BLKÖ:Reichenbach, Karl Ludwig Freiherr von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 25 (1873), ab Seite: 169. (Quelle) | |||
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Schiller herrührt, welches von des Dichters Zeitgenossen als das beste, nämlich ähnlichste bezeichnet wird. Reichenbach’s Mutter, eine Tochter des Hofkammerrathes Schweitzer, die im Alter von 76 Jahren starb, wird als eine Frau von einem ungemein lebhaften Geiste bezeichnet, der sich auch auf ihren Sohn Karl vererbte. Dieser besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt Stuttgart, beschäftigte sich aber schon damals mit großer Vorliebe mit der Naturwissenschaft, legte Sammlungen von Pflanzen, Käfern, Mineralien an und stellte besonders gern elektrische Experimente an. Nach beendetem Gymnasium that er einige Jahre Dienste in verschiedenen Amtskanzleien, wodurch er zwar aus der gelehrten Laufbahn herausgerissen, jedoch mit jenem Detail der Verwaltung und des Rechnungswesens vertraut [170] wurde, welches ihm später von großem Nutzen war. Im Jahre 1807 bezog er die Universität Tübingen, auf welcher er nach dem Wunsche des Vaters Rechtswissenschaft studiren sollte, aber, seinem eigenen Drange folgend, mit Vorliebe Naturwissenschaften trieb. Diese Studien fielen gerade in die Vergewaltigungsperiode Deutschlands durch Napoleon. Die beständigen Kriege des Soldatenkaisers machten auch in den deutschen Staaten einen großen Bedarf von Soldaten erforderlich, und insbesondere in Württemberg zwang der damalige König Friedrich I. die jungen Leute ohne Rücksicht zum Soldatenstande. Um sich demselben zu entziehen, entwarf Reichenbach mit mehreren jungen Gesinnungsgenossen den Plan zu einer Auswanderungsgesellschaft, der, da das Auswandern aus oberwähnten Gründen strenge verboten war, heimlich betrieben wurde. Er wurde jedoch verrathen und der junge, deßhalb in Untersuchung gezogene Reichenbach mußte dieses Vergehen mit einer zweimonatlichen Haft auf dem Hohenasperg abbüßen. Nach überstandener Haft kehrte R. in den Staatsdienst zurück und wurde zunächst provisorischer Amtsverweser zu Freudenthal im Schwarzwalde, welche Stelle er jedoch nur ein halbes Jahr inne hatte, da ihn die technische Laufbahn mehr anzog und er sich derselben zu widmen entschlossen war. Das Haupthinderniß, der Mangel materieller Mittel, der sich diesem seinem Vorhaben bisher entgegengestellt hatte, wurde durch seine Heirath mit Friederike Luise, der Tochter des Stuttgarter Buchhändlers Erhard, behoben, die ihm einiges Vermögen zubrachte und ihn dadurch in den Stand setzte, unabhängig seiner Lieblingsneigung zu folgen. Er machte nun technische Studien, und während den der Gründung eines größeren Geschäftes wenig günstigen Kriegsjahren größere Reisen, auf denen er in den Jahren 1816 bis 1818 Oesterreich. Steiermark, Kärnten, Mähren, Schlesien, dann Sachsen und die Rheingegend, zuletzt Elsaß und Lothringen besuchte und sich daselbst vornehmlich mit Allem vertraut machte, was das Eisenhüttenfach betraf. Nach seiner Rückkehr von diesen Reisen machte er sich in Hausach im Großherzogthum Baden seßhaft und stellte daselbst in Verbindung mit v. Uechtritz und Klee Eisenhammerwerke und die ersten zwei großen Verkohlungsöfen nach eigener Erfindung auf. Das Wesentliche dieser Erfindung bestand darin, daß die Verkohlung des rohen Holzes nicht wie bisher in geschlossenen eisernen Kästen oder Zylindern mit äußerer Feuerung, sondern mittelst besonderer Heizröhren bewerkstelligt wurde, welche das Innere des gemauerten Ofenraumes durchzogen, durch welche Abänderungen größere Holzmassen im Wege trockener Destillation schneller