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BLKÖ:Sieber, Franz Wilhelm

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sieber, Anton
Band: 34 (1877), ab Seite: 227. (Quelle)
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Sieber, Franz Wilhelm (Arzt, Reisender und Naturforscher, geb. zu Prag 30. März 1789, gest. ebenda 17. December 1844). Unter mehreren Geschwistern der einzige Sohn wohlbemittelter, bürgerlicher Eltern. Auf seine erste Erziehung wurde leider wenig Sorgfalt verwendet, und ist darin zunächst die Ursache seiner künftigen Verirrungen zu suchen, denn ihm fehlte aller sittliche Halt. In den Jahren 1802 bis 1807 besuchte er das Gymnasium in seiner Vaterstadt, dann wendete er sich den technischen Studien zu, trieb aber nebenbei unter L. Kohl Architecturzeichnen, und unter Gerstner Mathematik. Eine Zeit schien es auch, er wolle dem Baufache sich zuwenden, und so trieb er mehrere Jahre hindurch vorzugsweise Ingenieurstudien, als er aber bei einem Concurse um eine Ingenieurstelle, vornehmlich seiner Jugend wegen, unberücksichtigt blieb, gab er jeden ferneren Gedanken in dieser Richtung auf, und wandte sich den Naturstudien zu. Nochmal war er nahe daran, zum Baufache zurückzukehren, als er auf einer Reise mit dem k. k. Hofarchitekten Montoier zusammenkam, und dieser den genialen, unternehmungslustigen jungen Mann für seine Zwecke zu gewinnen suchte. Aber dieser nur kurze Zeit schwankend, blieb den Naturwissenschaften treu. Eine Sammlung getrockneter Alpenpflanzen, deren Herausgabe er angekündigt, und welche die Frucht einer Alpenreise im Sommer 1811 war, brachte kein eben zu günstiges Resultat ein. Um nun seinen Drang in die Ferne, der sich längst mächtig in ihm geregt, zu befriedigen, trat er Ende 1811 eine größere Reise an. Am 13. December g. J. begab er sich von Triest über Venedig, Bologna, Florenz nach Rom und noch weiter, um mit Beginn des Jahres 1812 eine italienische Flora als Fortsetzung seiner oberwähnten Sammlung von Alpenpflanzen herauszugeben. Aus Italien [228] veröffentlichte er während seiner sechsmonatlichen Reise naturhistorische Briefe, welche in André’s „Hesperus“, 1812, Nr. 50–52, abgedruckt sind. Außerdem zeichnete er in Rom 53 kleine und 14 große Prospecte. In Neapel, wo er vornehmlich seltene Gräser aufsuchte, hatte er sein Herbar bereits auf 20.000 Exemplare gut getrockneter Pflanzen gebracht, überdieß eine ansehnliche Menge Insecten, Conchylien und Mineralien gesammelt. Auch hatte er dreimal den Vesuv bestiegen. Anfang Juli war er von diesem Ausfluge wieder in Prag angekommen. Außer dem persönlichen Verkehr mit verschiedenen Fachgelehrten, die ihn in seinen Arbeiten ermunterten und förderten, war das Ergebniß dieses Ausfluges die Fortsetzung der Herausgabe getrockneter Pflanzen, und zwar folgten dem schon erwähnten I. Fascikel das 2. und 3: „Plantae alpinae“ zu 60 auf den Gebirgen Krains, Kärnthens und Tirols gesammelten Arten; Fascikel 4: „Plantae agri romani et neopolitani“, 80 Species, und in den folgenden Jahren Fascikel 5: „Plantae neapolitanae et apulae“, 80 Species; Fascikel 6 und 7: „Plantae alpinae“, 80 Species, wovon die Indices im „Verzeichniß seiner Alterthümer und Naturalien“ (Wien 1820), p. 78 u. f. abgedruckt sind. Um diese Zeit erließ Caspar Graf Sternberg einen Aufruf zu einer selbstständigen Flora Böhmens. Sieber griff diesen Gedanken mit dem ihm eigenen Feuereifer auf, veröffentlichte, zunächst im „Hesperus“ 1813, Nr. 30: „Vorschläge zu einer Flora Böhmens“, welche sehr praktische Winke für die Naturforscher und Landbewohner enthält, und begann die Herausgabe wildwachsender Pflanzen seines Vaterlandes unter dem Namen: „Flora Böhmens“ nach drei Abtheilungen: a) ökonomische, b) Forst- und c) Medicinalgewächse in Centurien. Dann legte er eine Sammlung europäischer Grasarten, „Collectio graminum europaeorum“, in 8 Dekaden an, wovon die erste Lieferung 80 Species der seltensten süddeutschen, auf Ebenen und Alpen vorkommenden Gräser enthält, aber nicht fortgesetzt wurde; und noch gab er zwei Abtheilungen nord- und süddeutscher Forstpflanzen, zusammen 260 Species, heraus. Diese Herbarien Sieber’s, die seinerzeit sehr geschätzt, und manche namentlich Geschenk-Exemplare mit besonderen handschriftlichen Bemerken begleitet waren, kosteten verhältnißmäßig wenig, so die 7 Fascikel Alpinen 42 fl., die Gräser 6 fl., die Forstgewächse hingegen 80 fl. WW. Mit dergleichen Arbeiten, wozu noch 1813 seine Classificirung der Weinsorten Melnik’s gehört – sie ist erst 7 Jahre später in André’s „Oekonomischen Neuigkeiten“ [Jahrg. 