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Aus dem „Krugbäckerlande“

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Titel: Aus dem „Krugbäckerlande“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 148–149
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Die Töpferwaren aus dem Westerwald
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Aus dem „Krugbäckerlande“.


Wir wissen aus einem frühern Artikel der Gartenlaube, daß im Thone ein helles, geschmeidiges und Vieles versprechendes Metall wohnt, welches man neuerdings schon in ganzen Barren zur Prüfung vorlegte; ja man kann mit Recht darum behaupten, daß im Thone, in der Lehmgrube ein Silber gegraben werde. – Aber wenn je industriöse Köpfe die schmutzige Thongrube auch in anderer, uneigentlicher Bedeutung zu einer wahren Goldgrube gemacht haben, so gilt dies wohl in keinem Falle mehr von einem deutschen Boden, als von dem Krugbäckerlande, von jenem kleinen Ländchen, wo Tausende von Händen beschäftigt sind, aus der rohen, klebrigen Scholle Gold zu formen.

Es war im Frühlinge verwichenen Jahres, als das mainzer Dampfschiff mich endlich in Bonn an’s Land setzte, von wo ich zu Fuß den Rheingau zu durchwandern gedachte. Mein Weg führte mich auf dem rechten Ufer gar bald in die herrliche Gegend Montabaurs und somit auf nassauer Boden. Als ich über die Vorberge des Westerwaldes an der westlichen Seite desselben hinabgestiegen war, sah ich mich im Ensgergaue, einer Landschaft, die beim genaueren Betrachten einer gewaltigen Ameisencolonie gleicht. Da wühlen und stechen fleißige Hände in dem Boden herum, der weithin der ergiebigste Töpferboden ist. Die Flugtrappformation, die, mit Basalt abwechselnd, im sogenannten hohen Westerwalde vorherrschend ist, hat sich hier, in den Abhängen nach dem Ensgergaue, mit Thonschieferschichten bekleidet. Wo dieser mit Sand und Humus gemengt war, gab er, wie zumeist, wohl einen schweren und fetten, doch ergiebigen Boden. Doch ist die Dammerde häufig durch die mächtigsten Lager von Thonen unterbrochen.

Gerade im engeren Thale setzt sich ein 20–30 Fuß mächtiges Lager auf mehrere Meilen Weite fort. In zehn großen Gruben hat man bis jetzt den unterirdischen Schätzen einen Abfluß verschafft; da stechen und graben, tragen und karren die „Gräber“ zu den Werkhäusern, wo wiederum „Dreher, Former und Kaster“ die Verwandlungen mit den Thonschollen vornehmen. In dem liegenden Ofen wird dann das Steingut gebacken, wie der Nassauer spricht (wir sagen gebrannt), und eben deshalb heißt die ganze, etwas abgesonderte Gegend das Krugbäckerland oder Kannenbeckerviertel. Die Krugbäcker bildeten schon seit alten Zeiten eine gar stattliche Zunft im Lande; in kleinen Städten von kaum einigen Tausenden Einwohnern sitzen ihrer oft 20–25 neben einander; doch ist auch seit dem 1. Juli 1819 die Zunftverfassung aufgehoben und an deren Stelle Gewerbefreiheit getreten. – Weit und breit aber gehen die Waaren.

Fern auf Ungarns Haiden raucht der Czicos oder der Kaneß seinen Knaster aus einem netten Thonpfeifchen. Italien, Frankreich und die Niederlande sind für die irdenen Pfeifen der beste Markt, und oft verdankt der im Schatten eines Palastes ruhende Lazzaroni Neapels ebenso gut wie der keuchende Lastträger in Haag und Rotterdam die Glückseligkeit, die ihm eben sein Pfeifchen giebt, zum großen Theile unseren guten, nassauer Krugbäckern. Ja die große Thonwaarenfabrik von Vingender in Höhr schickte, wie mir ein Factor erzählte, schon seit einigen Jahren Sendungen ihrer Fabrikate bis in’s Yankeeland. Viele Waaren gehen auch trotz der hohen Zölle bis nach Rußland, und zwar nicht blos Pfeifen, sondern auch vorzüglich Blumennäpfe, Fensterterrinen für Schlingpflanzen und steinere Krüge. Seitdem Oesterreich freilich den neuen Zolltarif annahm, hat sich die Einfuhr dorthin um Etwas verringert.