verarbeitet, festere Kohle erhalten und sämmtliche Nebenproducte leicht gewonnen wurden. Auf seinen Reisen in Oesterreich hatte R. im Jahre 1816 bei Professor Meißner [Bd. XVII, S. 309] den Altgrafen Hugo Salm-Reifferscheid-Krautheim, einen Cavalier von seltenen Geistesgaben, kennen gelernt. Da Altgraf Salm selbst große Waldungen besaß und er eine rationelle Verwerthung derselben sehr wünschte, war er schon früher auf Reichenbach’s Verkohlungsmethode aufmerksam geworden, mit ihm in brieflichen Verkehr getreten, welcher damit endete, daß ihm der Altgraf den Antrag stellte, ähnliche Fabrikseinrichtungen auf seiner eigenen Herrschaft Blansko in Mähren in’s [171] Leben zu rufen. Nachdem nun R. im Sommer 1821 noch eine Reise nach Frankreich unternommen, begab er sich im September genannten Jahres, der Aufforderung des Altgrafen Salm folgend, nach Blansko in Mähren, wo er nun für mehrere Jahre seinen bleibenden Aufenthalt nahm und jene Reihe von Erfindungen machte, welche seinen Namen in der gelehrten Welt allgemein bekannt machten und nicht allein der Wissenschaft, sondern vielmehr noch den industriellen Kreisen zu Statten kamen. In den Jahren 1822 und 1823 stellte R. in Blansko zwei neue Verkohlungsöfen auf, welche je 60 bis 80 Klafter Holz faßten und eine reichliche Menge von flüssigen Destillationsproducten lieferten, ohne die Qualität der Kohle selbst zu beeinträchtigen. In Folge dieser günstigen Resultate trug ihm Altgraf Salm-Reifferscheid die Oberleitung sämmtlicher Berg- und Hüttenwerke an. R. nahm dieselbe an und so entstand jene engere Geschäftsverbindung zwischen Reichenbach und dem Altgrafen, welche erst mit dem am 31. März 1836 erfolgten Ableben des Letzteren sich auflöste und für beide Theile die günstigsten Ergebnisse lieferte, da R. von dem reinen Geschäftsgewinne 25, später 33 Percente bezog. In dieser Zelt war auch das von R. in ziemlich vernachlässigtem Zustande übernommene Eisenwerk von Blansko von demselben durch Ausdehnung, verbesserte Verwaltung und die von ihm eingeführten Verbesserungen und Einrichtungen auf eine Höhe gebracht worden, daß es bald als das erste in der österreichischen Monarchie anerkannt wurde. Die von R. in dieser Periode gemachten verschiedenen Entdeckungen werden auf S. 173 u. f. bei Darstellung seiner wissenschaftlichen Arbeiten angegeben werden. Kurz vor dem Tode des Altgrafen Hugo hatte dieser mit R. einen neuen Gesellschaftsvertrag wegen Errichtung einer großen Runkelrüben-Zuckerfabrik auf den Gütern des Grafen abgeschlossen. Hier aber betrat R. ein ihm bisher fremdes Gebiet, überdieß wirkten von verschiedenen Seiten hindernde Umstände zusammen, um die an dieses Geschäft geknüpften Erwartungen scheitern zu machen, kurz, der Erbe des Altgrafen Hugo sah sich in den Erfolgen getäuscht und nahm im Juni 1840 die an Reichenbach von dessen Vorgänger ausgestellte General-Vollmacht, mittelst welcher R. bisher die sämmtlichen Eisenwerke und Fabriken, ferner die Güter und Forste administrirt hatte, zurück. Da R. in Folge des ihm von dem verstorbenen Altgrafen gewährten Antheils verschiedene und nicht unansehnliche Forderungen zu stellen hatte, entspann sich darüber mit dem Erben ein langwieriger Proceß, der endlich im Jahre 1846 zu einem Vergleiche führte, kraft welchem der Erbe Altgraf Salm an Reichenbach die Summe von 149.000 fl. C. M. baar ausbezahlte. So schloß die mehr als zehnjährige Thätigkeit Reichenbach’s in Diensten des Altgrafen Salm. Im Jahre 1835 hatte er das in Wiens nächster Nähe gelegene Gut Reisenberg, gewöhnlich Cobenzl genannt, angekauft. Dort brachte er den Sommer über zu, den Winter verlebte er, anfänglich