1820, Bd. XIX, S. 34] abgedruckt – vergingen die Jahre, und S. wurde immer mehr und mehr inne, daß ihm zum gründlichen Naturforscher die positiven Studien fehlten. So hörte er denn in den Jahren 1814 und 1815 zu Prag den ordentlichen Lehrcurs der Philosophie, trieb fleißig neue Sprachen, besonders italienisch und neugriechisch, studirte auch unter Ilg’s Leitung Anatomie, und begann nun systematisch das Studium der Medicin, in welchem er aber damals die praktische Seite vermißte, daher er nach eigenem Plane seine Studien durchführte, in deren Kreis er neben Medicin noch Oekonomie, Geologie, technische Chemie, Feldmeßkunst, Nautik und Pharmacie einbezogen hatte. Einen akademischen Grad hatte S. nie erworben, er selbst nannte sich scherzweise nur einen „Barbierer“. Da ergriff ihn [229] im Jahre 1816 wieder die Wanderlust; er war damals 27 Jahre alt. Zum Reisegefährten wählte er einen Gärtner, Franz Kohaut aus Neuhaus, und am 22. December 1816 trat er nun seine zweite Reise an. Sein nächstes Reiseziel war Candia oder Kreta. Am 9. Jänner 1817 landete er daselbst. Er unternahm nun eine allseitige Durchforschung des Landes, er maß, nahm geometrisch auf, zeichnete Prospecte, Trachten, Pflanzen, und berichtigte in wesentlichen Puncten die Karte von Kreta. Zugleich arbeitete er an seinem Reisewerke (die Titel seiner schriftstellerischen Arbeiten folgen auf S. 233). Von Kreta schiffte sich S. nach Egypten ein, wo er am 5. December 1817 landete, und dann weiter in’s Innere vordrang, Tentyra, Theben, Palästina besuchte, und einen von seinem Biographen „als wahrhaft einzigen“ bezeichneten Original-Grundriß von Jerusalem (40° = 1′) entwarf. Ueber zwei Jahre war S. auf Reisen gewesen, auf denen er mit großer Mühsal und nicht geringen Geldverlegenheiten zu kämpfen gehabt. Er war mit nicht geringen Sammlungen heimgekehrt. Am 12. April 1819 war er in Prag eingetroffen, wo er nun sein egyptisches Cabinet eröffnete, worüber ein besonderes Verzeichniß im Drucke erschien. Die Sammlung, wenn man die gleichzeitigen Berichte darüber, z. B. im „Conversationsblatte“ 1819, Nr. 30 u. f., liest, war wirklich großartig, und wohl die erste dieser Art, welche nach Oesterreich, vielleicht nach Europa gebracht worden. Sie enthielt u. a. drei große Mumien aus der Nekropolis in wohlerhaltenen Sykomorus-Särgen, mit bemalten Reliefs und Porträts an der Außen- und Innenseite der Deckel; 23 kleinere Sarkophage und Mumienbruchstücke nebst 196 anderen, in den Katakomben von Theben aufgefundenen Alterthümern, mehrere hundert griechischer Cameen und Münzen, eine Masse ethnographischer Gegenstände, bestehend in technischen Arbeiten für den Hausbedarf u. s. w., mancherlei religiöse Merkwürdigkeiten aus Palästina, dann[WS 1] aber zahlreiche Vogelbälge, Amphibien, Insecten, Mineralien und lebende Pflanzen. Das Herbar der kretischen Flora allein bestand aus 450, das der egyptischen aus 230, das von Palästina aus 48 verschiedenen Arten. Die Samen-Collection betrug 136 Species. Man hatte den Werth der ganzen Sammlung auf 15.000 fl. angeschlagen. Sieber bot, als er die Sammlung Anfang 1820 nach Wien gebracht, dieselbe der österreichischen Regierung zum Kaufe an. Diese lehnte jedoch ab, wofür S. sich durch Schimpfereien rächte. Nun befand er sich in Folge der für die Reise und die Anschaffung der Objecte gemachten Auslagen tief in Schulden, und in nicht geringen Geldverlegenheiten, aus welchen ihn der bestimmt erwartete Verkauf seiner Sammlung reißen sollte. Von Wien ging S. nach Tyrol, wo er alpine Pflanzen sammelte, und darauf nach München, wo er mit der k. k. Akademie der Wissenschaften den Verkauf seiner Sammlung um den Preis von 6000 fl. abschloß, der ihn[WS 2] wohl aus den dringendsten Verlegenheiten riß, aber seine Passiven lange noch nicht deckte. Um dieses zu ermöglichen, verfiel er auf folgende zwei Ideen: erst wollte er eine, alle Welttheile umfassende, naturhistorische Reiseanstalt gründen, dann gab er vor, ein Radicalmittel gegen die Wasserscheu zu besitzen. Für die Reiseanstalt gewann er wohl etliche junge