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Aus dem Kriege in Polen

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Titel: Aus dem Kriege in Polen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 720
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[720] Aus dem Kriege in Polen. „Wer bei uns commandirt, muß jeden Augenblick bereit sein, am Galgen sein Leben zu beschließen,“ sagte kürzlich ein Pole, und viele von denen, welche an der Spitze einer Insurgentenschaar stehen, sind Gestalten der großartigsten und ergreifendsten Art.

Narbutt z. B. gehörte zu den Ersten, welche die Nationalfahne in Lithauen erhoben. Er war der Sohn eines ausgezeichneten Geschichtsschreibers Polens, 33 Jahre alt, ein großer, schöner Mann. Er kannte den Krieg, denn nachdem er die Universität verlassen, hatten ihn die Russen zur Armee am Kaukasus, dann, während des Krimkrieges, zu der Belagerung von Kars gesandt. Verwundet kam er nach Lithauen zurück, aber er zögerte nicht, der an ihn gelangenden Aufforderung aus Warschau Folge zu leisten. Anfangs hatte er nur sieben Mann bei sich, aber seine Schaar wuchs schnell, und sie fochten zwei Monate lang die außerordentlichsten Kämpfe, so daß die Russen endlich eine abergläubische Furcht vor Narbutt hegten. Er war binnen wenigen Tagen so populär geworden, daß alle Führer Narbutt genannt wurden. Einmal gab es elf Narbutts. Die Russen glaubten und hofften stets den Echten getödtet zu haben, aber er entging Ihnen stets. Endlich überlieferte ihn Verrath. Er wurde von allen Seiten eingeschlossen und gleich im Anfange des Gefechtes verwundet; aber als er nicht mehr stehen konnte, ließ er sich von den Seinigen tragen, commandirte mit derselben Energie wie sonst und hatte wirklich die feindlichen Linien bereits durchbrochen, als noch eine Kugel ihn traf, diesmal in die Brust. „Mein Gott, ich sterbe für das Vaterland!“ sagte er und verschied.

Man erlaubte einigen polnischen Damen, auf den Kampfplatz zu gehen und der Verwundeten sich anzunehmen, und ein russischer Officier, der Augenzeuge war, erzählt in dem „Russischen Invaliden“: „Unter diesen Damen befanden sich auch zwei Schwestern Narbutt’s, und sie baten, daß man ihnen die Leiche des Bruders ausliefere. Die Jüngste, die ihren Schmerz nicht beherrschen konnte, begann zu weinen, die Aeltere aber suchte sie zu beruhigen und sagte endlich zu ihr: „Schämst Du Dich nicht, vor den Russen zu weinen?“ Einer von uns,“ erzählt der Russe weiter, „fragte eine andere Dame: „Sie hatten wahrscheinlich auch einen Bruder hier.“ – „Alle, die für Polen kämpfen, sind meine Brüder,“ antwortete sie. Dann begannen sie die Verwundeten zu verbinden und die Todten zu begraben.“

Sieratowski hatte lange in russischen Diensten gestanden und seit Jahren Alles aufgeboten, um das Schicksal der russischen Soldaten erträglicher zu machen. Man erkannte auch seine Bemühungen an, und bald nach dem Regierungsantritte Alexander’s II. wurde er als Stabsofficier nach Petersburg berufen. Als die Insurrection ausbrach, nahm er seinen Abschied, um dem Vaterlande zu dienen. Er sammelte eine Schaar, die sich bald bis zu 2000 Mann vermehrte. In einem ungleichen Kampfe traf ihn eine Kugel am Rückgrate, und den Tag darauf wurde er in einem Hause ergriffen, in dem er Aufnahme gefunden hatte. Bei ihm befand sich ein reicher junger Mann, Graf Kossakowsky, der nicht verwundet war und leicht hätte entrinnen können, der aber blieb, weil er, wie er sagte, seinen General im Unglücke nicht verlassen wollte. Sieratowski wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Galgen verurtheilt. Da er aber wegen seiner schweren Wunde sich nicht bewegen konnte, ließ man ihn zum Galgen tragen. Er starb so muthig, wie er gekämpft hatte.

Kaplan im Lager Sieratowski’s war anfänglich Maskiewicz, der jetzt selbst an der Spitze einer Schaar steht und ein wahres Musterbild eines Priesters und Soldaten ist. Er geht gewöhnlich in aufgeschürzter Soutane, mit dem Säbel an der Seite und dem Revolver im Gürtel, während seine jungen Officiere die Czamarka tragen. Ein Freiwilliger, der sich von ihm in die Schaar aufnehmen ließ, schildert ihn als Mann mit gebräuntem Gesicht, etwas vorspringenden Backenknochen, langem braunen Barte, dicken Brauen und runzelreicher Stirn.

„Kannst Du schießen und gehorchen?“ fragte er lakonisch den Freiwilligen.

„Ja.“

„Kannst Du beten?“

„Meine Mutter hat es mich gelehrt.“

„Wirst Du sterben können?“

„Ich habe es noch nicht versucht.“

„Gut!“