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BLKÖ:Schmidt, Oscar

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schmiedt, Paul
Band: 30 (1875), ab Seite: 309. (Quelle)
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92. Schmidt, Oscar, auch Eduard Oscar (Naturforscher, geb. zu Porgau 21. Februar 1823). Pfarrerssohn. Als der Vater im Jahre 1829 nach dem Dorfe Ax an der Elbe versetzt wurde, folgte ihm sein Sohn dahin, wuchs daselbst, während er ziemlich unregelmäßig von seinem Vater und dem Schulmeister unterrichtet wurde, mitten unter landwirthschaftlichen Verhältnissen auf und empfing dort aus dem Schaffen und Walten der Natur bleibende Eindrücke. Im Alter von eilf Jahren kam er nach Weissenfels an der Saale, wo er in der dortigen Lehranstalt zum Eintritte in Schulpforte vorbereitet wurde. Diese altberühmte Schule bezog er im Herbste 1836 und verblieb in derselben bis zum Abgange zur Universität im Jahre 1842. Während des sechsjährigen Aufenthaltes in Schulpforte betrieb er mit Eifer das Studium der Classiker und gewann dabei die Ueberzeugung, daß das mit richtigem Tacte betriebene Studium derselben durch andere moderne Bildungsmittel sich nicht ersetzen lasse. Auch der Unterricht in der deutschen Literatur unter dem damals in seiner Blüthe stehenden Koberstein wirkte fesselnd und anregend auf sein Gemüth, wie denn auch die Mathematik unter der Anleitung Jacobi’s, der ihm und noch zweien Freunden über ein Jahr lang Privatunterricht in der Differential-Rechnung ertheilte, für ihn ein mehr als vorübergehendes Interesse gewann. Im Jahre 1842 ging er nach Halle, um an der dortigen Hochschule Mathematik zu studiren, zugleich aber das Jahr als Freiwilliger abzudienen. Die Beschäftigung in letzterer Eigenschaft ließ nicht viel Zeit übrig zu ernsten Studien, und von Halle begab sich S. im Herbste 1843 nach Berlin, wo sich ihm das Leben mit seinen verlockenden Schätzen, wie Kunst, Musik und Theater, vollends erschloß. Die bisher eingeschlagene mathematische Richtung mußte bald, ohne eben ganz verlassen zu werden, einer andern, der naturwissenschaftlichen, weichen. Lichtenstein, wie S. selbst mittheilte, öffnete ihm mit großer Liberalität die zoologischen [310] Sammlungen, Ehrenberg zog ihn in sein Haus und gönnte ihm, ihn auf seiner wöchentlichen Excursion zum Fange von Infusorien und anderem kleinen Gethiere zu begleiten, Johannes Müller nahm ihn auch allmälig unter die Zahl seiner Jünger auf, gegen die er mittheilsam und von hinreißender Liebenswürdigkeit und Anziehung war. Durch die Liberalität eines Oheims gelangte er in den Besitz eines Mikroskops, und so konnte er denn schon vom Jahre 1845 an oft auf Ehrenberg’s Arbeitszimmer beobachten und selbständig zu arbeiten anfangen. Die erste Frucht war eine kleine Untersuchung über die einheimischen Naiden und, als von Siebold’s vergleichende Anatomie erschien, eine Vertheidigung der Ehrenberg’schen Darstellung des Baues der Räderthiere. Um für’s Leben einen Anhalt zu haben, machte er das Oberlehrer-Examen. Nachdem er es gut bestanden, bewarb er sich um mehrere Stellen, aber vergeblich, so daß er den Entschluß faßte, sich ganz und entschieden der Universitätslaufbahn zu widmen. Im Sommer 1847 habilitiere sich S. in Jena, der dortige Zoolog Voigt kam ihm freundlich entgegen, auch stand ihm zur Benützung für die Vorlesungen die großherzogliche Sammlung offen. Als Voigt einige Jahre später starb, übertrug man Schmidt, der im Jahre 1848 zum Extraordinarius befördert worden war, die Direction der zoologischen Sammlung mit 100 Thalern Gehalt. In Jena herrschte übrigens damals ein geselliges und wissenschaftlich anregendes Leben. Schleiden stand auf der Höhe seiner akademischen Thätigkeit. Ein naturwissenschaftliches Kränzchen, an welchem manche nicht unbedeutende Forscher theilnahmen, versammelte sich von Zeit zu Zeit und weckte den Eifer unter den Jüngeren; nur die knapp zugemessenen Geldmittel der Universität