Männer, von denen einige später in der Wissenschaft [230] sich einen Namen gemacht, wie z. B. Franz Wrba, Andreas Döllinger, Theodor Hilsenberg, aber Sieber’s Gemüthsart veranlaßte, daß nach und nach Alle von ihm abfielen, abgesehen davon, daß zuletzt zur Ausführung des übrigens höchst praktischen Gedankens, dessen Hintergrund im wahren Sinne ein weltumfassende Naturalienhandel bildete, alle Mittel fehlten. Noch mißlicher aber stand es mit seinem Mittel gegen die Hundswuth, für welches er von der Frankfurter Bundesversammlung eine Belohnung von nicht weniger denn 100.000 fl. CM. verlangte. Es kann nicht die Aufgabe dieses Werkes sein, die verschiedenen Stadien zu schildern, welche dieses Project Sieber’s durchmachte, gewiß aber ist es, daß er in diese Idee sich selbst so hineingelebt, daß er daran glaubte, und daß der unheilbare Wahnsinn, in den er später verfiel, theilweise damit im Zusammenhange steht. Während beide Projecte sich zuletzt in Nichts auflösten, entwickelte S. in den Jahren 1821 und 1822 ein literarisches Treiben, das zuletzt Alle, die an ihn noch glaubten, schwankend machen mußte, und zugleich die Frage anregt, wie konnte ein Mann, wie Oken, sein Blatt „Isis“ solchen Scandalen, wie Sieber darin sie veröffentlichte, offen halten? Indessen rüstete sich S. zu einer neuen Reise, zu welcher er die Geldmittel in verschiedener Weise, theils halb durch Zwang, dann durch Anleihen, aber auch durch Unterstützungen zusammenbrachte. Indem er kurz vor seiner Abreise noch ein Pröbchen seiner Gemüthsverfassung gab, indem er am hellen Tage vor dem Prager Gouvernementshause fluchend und schimpfend sein eigenes Reitpferd erschoß (!), verließ er am 14. März 1822 Prag, um seine Weltreise anzutreten. Er ging über Jena, wo er Oken besuchte, Nürnberg, Carlsruhe, nach Paris, wo er mit Dr. Gall verkehrte. Nach vierzehntägigem Aufenthalte daselbst, während welchem er große literarische Thätigkeit entfaltete, und in der „Isis“ zahlreiche Aufsätze, die neben Invectiven und Angriffen auf einzelne, ihm mißliebige Persönlichkeiten doch wieder manches Neue und Zutreffende enthalten, begab er sich nach Marseille, wo er sich am 22. August 1822 einschiffte, und nun seine Weltfahrt unternahm, von der er am 14. Juli 1824 in London eintraf. Er war nach dem Cap der guten Hoffnung, von dort nach Neuholland gesegelt, ging dann nach der Botany-Bay, von da nach Sidney, wo er am 1. Juni 1823 für längere Zeit sich niederließ, sieben Monate hindurch Neu-Holland nach allen Richtungen durchstreifte, und ein großartiges Material von Natur- und ethnographischen Objecten aufhäufte. Während seiner Fahrt gab er wiederholt Beweise seiner unverträglichen Gemüthsart, die ihm schwere Mißhandlungen zuzog. Auf dem Schiffe „Deux Nanettes“ erhielt er wegen gröblichen Benehmens gegen die Schiffsmannschaft auf Befehl des Capitäns eine Tracht Schläge, und mußte auf den Knien Abbitte thun. Auf dem Schiffe „Midas“ wurde er, als er neuerdings Aergerniß gab, mit einer Tonne Wasser begossen; ein andermal, an die Raastange gebunden, ins Meer getaucht; auf dem Schiffe „Berwick“ aber, nachdem er wieder seine Paroxismen bekam, wurde er auf das haarsträubendste mißhandelt. Als er dann in London das Land bestieg, und gegen die Seeleute, die ihn geradezu mörderisch behandelt, Klage erhob, wurde er von der Admiralität plötzlich ausgewiesen, so daß er sogar einen Theil [231] seiner Naturalien im Stiche lassen mußte. Während er – freilich nicht ohne eigenes, mitunter grobes Verschulden – so unwürdige Schicksale erlitt, war er für die Wissenschaft in wahrhaft staunenerregender Weise thätig gewesen. Ungeachtet Mehreres auf dem Caplande zurückgeblieben, noch Mehreres in London confiscirt worden, Manches auch zu Grunde gegangen, Vieles von seinen Gläubigern mit Beschlag belegt worden: so repräsentirten seine Sammlungen doch noch immerhin für den Naturforscher und Kenner einen großartigen Schatz. Im November 1824 veranstaltete er in Dresden eine Ausstellung. Nach Oesterreich wagte er sich, infolge seiner maßlosen, in der „Isis“ abgedruckten Artikel, in welchem er die verschiedensten, mitunter hochstehende Persönlichkeiten gröblich verunglimpft, vor der Hand nicht. Das nun folgende Lustrum, 1825–1830, bezeichnet sein Biograph als „Mysterien von Prag, Wien und Paris“. In dieser Zeit, in