zu Blansko, von 1839 an aber theils auf dem genannten Gute, theils in Wien, und verkehrte in dieser Periode viel mit Gelehrten und Männern der Wissenschaft. Jetzt richtete R. sein hauptsächliches Augenmerk auf die Einführung der Seidenzucht, womit er schon in Blansko den Anfang gemacht hatte. Aber wie ansehnlich auch die Geldopfer waren, die R. dafür gebracht, das Ergebniß ward [172] namentlich durch die unter den Raupen herrschenden Krankheiten wesentlich beeinträchtigt und der eigentliche Gewinn beschränkte sich nur auf manche neue Erfahrungen und Beobachtungen auf diesem Gebiete, welche weniger dem, der sie zuerst gemacht, als Anderen zu Statten kamen. Da machte ihm im Mai 1844 der Wiener Arzt Dr. Eisenstein Mittheilung von gewissen eigenthümlichen Erscheinungen, welche er bei einer Kranken beobachtet hatte, und zog R. deßhalb zu Rathe. Eine von der Katalepsie befallene Kranke zeigte nämlich eine ganz außerordentliche Reizbarkeit gegen den Einfluß von Magneten und nahm in großer Dunkelheit Lichterscheinungen wahr, wo andere Personen gar nichts sahen. Nachdem R. jene Patientin besucht, gerieth er auf den Gedanken, ob denn nicht die Emanationen eines Magneten sichtbar zu machen seien. Der mit der Kranken angestellte Versuch bestätigte seine Vermuthung, und dieß war der Anfang aller jener Versuche und Beobachtungen, aus denen R. in der Folge seine Theorie vom Od und Sensitivismus aufbaute und der ihn nun jeder wissenschaftlichen Thätigkeit nach einer dankbareren Richtung, auf der er bei seinem hervorragenden Forschungsgeiste mit glücklicherem Erfolge hatte wirken können, völlig entzog. Im Anbeginn machten seine Beobachtungen in Folge seiner Mittheilungen sowohl in gelehrten Kreisen wie selbst im großen Publicum einiges Aufsehen, welches sich jedoch schon nach dem Erscheinen des ersten Hauptwerkes über das Od: „Der sensitive Mensch“, das im Jahre 1851 herauskam, in Fachkreisen wesentlich verringerte und durch seine späteren Arbeiten über diesen Gegenstand noch beträchtlicher schmälerte. Zu diesem Fiasco mit dem Od gesellte sich noch ein empfindlicheres mit seiner Meteoritentheorie. Ein von ihm bereits am Abend des 25. November 1833 in der Nähe von Blansko beobachtetes und von einem wirklichen Steinfalle begleitetes Feuermeteor richtete seine Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand, über den er mit großer Beharrlichkeit Nachforschungen anstellte und darüber in den Jahren 1854 bis 1864 zahlreiche Arbeiten veröffentlichte. In einer derselben gibt R. Nachricht von einem Meteorsteinfalle, welcher am 10. August 1841 zwischen 9 und 10 Uhr Abends in der Gegend von Ivan in Ungarn sich ereignet haben soll. Bei diesem Meteorfalle verbreiteten sich nach Reichenbach’s Berechnung 350.000 Millionen kleiner Steinchen im Gesammtgewichte von 350.000 Centnern in einem Umkreise von mehreren Meilen. Reichenberg bemerkte dabei selbst, daß diese Steinchen, welche die Größe einer Erbse bis zu jener eines Mohnkorns besaßen, sehr dem Bohnenerze glichen und von den bisherigen Meteorsteinen sehr verschieden waren. Nichtsdestoweniger erscheint ihm dieser Meteorsteinfall als sehr merkwürdig und knüpft er daran ganz eigene Betrachtungen. Diese Steine wurden nun Gegenstand vielfacher Untersuchung von Seite verschiedener Gelehrten; Rumler, Ehrenberg, Gruithuisen und Andere sprachen sich entschieden gegen den kosmischen Ursprung dieser Steinchen aus, und wiesen den Bohnenerzen von Ivan einfach eine terrestrische Abstammung zu. Die Sache wäre vielleicht bis zur Stunde unentschieden geblieben, wenn nicht der Director des k. k. Naturaliencabinets, Hofrath von Schreibers, den