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BLKÖ:Gerstner, Franz Joseph Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 5 (1859), ab Seite: 161. (Quelle)
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Gerstner, Franz Joseph Ritter von (Mechaniker, geb. zu Kommotau in Böhmen 23. Febr. 1756, gest. zu Wien 25. Juni 1832).[BN 1] Sein Vater übte in Kommotau das Riemer-Handwerk aus. 1765–72 besuchte der Sohn die Jesuitenschule der Vaterstadt, an welcher damals Ign. Cornova (s. d. III. Bd. S. 8) thätig war; er trieb neben dem Studium der latein. Sprache fleißig Mathematik und machte sich in dem kleinen Städtchen, seiner Richtung und Vorliebe für mechanische Studien folgend, mit dem praktischen Verfahren der einzelnen Gewerbe vertraut. Nun begab er sich nach Prag, setzte daselbst die Studien fort und erwarb sich den Lebensunterhalt durch Orgelspielen. Im Stifthause zu St. Bartholomäus bezog er für den Unterricht der Zöglinge in der Mathematik und Physik den Genuß einer Stiftung. 1776 und 77 unterzog er sich in Prag öffentlichen Prüfungen aus der Astronomie, und 1779 wurde er als Ingenieur bei der Robot-Abolitions-Hof-Commission angestellt. Nach beendeten Arbeiten ging er 1781 nach Wien, um die Medicin zu studiren, besuchte aber [162] auch fleißig die Sternwarte, an welcher der berühmte P. Hell (s. d.) damals Director war. Auf dessen Rath gab G. das medicin. Studium auf, widmete sich der Astronomie und wurde 1784 Adjunct an der Prager Sternwarte; seine ausgezeichnete Thätigkeit an derselben hatte seine Wahl zum Mitgliede der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften zur Folge. Die Trefflichkeit der Arbeiten, die er als Ingenieur bei der Robot-Abolitions-Hof-Commission geliefert, veranlaßten seine Berufung zur Mitwirkung bei den von Kaiser Joseph II. angeordneten Steuer-Regulirungs-Arbeiten. Mit Beibehalt seiner Stelle wurde er zuerst Obercommissions-Ingenieur und Ende 1787 Oberleiter bei der neuen Organisirung der Rectifications-Registratur. Als 1787 sein Lehrer Tessanek erkrankte, supplirte G. 1788 und 89 die Lehrkanzel der höhern Mathematik in Prag und wurde am 4. Dec. 1789 ordentlicher Professor derselben. Seine Vorträge, in denen er namentlich die Bedürfnisse der Gewerbskunde und des Maschinenwesens berücksichtigte, waren sehr zahlreich besucht, und auch praktisch übte G. seine Wissenschaft aus, verbesserte alte, baute neue Maschinen für die Hořzowitzer und Pürglitzer Eisenwerke, und betheiligte sich am Um- und Zubau der k. k. Zbirower Eisenwerke. Als im Nov. 1795 Kaiser Franz eine Hofcommission zur Revision der öffentlichen Unterrichts-Anstalten anordnete, dessen Präsidium Gf. Rottenhan führte, wurde G. als Beisitzer derselben nach Wien berufen, und führte das Referat für die naturwissenschaftlichen Studien. G. zählt zu den glorreichen Vorkämpfern für das Aufblühen dieses Studienzweiges im Kaiserstaate. Von praktischer Bedeutung war aber seine energische Bekämpfung der abgeschmackten Behauptung: für die Staaten des Continents sei es am zuträglichsten, sich auf den Land- und Bergbau; zu beschränken, wogegen den Maschinen Englands die Verarbeitung der gewonnenen Stoffe zu überlassen sei. 1798 eröffnete er die Vorträge aus der Naturgeschichte, Physik und Mathematik, denen 1806 die Begründung des Prager polytechnischen Institutes mit Uebertragung der Direction an G. folgte. Als um diese Zeit die Idee einer Verbindung der Moldau mit der Donau auftauchte und diese durch den Bau eines Verbindungscanals zwischen beiden Flüssen verwirklicht werden sollte, wurde G. die scientifische Direction dieser Angelegenheit übertragen. Er wies nun nach, daß die Wasserverbindung hier unzweckmäßig sei, und die von ihm angeregte Eisenbahn-Verbindung sollte, jedoch mehrere Jahre später, sein Sohn (s. den Vor.) unter des Vaters Oberleitung zu Stande bringen. Im J. 1811 erhielt er zu seinen bisherigen Anstellungen noch die eines Wasserbau-Directors in Böhmen. Eine bedeutende Augenschwäche, die sich seiner 1822 bemächtigte, nöthigte ihn, die Professur der höhern Mathematik und das Studien-Directorat niederzulegen. Mit Belassung des Gehaltes erhielt nun G. den Titel eines Gubernialrathes, nachdem er früher schon (1810) in Folge des 1808 erhaltenen Ritterkreuzes des Leopold-Ordens in den Rebl. Ritterstand erhoben worden war. Seit 1823 nahm G.’s Leiden zu; in seinen Vorträgen über Mechanik mußte ihn seit 1830 sein Sohn Franz Anton suppliren und nun erfolgte am 9. April 1832 G.’s Jubilirung. Das Jahr vorher hatte er noch den Lehrplan der Realschulen von Rakonitz und Reichenberg entworfen. Milderung für sein Leiden suchend, begab er sich Anfang Juni 1832 zu seinem Schwiegersohne Jos. Aug. Papstmann nach Mladiegow bei Gitschin, aber schon zwei Wochen später erlag sein Körper im Alter von 76 Jahren. Bedeutend und für das praktische [163] Leben einflußreich ist G.’s schriftstellerische Thätigkeit. Ein großer Theil seiner Schriften ist in den Abhandlungen der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften enthalten. Davon und von seinen übrigen Schriften sind anzuführen: „Einleitung in die statische Baukunst“ (Prag 1788); – „Vergleichung der Kraft und Last beim Räderwerke mit Rücksicht auf Reibung“ (Prag 1790); – „Beweise zu den Formeln, welche im astron. Jahrbuche von Berlin 1791 zur Berechnung der geograph. Längen aus Sonnenfinsternissen gebraucht worden sind“, im „Berliner astronomischen Jahrbuch für 1792“; – „Versuche über die Flüssigkeit des Wassers bei verschiedenen Temperaturen“ (Prag 1798); – „Theorie der Wellen sammt einer daraus abgeleiteten Theorie der Teichprofile“ (Prag 1804); – „Mechanische Theorie der oberschlächtigen Räder“ (Prag 1809); – „Abhandlung über die Spirallinie der Treibmaschinen“ (Ebd. 1816); – „Bemerkungen über das hydrometrische Pendel“ (Ebd. 1819); – „Bemerkungen über die Festigkeit, Elasticität und Anwendung des Eisens bei dem Bau der Kettenbrücken“ (Prag 1825). Sein „Handbuch der Mechanik“, das zuerst in zwei Bdn. (Prag 1831) erschien, gab um einen Band vermehrt sein Sohn heraus.