welcher sein Wahnsinn, so zu sagen, sich systematisch entwickelte, trieb er alles Mögliche; er schrieb Naturwissenschaftliches, Schmähartikel und Pamphlete und sogar Dichtungen, in welchen unverkennbar Funken des Genius blitzen, die aber noch mehr Zeugniß ablegen für seinen zerrütteten Geist. So seien angeführt sein „Lied vom Schwerte“, nach Schiller’s Lied von der Glocke; er schildert darin den Bergbau, Hochofen, Hammer und Waffenschmied, als Zwischentext Mörder, Rabenstein, Hinrichtung, Schlacht, Zweikampf, Gladiatoren, Paradies, Drachenkampf, Pflug, Turnier, Vehmgericht und Ritterschlag; ferner das fünfactige Drama „Die Bürgschaft“, mit sieben männlichen, einer weiblichen Hauptrolle, und 66 redenden Personen. „Darin ist“, schreibt er selbst, „der Zeitpunct gewählt, wo Platon, der Göttliche genannt, noch von keinem Dichter je auf die Bühne gebracht, von Dionys in hohen Ehren empfangen, zu Syrakus erscheint. Drei Handlungsachsen, nicht wie gewöhnlich eine einzige, gehen so wie einzelne selbstständige Dramen, sich stets durchkreuzend, ohne sich doch zu hindern, durch den ganzen Plan“. In Philistius wollte der Verfasser, indem er ihn siebenmal die Rolle ändern läßt, das Maximum einer Schurkennatur uns vorführen. Von diesem Drama war auch in den Zeitungen die Rede. Das Manuscript ging in Wien verloren. Ferner schrieb er Lustspiele, deren zwei, nämlich „Der Fischzug“ und „Ohne Umstände“, er (Februar 1828) dem Wiener Burgtheater einsendete, dieselben jedoch von Schreyvogel-West alsbald zurückerhielt mit dem Bemerken, sie überarbeiten zu lassen. Sein Gedicht „Der Spaten“, worin er die bekannte Alterthümer-Sammlung Rosenegger’s [Bd. XXVII, S. 21], in Salzburg besingt, erschien unter französischem Titel. Ein „Archiv für Botanik“, zwei Hefte, hatte er nach Leipzig geschickt, dieselben aber, als des Druckes nicht würdig, zurückerhalten. Eine andere, durch Ancillon’s Werk, „Vermittlung der Extreme“, veranlaßte Arbeit politischen Inhaltes wurde ihm von dem Buchhändler Schrag in Nürnberg mit dem Bescheide: „seine Arbeit sei nichts werth“ remittirt. Wieder trat er auch mit seiner Curart der Wasserscheu auf, eröffnete für das auf 14–16 Bogen berechnete Werk in der „Allgemeinen Zeitung“ Subscription. Tausend Exemplare zu je drei Ducaten in Gold sollten ausgegeben werden. Es fanden sich doch – zwei Pränumeranten! Sein Drama „Die Bürgschaft“ trug er zum Verlage [232] an, und forderte 3000 Ducaten Honorar dafür. Wenn unter solchen Umständen „Sieber’s Verstandesbankerott“ sprichwörtlich geworden, ist nicht zu wundern. Einige Zeit lebte er in Dresden. Endlich wagte er die Rückkehr nach Böhmen, und er reiste am 12. April 1825 dahin ab. In Prag ging er wieder mit dem Gedanken einer großen Reise um. Aber indessen wurde sein Geist immer verwirrter, obgleich es ihm nicht an lichten Momenten fehlte. Da stellte er sich mit einem Male selbst in’s Irrenhaus, und blieb vom 21. September bis 28. December 1827 in Behandlung. Er schien geheilt, wenigstens war nichts in seinem Wesen bemerkbar, was auffiel oder gar abstieß. Im December 1828 ging er nach Wien. Dort zeigten sich neuerdings Spuren hervorbrechenden Irrsinns. Seine, sich immer erneuernden Reise-Projecte, sein Antrag des Wiederaufbaues der alten Habsburg und andere Vorschläge – an sich unbedenklich – aber in der Form, in welcher sie vorgebracht wurden, ungewöhnlich, und bei der Hartnäckigkeit, mit welcher S. trotz aller Vorstellungen seiner Freunde und Anderen darauf bestand, widerwärtig, entfremdeten ihm nach und nach die Wenigen, die noch mit ihm verkehrten, und als er gewahrte, wie Alles ihn mied, verließ er in verbitterter Stimmung Wien, und begab sich zunächst in die Schweiz. Ende Februar 1829 hatte er Wien verlassen, in den ersten Tagen des März war er in Zürich eingetroffen, wo er mehrere Monate verbrachte, allerlei tolles Zeug, darunter seinen, wenngleich verrückten, aber von Geistesblitzen ab und zu durchleuchteten Prospect eines neuen Systems der physischen und geistigen Natur, drucken ließ, worauf er sich Ende Mai 1830 nach Paris begab, und dort seine letzte botanische Excursion unternahm. Das Ziel derselben waren die Alpen der Dauphinée. Es war dieß Sieber’s letzte, im Interesse seiner Wissenschaft unternommene Reise. Er brachte von derselben 180 Pflanzenspecies mit, welche in die