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Beschreibung des Oberamts Leonberg/Kapitel B 14

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Kornthal,[1]
Gemeinde III. Kl. mit 576 Einw., wor. 1 Kath. – Ev. Pfarrei.


Das seit 1819 an der Stelle des ehemaligen Hofs[2] Kornthal gegründete Dorf liegt 21/2 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt und 2 Stunden nordwestlich von Stuttgart in einem weiten, anmuthigen Thale am östlichen Saume des Strohgäues. Der Ort ist regelmäßig gebaut und hat breite, gekandelte Straßen. Die meist aus Holz aufgeführten, selten mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäude sind mit wenigen Ausnahmen neu und im städtischen Style erbaut; die einzelnen Wohngebäude stehen mindestens 20 Schuhe von einander entfernt, was sowohl gegen Feuersgefahr, als auch in Rücksicht auf die Gesundheit zweckmäßig erscheint; Düngerstätten und Jauchesammlungen sind hinter den Häusern angebracht. Die Ansicht des Orts bietet wenig Malerisches, wie ihm denn auch die äußere Zierde eines Pfarrdorfs, eine Kirche mit Thurm, abgeht. Gutes Trinkwasser liefern hinreichend ein laufender und 9 Pumpbrunnen; überdieß sind noch am südlichen Ende des Dorfs zwei Wetten angelegt.

Ziemlich in der Mitte des jetzt 148 Gebäude zählenden Dorfs steht das Bethaus, zu welchem der Grundstein den 9. Juli 1819 feierlich gelegt wurde, von allen Seiten frei an der Ecke, welche der sogenannte Schloßplatz mit der Kirchgasse bildet; es ist in einem ganz einfachen modernen Styl erbaut und hat hohe rundbogige Fenster. Mitten auf dem First sitzt ein viereckiges, kleines Thürmchen, das Glocke und Uhr enthält. Das Innere ist, ohne irgend eine künstlerische Ausstattung, durchaus weiß getüncht und trägt, wie das Äußere, den Stempel der Einfachheit. Es ist keine Kanzel, sondern nur ein einfacher, mit Tüchern behängter Altar vorhanden, in welchem auch Reden und Gebete gehalten werden. Das Bethaus ist Eigenthum der Gemeinde, welche auch für die Unterhaltung desselben zu sorgen hat. Der sogenannte Begräbnißgarten liegt nördlich vom Ort an einem gegen Süden geneigten Abhange; die Begräbnisse sind in besonderen Reihen für ältere männliche Verstorbene (Brüder), für ältere weibliche (Schwestern), für Ledige und für Kinder abgetheilt; jedes Grab erhält einen einfachen Grabstein, auf dem Name, Geburts- und Todestag des Verstorbenen eingezeichnet wird.

Ein Gebäude in der Nähe des Bethauses enthält in dem untern | Stockwerke die Wohnung des Ortsvorstehers nebst dem Gerichtszimmer; der obere Stock ist für den Ortsgeistlichen eingerichtet, der übrigens seit 1849 in dem Töchter-Institut (s. unten) wohnt. Das der Gemeinde gehörige Schulhaus, in dem zugleich die Lehrerwohnung sich befindet, steht in der Schloßgasse; an der Schule unterrichtet nur 1 Lehrer.

Außer dieser Volksschule bestehen schon im allgemeinen Theil (oben S. 62) erwähnte Erziehungs- und Bildungsanstalten, welche hauptsächlich auswärtige Pfleglinge und Zöglinge gegen mäßigen Kosten-Ersatz aufnehmen, und zwar: 1) Das in dem ehemaligen v. Münchingen’schen Wohngebäude befindliche Knabeninstitut, welches 1819 von J. Kullen gegründet wurde und 1848 in die Hände des Inspektors G. Pfleiderer überging. Die Anstalt, an welcher der Inspektor und 4 Lehrer Unterricht ertheilen, zerfällt in 2 Abtheilungen, in die humanistische und in die realistische. 2) Das höhere TöchterInstitut, in einem ansehnlichen, auf dem Schloßplatz gelegenen Gebäude, seit 1821 eingerichtet; nach dem Tode des Vorstehers J. Kullen, 1842, wurde von der Gemeinde, als Eigenthümerin des Instituts, dessen Leitung dem jeweiligen Pfarrer und die Besorgung des finanziellen Theils dem jeweiligen Ortsvorsteher übertragen. Im Frühjahr 1849 übernahmen der Pfarrer und seine Gattin die Hauseltern-Stelle und besorgen nun mit 8 Lehrerinnen und einer Gehilfin die Erziehung, den Unterricht und die Verpflegung der Zöglinge. Unabhängig von diesem Institut besteht noch 3) unter Privat-Leitung eine Mittelanstalt, in der Unterricht in den weiblichen Arbeiten ertheilt wird.

