ADB:Ziller, Tuiskon
[228] später wurde er Pfarrer in Steinach und zuletzt in Frauenbreitungen. 1831 kam Z. auf das Gymnasium in Meiningen, das er bis zum Jahre 1837 besuchte. Im Herbste dieses Jahres bezog er die Universität Leipzig, um Philologie zu studiren. Er widmete sich unter Gottfried Hermann zunächst den alten Sprachen; dann gab er sich unter Moritz Haupt germanistischen Studien hin; schließlich wandte er sich unter Hartenstein und Drobisch der Herbart’schen Philosophie zu, mit dem Blick auf die akademische Laufbahn, die ihm als höchstes Lebensziel erschien. Doch konnte er zunächst nicht daran denken, da sein Vater 1838 gestorben war und die Pflicht ihm gebot, seiner Mutter bei der Erziehung der übrigen Kinder eine Stütze zu sein.
Ziller: Tuiskon Z. wurde geboren am 22. December 1817 zu Wasungen im Herzogthum Meiningen. Sein Vater war dort Rector der Stadtschulen;1841 unterzog sich Z. der Staatsprüfung, promovirte und übernahm nach beendetem Probejahr eine Lehrerstelle am Gymnasium zu Meiningen. Er unterrichtete in Latein, Griechisch und Deutsch, und zwar bis zum Jahre 1847. In diesem Jahre legte er seine Stelle nieder, um sich auf das akademische Lehramt vorzubereiten. Diese Vorbereitung erstreckte sich einestheils auf Rechtswissenschaft und Nationalökonomie, anderntheils auf Mathematik, Physik, Chemie, Anatomie und Physiologie. 1848 ging er nach Leipzig, um dort seine juristischen Studien fortzusetzen. Vom Wahlkreis Eisfeld in den Landtag gewählt, nahm er regen Antheil an dem politischen Leben seiner Heimath. Mit Rücksicht auf seine Gesundheit legte er jedoch 1850 sein Mandat nieder. Er wurde von einem langwierigen Nervenleiden heimgesucht, das ihn zwang, seine Studien auszusetzen. Wenn auch sein Leiden infolge sorgfältiger Pflege gehoben wurde, so blieb doch als böser Rest eine Schwerhörigkeit zurück, die seiner akademischen Thätigkeit leicht hinderlich werden konnte. 1853 habilitirte er sich in Leipzig mit einer rechtsphilosophischen Abhandlung über Puchta’s Pandecten. Zehn Jahre später hielt er seine Probevorlesung für seine außerordentliche Professur über „die pädagogischen Reformbestrebungen in der Gegenwart nach Herbart’schen Grundsätzen“ (Zeitschrift für exacte Philosophie, IV. Band, 1864). Zwanzig Jahre lang ist Z. außerordentlicher Professor gewesen und außerordentlich war sein Einfluß auf die Entwicklung der pädagogischen Wissenschaft in Deutschland. Am 20. April 1882 starb er mit der sinkenden Sonne. Das „Leipziger Tageblatt“ brachte einen warmen Nachruf von dem Lehrercollegium des pädagogischen Seminars und den Vorständen des Leipziger Local- und des allgemeinen Vereins für wissenschaftliche Pädagogik. In der „Wissenschaftl. Beilage zur Leipziger Zeitung“ errichtete Professor Konrad Hermann dem Verstorbenen ein schönes Denkmal unwandelbarer Freundschaft. Eine Reihe pädagogischer Zeitschriften gedachten des Verstorbenen, so die Deutsch. Blätter für erz. Unt. 1882, Nr. 26; Erziehungsschule 1882, Nr. 9; Allg. d. Lehrerzeitung 1882, Nr. 40 u. 41; G. Wiget, Zum Andenken an Prof. Ziller, Chur 1883, u. a. – Seine Hauptschriften sind folgende: 1856: „Einleitung in die allgem. Pädagogik“; 1857: „Die Regierung der Kinder“; 1865: „Grundlegung zum erziehenden Unterricht“; 1876: „Vorlesungen über allgem. Pädagogik“; 1880: „Philosophische Ethik“. Außerdem gab er mit Allihn die Zeitschrift für exacte Philosophie heraus und