Sammlung des Herrn Delessert in Paris kamen. Dieser Ausflug fiel in die Zeit des Juni und September 1830, also gerade während der Pariser Juli-Revolution. Diese war es auch, die ihn heimwärts trieb, und so kam er denn im Herbst des Jahres 1830 nach Prag. Er befand sich im verkommendsten Zustande, physisch und moralisch gebrochen. Die Anfälle des Irrsinns wiederholten sich immer öfter, und als alles Zureden in lichten Augenblicken, er möchte selbst in’s Irrenhaus gehen, und dort Heilung suchen, vergebens, und die Anwandlungen seiner Raserei ebenso für ihn wie seine Umgebung gefahrdrohend waren, sah die Behörde sich gezwungen, einzuschreiten. Am 5. December 1830 stand der Krankenwagen vor Sieber’s Hause, und so sehr er sich seiner Habhaftwerdung widersetzte, endlich gelang sie, und unverletzt kam der geisteskranke Naturforscher an Ort und Stelle. Von diesem Tage an bis zu seinem Tode – also volle 15 Jahre – kam Sieber nicht mehr unter die Menschen. Man hat hinter dieser Maßregel Rache der Regierung, anläßlich der Schmähungen, welche Sieber gegen dieselbe seit Jahren vorgebracht, gewittert, und derartige Gerüchte in’s Publikum gebracht. Wer Sieber persönlich im Irrenhause sah, und er wurde ab und zu von seinen Verwandten, Bekannten und literarischen Freunden besucht, konnte begreifen, wie fern von so gemeiner Sinnesart die kais. Regierung war, und wie Alles in seiner, wenngleich traurigen Behausung darnach [233] angethan war, ihm den Aufenthalt wenigst fühlbar zu machen. Er war zunächst gegen sich selbst, und gegen das Wüthen auf sein leibliches Ich sichergestellt. Die Aerzte Riedel, Nowak, Fischl behandelten ihn mit Liebe und Sorgfalt. Im Irrenhause schrieb er fortwährend, und verschrieb mehrere Rieß Papier: Im Jahre 1835 beschäftigte er sich mit der Commentirung eines Hauptwerkes des Paracelsus, dann schrieb er einen Commentar zu Ovid Libri fastorum. Wohin diese Arbeiten gekommen, ist nicht bekannt. Als im Jahre 1837 die Gesellschaft der Aerzte und Naturforscher in Prag tagte, nahm man anläßlich seines Aufenthaltes im Irrenhause keinen Anstand von „Ungerechtigkeit“, „politischer Intrigue“, „geheimer Haft“, „Seelenmord“ mehr oder minder laut zu reden, bis die Ueberzeugung auf Grund unwiderleglicher Thatsachen durchdrang, daß man dem geistesbankerotten Manne durch Unterbringung im Irrenhause nur eine Wohlthat erwiesen hatte. Auch nach seinem Tode tauchten diese unheimlichen Gerüchte wieder auf, aber man gab sich gar nicht mehr die Mühe, dieselben zu widerlegen. Sein Biograph schreibt aus diesem Anlasse: „Schwere Anklagen hatte Sieber zwölf Jahre hindurch auf die österreichische Regierung gehäuft ..... Niemand hatte bis dahin so schonungslos und rasend, gegen Oesterreich geschrieben, Niemand auf die europäische Menschheit geschimpft, Niemand wider die eigene Würde und Gott gefrevelt, wie Sieber. Die österreichische Regierung war weit entfernt, den einst hoffnungsvollen Naturforscher, der durch seine Hydrophobie ein (vielleicht willenloser) Charlatan, durch seinen schlecht berechneten Naturalienhandel ein verarmter Speculant, infolge dessen Scandalmacher, Pamphletist, Poltron und Narr geworden, jemals zu strafen oder gar lebenslänglich einzukerkern. Jedermann konnte sich überzeugen, da der Zutritt zu Sieber im Irrenhause stets offen stand, ob man einen Wahnsinnigen vor sich habe, ob nicht. Die unentgeltliche, bequeme, ja splendide Unterbringung Sieber’s im Irrenhause war ein Werk der Christenliebe u. s. w.“. Die letzten Jahre brachte S. in voller Unthätigkeit zu. Das Animalische hatte sich allmälig ganz herausgekehrt. In lichten Augenblicken hegte er noch immer Hoffnung der Wiedergenesung. Nach fünfzehnjährigem Aufenthalte im Irrenhause erlöste ihn der Tod von seinem Leiden. Die Sterbeliste der amtlichen „Prager Zeitung“ meldete seinen Tod wörtlich: „Verstorben am 17. December 1844 Herr Franz Wilhelm Sieber, Naturforscher, 55 Jahre alt, an der allgemeinen Wassersucht“. Seine Leichenfeier war still, aber anständig. Nun lassen wir eine Uebersicht seiner Schriften – die, was die selbstständig ausgegebenen betrifft, wohl noch nicht so vollständig vorhanden sein mag – folgen: „Beschreibendes Verzeichniss der in den Jahren 1817 und 1818 auf einer Reise durch Kreta, Egypten und Palästina gesammelten Alterthümer, Natur- und