Zwecken der Wohlthätigkeit sind gewidmet: 1) Die Kleinkinderrettungs-Anstalt, in der gegenwärtig etwa 70 Kinder untergebracht sind, das Local derselben liegt frei und angenehm südlich vom Ort; durch den erstmaligen Ortsvorsteher Hoffmann angeregt und betrieben, wurde mittelst mildthätiger Beiträge des In- und Auslandes im Jahre 1823 die Hälfte des gegenwärtigen Gebäudes errichtet und die Anstalt am 9. November eingeweiht. Im Sommer 1825 wurde dann die zweite Hälfte des Hauses ausgebaut, in welchem nun bis auf den heutigen Tag zum Segen und Heil Vieler gewirkt wird. 2) Eine nun in der Dizinger Gasse gelegene weitere Kleinkinderrettungs-Anstalt, wie die eben erwähnte, Eigenthum der Gemeinde, wurde im Jahr 1829 ebenfalls auf Antrieb des Vorstehers Hoffmann auf der Schlotwiese (Zuffenhauser Markung) gegründet und 1846 von da nach Kornthal verlegt; in ihr werden Kinder von 3–6 Jahren verpflegt; vom sechsten Jahre an werden die Kinder nach Wilhelmsdorf gebracht, wo sie bis zum zehnten bleiben und dann wieder nach Kornthal in die Rettungsanstalt für ältere Kinder zurückkehren. 3) Das an der Stuttgarter Straße liegende Wittwenhaus wurde 1831 für unbemittelte christliche Wittwen erbaut; in demselben | finden 12 Wittwen, mit oder ohne Kinder, ihr Unterkommen. – Im Ort befindet sich ein praktischer Arzt und eine Filialapotheke; auch ist ein Gemeinde-Backofen u. s. w. vorhanden.

Als Gasthaus wird das an dem Schloßplatz stehende vormals Görlitz’sche Schloß benützt.

Die Einwohner, welche sich aus verschiedenen Gegenden des In- und Auslandes hier ansiedelten, sind sehr fleißig, gottesfürchtig, friedlich und eingezogen; ihre Vermögensumstände gehören im Durchschnitt zu den mittelmäßigen und ihre Haupterwerbsmittel bestehen in Ackerbau, mit Viehzucht und etwas Weinbau.

Die, mit Ausnahme der Weinberge ziemlich ebene Ortsmarkung, gehört zu den kleinsten des Bezirks und hat im Allgemeinen einen etwas schweren, eher trockenen als feuchten Thonboden, dessen Unterlage theils aus Keupermergel mit Gyps, theils aus reinem Thon besteht. In nassen Jahrgängen, in welchen namentlich der Dinkel besonders gut gedeiht, ist er daher ergiebiger als in trockenen. Die Luft ist etwas trocken und scharf, da dieselbe von Osten nach Westen ungestört das nach diesen Richtungen geöffnete Thal durchströmen kann; dennoch sind Fröste selten, insofern die Lage gegen Norden durch Berge geschützt ist; ebenso kommt Hagelschlag nicht häufig vor, da die Wetterscheide am Engelberg und die im Süden ziehenden bewaldeten Höhen ableiten.

Obgleich die Bodenverhältnisse nicht zu den günstigen gehören und die Felder zur Zeit der Gründung der Gemeinde größtentheils öde lagen, so hat doch der Fleiß und die Umsicht der Einwohner die Landwirthschaft dermaßen gehoben, daß gegenwärtig kein Stückchen Land mehr unbebaut ist und sich über 100 Familien von den Erzeugnissen der Markung ernähren, während diese früher kaum für 10 hinreichten. Landwirthschaftliche Verbesserungen, wie zweckmäßig angelegte Düngerstätten, Benützung der Jauche, der sogenannte Suppinger Pflug u. s. w. haben längst Eingang gefunden.

Im System der Dreifelderwirthschaft baut man Dinkel, Weizen, Hafer, Gerste und in der beinahe ganz angeblümten Brache Kartoffeln, Angersen, rothen Klee und Luzerne. Hanf wird nur für das eigene Bedürfniß in Ländern gezogen; auf den Morgen rechnet man durchschnittlich: Aussaat an Dinkel 1 Schffl., an Weizen 21/2 Sri., an Hafer 4 Sri. und an Gerste 3 Sri.; der Ertrag wird zu 6–8 Schffl. Dinkel, 4 Schffl. Weizen, 5–6 Schffl. Hafer und 4–5 Schffl. Gerste per Morgen angegeben. Die Anschlagspreise der Äcker sind 100–300 fl. per Morgen. Der Getreideverkauf nach Außen ist unbedeutend, wie überhaupt die Felderzeugnisse meist im Ort selbst verbraucht werden; Stroh wird zum Theil noch auswärts aufgekauft.

| Die durchgängig zweimädigen Wiesen, denen keine Wässerung zukommt, sind sehr verschieden; in etwas nassen Jahrgängen gewähren sie guten Ertrag, während in trockenen noch Futter von Außen gekauft werden muß. Der Ertrag eines Morgens wird durchschnittlich zu 20 Cent. Heu und 8 Cent. Öhmd angegeben. Die Preise bewegen sich zwischen 200 und 300 fl. per Morgen.

Der Weinbau wird an einem südlichen Keuperabhange getrieben, der hauptsächlich mit Silvaner, Gutedel, Affenthaler, auch etwas Trollingerreben bepflanzt ist; das Erzeugniß ist ein angenehmer sog. Schiller, der sich übrigens nicht auf das Lager eignet. Im Durchschnitt wird der Eimer je nach den Jahrgängen zu 20–40 fl. theils im Ort, theils in der nächsten Nachbarschaft verkauft; der Morgen, welcher durchschnittlich 5 Eimer erträgt, kostet etwa 600 fl. Die nicht unbedeutende Obstzucht liefert meist Mostsorten und etwas Zwetschgen; der Ertrag bleibt im Ort. Baumschule ist keine vorhanden, indem die jungen Stämme theils in den Weinbergen gepflanzt, theils von den Eßlinger Höfen bezogen werden.

Zu der Markung gehörten früher 300 Morgen Waldungen, von denen 100 Morgen verkauft und die übrigen bis auf 30 Morgen ausgestockt wurden, welche, meist mit Buschhölzern bestockt, im Eigenthum von Privaten sich befinden.

