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ADB:Zegenhagen, Johann

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Artikel „Zegenhagen, Johann“ von Wilhelm Sillem in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 764–768, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zegenhagen,_Johann&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:58 Uhr UTC)
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Zegenhagen: Johann Z. (Ziegenhagen), einer der frühesten evangelischen Geistlichen Hamburgs, † daselbst am 17. Januar 1531. Seine Wirksamkeit in Hamburg beginnt in der Fastenzeit 1526. Aus seinem Vorleben ist nur bekannt, daß er im J. 1524, wahrscheinlich aber schon vor der Reformation, Pfarrer an der Katharinenkirche in Altstadt-Magdeburg war. Da ihm aber von seinen Gegnern in Hamburg, auch solchen, die im Rathe saßen, vorgeworfen wurde, er sei ein entlaufener Mönch, ein Schmiedeknecht, der aus allen Landen, auch zu Magdeburg, wo er Aufruhr und Zank erregt hätte, verjagt wäre, so ist dagegen zu constatiren, daß in der Darstellung der „Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg“ von Fr. Hülße (Magdeburger Geschichtsblätter 1883, S. 209–370) nichts derattiges über Z. berichtet wird. Wir hören nur, daß, als schon in drei Kirchen evangelisch gepredigt wurde, unter den anderen Gemeinden zuerst die von St. Katharinen „einen Prädikanten annehmen wollte, der ihnen das Wort Gottes lauter und klar öffentlich nach der apostolischen Weise mit dürren Worten auszuschreien vermöchte und sich des [765] Evangeliums gar nicht schämte“ (S. 251). Ob sich dieser Wunsch erfüllt hat, wissen wir nicht; er wurde aber wohl befriedigt, „da jedenfalls nicht lange darauf der Pfarrer an St. Katharinen, Ziegenhagen, und sein Kaplan Bode sich entschlossen, selbst jenem Wunsche zu willfahren und zu der neuen Lehre übertraten“. Und wenn nun auch der Herausgeber der Magdeburger Chronik von Sebastian Langhans einen von diesem berichteten Vorgang erläuternd so deutet, als ob Z. derjenige gewesen ist, der den Pöbel gegen den katholischen Propst des Lorenzklosters aufgehetzt habe, so ist bei dieser Erläuterung wol übersehen worden, daß Langhans ausdrücklich und mehrfach den ‚Kaplan‘ von St. Katharinen, und nicht den ,Pfarrer‘ als den Urheber dieser Rohheit nennt (s. Hertel, Historia des … Seb. Langhans, in den Magdeb. Geschichtsbl. 1893, S. 297 Anm. 6 u. S. 300 ff.). So viele Streitschriften auch in jenen Jahren in Magdeburg erschienen, so viele bedenkliche Ausschreitungen auch Seb. Langhans, der Anhänger der alten Kirche, mit Nennung der Uebelthäter seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen anvertraut hat, so wird Z. doch nirgends genannt. Ist demnach nun zu vermuthen, daß Z. in der Zeit von 1524 bis 1526 in aller Stille und bescheiden, eher zurückgezogen als sich vordrängend seines Kirchenamts gewaltet habe, so wird diese Annahme auch bestätigt durch die Auskunft, die der Rath zu Magdeburg dem zu Hamburg am 14. August 1526 ertheilte, indem er schrieb: „Z. hat sich in Magdeburg aufrichtig gehalten, als wir nicht anders wissen, und rechte Kundschaft gegeben. Wir zweifeln nicht, daß durch Z. das göttliche Wort werde recht gepredigt, angenommen und als das höchste Gut geachtet werden“. Ungefähr zur selben Zeit, da Z. sich der evangelischen Lehre zuwandte, machte sich in Hamburg, besonders in der Nicolaigemeinde, das Verlangen nach einem evangelischen Prediger energisch geltend, und sie erwählte keinen Geringeren als Bugenhagen 1524 (nicht erst 1526) zum Kirchherrn d. i. Hauptpastoren an St. Nicolai. Der Rath, noch in vielen Mitgliedern der alten Lehre ergeben, verbot