Kunstproducte, nebst einer Abhandlung über egyptische Mumien“ (Wien, Gräffer’sche Buchhandlg., 1819, IV und 88 S. 8°.) [dieses Verzeichniß, ohne die Abhandlung wurde gleichzeitig in Oken’s „Isis“ 1820, I. Quartal abgedruckt. Seither erschienen in diesem Blatte Sieber’s aggressive Artikel, die namentlich in den Jahren 1822 und 1823 abgedruckt sind, und Sieber, wie man zu sagen pflegt, nachgerade unmöglich gemacht haben]. – „Ueber die Begründung der Radikalkur bei ausgebrochener Wasserscheu. [234] Ein Vorwort“ (München 1820, 8°.); – „Herbarium Florae Austriacae seu collectio exquisitissimarum Stirpium in Imperii Austriaci provinciis sponte crescentium. Sectio prima, 300 Specierum imprimis alpinarum contines“ (Pragae 1821); – „Reise nach der Insel Kreta im griechischen Archipelagus“, Zwei Bände (Leipzig, 1823, 8°.); – „Skizze einer Reise von Cairo nach Jerusalem“ (Prag und Leipzig 1823, 8°.); – „Der Spaten“, „Poème de Fr. Guil. Sieber sur les Antiquités Romaines de Salzbourg, ancienne Juvavia etc. Dédié a Sa Maiesté par Joseph Rosenegger (Paris o. J. (1825 und 1830) Renouard, 8°.); – „Découverte sur la guérison de la rage des chiens“ (Paris 1829, 8°.); – „Der erste Frühlingstag für Europa“ (Zürich 1829, 8°.), dem Apotheker Anton Lucae in Berlin gewidmet, mit dem Motto: „Colophonium addere“ und den Schlußworten: „Der Nachdruck ist frei“; – „Découverte sur la guérison de la paralysie de l’eusiplégie et de l’apoplexie“ (Paris 1830, l’Auteur, 8°.); – „Prospectus d’un nouveau système de la nature physique et spirituelle, ou Analyse d’un ouvrage qui manque encore au genre humain et qui doir publier Fr. Guil. Sieber le plus grand sot du monde, la bête de l’Apocalipse“ (Paris 1830, 8°.). – Von seinen in der „Isis“ abgedruckten Aufsätzen sind erwähnenswerth: „Ueber Opiz Pflanzentausch“ [1822, S. 443]: – „Allerlei aus der Levante“ [ebenda, S. 1151]; – „Ueber meine Reiseunternehmungen [ebenda, S. 1164]; – „Mahomed Ali Pascha von Egypten“ [1822, S. 1241]; – „Ueber die beabsichtigte Bekanntmachung meiner Entdeckung, wüthend gewordene Menschen zu heilen“ [1823, S. 405]; – „Ueber die Pariser Herbarien“ [ebenda, S. 460]; – „Gartenwesen in Paris“ [ebenda, Lit. Anzeiger, S. 49]; – „Berichtigungen zur Flora Martinicensis“ [ebd.. S. 451]; – „Grundursachen der verzögerten Bekanntmachung über die Wasserscheu“ [ebenda, Seite 528]. Wer noch an Sieber’s Irrsinn zweifeln möchte, den wird der Titel des „Prospectus““ überzeugen, auf welchem er sich als Autor nennt, zugleich aber als größten Flegel der Welt, und als das Thier der Apokalypse sich selbst bezeichnet. Unten in den Quellen geben wir aber eine kurze Uebersicht des Inhaltes seiner Schrift „Der erste Frühlingstag für Europa“, über welche einer seiner Biographen bemerken zu können glaubt, daß „dieselbe mit dem Geiste eines Leibnitz, mit dem Humor eines Till Eulenspiegel, mit der Malice des Dr. Wespe geschrieben, ihm (dem Biographen) als die letzten Fulguration eines untergehenden Geistes erscheine, der sich darin gefalle, den Codex Codicum alles irdischen Wissens, Könnens und Wollens zu parodiren, und dann im Gelächter über diejenigen, die daran ein Aergerniß nehmen, wie ein Kobold zu zerplatzen“. Wie unglücklich aber auch der ganze Lebensgang S.’s und das Ende desselben waren, gewiß ist: Sieber hatte viel gelernt und wußte viel und vielerlei. Sein großer Ehrgeiz führte in früh auf Irrwege. Nichtsdestoweniger verdankt ihm die Wissenschaft viel, und würde ihm noch mehr zu verdanken gehabt haben, wäre nicht die Klarheit seines Geistes vorzeitig verdüstert worden. Als Reisender nimmt er eine Stellung ein, wie vor ihm kein Oesterreicher solche inne hatte. Seine Ergebnisse waren für jene Zeit wahrhaft großartig. Er hat in verhältnißmäßig kurzer Zeit eine immense Ausbeute [235] zusammengebracht, und was er mitgebracht, gab er, seine Opfer nicht berechnend, zum allgemeinen Besten hin. „Zum Wohl des allgemeinen Besten“, sagte er selbst, „muß es immer Einige geben, welche außer Opfern noch Verfolgungen auf sich nehmen“. Als Reisender behauptet er seine Stelle neben Männern wie: Cook, Krusenstern, Hügel, Schomburgk u. A. Sein Werk über Kreta ist heut noch von Werth. Dabei rührte Alles, Text und Beilagen, von seiner Hand her, denn im Zeichnen nach der Natur suchte er seinen Meister, ja selbst im Kupferstechen.