redigirte das Jahrbuch des Vereins für wissenschaftliche Pädagogik, nach seinem Tode fortgesetzt von Professor Vogt in Wien (31 Bde.). Kant’s Ausspruch: „Die Pädagogik muß ein Studium werden, sonst ist nichts von ihr zu hoffen“, hat Z. wahr gemacht. Keiner von den Neueren hat das Studium der Pädagogik in so tiefgehender Weise gefördert, als Z. Unter den Schülern Herbart’s steht er nach der pädagogischen Seite hin in erster Linie, weil er nicht nur das Gedankensystem Herbart’s übernahm, sondern es in fruchtbarster Weise fortbaute, indem er die Folgerungen aus den principiellen Grundlagen zog, die Lücken ergänzte und die Theorie der Praxis annäherte. Er hat durch seine Schriften, wie [229] durch seine akademische Thätigkeit die durch Herbart ins Leben gerufene Bewegung in ausgezeichneter Weise gefördert und somit sowohl eine Vertiefung des pädagogischen Studiums herbeigeführt, als auch der Einführung einer rationellen Erziehungs- und Unterrichtsmethode in erfolgreicher Weise vorgearbeitet. Wenn Herbart’s überaus großgedachtes und durch Ethik und Psychologie gut fundamentirtes Gedankengebäude vielfach von der Praxis weit abzustehen schien, so hat Z. die Wege gezeigt, um die reformatorische Kraft der Herbart’schen Pädagogik für unser Schul- und Bildungswesen wirksam zu machen. Ohne ihn wäre der Einfluß Herbart’s auch auf pädagogischem Gebiet wohl langsam dahin gestorben: durch ihn sind die tiefgreifenden Anregungen der Herbart’schen Gedanken ins rechte Licht gerückt und einer gründlichen Fortbildung unterworfen worden, namentlich, was das Gebiet der Didaktik betrifft. Alle neueren Arbeiten von Bedeutung über die Theorie des Lehrplans und die Theorie der Bearbeitung der Lehrstoffe gehen auf Herbart und Z. zurück, müssen mit ihnen sich auseinandersetzen. Ziller’s Hauptschriften sind wiederholt aufgelegt worden und üben fortwährend noch ihre Wirkung aus. So lebt er unter uns noch fort. Mit seiner schriftstellerischen Thätigkeit verband sich seine Thätigkeit als akademischer Lehrer. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag im „Pädagogischen Seminar“, das er unter großen Mühen und Opfern 1861 ins Leben gerufen und mit einer Uebungsschule verbunden hatte. Auch hierin seinem Meister Herbart getreu suchte er die angehenden Erzieher durch gleichzeitige Einführung in Theorie und Praxis für ihren Beruf vorzubereiten. Daß ihm dies in vorzüglicher Weise gelungen ist, beweist die große Zahl begeisterter Schüler, die auf dem gelegten Grund weiterbauend seine Ideen in alle Lande trugen und zu verwirklichen trachteten. Die Universität Leipzig war unter Z. der Mittelpunkt pädagogischer Arbeit. Ueber die Thätigkeit des Seminars, über Mitglieder u. s. w. giebt die Schrift von Dr. Beyer zuverlässige Auskunft: „Zur Geschichte des Ziller’schen Seminars“ (Langensalza, 1897). Das Verzeichniß der Mitglieder weist 367 Namen auf, unter denen eine große Zahl als pädagogische Schriftsteller, als Docenten an Hochschulen und Universitäten, als Regierungsbeamte, Seminardirectoren und Lehrer die Idee des Seminars und seines Leiters weiter verbreiteten. (Vgl. hierzu die Zusammenstellung der Litteratur in Rein’s Encykl. Handbuch der Pädagogik. Langensalza, Beyer u. S., 3. Bd., S. 486–600.) Leider ist mit seinem Tode diese Pflanzstätte pädagogischer Wissenschaft, deren Bedeutung man erst in späterer Zeit recht würdigen wird, auch zu Grabe getragen worden.