Zehentberechtigt waren auf der Markung die Universität Tübingen, welcher der große, und die Pfarrei Weil dem Dorf, welcher der kleine Zehente zukam; den Heuzehenten hatte ein Universitätshofmaier zu beziehen.

Die Rindviehzucht ist ziemlich ausgedehnt; die Race ist ein schöner gelblicher Landschlag, der durch die von der Gemeinde zu haltenden Farren noch verbessert wird. Der Handel mit Vieh ist unbedeutend und beschränkt sich auf Mastvieh. Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, dagegen werden Ferkel auswärts aufgekauft, gemästet und im Ort selbst verbraucht. Die Bienenzucht dehnt sich auf etwa 70 Stöcke aus. Eine Anstalt für Seidenzucht, 1836 auf der Schlotwiese gegründet, ist neuerer Zeit nach Kornthal verlegt; im Jahr 1849 lieferte sie 2 Pfd. 18 Loth abgehaspelte Seide.

Was die Gewerbe betrifft, so ist die Bildweberei von Hartmann nennenswerth, welche Vielen Beschäftigung und Verdienst schafft. Eine durch Pferdekraft getriebene Ölmühle besteht im Ort. Außer einem Schmied, der sehr gesuchte Suppinger-Pflüge verfertigt, arbeiten die Handwerker nur für das nöthigste örtliche Bedürfniß; übrigens ist ein Kaufmann und eine Schildwirthschaft im Orte vorhanden.

An guten Verbindungswegen mit der Nachbarschaft fehlt es noch, | indem derzeit nur eine Vicinalstraße, welche auf die Stuttgart-Vaihinger Poststraße führt, hergestellt ist.

Eine Gemeindepflege mit Kapitalvermögen besteht nicht; in eine besondere Kasse fließen die Opfer, welche von dem Schulmeister verwaltet werden; daneben ist noch eine Stiftung von 500 fl., deren Zinse jährlich unter die Ortsarmen vertheilt werden, vorhanden.

Überhaupt besteht eine gewisse Mischung der bürgerlichen und kirchlichen Verhältnisse, wie sich aus nachstehendem Umrisse über die Entstehung und Verfassung der Gemeinde ergibt.

Entstehung der Gemeinde. Im Jahr 1817, als mehrere Angehörige der evangelischen Kirche Württembergs der in dieser durch die neue Liturgie, das neue Gesangbuch u. s. w., eingeführten Neuerung durch Auswanderung zu entgehen suchten, sah sich zunächst hiedurch der damalige Bürgermeister und Notar Hoffmann in Leonberg zu der Bitte an Se. Majestät den König veranlaßt, den Altgläubigen die Erlaubniß zu Gründung einer Gemeinde zu ertheilen, in welcher weltliche und kirchliche Einrichtungen getroffen würden, die ihren Ansichten, besonders in religiöser Beziehung, nicht widerstreben. Nachdem die Genehmigung dieser Bitte den 1. Oktober 1818 erfolgt war und Hoffmann, in Verbindung mit mehreren Gleichgesinnten, im Jahr 1819 für die Gesellschaft das dem Grafen v. Görlitz und dem Freiherrn von Münchingen gehörige allodiale Rittergut Kornthal um 115.000 fl. (nach andern Angaben um 113.700 fl.) erkauft hatte, wurde sofort mit der Erbauung des Dorfs an der Stelle des ehemaligen Hofs begonnen und über das der zusammengetretenen politisch-religiösen Gemeinde ertheilte Privilegium den 22. August 1819 von Sr. Königl. Majestät, unter der Mitunterschrift des Ministers des Innern, folgende Urkunde vollzogen:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Württemberg, thun kund und zu wissen: daß Wir nachbenannten Personen, welche sich in der Absicht vereinigt haben, um auf dem von ihnen erkauften Gute Kornthal sich niederzulassen, und daselbst eine eigene, von der evangelisch-lutherischen Landeskirche getrennte Gemeinde zu bilden, nämlich:

(folgen die Namen der 68 Familien)

auf ihr Ersuchen die hiezu erforderliche Erlaubniß unter folgenden Bestimmungen ertheilt haben wollen.

A. Bürgerliche Verfassung der Gemeinde.
I. Die Gemeinde Kornthal und ihre Angehörigen haben in Beziehung auf ihre Verhältnisse gegen den Staat und auf den Amtsverband mit dem Oberamte Leonberg, dem sie zugetheilt sind, so wie in Ansehung ihrer inneren Gemeinde-Verfassung eben die Rechte und Pflichten, welche anderen Landesgemeinden vermöge der allgemeinen Gesetze zustehen und obliegen, insofern nicht die nachstehenden Artikel eine Ausnahme ausdrücklich festsetzen. Sie sind in den | Justizsachen dem Oberamtsgerichte zu Leonberg, und in Regiminal- und Polizeisachen dem Oberamtmanne daselbst untergeordnet.

II. Der Ortsvorstand der Gemeinde besteht:

a) aus einem geistlichen Vorsteher, welcher ein Mitglied der Gemeinde seyn muß;

b) aus einem weltlichen Vorsteher, bei welchem eben diese Eigenschaft vorausgesetzt wird; und

c) aus einer nach der Größe der Gemeinde zu bestimmenden Anzahl von Gemeinde-Mitgliedern, welche den Gemeinderath bilden.

III. Sowohl der geistliche, als der weltliche Vorsteher und die Mitglieder des Gemeinderaths werden von der Gemeinde gewählt, und sind von dem Oberamte durch Abnehmung der Handtreue zu verpflichten.