Grafen Paul Széchényi veranlaßt hätte, ein Kubikfuß Erde in der Gegend, wo der Steinregen [173] stattgefunden, aus einem dreijährigen Kleeacker ausstechen und an das Hof-Mineraliencabinet senden zu lassen. Bei der mit dieser Erde unternommenen Untersuchung stellte es sich nun unwiderleglich heraus, daß dieselbe eine große Menge Bohnenerz, durch die ganze Masse gleichförmig vertheilt, enthielt, und daß dieses Bohnenerz ganz dem nach dem Meteorsteinfalle von Ivan gesammelten gleich sei. So war denn der terrestrische Ursprung des Ivaner Steinregens erwiesen und diese Frage erledigt. Schon seit der von Reichenbach im Jahre 1833 gemachten Beobachtung des Meteorsteinfalles in Blansko hatte er angefangen, eine Sammlung von Meteoriten anzulegen, welche allmälig ungemein reichhaltig sich gestaltete. Im Jahre 1858 schenkte er diese wissenschaftlich höchst interessante und werthvolle Sammlung – wurde sie doch im Ganzen auf 60.000 fl. geschätzt und hatte ein einzelner mittelgroßer Meteorstein beim Ankaufe 9000 fl. gekostet – der Universität Tübingen, die ihm in Anerkennung dieser Schenkung das Diplom eines „Doctors der Naturwissenschaften“ verlieh, nachdem er den philosophischen Doctorgrad ebendaselbst längst schon erworben hatte. So günstige, praktische Resultate R. in seinen früheren Jahren mit seinen industriellen Unternehmungen erzielt hatte, so wenig Glück hatte er auf technischem Gebiete in seinen späteren Jahren. Schon im Jahre 1845 hatte er bei einem Colonialwaarengeschäfte in Wien, an dem er sich betheiligte, Schaden gehabt. Als dann im Jahre 1856 das Eisenbahnwesen in Oesterreich einen Aufschwung zu nehmen begann, versprach er sich von der Fabrication von Bahnschienen ungemein günstige Erfolge. Die im Jahre 1858 von der österreichischen Regierung verfügte beträchtliche Herabsetzung der Eingangszölle hatte aber mit einem Male ein solches Sinken der Eisenpreise im Inland zur Folge, daß die Erzeugung von Bahnschienen gewinnlos blieb. Dadurch, da Reichenbach zur Ausführung seines oberwähnten Projectes große Capitalien aufgenommen hatte, gerieth er mit einem Male in so mißliche Verhältnisse, daß er alle seine Güter und dadurch den größeren Theil seines auf industriellem Wege erworbenen, nicht unbedeutenden Vermögens wieder verlor. Durch diese traurigen Erfahrungen wurde R. wohl verbittert, setzte aber doch seine damals dem Od gewidmeten Forschungen fort, unternahm im Sommer 1867 eine Reise von Wien nach Leipzig, von welcher er aber nicht mehr zurückkehrte. Im Sommer 1868 begann er bereits zu kränkeln und im Jänner 1869 raffte ihn der Tod nur wenige Tage nach zurückgelegtem 81. Lebensjahre dahin. – Dieser Lebensskizze möge nun in chronologischer Folge eine Darstellung der Leistungen und Arbeiten sich anschließen, mit welchen R. die Wissenschaft wirklich bereicherte. Im Jahre 1830 entdeckte er in den Destillationsproducten des Theeres aus Rothbuchenholz einen bisher ungekannten Körper, den er Paraffin nannte, dessen chemische Zusammensetzung dann von anderen Chemikern dargestellt wurde. – Aus mehreren, im Jahre 1831 angestellten Versuchen wies er nach, daß das damals bereits bekannte Naphtalin sich stets bilde, wenn Dämpfe von irgend welchen Kohlenwasserstoffen oder auch noch Sauerstoff enthaltenden Körpern der Rothglühhitze ausgesetzt werden. – Bald darauf entdeckte er im Theeröl einen neuen Körper, den er Eupion nannte, den er Anfangs für geruch- und geschmacklos erklärte, während er in [174] einer späteren Beschreibung angibt, daß er einen starken, äußerst angenehmen Blumengeruch von sich gebe. – Im Jahre 1833 machte er die wichtige Entdeckung des Kreosots, dessen