Sieber’s Schrift. „Der erste Frühlingstag für Europa“. Schon bei Sieber’s Lebzeiten und noch mehr nach seinem Tode suchte man zu verbreiten, es sei eine Gewaltmaßregel der kaiserlichen Behörden gewesen, Sieber in einem Irrenhause versperrt zu halten, er sei gar nicht wahnsinnig gewesen. Daß er wahnsinnig war, wird der zusammengefaßte Inhalt obiger Schrift, die er ein Jahr früher, als man ihn in’s Irrenhaus brachte, veröffentlicht hatte. Aber dieses hat keineswegs seine Absperrung im Irrenhause veranlaßt, noch berechtigt. Nur die wiederholten Anfälle furchtbaren Säuferwahnsinns, und für seine Nebenmenschen gefährlicher Tobsucht veranlaßten seine Absperrung, die überdieß für ihn zur Wohlthat wurde, denn nun fand er Ruhe, und, wenn seine Anfälle eintraten, menschliche und humane Hilfe. Im oberwähnten „Frühlingstage“ wurden in sieben Capiteln alle Wissenschaften und Künste auf allgemeine Sätze wie auf Gleichungen zurückgeführt, die Systeme der Gelehrten aller Zeiten destruirt, die größten Geister für Dummköpfe erklärt, und zuletzt Alles mit Herrn Sieber und dessen Erlebnissen in Zusammenhang gebracht. Einige Proben mögen dieß veranschaulichen: – I. Grundlinien der Arzeneikunst. Der Zweck des jetzigen Arztes ist von dem der Heilkunde völlig verschieden, und jeder Dienst desselben, einst dem menschlichen Geschlechte alle Krankheiten zu ersparen, größer, als sie zu heilen. Wissenschaft zu fördern, heißt oft Wissenschaft unterdrücken. Spitäler sind Glashäuser. Blumenbach ist seit 40 Jahren bei den fünf Menschenracen, sowie die Geographen bei den fünf Welttheilen stehen geblieben. Man hat die Spielerei der vergleichenden Anatomie gegründet, eine vergleichende Medicin besitzt man aber noch nicht. Meine Darstellung der Wasserscheu kann die Pforte der Nerven-Pathologie genannt werden. II. Rationelle Staatsverfassung. Die Menschen und Staatsbürger erkennen das Gute, vermögen es aber nicht jederzeit auszuführen; ihre mangelhafte und naturwidrige gesellschaftliche Einrichtung hindert sie bei jedem Schritte, ihre Willenspflicht zu thun, und zugleich auch die Regierungen, ihre Untergebenen beglücken zu können. In einem rationellen Staate – müssen alle Glieder glücklich sein; ein Staat daher, welcher nur durch Vermögens- und Lebensopfer das Glück der Uebrigen zu erreichen vermag, ist ein unrationaler. Die Politik ist kein Pelikan, der den Jungen sein eigenes Blut reicht, sondern der Tiger, welche die Jungen verschlingt, die er selbst erzeugt. Gesetze hemmen die Entfaltung der Geisteskräfte und der Staatsthätigkeiten; Aerzte sind Wirkungssphären; Strafe ist Rache. Constitutionen sind Regenschirme für kothige Straßen. Es gibt keine verurtheilende Macht im Staate. Plato’s Republik ist keinen Groschen, höchstens einen Schilling werth. Ist denn Kant nicht bis zur Erkenntniß der rationellen Staatsidee vorgedrungen? er hat ja Alles definirt, analysirt und construirt. Gewiß haben ihm die Setzer etwas Anderes gedruckt, als was er geschrieben hat. Es ist noch immer beim Alten geblieben, daß die Wohlfahrt Einiger nur auf Kosten jener der Uebrigen erreicht wird. Ich wünschte einst, wahrhaft nützlich zu sein – ein Bestreben, welches man mir in meinem Vaterlande, wo man mich arm gemacht, abzusprechen sich bewogen fand; zum Glück sind aber Prag und Wien nicht die ganze Welt, und in der Geographie zwei einsilbige Städte. III. Sturz des Newtonischen Systems. Kein einziger Physiker und Astronom Europa’s fühlt die schimpflichen Bande der geistigen Knechtschaft, welche Newton mit dem Götzen seiner Gravitationstheorie herbeigeführt hat. Die Form für den Fall der Körper ist falsch. Die mechanique coeleste ist eigentlich nur eine einseitige Perturbationslehre; die Trägheitskraft und der Urstoß – Chimären. [236] Newton ist unwiederbringlich geworfen durch die Evolutionstheorie. IV. Philosophie. Die Pest der Unvernunft herrscht noch bis jetzt unter den Philosophen. Der Empirismus, Neptunismus, Idealismus und Absolutismus gibt für den Ackerbau ein gutes Düngmittel ab. Die akademischen Spinnrocken kommen, von den unerbittlichen Parzen verworfen, in die Rumpelkammer. Nach Krug’s[WS 3] Lexikon [Bd. III. S. 263] gibt es auch eine polnische Philosophie; die neuholländische oder Diebs-Philosophie