IV. Dem geistlichen Vorsteher liegt ob, in Gemeinschaft mit dem weltlichen Vorsteher die sittliche und religiöse Ordnung in der Gemeinde zu erhalten, und den Berathschlagungen des Gemeinderaths, insofern sie sich auf diese Gegenstände oder auf die kirchlichen Bedürfnisse, das Schulwesen oder die Armenversorgung beziehen, anzuwohnen. An blos bürgerlichen Angelegenbeiten, welche von den weltlichen Vorstehern theils allein, theils in Gemeinschaft des Gemeinderaths besorgt werden, hat derselbe nicht Theil zu nehmen. Die Besorgung des Gemeinde-Rechnungswesens und der damit in Verbindung stehenden Geschäfte, sowie des Steuersatzes, desgleichen der Inventuren und Theilungen und anderer Geschäfte der Rechtspolizei, kann die Gemeinde dem weltlichen Vorsteher übertragen, insofern derselbe die dazu erforderliche Tüchtigkeit hat; doch bleibt, so viel die letztgedachten Gegenstände betrifft, jedem Betheiligten vorbehalten, die Beiziehung der gesetzlich verordneten Behörde zu verlangen, in welchem Falle diese nach Maaßgabe der allgemeinen Gesetze einzuschreiten hat.

V. Die Gemeindevorsteher haben kein weiteres Strafrecht anzusprechen, als die allgemeinen Gesetze mit sich bringen. Die Führung der Criminal-Untersuchungen verbleibt bei den gewöhnlichen Behörden.

VI. Die Aufnahme neuer Gemeinde-Mitglieder bleibt der Gemeinde selbst und ihren Vorstehern, unter Vorbehalt der oberamtlichen Bestätigung, überlassen; bei Ausländern muß jedoch die landesherrliche Aufnahme in das Landes-Unterthanenrecht vorangehen.

VII. Es kann Niemand die Erlaubniß erhalten, in der Gemeinde zu wohnen, er habe sich denn durch seine Unterschrift verbunden, den in gegenwärtiger Urkunde enthaltenen Bestimmungen sich ohne Widerrede zu unterwerfen, und die derselben entsprechende Gemeinde-Ordnung zu beobachten.

VIII. Auch wird nach der Bitte der Gemeinde festgesetzt, daß kein Gemeindeglied ohne Vorwissen der Gemeindevorsteher sich mit einer auswärtigen Person ehelich verloben, und diese mit sich in den Ort bringen darf.

IX. Kinder von Gemeinde-Mitgliedern sind nach Maßgabe der Gesetze, auch ohne besondere Aufnahme, geborne Mitglieder der Gemeinde.

X. Sie können jedoch, wie jedes andere Gemeinde-Mitglied, wenn sie das Glaubens-Bekenntniß der Gemeinde nicht anerkennen, oder sonst sich in die Gemeinde-Einrichtung nicht fügen, auf das Erkenntniß der geistlichen und | weltlichen Vorsteher und des Gemeinderaths von der Gemeinde ausgeschlossen werden.

XI. Kinder, welche noch unter der elterlichen Gewalt stehen, können von ihren Eltern nicht getrennt werden. Bei ihnen findet daher keine Ausschließung von der Gemeinde statt.

XII. In keinem Falle kann ein Gemeinde-Angehöriger aus der Gemeinde entfernt werden, ehe diese eine anderwärtige sichere und angemessene Unterkunft für denjenigen, den sie entweder ungeachtet seiner Geburtsrechte nicht annehmen, oder nach bereits geschehener Annahme nicht beibehalten zu können glaubt, ausgemittelt hat.

Kann sie mit dem zu Entfernenden hierüber nicht übereinkommen, so ist die Sache der höheren Behörde zur Entscheidung vorzulegen.

XIII. Jedem Gemeinde-Mitgliede steht zu jeder Zeit frei, die Gemeinde zu verlassen und sein ganzes Vermögen mitzunehmen; jedoch ist es schuldig, seine unbeweglichen Grundstücke an einen von der Gemeinde anerkannten Käufer zu verkaufen.

Wenn sich aber kein solcher Käufer finden würde, so sind diese Güter entweder von der ganzen Gemeinde in einem pflichtmäßigen Anschlage käuflich zu übernehmen, oder es kann der Hinwegziehende, wenn er mit diesem Anschlage nicht zufrieden wäre, seine Grundstücke der ganzen Gemeinde, oder einem von ihm zu erwählenden Gliede derselben so lange in Administration geben, bis er jene zu verkaufen eine anständige Gelegenheit findet.

Zu jeder Zeit kann er Rechnung über die Administration verlangen, auch bleibt ihm, wenn er glauben sollte, durch eine willkürliche Bedrückung der Gemeinde in Ansehung der Veräußerung oder Verwaltung seiner Güter beschwert worden zu seyn, der Rekurs an die gesetzliche Staatsbehörde ausdrücklich vorbehalten.

XIV. Die Freizügigkeit hat jedes Mitglied, sowie die ganze Gemeinde, nach den bestehenden Gesetzen zu genießen.

XV. Wenn jemand die zu seinen Diensten erforderlichen Personen in seiner Gemeinde nicht finden könnte, mithin genöthigt wäre, dazu Personen, welche zu einer anderen Gemeinde gehören, zu gebrauchen, so kann solches nur mit Erlaubniß der Gemeindevorsteher geschehen und es sind die Dienstherren oder Meister in diesem Falle schuldig, ihre Dienstboten oder Lehrlinge und Gehülfen, wenn sie durch ein mit der Gemeinde-Einrichtung unverträgliches Benehmen zu gegründeten Beschwerden Anlaß geben, aus ihrem Hause unweigerlich zu entfernen.

