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Aus dem Theaterleben

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Titel: Aus dem Theaterleben
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 719–720
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[719] Aus dem Theaterleben. Eine der populärsten Erscheinungen Berlins war der verstorbene Hofrath „Teichmann“, welcher mehr als vierzig Jahre die Stelle eines Secretairs beim Hoftheater bekleidete und die rechte Hand von vier Generalintendanten war. Wer nur jemals mit der Berliner Hofbühne zu thun hatte, erinnert sich gewiß des kleinen, gefälligen Mannes im schwarzen Leibrock, mit dem rothen freundlichen Gesichte, grauen Haaren und gutmüthigen Augen, der unzählige Geschichtchen und Anekdoten aus dem Theaterleben zu erzählen wußte. Es giebt gewiß keinen Künstler, keinen dramatischen Schriftsteller in Deutschland, der nicht den Hofrath gekannt und mit ihm in Briefwechsel gestanden hat. Männer wie Raupach, Tieck etc. durfte er zu seinen Freunden zählen, und der Letztere besonders [720] gab ihm bis zu seinem eigenen Lebensende vielfache Beweise seiner Achtung. Außer seinen Berufsgeschäften widmete Teichmann seine Mußestunden literarischen Arbeiten, indem er eine „Geschichte des Berliner Theaters seit 100 Jahren“ scrieb. Nebenbei sammelte er auch werthvolle Autographen, darunter Briefe von Schiller, Goethe, Iffland, Heinrich von Kleist, Zacharias Werner, Pius Alexander Wolf und Kotzebue. Diesen höchst werthvollen Nachlaß hat jetzt Franz Dingelstedt bei Cotta in Stuttgart herausgegeben und dadurch einen überaus interessanten Beitrag nicht nur zur Geschichte des deutschen Theaters, sondern unserer Literatur und ihrer Heroen überhaupt geliefert. Vor Allen gewähren diese Briefe von Schiller und Goethe einen besondern Einblick in die dramatische Thätigkeit der beiden Dichterfürsten, in ihre Stellung zum Theater und ihre Verhältnisse zur praktischen Bühne. Wir lernen daraus die rührende Bescheidenheit Schiller’s, sein ideales Streben und auch die wahrhaft geringen Honorare für seine unsterblichen Meisterwerke kennen. Während Kotzebue für seine unbedeutenden Lustspiele „die Organe“ und „blinde Liebe“ von Berlin 222 Thlr. bezog, erhielt Schiller für seine „Maria Stuart“ nur 117, für „die Jungfrau von Orleans“ 107, für die Trilogie „Wallenstein’s Lager, die beiden Piccolomini und Wallenstein’s Tod“ 339 und für seinen „Wilhelm Tell“, der im eigentlichen Sinne Furore machte, nur 131 Thaler für alle Zeiten. – Aus der Geschichte des Berliner Theaters erfahren wir ferner, daß „Don Carlos“ bei seiner ersten Aufführung dem Publicum nicht gefallen hatte; auch Lessing’s „Nathan der Weise“ wurde mit auffallender Kälte aufgenommen und nur einmal gegeben, während „die Räuber“ in demselben Zeitraum zwanzigmal über die Breter gingen. Ein damaliger Kritiker schreibt über den Nathan: „Es herrschte eine feierliche Stille, man beklatschte jede rührende Situation, man munkelte allenfalls von Göttlichkeiten, welche dieses Lehrgedicht belebten, man glaubte, unser Publicum würde das Haus stürmen, aber dasselbe blieb bei der dritten Vorstellung Nathan’s beinahe ganz und gar zu Hause. Die Judenschaft, auf die man bei diesem Stücke sehr rechnen konnte, war, wie sie sich selbst verlauten ließ, zu bescheiden, eine Apologie anzuhören, die freilich nicht für die heutigen Juden geschrieben war, und so fanden sich nur Wenige, denen Nathan behagen wollte.“

Interessant ist ein Besuch Mozart’s in Berlin; kaum ausgestiegen, fragte er den Kellner:

„Giebt’s diesen Abend nichts von Musik hier?“

„O ja,“ erwiderte dieser, „eben wird die deutsche Oper angegangen sein.“

„So, was geben sie denn heute?“

„Die Entführung aus dem Serail.“

„Charmant!“ rief Mozart lachend.

„Ja, es ist ein recht hübsches Stück,“ sagte der Kellner. „Es hat’s componirt – wie heißt er nur gleich?“

Unterdeß war Mozart im Reiserock, wie er war, schon fort. Im Theater blieb er ganz am Eingange des Parterre stehen, um da unbemerkt zu lauschen. Bald freut er sich zu sehr über den Vortrag einzelner Stellen, bald wird er aber auch unzufrieden mit dem Tempo, bald machen ihm die Sänger und Sängerinnen zu viel Schnörkeleien – wie er’s nannte; kurz sein Interesse wird immer lebhafter, und er drängt sich unbewußt immer näher und näher dem Orchester zu, indem er bald dies, bald jenes, bald leiser, bald lauter brummt und murrt, und dadurch den Umstehenden, die auf das kleine, unscheinbare Männchen im schlichten Ueberrock herabsehen, Stoff genug zum Lachen giebt – wovon er natürlich nichts weiß. Endlich kam es zu Pedrillo’s Arie: „Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite,“ etc. Die Direction hatte entweder eine unrichtige Partitur, oder man hatte darin verbessern wollen, und der zweiten Violine bei den oft wiederholten Worten: „Nur ein feiger Tropf verzagt“ Dis statt D gegeben. Hier konnte Mozart sich nicht länger halten, er rief laut mit seiner freilich nicht verzierten Sprache: „Verflucht! Wollt ihr’s D greifen!“ Alles sah sich um, auch mehrere aus dem Orchester. Einige von den Musikern erkannten ihn, und nun ging es wie ein Lauffeuer durch das Orchester und von diesem auf die Bühne: „Mozart ist da!“

Einige Schauspieler, besonders die geschätzte Sängerin Baranius, die die „Blonde“ spielte, wollten nicht wieder auf das Theater heraus; als dies Mozart durch den Musikdirector erfuhr, war er augenblicklich hinter den Coulissen. „Madame,“ sagte er zu ihr, „was treiben Sie für Zeug? Sie haben herrlich, herrlich gesungen, und damit Sie’s ein ander Mal noch besser machen, will ich die Rolle mit Ihnen einstudiren.“