An den Kardinal von Prato
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I. An den Kardinal von Prato.
(1304.)
Dieser dem Dante nicht ausdrücklich beigelegte Brief ist im Namen des Anführers, Alessandro da Romena, des Rathes von zwölf Personen, zu denen Dante selbst gehörte, und der Gesammtheit der aus Florenz vertriebenen Weißen an den Kardinal Nikolaus von Ostia, Albertini aus Prato, gerichtet. Dieser Kardinal war von dem erst am 22. Oktober 1303 zum Pontifikat erhobenen Papst Benedikt XI. zu Anfang des Jahrs 1304 abgesandt worden, um in Toskana, der Maremma und Romagna zwischen Gibellinen und Guelfen, Weißen und Schwarzen, und wie sonst noch die fast in jeder Stadt einander feindlich gegenüberstehenden Parteien hießen, Frieden zu stiften. Er traf am 10. März in Florenz ein und wußte sich schnell fast unbedingtes Zutrauen zu erwerben; bald aber verbreitete sich das angeblich durch untergeschobene Briefe genährte Gerücht, daß er die verbannten Weißen zum Schaden der in Florenz zurückgebliebenen Schwarzen begünstige; und nachdem er sich am 8. Mai zu einer Reise nach Pistoja hatte bereden lassen, gelang es ihm nicht mehr, in Florenz Aufnahme zu finden. Der gegenwärtige, vermuthlich im März 1304, und zwar vom oberen Arnothal, wohin die Mehrzahl der Verbannten sich geflüchtet, geschriebene Brief nun läßt uns glauben, daß der von den Schwarzen dem [164] Friedensstifter gemachte Vorwurf schwerlich ein ganz unbegründeter war. Es ergibt sich daraus, daß der Kardinal seine Thätigkeit mit der Sendung eines Frater L. an die verbannten Weißen begonnen und ihnen dabei brieflich volle Wiedereinsetzung in ihre älteren Rechte und Reorganisation ihres Vaterlandes im Sinne jener Vertriebenen verheißen. So wissen sie denn Worte des Dankes, die ihnen genügend schienen, nicht zu finden, und versichern die Demüthigung ihrer Gegner nur zum wahren Heile ihrer Heimat zu begehren. Zugleich versprechen sie, nach dem Begehren des Kardinals sich aller Feindseligkeiten gegen die Schwarzen zu enthalten und die endlichen Friedensbedingungen allein jenem Vermittler zu überlassen.
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1. Durch heilsame Erinnerungen gemahnt und durch apostolische Sanftmuth aufgefordert, antworten wir nach liebreich von uns gepflogenem Rathe auf den Inhalt der heiligen Worte, welche Ihr uns sandtet, und dafern wir der Läßigkeit oder Trägheit schuldig erachtet würden wegen des Vorwurfs der Verspätung, möge Eure heilige Mildigkeit dem Richterspruche vorwiegen, und in Erwägung, wie viele und welcherlei Berathungen, und Gegenreden, mit Beobachtung der Lauterkeit des Vereines, unsere Verbrüderung bedürfe, um geziemend zu Werke zu gehen, sowie Dessen, was wir berühren, falls wir [165] der gebürenden Eile ermangelt zu haben scheinen sollten, bitten wir, daß die Fülle eurer Langmuth Nachsicht übe, als dankerfüllte Söhne.
2. So haben wir denn das Schreiben der heiligen Väterlichkeit beschaut, das den Beginn Eures ganzen Verlangens ertönen lassend unsre Herzen sofort mit solcher Freude erfüllte, wie sie Niemand mit Worten oder mit Gedanken zu ermessen vermöchte. Denn die Freiheit des Vaterlandes, nach welcher wir mit fast träumerischem Verlangen trachteten, versprechen die Reihen Eures Briefes mehr als einmal mit väterlicher Ermahnung. Und zu welchem andern Zweck stürzten wir uns in den Bürgerkrieg? Was Anderes suchten unsre hellschimmernden Fahnen? Wofür sonst funkelten unsre Schwerter und Geschosse, als daß Diejenigen, welche die Gesetze des Staats in vermessenem Wahne übertreten hatten, ihren Nacken unter das Joch des heiligen Gesetzes beugten und dem Frieden des Vaterlandes sich mit Gewalt bequemten? Denn der rechtmäßige Pfeil unsrer Absicht, der Senne, welche wir spannten, entschwirrend, nichts als die Ruhe und die Freiheit des florentinischen Volkes suchte er, sucht er, und wird sie in Zukunft suchen. Wenn Ihr nun mit Eurem uns so ersprießlichen Wohlwollen wachet, und unsre Gegner, sofern heiliges Vorhaben es will zu dem Geleise edlen Bürgersinnes zurückzuführen beabsichtigt, wer wird da im Stande sein, Euch würdigen Dank zu zahlen? Das werden nicht wir vermögen, nicht Alles, was von Florentinern auf Erden ist. Aber wenn im Himmel Gerechtigkeit ist, um zu lohnen und zu vergelten, so gewähre sie Euch, was Ihr verdient, die Ihr Mitleid gegen eine solche Stadt übt und herbeieilt, die frevelhaften Zwiste der Bürger beizulegen.
Wahrlich, als wir durch den Bruder L., einen frommen und heiligen Mann, und Anmahner zur Einigkeit und zum Frieden, in Eurem Namen bedeutet und inständig aufgefordert wurden, wie denn auch Euer [166] Schreiben dahin lautete, daß wir von jedem kriegerischen Beginnen und Vorhaben abließen und uns ganz in Eure väterlichen Arme würfen, da unterwarfen wir uns als gehorsame Söhne und als Liebhaber des Friedens und des Rechtes mit Niederlegung der Schwerter freiwillig und aufrichtig Eurem Richterspruch, wie es auch der Mund des besagten Bruders L., Eures Boten, verkünden und wie es aus den öffentlichen feierlich ausgestellten Urkunden erhellen wird.
So bitten wir denn Euer gnadenreiches Wohlwollen inbrünstig und mit kindlicher Stimme, daß Ihr auf unser so lange erschüttertes Florenz den Schlaf des Friedens und der Ruhe träufeln, daß Ihr sein Volk immerdar in Euren Schutz nehmen, uns aber, und die mit uns sind, als ein liebender Vater Euch empfohlen haben wollet, die wir so wenig von der Liebe unseres Vaterlandes jemals abgefallen sind, als wir die Schranken Eurer Gebote je zu übertreten gedenken, sondern vielmehr den letztern, wie sie auch lauten mögen, so pflichtmäßig als gehorsam Folge zu leisten verheißen.