XVI. In Ansehung der Staats-Abgaben und der Amts-Corporationslasten hat sich die Gemeinde allem demjenigen zu unterwerfen, was die allgemeinen Gesetze mit sich bringen. Was aber die übrigen Gemeinde-Ausgaben betrifft, so kann in ihrer Vertheilung eine Abweichung von den gesetzlichen Normen nur dann gestattet werden, wenn dieselbe durch eine freiwillige Übereinkunft sämmtlicher Gemeindeglieder beschlossen würde.

XVII. Da die Eides-Ablegung den religiösen Meinungen der Gemeinde entgegen ist, so wird keinem Mitgliede zugemuthet, in irgend einer Sache einen | körperlichen Eid abzulegen, wohl aber ist jedes Mitglied verbunden, auf Verlangen der Obrigkeit die Wahrheit durch Handgelübde zu bestätigen, was in jeder Hinsicht, besonders auch in Ansehung des Meineides, die Wirkung eines förmlich abgelegten Eides haben soll.

XVIII. In Beziehung auf die eigene Vermögensverwaltung, die Befugniß eine Profession oder anderes Gewerbe zu treiben, und den Ankauf liegender Güter und Häuser sind die Gemeinde-Mitglieder nicht weiter beschränkt, als die übrigen Landes-Einwohner.

Es wird denselben überdieß gestattet, innerhalb des Bezirkes ihrer Gemeinde durch zünftige Gewerbe, Handlung und Krämerei ihre Nahrung zu gewinnen, ohne an die Zunft-Ordnung gebunden zu seyn.

XIX. Alles, was nur einen Schein von Gemeinschaft der Güter hat, ist sorgfältig zu vermeiden.

Jeder Einwohner ist schuldig, durch eigene Arbeit und Fleiß sich und seiner Familie den Unterhalt zu verschaffen, und es soll kein Müßigganger geduldet werden.

XX. Für Mitglieder, welche wegen Alters oder Kränklichkeit oder aus andern Ursachen sich nicht selbst fortbringen können, hat die Gemeinde so zu sorgen, daß sie ihren nothdürftigen Unterhalt finden.

Besonders ist es ihre Pflicht, für die Berathung und gute Erziehung vater- und mutterloser Waisen Sorge zu tragen, und dieselben zur Erlernung nützlicher Wissenschaften, Professionen und Arbeiten anzuhalten.

XXI. Den Gemeinde-Mitgliedern wird zur Pflicht gemacht, ohne Vorwissen und Billigung des weltlichen Gemeindevorstehers und des Gemeinderaths zu keiner Geld-Aufnahme zu schreiten.

In Hinsicht auf die bei solchen Geld-Aufnahmen eintretenden Rechtsverhältnisse verbleibt es jedoch bei den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen.

XXII. Wenn unter den Einwohnern der Gemeinde Mißverständnisse sich ereignen, und Einer von dem Andern beleidigt, oder sonst in seinen Rechten gekränkt zu seyn glaubt, so ist, im Falle sie sich nicht gütlich vereinigen konnten, Jedem unbenommen, nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften sich an die obrigkeitlichen Behörden zu wenden.


B. Kirchliche Verfassung der Gemeinde.

XXIII. Es wird der neuen Gemeinde gestattet, nach Maßgabe des von dem Bürgermeister Hoffmann in Leonberg in ihrem Namen übergebenen Glaubens-Bekenntnisses und der weiter beigefügten Erklärungen vom 18. April und 4. Mai 1818, eine eigene Kirchen-Ordnung, Disciplin, Liturgie und Ceremonien, jedoch nur nach zuvor nachgesuchter und erhaltener landesherrlicher Bestätigung derselben, einzuführen.

XXIV. Die Gemeinde hat die Befugniß, ihre Lehrer und Prediger, auch Schuldiener selbst zu berufen und anzustellen; sie ist jedoch verbunden, dieselben zuvor zu einer Prüfung zu stellen, welche durch eine von dem K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens zu bestimmende Commission nach dem reinen lutherischen Dogma und nach den besonderen Verhältnissen der Gemeinde vorzunehmen ist.

| Sämmtliche Parochial-Verrichtungen in der Gemeinde dürfen nur von einem mit höherer Genehmigung eigens dazu bestellten, ordinirten Geistlichen vorgenommen werden.

XXV. Die Gemeinde ist von der Aufsicht und Gerichtsbarkeit der evangelisch-lutherischen Consistorial-Behörden befreit, ihre religiöse Verfassung steht aber unter der Oberaufsicht des K. Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, welches dieselbe zunächst durch die Regierung des Neckarkreises ausüben lassen wird, welch letzterer daher auch überlassen bleibt, theils periodische, theils durch besondere Veranlassung nöthig werdende Visitationen durch besonders zu ernennende Commissarien vornehmen zu lassen, die ihr Augenmerk besonders darauf zu richten haben, ob die landesherrlich bestätigten Einrichtungen der Gemeinde keine, dem Inhalte der Bestätigungs-Urkunde zuwiderlaufende Abänderung erlitten, und ob sich keine Mißbräuche eingeschlichen haben, welche für das Staats-Wohl nachtheilig werden könnten.

Die Kosten dieser Visitationen hat die Gemeinde zu übernehmen.

XXVI. In allen Fällen, wo die gegenwärtige Urkunde und die bestätigte Kirchen-Ordnung der Gemeinde keine Ausnahme begründen, verbleibt es bei den Bestimmungen des bei der evangelisch-lutherischen Landeskirche stattfindenden Kirchenrechts.