gestatteten es dem wissenschaftlichen Leben nicht, sich nach Möglichkeit zu entfalten, und so geschah es denn auch, daß, als Minister Bach seit 1849 deutsche Gelehrte nach Oesterreich zog, Schmidt, dem die Professur der Zoologie in Lemberg oder Krakau angetragen wurde, sich für letztere entschied und im Jahre 1855 sein Lehramt an derselben antrat. Nur wenige Jahre sollte es ihm gegönnt sein, dort seine Thätigkeit zu entfalten, denn mit der Ernennung des Grafen Clam-Martinitz zum Statthalter wurde die Germanisirung Galiziens fallen gelassen und die Stellung der deutschen Professoren wurde unter den veränderten Verhältnissen nichts weniger denn behaglich. Schmidt, der sich gleich nach seiner Berufung den Rückzug nach Gratz offen gehalten hatte, kam auch, als ihm die weitere Wirksamkeit an der polnischen Hochschule verleidet worden, im Herbste 1857 an die Hochschule nach Gratz. Daselbst wirkte S. durch volle fünfzehn Jahre und verlebte dort, wie er selbst schreibt, „seine besten Zeiten und Jahre im persönlichen Verkehre mit dem geistvollen Botaniker Professor Franz Unger“. Schmidt war und ist noch in seinem Fache schriftstellerisch thätig. Die Titel seiner theils selbstständig erschienenen, theils in gelehrten Sammelwerken veröffentlichten Arbeiten sind in chronologischer Folge: „Die rhabdocoelen Strudelwürmer (Turbellaria rhabdocoela) des süssen Wassers. Beschrieben und abgebildet“ (Jena 1848, Mauke, gr. 8°., mit 6 lith. u. col. Tafeln); – „Neue Beiträge zur Geschichte der Würmer, gesammelt auf einer Reize nach dem Farör im Frühjahre 1848“ (ebd. 1848, Mauke, gr. 8°., mit 3 lith. u. col. Taf.); – „Bilder aus dem Norden. [311] Gesammelt auf einer Reise nach dem Nordcap im Jahre 1850“ (ebd. 1851, gr. 8°., mit 2 Lith.); – „Handbuch der vergleichenden Anatomie. Leitfaden bei akademischen Vorlesungen und für Studirende“ (Jena 1849, gr. 8°.; 2. Aufl. ebd. 1852, gr. 8°.; 3., vielfach umgearb. Aufl. ebd. 1855); – „Hand-Atlas der vergleichenden Anatomie zum Gebrauche bei akadem. Vorlesungen und für Studirende (Jena 1852, Fol.; 2. Abdr. 1854); – „Neue Rhabdocoelen aus dem nordischen und dem adriatischen Meere“. I. Beitrag (Wien 1852, Lex. 8°., mit 4 (lithochrom.) Taf.), auch in den Sitzungsberichten mathem.-naturw. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften; – „Goethe’s Verhältniss zu den organischen Naturwissenschaften. Vortrag, gehalten im wissenschaftlichen Verein zu Berlin“ (Berlin 1853, Hertz, gr. 8°.); – „Lehrbuch der Zoologie“ (Wien 1854, gr. 8°.); – „Die Entwickelung der vergleichenden Anatomie. Ein Beitrag zur Geschichte der Wissenschaften“ (Jena 1855, Fromman, gr. 8°.); – „Ueber den Bandwurm der Frösche Taenia dispar und die geschlechtslose Fortpflanzung seiner Proglottiden“ (Berlin, 1855, K. Wigandt, gr. 8°., mit 2 lith. Taf.); – „Zur Entwickelungsgeschichte der Najaden“ (Wien 1856, gr. 8°., mit 4 lith. Taf.), auch in den Sitzungsberichten u. s. w.; – „Ueber das Körperchen in der Mikropyle der Najaden-Eier“ (Wien 1857, gr. 8°., mit 1 Taf.), auch in den Sitzungsberichten u. s. w; – „Diagnosen neuer Frösche des zoologischen Cabinets zu Krakau“ (Wien 1857, 8°.); – „Zur Kenntniss der Turbellaria rhabdocoela und einiger anderer Würmer des Mittelmeeres“. II. Beitrag (Wien 1857, gr. 8°., mit 5 lith. Taf.), auch in den Sitzungsberichten u. s. w.; – „Die rhabdocoelen Strudelwürmer aus den Umgebungen von Krakau“ (Wien 1858, gr. 4°., mit 3 lith. Taf.), auch in den Denkschriften math.