Mit Ausnahme Bolzano’s und nach diesem Jelineks, welche den 23. Febr. 1756 als G.’s Geburtsdatum ansetzen, stimmen alle Uebrigen im 22. Febr. überein; das Kayser’sche Bücher-Lexikon gibt II. Bd. S. 349 irrig das Jahr 1831 als Gerstners Todesjahr und Werke des Vaters als jene des Sohnes an, obgleich Letzterer zur Zeit, als diese erschienen, noch gar nicht geboren war. – Bolzano (Bernhard), Leben des Franz Joseph Ritter v. Gerstner (Prag 1837, 8°.) [auch in den Abhandlungen der kön. böhm. Gesellsch. der Wissensch.]. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, Voigt, kl. 8°.) X. Jhrg. (1832) II. Thl. S. 501. – Jelinek (Karl Dr.), Das ständisch-polytechnische Institut zu Prag (Prag 1856, 8°.) S. 27 u. f. [Plan seiner Vorträge über Naturgeschichte u. Physik] und S. 191 u. f. [nach diesem geb. 23. Febr. 1756]. – Abhandlungen der kön. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften (Prag, 4°.) Neue Folge IV. Bd. (1837): „Nekrolog“ von B. Bolzano[WS 1]. – Meusel (Joh. Georg), Das gelehrte Deutschland (Lemgo 1783, 8°.) II. Bd. S. 551; XIII. Bd. S. 463; XVII. Bd. S. 706; XXII. Bd. S. 348. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer u. Czikann), (Wien 1835) II. Bd. S. 322. – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In vier Bänden (Leipzig 1833, Brockhaus, gr. 8°.) II. Bd. S. 163. – Nouv. Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1853) XX. Bd. Sp. 322. – Oestr. Zuschauer (Wien, gr. 8°.) 1838, I. Bd. S. 232. – Gerstners in den „Abhandlungen der kön. böhm. Gesellschaft der Wissensch.“ abgedruckte Schriften zählt Ign. J. Hanuš in seinem „System. und chronol. geordneten Verzeichniß sämmtlicher Werke und Abhandlungen der kön. böhm. Gesellsch. d. Wiss.“ (Prag 1854) S. 1, 2, 9, 18, 30, 49, 51, 52 auf. – Porträte. 1) Unterschrift: Franz Joseph Ritter von Gerstner. Doctor der Philosophie, k. k. Gubernial-Rath, Ritter des k. k. österr. Leopoldordens, Director der phys. u. math. Studien an der Univers., dann des techn. Institutes zu Prag, Professor der höheren Mathem., Astron. u. der techn. Mechanik, k. k. Landeswasserbau-Director im Königreiche Böhmen. Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften. Geboren zu Kommotau in Böhmen 22. Februar 1756, gestorben zu Mladiegow 25. Juni 1832. Johann Passini sculpsit. Viennae 1833. – 2) J. Bergler p. 1815. J. A. Drda sc. 8°. Mit Nadelschrift. – Ritterstands-Diplom vom 7. Dec. 1811. – Wappen. Ein durch einen goldenen Balken quergetheilter blauer Schild. Im oberen Felde ein linksgestelltes goldenes Winkelmaß, über dem ein goldener Stern schwebt. Im unteren Felde drei mit einem goldenen Bande verbundene Gerstenähren. –

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Gerstner, Franz Joseph Ritter von, Mechaniker [s. d. Bd. V, S. 161]. Seine Vaterstadt Komotau beging am 29. und 30. Juli 1863 das Andenken an seinen ausgezeichneten, durch wissenschaftliche Leistungen und patriotisches Wirken gleich hervorragenden Mitbürger durch eine besondere Feier, bei welcher sie den Todten durch Errichtung einer Gedenktafel an seinem Geburtshause ehrte.
    Bohemia (Prager Blatt, 4°.) 1863, Abendblatt zu Nr. 169: „Gerstnerfeier“ [Bericht aus Komotau]. [Band 11, S. 414]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: E. Bolzano.