ist aber noch nicht darin enthalten, die soll ich (obwohl ich bekanntlich die ehrlichste Haut von der Welt bin) nachtragen. Es ist länger nicht mehr zu zweifeln, im Jahre 1830 müsse der erste Frühlingstag der Vernunft hervorbrechen: denn der große Schelling gibt heuer in München Vorlesungen über die Philosophie der Offenbarung. V. Botanik. Soll ich denn Alles machen? alle Ställe säubern? und dafür neue Galle, und nicht einmal ein Bettelpfennig mein Lohn sein? Die Geographie der Gewächse heißt von nun an Phytognosie, und nach Erscheinung dieses Werkes, in welchem ich alle Gesetze der gesammten vegetativen Natur aufrolle, werden sich unsere sauberen Botaniker verständigen müssen, da sie jetzt nicht wollen. VI. Architectur. Herr Hofrath Wiebeking[WS 4] trete mit mir bei dem vorhabenden Wiederaufbau der Veste Habsburg in die Schranken. Jeder Gegner ist mir lieb; und ich werde mich nicht so wie der alte Pilgram[WS 5], der Erbauer der Wiener Stephanskirche, über den Buxbaum, seinen Schüler, unnöthigerweise zu Tode kränken. VII. Dramaturgie. Shakspeare’s beste Stücke wiegen meine „Bürgschaft“ nicht auf. Schiller erscheint in der Dramaturgie wie ein Farbenreiber, die Johanna d’Arc hatte er gekannt, den Wallenstein aber ganz verpfuscht; dessen Tod ist der seinige. Von Corneille und Racine ist hier nur wie von Hörnern und Wurzeln die Rede. Schluß. „Ihr Thoren von Europa! Brecht mir nur eines von meinen sieben Hörnern ab, und macht mich auch zum Schafskopfe, wie ihr es selber seid! Zahlt, Hundeseelen, sonst verbrenn’ ich es; wo nicht, so sterbt Alle an der Wasserscheu! Zürich, am Palmsontage, den 12. April“. Das ist der Sieber vom Jahre 1829!!! Die französische Broschüre Sieber’s „Prospectus“ ist im ähnlichen Tone und Sinne oder vielmehr Unsinne abgefaßt. Auch darin geberdet sich der Branntwein trinkende Wasserscheu-Doctor wie ein Wüthender. Er droht („Frühling“ S. 22); „Erhalte ich die 3000 Ducaten zur Auflage meiner Wasserscheu bis zum 14. Mai l. J. nicht, so vernichte ich am letzten Maitage alle meine physikalischen, astronomischen, naturhistorischen und anderen Papiere, auch die „Bürgschaft“. Und weiter (ebenda S. 49); Erhalte ich die 3000 Ducaten nicht, so existirt Ende Mai aber auch wirklich kein geschriebenes Blatt mehr von mir; Hippokrates, Newton, Homer, Machiavell, Kant und Linné bleiben am Gipfel des Parnasses, und der verachtete Erbe des großen Wallenstein (für dessen legitimen Nachkommen erklärt sich Sieber ebenda S. 50–63) setzt am ersten Junius – über Schaffhausen, Ulm, Regensburg seinen Weg zu Fuß bis Waldmünchen fort, wo man ihn dann ebenso wie am 12. April 1825 begrüßen und in Empfang nehmen kann. – Ich werde dann blos körperlich mehr arbeiten, bis mich die Glocke ruft, mein Dasein beendigt zu wissen, welches dem Affengeschlechte nichts genützt hat.“ Ist das alles nicht heller Wahnsinn? –
Legis-Glückselig (Dr.), Franz Wilhelm Sieber. Ein biographischer Denkstein (Wien 1847, Fr. Beck, gr. 12°.) [nach diesem geboren im Jahre 1789]. – Der Freiwillige, oder Berliner Conversationsblatt (4°.), 27. Jahrg. (1830), Nr. 47: „Zeitgenossen“. – Pappe (Dr.), Hamburger Lesefrüchte (8°.), 1824, Bd. III, S. 204. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) 1823, Nr. 114 und 115: „Franz Wilhelm Sieber und die Hundswuth“. – (Gräffer’s) Conversationsblatt (gr. 8°.) 1819, Bd. II, Nr. 30: „Franz Wilhelm Sieber und seine Sammlung“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien, 8°.) Bd. V, S. 48. – Vaterländische Blätter des österreichischen Kaiserthums (Wien, 4°.), 1819, S. 267, 271, 275, 279, 288, 388: „Sieber’s Reisen“. – Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereines in Wien (Wien, 8°.), Bd. V (1835) in den Abhandlungen S. 41, in Neilreich’s Geschichte der Botanik in Niederösterreich [nach diesem geboren 30. März 1785]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches [237] Institut, gr. 8°.), Zweite Abtheilung, Bd. IX, S. 57. – Lotos, Zeitschrift für Naturwissenschaften (Prag, Gerzabeck, 8°.) III. Jahrg. (1852), S. 116: „Biographie“ von Dr. Weitenweber. – Porträt. Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: Franz Wilhelm Sieber F. L. (lith., 8°.).

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