschaften und drei Kramläden; ein Strohflechter arbeitet für auswärts (Württemberg und Baden). Die große Markung bildet, mit Ausnahme der Steilgehänge gegen das Donauthal, eine hügelige Hochebene und hat einen mittelfruchtbaren, sehr steinigen Boden, der aus den Zersetzungen des weißen Jura besteht. Eine Lehmgrube ist vorhanden. Das Klima ist rauh und windig, Frühlingsfröste sind häufig, Hagelschlag selten.
Die Landwirthschaft wird so gut, als es die natürlichen Verhältnisse erlauben, betrieben; außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln kommt Gips und Asche in Anwendung; an den Dunglegen dürfte noch Vieles verbessert werden. Der Brabanter Pflug ist vorherrschend, auch trifft man noch einzelne Wendepflüge (sogenannte Triller), dann einzelne eiserne Eggen, viele Walzen und zwei Dreschmaschinen.
Man baut hauptsächlich Dinkel, Gerste, Haber, auch Gerste mit Linsen vermischt, oder Dinkel mit Roggen gemischt; von Brachgewächsen Kartoffeln, sehr viel Futterkräuter (dreiblättrigen Klee, Luzerne, Esparsette, Futterwicken), Hanf und Sommerreps; letzterer wird viel gebaut, so daß in guten Jahren 1000 Simri nach außen verkauft werden können; ferner an Dinkel etwa 1000 Scheffel, an Gerste 125, Haber 900 Scheffel; sie gehen größtentheils auf die Schranne in Tuttlingen.
Der Wiesenbau ist ausgedehnt, das Futtererzeugnis jedoch mittelmäßig, wiewohl nicht sauer. Nur 7–10 Morgen sind zweimähdig, die meisten (etwa 700 Morgen) sind einmähdige Holzwiesen. Futter wird keines verkauft, aber auch wenig von außen zugekauft.
Die Obstzucht ist nicht ausgedehnt, im Zunehmen begriffen, man zieht rauhe Mostsorten und Zwetschgen. Eine Gemeindebaumschule, woraus die Jungstämme bezogen werden, und ein Baumwart sind vorhanden; was nicht grün verspeist wird, wird gemostet, Mostobst noch zugekauft.
| Die Gemeinde besitzt 840 Morgen Wald, vorherrschend Laubwald, mit einem jährlichen Ertrag von 228 Klaftern; hievon erhält jeder Bürger 3 Raummeter Scheiterholz und 50 Stück Wellen jährlich; was den Bedarf zum Gemeindebackhaus, zum Rath- und Schulhaus übersteigt, wird verkauft, und bringt der Gemeindekasse nach Abzug der Betriebskosten jährlich 200–300 Gulden ein.Ferner besitzt die Gemeinde 196 Morgen eigentliche Weiden, die gleich wie die Brach- und Stoppelweide von fremden Schäfern befahren werden; sie tragen der Gemeinde jährlich 550–900 Gulden, die Pferchnutzung 470 Gulden.
Die vorhandenen Allmanden sind an die Bürger, zu je einem Morgen, verpachtet, was der Gemeinde jährlich 44 Gulden sichert, weiterhin bezieht sie aus einigen Äckern und Wiesen jährlich 120–140 Gulden.
Die Pferdezucht (Landrace) und Pferdehaltung ist von einiger Bedeutung, weil die Pferde hauptsächlich der Landwirthschaft dienen müssen; die Rindviehzucht ist in gutem Zustand, man hält die Simmenthaler Race und hat zwei Farren davon aufgestellt. Die Gemeinde schafft die Farren an und entrichtet für das Stück an den Farrenhalter jährlich 100 Gulden. Der Handel mit Vieh auf benachbarten Märkten und an Viehhändler ist nicht unbedeutend. Im Herbst findet noch Viehaustrieb statt.
Den Sommer über laufen etwa 700 Bastardschafe auf der Markung.
Eigentliche Schweinezucht (halbenglische Race) wird wenig getrieben, der größere Theil der Ferkel von außen eingeführt. Die Mastung ist von Belang, jedoch mehr für den eigenen Bedarf.
Die Ziegenzucht ist beträchtlich, desgleichen die des Geflügels, hauptsächlich von Hühnern und Gänsen, die auch nach außen abgesetzt werden.
Die Bienenzucht bedeutet nicht viel.