Hast Du ein Mal, lieber Leser, eine selterser Wasserflasche, oder wie’s in Nassau heißt, einen Wasserkrug genauer angeschaut? Gewiß hat Dir die etwas plumpe Form der dickwändigen, schwachglasirten Flasche nicht gefallen; vielleicht meinst Du auch, daß der Thon bei dir zu Lande feiner und nicht so schmutzig grau vorkomme. Aber gerade mit diesem Thone ist der Thonwaarenfabrikation in hiesiger Gegend der rechte Zug gekommen und die Nachbarschaft der Mineralquellen sichert derselben auch die Erhaltung. Nassau hat bekanntlich gegen 140 Mineralquellen, worunter die berühmtesten zu Ober- und Niederselters, Sauerthal, Sauerbornsthal, Schlangenbad, Aßmannshausen, Braubach, Lorch, Burgschwalbach, Marienfels, Nied, Montabaur, Obershausen und Probbach sind.

Wie viele Krüge Selterserwasser mögen nur schon in die Welt verschickt worden sein, seitdem man 1525 schon die Hauptquelle zu Niederselters unweit Limburg entdeckte! Der Hauptkataster einer baumbacher Fabrik versicherte mir, daß diese Quellen und diese Thonlager mehr werth seien und mehr einbrächten als aller Johannisberger, Rüdesheimer und Aßmannshäuser. Ich glaube dem ehrlichen Gesichte recht gern, wenn ich sah, wie gut sich die Leute vom Gesteine zu nähren wußten. In Wahrheit gehen nach statistischen Nachrichten jährlich allein 1,500,000 Krüge mit Selterswasser, etwa 80,000 Gulden an Werth, in’s Ausland. Vom Fachinger Wasser führt man 500,000 Krüge zu 24,000 Gulden Werths aus. Da heißt’s nun freilich, Krüge schaffen, und der außerordentlichste Verkehr darf schon deshalb auf den Taunusstraßen nicht wundern. Die Taunuseisenbahn und die benachbarten Flüsse tragen neuerdings auch zur Verkehrserleichterung das Ihrige bei; eine neue Eisenbahn, längs der Lahn hin, ist projectirt.

Allerdings brauchen nicht alle Quellen die Flaschen in gleicher Menge; einige fast gar nicht, weil sie nicht getrunken werden. Doch kommen auch hier oft noch Probesendungen vor. Und wie viele Krüge erfüllen ihre Bestimmung schon innerhalb der Landesgränzen, seitdem Doctor Gloxinus aus Worms, ehrenwerthen Andenkens, kurz nach dem dreißigjährigen Kriege die hiesigen Bäder in Ruf brachte, einrichtete und zuerst in’s Schlangenbad einlud. – Mit diesen Wässern kommen die meisten nassauer Kannen (Flaschen) nach Frankreich und Deutschland. Das Wasser trinken die Gesunden und die Kranken, die Einen aus Delikatesse, die Andern aus Nothdurft und die Flaschen? – Die Flaschen verbraucht unsere Hausmutter, wenn sie das Bier auf Flaschen füllt und gerade diese starken, plumpen Flaschen mit Vorliebe. Warum? Sie hat denselben Grund, den auch die Versender der Mineralwässer haben, denn diese nehmen nicht blos der Nähe wegen diesen Thon. Wie könnte es sonst auch kommen, daß in fernen Badeörtern diese Flaschen gesucht würden, und sogar große Schiffsladungen des Rohmaterials in’s Ausland gehen? Die Lahn hinunter werden alle Jahre ungefähr eine Million Centner Thonschollen verfahren und seit 1842, wo es 919,125 Centner, und 1845, wo es 975,460 Centner waren, hat sich der Vertrieb immer mehr gesteigert. Viele Centner hinwiederum werden auf der Axe befördert. Nein, der Grund liegt nicht in der Nähe und somit Billigkeit des Materials, sondern in seinen qualitativen Eigenschaften.

Das gemeine Steingut zu diesen Mineralwasser- und Bierflaschen, Milchäschen, Fensterterrinen etc. besteht nämlich aus einem feinen, sehr zähen oder laimigen Thone, welcher Säuren, wenig Eisen und Salze, keinen Kalk, aber ziemliche Beigaben Sand enthält. Insgemein aber enthält der Thon Kalkerde (8–10 %) Bittererde, Kali, Natron, Eisenoxyd, Phosphor- und Schwefelsäure, sowie Chlor, Humus und stickstoffhaltige organische Reste. Gerade diese laimige Consistenz ist’s, welche den eingeschlossenen Wässern und Bieren den Geist erhält und der penetranten Kohlensäure am Meisten widersteht. Unsere guten Hausfrauen haben darum ganz Recht, wenn sie sich ihre Meinung, daß solche Flaschen das beste Bier liefern, nicht streitig machen lassen. Ueberdies verträgt auch diese Flasche aus demselben Grunde, abgesehen von ihrer Stärke, mehr Mißhandlungen, als manche andere eben so starke, aber sprödere.