Eigenthümlichkeit er ohne Analyse dieses Körpers feststellte. Als bald darauf Runge die Carbolsäure entdeckte, suchte Reichenbach zu beweisen, daß sein Kreosot und die Carbolsäure identisch seien. Diese Behauptung hatte langwierige Debatten unter den Chemikern zur Folge, da die Einen sich der Ansicht Reichenbach’s anschlossen, während Andere Kreosot und Carbolsäure für zwei verschiedene Körper erklärten, bis erst im Jahre 1858 Hlasiwetz die Frage in letzterer Richtung erledigte. – Im Jahre 1833 veröffentlichte R. eine Mittheilung über das bittere Princip des Holzessigs, das er Picamar nannte, und machte die Entdeckung eines neuen, von ihm Pittakal getauften Körpers. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß sein Biograph, Herr von Schrötter, ausdrücklich bemerkt, daß R. in der Wahl der Namen für die von ihm entdeckten Körper sehr erfinderisch und glücklich war. – Im nämlichen Jahre veröffentlichte er auch noch seine Beobachtungen über die Heilkraft des Kreosots, denen jene über die gleiche Eigenschaft des Steinöls folgten. – Im weiteren Verlaufe seiner Untersuchungen berichtet er über den von ihm aus Holzessig dargestellten Essiggeist, den er Mesith taufte. – Im folgenden Jahre, 1834, fand er im Buchenholztheer eine neue, von ihm Kapnomor benannte Substanz, welche nach späteren Versuchen ein Zersetzungsproduct von Kreosot durch Alkalien zu sein scheint. – Im nämlichen Jahre fand er einen in rothen Krystallnadeln aus dem rectificirten Buchenholztheeröl bei Zusatz von schwefelsaurem Eisenoxyd sich abscheidenden Körper, den er Cedriret nannte. – Als er darauf nach Wien übersiedelte, beschloß er im December 1843 seine Untersuchungen nach dieser Richtung mit einer größeren Arbeit über seine Untersuchungen eines von ihm Assamar genannten Körpers, worauf er dann mit der Entwickelung seiner oben bereits erwähnten Od-Theorie und mit seinen Arbeiten über die Meteoriten auftrat. Ueber seine Beobachtungen und Entdeckungen hat R. theils mehrere größere selbstständige Arbeiten. theils in periodischen Fachschriften verschiedene Abhandlungen veröffentlicht. Die Titel der ersteren sind in chronologischer Folge: „Dissertatio de nova constructione follis hydrostatici“ (Tubingae 1811); – „Geologische Mittheilungen aus Mähren; Darstellung der Umgegend von Blansko“ (Wien 1834, 4°.); – „Untersuchungen über den (sogenannten thierischen) Magnetismus“ (1845), als Beilage zu Liebig’s Annalen; – „Untersuchungen über die Dynamide des Magnetismus, der Elektricität, der Wärme, des Lichtes in ihren Beziehungen zur Lebenskraft“, 2 Bde. (Braunschweig 1850, 8°.); – „Odischmagnetische Briefe“ (Stuttgart 1852, 8°.); – „Der sensitive Mensch und sein Verhalten zum Ode“, 2 Bde. (ebd. 1854, 8°.); – „Köhlerglaube und Afterweisheit, C. Vogt zur Antwort“ (Wien 1855, 8°.); – „Wer ist sensitiv, wer nicht?“ (ebd. 1856); – „Odische Erwiderungen an die Herren Fortlage, Schleiden, Fechner und Carus“ (ebd. 1856, 8°.). Von seinen zahlreichen, in verschiedenen Fachblättern abgedruckten Abhandlungen sind anzuführen in Schweigger’s Journal: „Beitrag zur näheren Kenntniß der trockenen Destillation organischer Körper; Entdeckung des Paraffins“ (LIX, 1830); – „Erste Fortsetzung, [175] das Naphtalin“ (LXI, 1831); – „Zweite Fortsetzung, das Paraffin“ (ebd. Und LXV, 1832); – „Dritte Fortsetzung; Kritik der von Unverdorben dargestellten Körper Odonin, Animin, Olanin, Ammolin, Krystallin und Fuscin“ (ebd., LXI u. LXII, 1831); – „Vierte Fortsetzung; das Eupion“ (LXII, 1831, u. LXVI, 1832); – „Fünfte Fortsetzung; das Vorkommen des Cholesterins im Thiertheer“ (LXII, 1831, u. LXVI, 1832); – „Sechste bis