-naturw. Classe d. kais. Akademie d. Wissensch.; – „Ergebnisse der Untersuchung der bei Krakau vorkommenden Turbellarien“ (Wien 1858, 8°.); – „Vorläufige Mittheilung über die bei Gratz vorkommenden Turbellarien“ (ebd. 1858, 8°.); – „Naturgeschichtliche Darstellungen“ (ebd. 1858, Gerold, gr. 8°.; – „Deliciae herpetologicae musei zoologici Cracoviensis“. Beschreibung der im k. K. Museum zu Krakau befindlichen, von J. v. Warszewicz in Neu-Granada und Bolivia gesammelten ungeschwänzten Batrachier (Wien 1858, gr. 4°., mit 3 lith. Taf.), auch in den Denkschriften u. s. w.; – „Das Elen mit dem Hirsch- und dem Höhlenbären-Fossil auf der Grebenzer Alpe in Obersteier“ (Wien 1859, gr. 8°. mit 1 Taf.); – „Vorläufiger Bericht über die Untersuchung der Bowerbank’schen Spongien“ (ebd. 1859); – „Murmelthiere bei Gratz“ (ebd. 1860, mit 1 Photozinkographie); – „Leitfaden der Zoologie. Zum Gebrauche an Gymnasien und höheren Unterrichtsanstalten (Wien 1860, Gerold, gr. 8°., mit 188 Holzschn.; 2. Aufl. ebd. 1867, mit 192 Holzschn.); – „Ueber das Alter der Menschheit und das Paradies. Zwei Vorträge (Wien 1866, Braumüller, 8°.); – „Ueber Carrolithen und Rhabdoliten“ (ebd. 1870, Gerold, gr. 8°.); – „War Goethe ein Darwinianer?“ (Gratz 1870, Leuschner u. Lubensky, kl. 8°.). Schmidt ist Darwinianer und einer der entschiedensten Verfechter dieser Anschauung, welche jüngst in der einstimmigen Wahl Darwin’s zum auswärtigen Mitgliede der Wiener kaiserlichen Akademie der Wissenschaften eine interessante Bestätigung erfahren hat. Er ist, wie er selbst gesteht, lange widerstrebend Darwinianer geworden. Darob hat er von jener Partei, die zum Syllabus schwört, denunciatorische Angriffe aller Art erfahren müssen, die ihm den Aufenthalt in der freundlichen [312] Murstadt verleiden sollten. Das wollte aber doch nicht gelingen, im Gegentheile, S. gewann die Sympathien der Bevölkerung in so entschiedener Weise, daß er im Jahre 1868 im Wahlbezirke Windisch-Gratz in den steirischen Landtag gewählt wurde. Da erging zu Anfang des Jahres 1872 an ihn der Ruf als Professor der Naturgeschichte an die neugegründete Reichs-Universität in Straßburg. Nachdem Schmidt noch vorher nach Straßburg gereist war, um die dortigen Verhältnisse genau kennen zu lernen, nahm er den Ruf an und ließ sich nicht mehr bestimmen, in Oesterreich zu bleiben, obwohl Alles versucht wurde, ihn der Gratzer Hochschule zu erhalten, wo er bei den Freunden des Fortschrittes als einer der muthigsten Vorkämpfer, bei seinen Schülern als liebenswürdiger Lehrer, im Privatverkehre als Ehrenmann allgemein geachtet und beliebt war. Die Theilnahme über seinen Abgang gab sich in dem Abschiedsfeste kund, das am 11. April 1872 stattfand, an dessen Bankett über 300 Personen, Angehörige aller Berufsclassen, theilnahmen, und bei welchem der Abgeordnete und Landesausschuß Dr. Schlosser im Namen des Landes, der Vice-Bürgermeister Dr. Portugall im Namen der Stadt, Professor Dr. Schenkel, Decan der philosophischen Facultät, im Namen derselben, Professor Schwarz als Vertreter der technischen Hochschule, Dr. Rollett als Fachgenosse und der Curator der Gratzer evangelischen Gemeinde im Namen derselben ihrer Theilnahme über sein Ausscheiden, ihrer Anerkennung über sein verdienstvolles Wirken in allen diesen Sphären als Gelehrter, als Lehrer, als Abgeordneter, als Mitglied der evangelischen Gemeinde beredten Ausdruck liehen. Am folgenden Tage überreichten dem Scheidenden zwölf Professoren der Universität und der Technik im Namen des gesammten Lehrkörpers beider Hochschulen ein prachtvoll ausgestattetes Album. Schmidt selbst aber legte bei dieser Gelegenheit die Motive dar, die ihn bewogen hatten, den an ihn ergangenen Ruf anzunehmen, diese sind: die Begeisterung, die er für die große deutsche Sache empfinde, eine Begeisterung, die mit seinen deutsch-österreichischen Gefühlen sich recht wohl vereinbaren lasse. Im Jahre 1870 erfolgte seine am 21. August genehmigte Wahl zum correspondirenden Mitgliede der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der Wiener kais. Akademie der Wissenschaften.

Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 347; Correspondenz aus Gratz ddo. 19. December; – dieselbe 1872, Nr. 193, in der „Kleinen Chronik“. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 1303; 1872, Nr. 2698, 2742 u. 2968, in den Correspondenzen aus Gratz und in der „Kleinen Chronik“. – Deutsche Zeitung (Wiener Parteiblatt, Fol.) 1872, Nr. 327.