Insbesondere stehen die Gemeinde-Angehörigen in Ehesachen unter dem evangelischen Ehegerichte, und haben sich in Hinsicht auf die Eheverbote, die Proklamationen, die zur Gültigkeit der Eheverlöbnisse und ehelichen Trennung vorgeschriebenen Erfordernisse, nach den Landesgesetzen zu achten.

Die Behandlung der Ehesachen in erster Instanz bleibt dem gemischten Gemeinde-Vorstande überlassen, in zweiter Instanz aber werden Ehesachen vor dem gemeinschaftlichen Oberamte verhandelt, welches hiezu für immer den Auftrag erhält.

XXVII. Dem bei der Gemeinde angestellten Geistlichen liegen neben der Austheilung der Sakramente andere Parochial-Verrichtungen, besonders auch der Religions-Unterricht der Jugend und die Aufsicht über die Schulen in religiöser Hinsicht, ob; er hat für die Reinheit und Lauterkeit in Lehre und Leben vorzugsweise zu sorgen.

Die Beförderung der Andacht ist keinem Gemeinde-Mitgliede ausschließlich überlassen, es können daher die hiezu außer dem allgemeinen Gottesdienste gewidmeten Versammlungen neben dem Geistlichen auch durch andere von der Gemeinde ernannte Mitglieder geleitet werden.

XXVIII. In der Schule werden, außer der Religion, auch die übrigen, allgemein eingeführten Schulpensen gelehrt, und sowohl die Methode des Unterrichts, als die dabei zu gebrauchenden Lehrbücher, sind, insoweit sie sich nicht auf den Religions-Unterricht beziehen, den Vorschriften und Verfügungen der Kreis-Regierung unterworfen.

XXIX. Den Gemeinde-Vorstehern ist unbenommen, das Lesen jeder, nach ihrer Überzeugung schädlichen Schrift auch den erwachsenen und mündigen Gemeinde-Mitgliedern abzurathen; dieselben sind aber keineswegs befugt, solches zwangsweise zu verbieten.

| XXX. Wir erklären übrigens ausdrücklich, daß, da alles Vorstehende sich ganz allein auf die bürgerlich-religiöse Gemeinde Kornthal bezieht, dasselbe ohne unsere besondere Erlaubniß weder auf andere Niederlassungen, noch auf andere, außer dieser Gemeinde befindliche Staatsangehörige, wenn sie gleich die nämlichen religiösen Grundsätze haben sollten, anwendbar sey.“

Die den vorgedachten Bestimmungen entsprechende Verfassung der Gemeinde zerfällt in 2 Theile, nemlich: 1) Die Güterkaufs-Gesellschaftsordnung vom 17. Februar 1819, welche nur die Mitglieder dieser Privatgesellschaft verbindet, und 2) die Ordnung für sämmtliche Mitglieder der Gemeinde.

I. Güterkaufs-Gesellschaftsordnung. Von der Gesellschaft, welche das Gut[3] gemeinschaftlich erkaufte, wurde Folgendes festgesetzt:

1) Kein Gemeindemitglied darf die ihm durch’s Loos zugefallene Liegenschaft als eigen betrachten, zugleich sind die Empfänger schuldig, wenn sie ihre Liegenschaft wieder abgeben wollen, dieselbe der Gesellschaft im Anschlagspreis zurückzugeben und haben nur etwaige Verbesserungskosten in Anrechnung zu bringen. Die Gesellschaft ist dagegen verbunden, die abgegebenen Gegenstände wieder im anfänglich gemachten Anschlag zurückzunehmen und gibt solche an andere Glieder der Gesellschaft durch das Loos in demselben Anschlag wieder ab.

2) Darf Niemand in die Gesellschaft eintreten, der sich nicht zur Erfüllung der Gesellschaftsregeln verbindlich macht und durch Stimmenmehrheit von der Gesellschaft aufgenommen wird.

3) Der jeweilige Vorsteher und die Gemeinderäthe sind die Bevollmächtigten der Gesellschaft, welche vorkommende Ausgaben genehmigen.

4) Sämmtliche Mitglieder der Gesellschaft haften für einander in solidum.

5) Die Mitglieder haben eine Leihkasse, an welche nur sie Ansprüche haben; sie dürfen daher kein Geld anderswo entlehnen und keine Bürgschaften leisten.

6) In die Leihkasse werden die Gelder zu 4 Proc. gegeben und den Mitgliedern zu 41/2Proc. angeliehen.

7) Die Gesellschaftsrechnung wird jedes Jahr gestellt, dabei wird mit jedem einzelnen Mitgliede abgerechnet und die ganze Rechnung den sämmtlichen Gesellschaftsmitgliedern vorgelegt.

| II. Gemeinde-Ordnung. 1) Die Gemeinde hat das Recht, ihre geistlichen und weltlichen Vorsteher selbst zu wählen, welche sodann von dem Oberamt durch Abnahme der Handtreue verpflichtet werden.

2) Dem geistlichen Vorsteher liegt in Gemeinschaft mit dem weltlichen ob, die sittliche und religiöse Ordnung in der Gemeinde zu erhalten, auch den Unterricht der Jugend zu leiten und zu beaufsichtigen. Die Lehre beruht auf dem Glaubensbekenntniß der Gemeinde, welches sich in der großen Wahrheit, „Jesus ist der eingeborne Sohn Gottes, der für die Sünde der Welt gestorben ist,“ concentrirt. Was dieser entgegen ist, soll in der Gemeinde nicht gestattet, sondern mit Liebe und Ernst entfernt werden. Jedes Gemeindeglied ist verpflichtet, wenn es einen von dem reinen Evangelium abweichenden Sinn wahrnimmt, die Vorsteher sowohl, als die ganze Gemeinde darauf aufmerksam zu machen. Sollte ein solcher Fall von der Gemeinde nicht beigelegt werden können, so kann dieselbe verlangen, daß die Conferenz- oder Collegialbrüder, welche außerhalb der Gemeinde wohnen, zur Entscheidung zusammengerufen werden.