neunte Fortsetzung; das Kreosot“ (LXV u. LXVI, 1832; LXVII, 1833); mit Zusätzen von Schweigger-Seidel auch selbstständig erschienen (Leipzig 1835); – „Zehnte Fortsetzung; das Pittacall“ (LXVIII, 1833); – „Eilfte Fortsetzung; einige Beispiele schätzbarer Heilkräfte des Kreosots“ (ebd.); – „Zwölfte Fortsetzung: Laurent’s Naphthalin und Dumas’ Paranaphtalin“ (ebd.); – „Dreizehnte und vierzehnte Fortsetzung; das Picamar“ (LXVII u. LXVIII, 1833); – „Fünfzehnte Fortsetzung; über die Heilwirkung und Bereitung des Kreosots“ (LXVIII, 1833); – „Sechszehnte Fortsetzung; das Steinöl“ (LXIX, 1833); – „Siebzehnte Fortsetzung; der Mesit“ (LXIX, 1833); – „Achtzehnte Fortsetzung; der Holzgeist“ (ebd.); – in Erdmann’s Journal: „Ueber das Kapnomor“ (I, 1834); – „Ueber das Eupion“ (ebd.); – in Berzelius’ Jahresbericht (XV, 1835): „Das Cedriret“; – in Baumgartner’s Zeitschrift (III, 1835): „Der Meteorsteinfall bei Blansko“; – in Liebig’s Annalen (XLIX, 1844): „Ueber die Röstung organischer Körper; das Assamar“; – in Poggendorff’s Annalen: „Ueber Runge’s Kyanol- und Carbolsäure“ (XXXI, 1834); – „Ueber Eupion und Bergnaphta“ (ebd. XXXVIII, 1836); – „Ueber Blitz und Donner“ (ebd. XLIII, 1838); – „Ueber den Meteorsteinfall zu Ivan in Ungarn“ (ebd. LIV, 1841); – „Ueber Meteorstein-Analysen“ (ebd. LXXIX, 1850); – „Ueber die Meteoriten“, dreizehn Abhandlungen“ (ebd. CI, CII, 1857; CIII, CIV u. CV, 1858; CVI, CVII, CVIII, 1859; CXI, 1860); – in Dingler’s polytechnischem Journal (LXVIII, 1838): „Ueber Zuckerfabrication“. Reichenbach hat an den wissenschaftlichen Bestrebungen der Zeit, in der er lebte, immer den lebhaftesten Antheil genommen und in seinen früheren Jahren sich an den Versammlungen der deutschen Naturforscher und Aerzte betheiligt, und zwar im Jahre 1828 in Berlin; 1829 in Heidelberg; 1830 in Hamburg, wo er der Versammlung die erste Probe seines Paraffins vorlegte; 1832 in Wien; 1833 in Breslau; 1834 in Stuttgart; 1837 in Prag; 1843 in Gratz und nach langer Unterbrechung im Jahre 1862 zu Karlsbad. Noch in seinem hohen Alter, im Sommer 1861, in seinem 74. Lebensjahre, unternahm er eine größere Reise nach Paris und London, um die dort befindlichen Meteoritensammlungen in Augenschein zu nehmen und zu studiren. Seine trotz seinen Verirrungen auf naturwissenschaftlichem Gebiete unbestreitbaren Verdienste um die Wissenschaften wurden in mehrfacher Weise gewürdigt und anerkannt. Im Jahre 1834 bereits verlieh ihm der König von Württemberg den Orden der württembergischen Krone, welcher Verleihung im Jahre 1839 die Erhebung in den Freiherrnstand des Königreichs Württemberg folgte. Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften erwählte R. bereits im Jahre 1848 zum correspondirenden Mitgliede der mathem. naturwiss. [176] Classe, welche Wahl Allerh. am 26. Juni d. J. bestätigt wurde. Ueberdieß war R. Mitglied der geologischen Gesellschaft zu Paris, der naturforschenden zu Halle, der physikalisch-medicinischen zu Erlangen, der westphälischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, des Vereins für Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen, und Correspondent, Mitglied und Ehrenmitglied von vielen anderen naturhistorischen, technischen u. landwirthschaftlichen Vereinen des In- und Auslandes. Die Stadt Stuttgart hat ihn zu ihrem Ehrenbürger erwählt. Mit seiner bereits am 11. Mai 1835 verstorbenen Gemalin hatte er folgende Kinder: Reinhold Timoleon (geb. 7. August 1812), Ehrendoctor der Philosophie und correspondirendes Mitglied der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien, vermält (seit 26. November 1839) zu Frauendorf in Ungarn mit Antonia