Von Stiftungen besteht, außer den 320 Gulden betragenden Armenstiftungen, die Freiherrl. von Reischach’sche Stiftung, aus der jährlich etwa 27 Gulden zur Anschaffung von Winterkleidern für arme Kinder und Unterstützung bedürftiger Neuvermählter zur Vertheilung kommen.
Von Spuren aus der Vorzeit nennen wir: von der „Heidenstadt“ bei Nusplingen her zieht eine Römerstraße als „alte| Heerstraße“, „Weglanger“ über die Flur Saulgen eine Viertelstunde westlich am Ort vorbei nach Fridingen.Um den Ort liegen zahlreiche Grabhügel: in den Butzenäckern bei der Flur „Dietert“, westlich vom Ort an der alten Heerstraße; es sind Erdhügel mit großen Steinen und man fand darin Leichenbrand, Gefässe, Steinmeißel; ferner sind östlich vom Ort beim „Hohlenacker“ Steinhügel mit Bronzeringen, und endlich nordwestlich vom Ort in der Hardt, an der „alten Heerstraße“, Steinhügel, ebenfalls mit Bronzegegenständen. – Auf dem „Dietert“ soll ein Ort „Dietenhaim“ gestanden sein; der Flurname „Oberhausen“, 1/4 Stunde südöstlich vom Ort, deutet auf einen abgegangenen Wohnplatz.
Der südlich vom Dorf sich erhebende Hügel, von dem man eine herrliche Aussicht genießt, heißt „Wacht“, vielleicht von einem Wachtposten; auf dem gespaltenen Felsen soll ein Frauenklösterlein gestanden sein; ein Wallgraben ist dort noch vorhanden.
Irrendorf, das seinen ursprünglichen Namen Urindorf wohl von den Uren hat, oder vom entsprechenden Personnamen, erscheint (wenn nicht schon 1094 bei einer Schenkung an’s Kloster Allerheiligen, wo ein Egilwart von Urendorf als Zeuge auftritt, der aber ebensogut von Urdorf bei Zürich sein kann; Arch. f. Schweiz. Gesch. 7, 259) zuerst 1194 6. November durch einen Hugo von Urendorf, von dem 1/2 Mansus bei den Madachhöfen (O.-A. Stokach) der sein Lehen war, an’s Kloster Salem kommt (W. U. B. 2, 307). Später werden von diesem Ortsadel noch genannt: Burkhard 1263 als Lehensmann Ulrichs von Bodmann, C. de Uredorf 1266 als Urkundenzeuge in Salem (Ztschr. f. d. Gesch. d. OR. 31, 118.) Burkhard 1295 und 1300 nebst Ulrich von Urendorf. Einigen Besitz hier hatte Kloster Allerheiligen. Besonders begütert aber war hier Kloster Beuron. Ihm schenkte 1251 (Nagold) Graf Burkhard von Hohenberg sein Vogtrecht über einen Hof (Schmid, Hohenb. 2, S. 18) und verkauften 5. Juni 1253 Walter von Kallenberg und Heinrich von Wildenfels ein Hofgut sammt Patronatsrecht für 14 Mark in Gegenwart und unter den Siegeln der Grafen Eberhard von Nellenburg und Friedrich von Zollern (Stäl. W. G. 2, 522; Mon. Zoll. 180; vgl. O.-A. Spaichingen S. 260); 1. April 1255 erwarb es den Kirchensatz, und ein Geistlicher des Klosters versah die Pfarrei (Stäl. W. G. 1, 748) welche| in’s Dekanat Schömberg gehörte; daher auch bei der Zehntung 1275 (lib. dec.) das Kloster für die Pfarrei bezahlt.Irrendorf war Bestandtheil der zollerisch-hohenbergischen Herrschaft Mühlheim. Daher erwarb Österreich mit Hohenberg 1381 die hohe Jurisdiktion außerhalb Etters und die fürstliche Obrigkeit, indeß die hohe Jurisdiktion innerhalb Etters zu der Herrschaft gehörte, welche 1391 an Konrad von Weitingen verkauft wurde, 1409 an Enzberg kam.
1615 sollte die Kirche (dem Petrus und Nikolaus geweiht) neu gebaut werden; das Kloster Beuron sollte nach Thunlichkeit in Irrendorf Messe halten und das Wort Gottes verkündigen lassen, doch so, daß die Irrendorfer ihre alte Mutter- und Pfarrkirche im Kloster zu besuchen nicht unterlassen.