Der Pfeifenthon, der bei Weitem feiner sein muß, ist ein eisen- und kalkfreier Thon, der im Hofe und in den Werkstuben durch Schlemmen, Einsumpfen, Schneiden und Treten („Walchern“) sorgfältig vorbereitet wird. Er darf keine Körner oder Steinchen enthalten. Der „Roller“ formt sich auf der glatten Tischplatte eine dünne, am Kopfende stärkere Walze, läßt sie kurze Zeit abtrocknen, durchsticht sie der Länge nach mit dem „Weiserdrahte“, legt sie darauf in die geölte, aus zwei Hälften bestehende messingene Form, so daß das dicke Walzenende in den Kopf zu liegen kommt und preßt nun diese zwei Hälften der Form mit der Schraubenpresse fest aufeinander. Die Höhlung des Pfeifenkopfs ist mit einem eisernen, ebenfalls geölten Kegel eingedrückt worden, nachdem man den Draht aus der Röhre etwas zurückgezogen hat. Besondere Aufmerksamkeit schenkt man der Mündung der Röhre in den Kopf. Dann nimmt man die Pfeifen am Drahte aus der Form, schabt die vorstehenden „Nähte“ ab, schneidet die Mündung eben und polirt sie halb trocken mit einem Achate. Nun [149] trocknen die Pfeifen auf dem „Dürrbratte.“ Haben sich Roller und Kaster gut zusammen eingearbeitet, so können sie wohl täglich 800 Stück fertigen.

Sind die Pfeifen dann gebrannt (theils in Kästen, welche mit gestoßener und gebrannter Pfeifenerde gefüllt werden, theils nach französischer Manier in Kapseln), so werden sie noch mit einer Art Lack, aus weißem Wachs, Tragant, Seife und Wasser bestehend bestrichen und mit Flanelllappen abgerieben. Dann erst ist die Pfennig- oder Dreierpfeife fertig und würdig, aus so vielen fleißigen Händen in die Hand des Proletariers zu wandern. Die nassauer Pfeifen haben aber schon die englischen, welche doch die ersten waren, zurückgedrängt, trotzdem, daß John Bull es erzwingen wollte und den Thon noch vor einigen Jahren über Cöln und Bonn aus der hiesigen Gegend bezog.

Die eigentlichen „Häfner“, welche nur gemeines Geschirr verfertigen, giebt es auch in ziemlicher Anzahl hier, und es wird gar viel mit Thonschlägel und Töpferscheibe gearbeitet. Aber gar viele Waaren, wie Figuren, Zierkacheln etc. werden in Formen aus Metall oder aus Gyps, wohl auch von Birnbaumholz abgedrückt und es ist überraschend, wie nette und kunstreiche Gebilde der Krugbäcker schaffen kann. Die gemeine Glasur besteht aus Bleiglanz (5/8) und geschlemmtem Lehm (3/8), die feinweiße aber aus Sand, welcher auf der Glasurmühle fein gemahlen worden ist. Die farbigen Glasuren, so wie die farbigen Zeichnungen erlangt man meist durch metallische Zusätze, grün z. B. durch Kupferasche, braun durch Hammerschlag, dunkelgelb durch Schwefelantimon, blau durch Zaffer (Saflor, d. h. hier geröstetes Kobalterz, mit Quarzpulver vermischt), weiß durch Zinnoxyd. Diese Farben werden theils vor, theils und besser nach dem Glasiren aufgetragen und dann die betreffenden Gefäße nochmals gebrannt. – Auch glättet man Speise- und Trankgeschirre oft mit calcinirtem kohlensauern Natron, dem feiner Sand und Kreidepulver beigemischt ist; auch Flußspathpulver hat dabei eine zweckmäßigere Anwendung gefunden als früher, wo man es genoß, und man hat den Vortheil, eine bleifreie, bessere Glasur zu bekommen. Die Oefen sind länglich viereckig und nur flach gewölbt und sind in den inneren Raum oder „Ständer“, wo die zu brennenden Gefäße stehen, und in den äußeren Raum, oder die „Feuerkammer“ abgetheilt. Die Einsetzöffnung wird zugemauert, die Geschirre müssen glühen und erst nach dem Erkalten nimmt man sie heraus. Die Mineralflaschen werden meist während ihres Tage langen Brennens durch hineingestreutes, verdampfendes Salz oder feingepulverte Schlacken glasirt.