Isabella geborne von Hauer (geb. 10. Juli 1817); – Karl (geb. 1811, gest. im näml. Jahre); – Emmeline Eunonnia (geb. 5. September 1813, gest. 11. Februar 1826); – Hermine (geb. 5. September 1819), vermält (seit 11. November 1849) mit Karl Schuh, Witwe seit 5. Juni 1863; – Otto Eugen (geb. 9. October 1822, gest. 9. Mai 1850). Seine chemischen Entdeckungen, wie Paraffin[WS 1], Kreosot u. a., seine technologischen Erfindungen sichern ihm eine bleibende Stelle in der Wissenschaft, wenn das „Od“ auch in eine Kategorie mit dem Tischrücken verwiesen werden muß, und seine Ansichten über die Meteoriten mehr Zeugniß von seiner lebhaften Phantasie als wissenschaftlichen Unbefangenheit geben.
Reichenbach, Karl Ludwig Freiherr von (Naturforscher, geb. zu Stuttgart 12. Februar 1788, gest. zu Leipzig 19. Jänner 1869). Die Freiherrnwürde unseres Naturforschers gehört der Gegenwart, dem Jahre 1839 an, denn seine Familie ist eine bürgerliche, in welcher aber das Glück eines hohen Alters nichts seltenes ist. Reichenbach’s Urgroßvater war Chirurgus zu Cannstadt, dessen älterer Sohn Leibmedicus des berühmten Soldatenfürsten Karl von Württemberg und zu seiner Zeit berühmt als Arzt. Der jüngere, im Jahre 1810 im Alter von 84 Jahren gestorben, war Regimentsarzt und hinterließ sechs Kinder, nämlich vier Söhne und zwei Töchter, von denen vier im hohen Alter zwischen 80 und 86 Jahren gestorben. Der zweite Sohn dieses Letzteren, nämlich Reichenbach’s Vater, der das Amt eines Bibliothekars und Archivars der Stadt Stuttgart bekleidete, starb im Jahre 1837 gleichfalls als achtzigjähriger Greis. Von den oberwähnten beiden Töchtern, nämlich den Tanten des Naturforschers Karl, heirathete eine den sächsischen Hauptmann Simanowicz und hat ihr Andenken als geschickte Malerin namentlich dadurch sich erhalten, daß von ihrer Hand ein Porträt unseres großen Dichters- Die feierliche Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 31. Mai 1869 (Wien, Staatsdruckerei, 8°.) S. 148–191. Von General-Secretär Schrötter Ritter von Kristelli. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. von Ebersberg (Wien, gr. 8°.) Jahrg. 1838, Bd. I, S. 192. – Schlesische Zeitung (Breslau, Fol.) 1861, Nr. 574, im Feuilleton: „Reichenbach und Od“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1862, Beilage zu Nr. 173: „Sieben Berliner Professoren und das Od“. Von Reichenbach. – Theater-Zeitung. Herausg. von Ad. Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1858, Nr. 155: über seine Schenkung der Meteoriten-Sammlung an die Universität Tübingen. – Zeitung für Norddeutschland 1862, Nr. 4107: „Das Od verurtheilt“. – Neues Wiener Tagblatt 1869, Nr. 28 u. 29, im Feuilleton: „Der Zauberer von Kobenzl“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 188: Die Erklärung der sieben Berliner Professoren Ehrenberg, G. Magnus, Mitscherlich, Poggendorff, Rieß, G. Rose und Schellbach, ddo. 31. Mai 1862, durch welche sie die Existenz des Ods als eines neuen selbstständigen Agens bestreiten. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 364. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Joh. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 593. – Wigand’s Conversations-Lexikon (Leipzig, O. Wigand, 8°.) Bd. XI, S. 481. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliograph. Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilg. Bd. V, S. 752, Nr. 3. – Illustrirtes Familienbuch des österreichischen Lloyd (Triest, 4°.) Neue Folge, Bd. IV (1864), S. 229, im Aufsatze: „Der Schwindel in der Wissenschaft“. Von Oscar Schmidt. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) Jahrg. 