Die Hölzer zu Irrendorf gehörten sämmtlich der Herrschaft, doch so, daß Gemeinde und Kloster Beuron sich daraus beholzen durften (Mühlh. Arch.).
1796 wurden die beiden Generale Jobau und Vauban, welche der französische Feldherr Moreau bei seinem Rückzug an den Rhein, um ein Lager auszustecken, vorausgeschickt hatte, den 5. Oktober jener zu Mühlheim, dieser zu Irrendorf von einer österreichischen Partie leichter Reiter von Lobkowitz gefangen, und dann den 7. Oktober von den hierüber erbosten Feinden dieses Dorf in Brand gesteckt und fast ganz eingeäschert. 1799 wurde der Ort schon wieder von einem Brande, welcher 178 Gebäude zerstörte, heimgesucht und fast ganz verwüstet. 22. Juni 1807 Nachmittags 4 Uhr entstand gleichfalls ein Brand in einem mit Stroh gedeckten und von drei Familien bewohnten Hause, den ein Südwind so furchtbar verbreitete, daß in einer halben Stunde 19 Häuser in Flammen standen und sammt einem Kinde und mehreren Stücken Vieh verbrannten. Der Schaden betraf einundzwanzig Familien und betrug 20.000 Gulden. 29. Juli 1831 fand ein Hagel statt, dessen Schaden gleichfalls auf 20.000 fl. geschätzt wurde.
Regesten. Sagenhafte Aufzeichnung über die Gründung Beurons, zu dessen dos Irrendorf gehört, und dessen Grenzbeschrieb sehr genau, nach sicherlich ächten Quellen ausgeführt wird (Z. f. d. G. d. OR. 6, 414 ff.). 22. Juni 1241 Vertrag über ein streitiges Gut zwischen Kloster Beuron und der Pfarrei Meßkirch (eb.). Der päbstliche Legat Petrus bestätigt dem Kloster den Besitz der Kirche zu Irrendorf (eb.).
| 1251. Die Lehensleute von Irrendorf (nebst Buchheim und Thalheim) mußten dem Schirmvogte, Friedrich I. von Zollern, jährlich liefern 4 Malter Weizen, 30 Malter Haber (Weisk. 12). 1263 übergibt Ulrich von Bodmann dem Kloster Salem das Lehnsrecht in den Besitzungen, welche von ihm neben anderen Burkhard von Urendorf zu Lehen hatte (OR. 3, 73). Derselbe 1295 und 1300 und ein Neffe Heinrich, nebst Ulrich von Urendorf (eb. 251. 246). 21. März 1278 bestätigt Graf Mangold von Nellenburg den Verkauf vom 5. Juni 1253, s. o. (OR. 6, 418). 4. September 1292 verkauft Walter von Wildenfels Güter, Hörige und Lehensleute zu Irrendorf an Kloster Beuron unter Bestätigung Graf Mangolds von Nellenburg (OR. 6, 420). 1407 ergeben sich Heinz Holl von Uerendorf und seine Gattin dem Kloster Beuron zu Leibeigenen (W. Jahrb. 1838, 208).20. Mai 1473 verpfändet Hans von Enzberg seinen Antheil an Irrendorf an’s Kloster Beuron um 213 Goldgulden (Mühlh. Arch.). Martini 1538 verkauft Kloster Allerheiligen (Schaffhausen) Leibeigene an Enzberg (Mühlh. Arch.). 1580 bis 1620 Grenzstreitigkeiten zwischen Irrendorf und Ensisheim; gütlich beigelegt (St. Arch.).
4. November 1583 verkaufen die Kirchenpfleger zu Hausen a. D. das der Kirche eigenthümlich zugehörige Zinsgut zu Irrendorf an’s Kloster Beuron um 130 fl. (St. Arch.). 1594–1641 Leiblehenbriefe des Kloster Beuron an mehrere Bürger über Güter in Irrendorf, namentlich den Freihof (St. Arch.); Lehenträger u. a.: Matthias Künig, Gallus Alber, Leonhard Raute, Wilhelm Alber.
Pfarrer: Franz Gluns 1779; Franz X. Weiß 1812; Stan. Volz 1824; Mich. Hagel 1837; Lor. Leimgruber 1840; Karl Molitor 1845; Franz Josef Kolb 1862; Friedrich Schlichte 1871.
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