Interessant ist ein Stündchen Aufenthalt in der Fabrik des Herrn Knödchen in Baumbach. Hier bäckt man alle Jahre ganze Schaaren von „Biertöpfchen,“ welche vorzüglich in’s gesegnete Bierland Baiern, ebenfalls zahlreich aber nach Sachsen, Thüringen, und trotz der almeroder Fabrikation, nach Hessen gehen. Welche Heerschaaren von Töpfchen! Mir fiel dabei, indem ich an die Bocksaisons dachte, das Wort meines alten Lehrers ein: „In Bechern und Kannen ertrinken mehr Leute, als in allen Meeren.“ – Aber nicht blos Krügel bäckt der Mann; nein, auch Kannen, Eimer, Fässer sogar; Fässer für Sauerkraut, Butter, Fleisch, Wein und Wasser; nicht der Klempner schlägt ihm mehr seine Dachrinnen, und nicht mehr Meister Brunnengräber bohrt ihm seine Wasserröhren aus, nein, er bäckt sie sich und Anderen. – Wunderbar, wie schnell ein Handelsartikel oft breit greift! Knödchen’s Fässer gehen stark nach dem Süden, nach Italien, und die Leute danken es dem deutschen Töpfer, daß sich ihre Waare in dem Fasse frisch und lange hält. Schmeckt’s doch auch weit besser aus dem „steinernen Geschirre,“ als aus dem Lederschlauche oder dem hölzernen Zuber, und wäre man Etwas eitel, so könnte man dem Kaiser Tsching-f-ang oder dem Böotier Tychus (den angeblichen Erfindern der Schlauchbereitung) den Triumph streitig machen. Diese Geschirre, so wie die nassauer Pfeifen haben darum aber auch, was nicht minder sagen will, in der großen Welthalle zu London ihre Anerkennung gefunden.

Der Großhandel mit diesen Waaren ist jetzt, wo Straßen und Eisenbahnen die Verbindungen directer machen, nicht mehr einzig und allein über die benachbarten Großstädte im Gange; jedoch führen ihn Frankfurt, Mainz, Koblenz und Köln noch zum großen Theile.

Aber solch’ ein Kulturbildchen im deutschen Vaterlande bleibt nicht immer versteckt. Da ist der große, adelnde industrielle Geist der Gegenwart herangetreten, der mit der Nützlichkeit auch die Schönheit vereinbaren will und hat gezeigt, daß bei aller Dauerhaftigkeit des Stoffes und bei aller Wohlfeilheit desselben, „die plumpe Massigkeit nicht jenen Gefäßen wesentlich innewohne.“ Die Regierung hat diesen Tadel vernommen und beherzigt; sie hat Gewerbschulen errichtet; sie nimmt lediglich Rücksichten auf diese Fabrikation; sie sorgt für gute Formenschneider, und es ist nicht zu leugnen, die Erfolge sind sichtlich, der gute Geschmack zeigt sich in den Zierrathen der Oefen, sowie in ganz neuen, freieren Figuren. Saubere Kunstsachen gehen aus der einfachen Töpferwerkstätte hervor; die Kunst ersteigt aus dem formlosen Thon- und Lehmklumpfen. Für wenige Kreuzer oder Dreier kann man nürnberger Künstlerbecher, Büsten der Großen unserer Nation, Jagdstücke, Blumen, ja Nachbildungen des kölner Domes als Trinkkrüge bekommen. Ja, der Humor bildete den wandernden Töpfer mit seinen Töpfen und Kannen und rohen Thonschollen schon selbst ab, wie er, gleich dem Tyroler oder dem Schwarzwälder oder dem Erzgebirger in’s weite Land hinauszieht, um in dem Auslande die Erzeugnisse seines lieben Westerwaldes feil zu bieten; und dabei ist dem friedlichen Völklein dieser Goldmacher in einem Winkel des deutschen Vaterlandes ein froher Muth und ein rechter Stolz auf ihre Heimath angeboren, auf ihr liebes „Krugbäckerland.“ –
St.