1863, S. 491 „Odische Begebenheiten zu Berlin im Jahre 1861 und 1862“; – dieselben 1869, S. 110: über Reichenbach’s Aphorismen über Sensibilität und Od“. – Zarncke (Friedrich), Literarisches Centralblatt u. s. w. (Leipzig, Avenarius, 4°.) 1867, Nr. 29, Sp. 801: über seine „Aphorismen“; 1868, Nr. 35, Sp. 947: „Die odische Lohe“. – Porträte. 1) Mit dem Facsimile seines Namenszuges. Nach einer Photographie von Ferdin. v. Küß in Wien lithogr. von Rud. Hoffmann (Wien, George Andre Lenoir, Fol.); – 2) nach einer Photographie von C. v. Jagemann lithogr. von Rud. Hoffmann. Unterschrift Facsimile [177] des Namenszuges (Wien, Druck von J. Haller 1856, Verlag von G. A. Lenoir, (Fol.).
- Wappen. Die Reichenbach’s sind eine altwürttembergische Bürgerfamilie und seit etwa dreihundert Jahren, theils auch noch gegenwärtig in und um Stuttgart wohnhaft. Karl Ludwig wurde laut Diplom ddo. Stuttgart 23. Jänner 1839 von König Wilhelm I. von Württemberg wegen seiner Verdienste um die Naturwissenschaften, besonders um deren praktische Anwendung, in den Freiherrnstand erhoben. Freiherr Karl Ludwig besaß, ehe noch Alles verkauft wurde, die Herrschaften und Güter Gutenbrunn in Niederösterreich, Nisko in Galizien und Reisenberg (gewöhnlich „Cobenzl“ genannt) bei Wien; ferner die Güter und Eisenwerke zu Terniz in Steiermark und bei Gaya in Mähren. – Sein Wappen ist quadrirt, mit einem gleichfalls quadrirten, freiherrlich gekrönten Mittelschilde. Mittelschild. 1 in Schwarz ein freies, an den Enden etwas verbreitertes hohes silbernes Kreuz (Passionskreuz), dessen Pfahl viermal und beide Querarme je einmal mit einem mit rothen Röschen durchflochtenen Kranze schrägrechts umwunden sind; im 2. und 3. rothen Felde sind ein mit der Spitze links aufwärts gekehrter unbefiederter silberner Pfeil, der aus einem rechts unten befindlichen siebenstrahligen silbernen Stern emporschnellt (soll eine Sternschnuppe andeuten), und ein golden gefaßtes blankes Schwert schrägekreuzweise gelegt; 4: in Schwarz eine querliegende, mit der Krone nach rechts gekehrte goldene Hirschstange von vier Enden. Hauptschild. 1 u. 4: in Gold drei schrägrechte ausgeschuppte blaue Balken, von denen jeder der Länge nach mit drei gerichteten und die Hörner aufwärts gekehrten silbernen Halbmonden belegt ist; im 2. u. 3., mit einem schmalen silbernen Rande umgebenen rothen Felde erscheint ein freier, den Elbogen abwärts gekrümmter, golden gekleideter Arm mit eben solcher Achselpusse und ausgezacktem Aufschlage, welcher auf der bloßen Faust einen rechtsgekehrten, aber nach links zurücksehenden natürlichen Falken, dessen Klauen durch ein blaues Band mit herabhängenden Enden gefesselt sind, sitzen hat. Auf dem Schilde ruht die Freiherrnkrone, darauf drei gekrönte Helme mit rechts rothsilbernen, links blaugoldenen Decken. Der erste trägt einen einwärts gewandten geschlossenen goldenen Flug, dessen vordere Hälfte mit den drei von den Halbmonden belegten blauen Schrägebalken überzogen ist; der zweite Helm trägt eine schwarze und eine silberne Straußenfeder, beide auswärts geneigt; und der dritte den rechtsgekehrten und links zurücksehenden Falken zwischen einem rothen und einem blauen Büffelshorne. Schildhalter: Zwei silberne Drachen mit beiderseits ausgebreiteten Flügeln; jeder derselben windet sich dreimal aufwärts um den langen silbernen Stiel einer „Bergparte“ mit oben auswärts geneigter silberner Krampenspitze, während unten die Schwanzspitzen der Drachen durch ein um dieselben geschlungenes blaues Band mit der Devise in goldener Lapidarschrift: „Turris veritas“ verbunden sind.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Parafin.