3) Was die religiösen Anordnungen der Gemeinde betrifft, so sollen hier nur diejenigen, welche von den allgemein üblichen abweichen, angegeben werden. Bei dem Sonntagsgottesdienst werden Lieder aus dem alten Gesangbuch, aus dem Schatzkästlein, aus dem Gesangbuche der Brüdergemeinden u. s. w. gesungen und die Predigt wird mit Gebet und Fürbitte aus der alten württembergischen Liturgie beendigt. Sonntag Nachmittags ist Unterredung mit den Kindern, bei der die größere und kleinere Jugend zu erscheinen hat; überdieß wird eine Sonntagsschule mit sämmtlichen ledigen Personen bis zum 18. Jahr von dem Schullehrer gehalten. Sonntag Abends ist sodann noch eine Erbauungsstunde. Am Oster-Morgen wird auf dem Gottesacker die Litaney der Brüdergemeinde gebetet. Während der Gottesdienste, welche die Woche über einfallen, als Geburtsfeier Sr. Majestät des Königs, Buß- und Bettage, bei Begräbnissen, Taufen, Communionen, wird von den Gemeindegliedern nicht gearbeitet. Mittwoch Abends ist eine Erbauungsstunde; an den übrigen Abenden in der Woche kommt die Gemeinde zum Abendgebet zusammen. Die Taufe wird bei versammelter Gemeinde und die Confirmation, bei der die Kinder ihre Antworten aus dem Confirmationsbüchlein herauslesen dürfen, nach der alten Liturgie vorgenommen. Das heil. Abendmahl ist alle 4 Wochen am Vorabend des Sonntags, bei Beleuchtung der in der Kirche hängenden 3 Kronleuchter. Bei der Austheilung desselben assistiren die Gemeindevorsteher, während die Gemeinde und das Musikchor mit Gesang abwechseln. Vier Hostienteller und vier Kelche werden, nachdem über jeden bei der Füllung die Einsetzungsworte | vom Prediger gesprochen wurden, von den Assistirenden in der Kirche umhergetragen und den Communicanten gereicht, diese stehen reihenweise auf und lassen Teller und Kelch von Hand zu Hand gehen. Die Copulationen geschehen vor der versammelten Gemeinde. Bei Begräbnissen wird die Leiche mit Gesang zuerst vor die Kirche und dann zu Grabe getragen, die Liturgie gebetet und der Sarg ebenfalls unter Gesang eingesenkt. Entweder am Grabe oder in dem Versammlungssaal hält der Prediger eine Rede.

Der Prediger erscheint in der Versammlung in gewöhnlicher anständiger Kleidung ohne Chorrock. Für die Verstorbenen werden keine Trauerkleider angelegt. Sarg und Sargtuch sind weiß. Es findet kein Tauf- und kein Leichenschmaus statt. Als Pathengeld ist für Alle ein Gewisses festgesetzt. Das Neujahrwünschen ist abgestellt; ebenso die Kirchweihfeier. Jedes Geschlecht hat seinen besondern Eingang in den Versammlungssaal, worüber die Thürhüter zu wachen haben.

4) Das sittliche und äußerliche Verhalten der Gemeindeglieder gründet sich auf die Hauptregel: „Was ihr wollt, daß euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen auch.“

5) Jedes Gemeindemitglied hat seine Verbindlichkeit gegen Obrigkeit und gegen Jedermann genau zu erfüllen. Wer sich zu viel auf irdischen Erwerb legt und den Bedürftigen zu wenig unterstützt, taugt nicht in die Gemeinde.

6) Es liegt nicht in der Absicht der Gemeinde, eine besondere Religion oder Sekte zu bilden, sondern nach dem Vorbilde der ersten Christen eine apostolische Gemeinschaft darzustellen.

7) Der Bettel wird als eines der schädlichsten Übel angesehen.

8) Kein Mitglied darf Jemand über Nacht beherbergen, ohne dem Vorsteher Anzeige gemacht zu haben.

9) Das Gemeinderechnungswesen wird jedes Jahr auf den letzten December berichtigt und theilt sich ab:

a) in die freiwillige Opfer- und Almosenrechnung,
b) in die Commun-Rechnung,
c) in die Steuerrechnung, welche auf den 1. Juli lauft.

Sämmtliche Rechnungen werden der ganzen Gemeinde vorgelegt und der Revision des Oberamts unterstellt.

10) Die Aufnahme neuer Gemeinde-Mitglieder steht, unter Vorbehalt oberamtlicher Bestätigung, der Gemeinde selbst zu.

11) Kein Mitglied darf ohne Vorwissen der Gemeinde sich mit einer auswärtigen Person ehlich verloben und diese mit sich in den Ort bringen.

12) Sowohl Kinder, welche nicht mehr unter elterlicher Gewalt stehen, als auch andere Mitglieder, wenn sie das Glaubensbekenntnis | der Gemeinde nicht anerkennen, oder sich sonst in die Gemeinde-Einrichtungen nicht fügen, können auf Erkenntniß der Gemeinde von derselben ausgeschlossen werden, jedoch ist von der Gemeinde für ihre anderwärtige Unterkunft zu sorgen.

13) Ebenso müssen Dienstboten, Gehülfen u. s. w., wenn sie ein mit den Gemeinde-Einrichtungen unverträgliches Benehmen haben, aus dem Ort entfernt werden.

14) Die Gemeinde ist verpflichtet, ihre Abgaben ungeweigert und zu rechter Zeit zu entrichten, es wird daher kein Steuer-Ausstand gestattet.

15) Den Gemeinde-Angehörigen ist gestattet, innerhalb ihres Bezirks durch Gewerbe, Handlung und Krämerei sich zu ernähren, ohne an eine Zunftordnung gebunden zu seyn.

16) Die Armen-Versorgung geschieht nach den Vorschlägen der ganzen Gemeinde und bezieht sich besonders auf Alte, Kranke und Waisen.

17) Kein Mitglied darf ohne Vorwissen der Vorsteher und des Gemeinderaths Geld aufnehmen; es ist zu diesem Ende eine Gemeinde-Leihkasse errichtet, welche zur Privat-Güterkaufsgesellschaft gehört. Damit die Vorsteher eine Übersicht über das Vermögen eines jeden Einzelnen haben, ist ein Gemeinde-Vermögensbuch angelegt, welches für jeden Einwohner ein Blatt enthält, auf dessen linker Seite das Activ-, auf der rechten Seite das Passiv-Vermögen eingetragen wird. Nimmt bei einem Mitglied der passive Stand ohne Vermehrung des activen zu, so wird derselbe zur Rede gestellt und der Ursache dieses Mißverhältnisses zu steuern gesucht, so daß auf diese Weise Gantungen für immer verhütet werden. Zuweilen werden stille Hausvisitationen vorgenommen, um die Ordnung, Reinlichkeit, Kinderzucht u. s. w. zu beobachten.

18) Jeder Hausvater hat dafür zu sorgen, daß nichts auf der Straße stehe, das Vieh u. s. w. beaufsichtigt wird, damit Niemand in Schaden komme.

19) Wenn Jemand etwas findet, soll er solches bei der nächsten Obrigkeit, zu der ihn der Weg führt, abgeben, damit es der Eigenthümer möglichst bald erhalte.

20) Es besteht eine Vieh-Assekuranz, nach welcher, wenn Jemand mit einem Stück Vieh Unglück hat, demselben an dem wahren Werth des Verlorenen 2/3 ersetzt werden.

21) Jedes Mitglied ist um des Herrn willen verbunden, alle Vorschriften dieser Gemeindeordnung treulich zu befolgen; im Nichtbefolgungsfalle werden die §§. 10–12 des Statuts in Anwendung gebracht.

22) In dieser Gemeindeordnung darf ohne Genehmigung der Kreisregierung keine Bestimmung abgeändert oder eine neue darin aufgenommen werden.

| Noch ist über die ältere Geschichte des Orts Folgendes anzuführen:

Kornthal wird erstmals genannt im Jahr 1304, zu welcher Zeit der Eßlinger Spital aus dem Weinberg Hugo’s von Münchingen 1 Imi Wein bezog.

Der Hof Kornthal, welcher früher hier bestund, war in früherer Zeit Reichslehen, welches an Kaiser Friedrich IV. heimgefallen war, als dieser am 1. November 1442 seinen Canzleischreiber Ulrich Welzlin von Göppingen damit belehnte (Chmel Reg. Frider.). Im Jahr 1454 war Hans von Sachsenheim an Kornthal betheiligt, später erscheint Ulrich von Sachsenheim als Besitzer der Hälfte. In den 1460er Jahren versetzte Georg Kayb von Hohenstein den Hof Kornthal an den Grafen Ulrich von Württemberg. Dagegen lösten im Jahr 1501 Ludwig der ältere, Hans, Reinhard und Jörg die Späten Gebrüder und Vetter den Halbtheil desselben um 550 fl. an sich; die Späten übergaben denselben an Sebastian von Hohenheim, der ihn sammt Zugehör an Konrad von Stammheim um 2200 fl. verkaufte, 1511. Später war eine Hälfte im Besitz der Truchseße von Höfingen, die andere der Thumbe von Neuburg; letztere gelangte in der Theilung vom 30. Aug. 1559 an Friedrich Thumb von Neuburg. Nachher besaßen das Schloß und das Rittergut nebst der niederen Jurisdiction gemeinschaftlich die von Görlitz und von Münchingen (der im Jahr 1671 verstorbene württemb. Oberstallmeister nannte sich „auf Hochdorf, Kornthal und Ditzingen“, bis sie es, wie bereits erzählt, im Jahr 1819 verkauften.

Vor dem Jahr 1819 war der Ort Filial von Weil dem Dorf.

Güter besaß hier das Stift Sindelfingen, welchem solche 1331 Jun. 1. Graf Ulrich von Württemberg freite.



  1. Literatur: Die württembergischen Brüdergemeinden Kornthal und Wilhelmsdorf von M. S. C. Kapff 1839.
  2. Ein Plan von dem ehemaligen Hof Kornthal befindet sich in der Ortsregisratur.
  3. Das Gut wurde gleich Anfangs in 5 Qualitätsklassen eingetheilt, dann in 10 gleiche Theile vertheilt und verloost. Einige Mitglieder übernahmen 1/10 allein, andere vertheilten und verloosten ihr 1/10 in 2, 3, 4, 5 und 6 Theile; alle zusammen bildeten eine solidarisch unter sich verbundene Gesellschaft, welche zur Erleichterung der ärmeren Mitglieder die nöthigen Gelder aufnahm.
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