freilich die Herkunft Bugenhagen’s; aber zu Anfang des Jahres 1526 konnte er es nicht mehr hindern, daß die Katharinengemeinde Z. aus Magdeburg zunächst nur als Prädicanten berief. In der Fastenzeit ist er in Hamburg eingetroffen und bezog nicht die Wedem, das Pastorat, sondern wurde von Tole Anckelmann aufgenommen, einem der angesehensten Kaufleute, die schon 1517 den „allgemeinen Kaufmannsrath“ gebildet hatten. Außer Z. war damals nur Stephan Kempe (s. A. D. B. XV, 599) als evangelischer Prediger hier thätig, der seit drei Jahren viele Bürger um seine Kanzel im Maria Magdalenenkloster versammelt hatte. Kempe hatte in den Fastenpredigten 1526 auch gelehrt, daß die Austheilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt abgekommen wäre, und es wäre nicht unbillig, diese wieder einzuführen. Mit dieser Unterweisung hatte er sich begnügt. Z. aber scheute sich nicht, in seiner Kirche das Abendmahl der Einsetzung gemäß auszutheilen und die Beichtenden zu absolviren, ohne die gewöhnlichen Bußwerke vorzuschreiben, wie er es schon in Magdeburg gehalten hatte. Denn dort war in seiner Kirche so zuerst das Abendmahl gefeiert worden (s. Hülße a. a. O. S. 279). Aber nach etwa vierzehn Tagen verbietet der Rath Z. das Predigen und nach mancherlei fruchtlosen Verhandlungen zwischen den Bürgern, die Z. behalten wollten, und dem Rath, befiehlt dieser ihm, binnen drei Tagen die Stadt zu verlassen und fordert auch Anckelmann auf, sich zu verantworten, weil er gegen den Rath geredet und Z. beherbergt hätte. Dieser Befehl gegen Z. rief aber unter den Bürgern eine vom Rath schwerlich erwartete Aufregung hervor. Die übrigen städtischen Gemeinden nahmen sich der Katharinengemeinde an. An einem Sonntage, am 6. Mai versammelten sich nach einer von Stephan Kempe gehaltenen Predigt 400 Bürger im Lectorium des Klosters, um sich über den Schritt [766] des Raths zu besprechen und am folgenden Tage erwählten 2000 auf dem „gemeinen Saal“ erschienene Bürger zehn Mann aus jedem der vier Kirchspiele, um den Rath nach der Ursache von Zegenhagen’s Ausweisung zu fragen. In seiner Antwort äußerte der Rath die schon oben erwähnte Beschuldigung, Z. sei ein verlaufener Mönch, ein Schmiedeknecht u. s. w. Es ist offenbar, daß der Rath dasjenige von Z. behauptete, was mit Recht von unberufenen, zum Theil mit Karlstadt und Münzer geistesverwandten Mönchen und Gesellen, die in Magdeburg zu predigen angefangen hatten (s. Hülße a. a. O. S. 355), behauptet werden konnte. Der Kirchengeschworene von St. Nicolai, Joachim Wegedorn, vertheidigte Z. gegen diese Vorwürfe und nach vielem Hin- und Herreden erlaubte der Rath, daß Z. nicht nur in der Katharinenkirche predigen dürfe, sondern auch anderswo nach dem Gefallen der Bürger. Bald darauf im Sommer, als eine pestartige Epidemie in Hamburg herrschte, ergab sich eine triftige Veranlassung, Z. in der Nikolaikirche predigen zu lassen. Nachdem nämlich der Hauptpastor derselben, der bejahrte und angesehene Domherr Kissenbrügge, auf dies Amt verzichtet und als Vicepastor den Caplan Sendenhorst eingesetzt hatte, hatte dieser in der Stunde der Gefahr bei Nacht und Nebel die Wedem verlassen und war aus der Stadt gewichen. Da Niemand an der Kirche war, um die Kranken des Kirchspiels zu trösten, wurde Z. als Prädicant an Nicolai angestellt, während an Katharinen ein anderer evangelischer Prädicant, Güstrow, ihn ersetzte. Indeß diese vorläufigen Zustände konnten auf die Länge nicht so fortbestehen. Dazu kam die Wirkung der Verhandlungen des Reichstags zu Speier, wo die Städte schon am 30. Juni erklärt hatten, daß Gottes Wort nach rechtem Verstand erklärt und gepredigt werden solle und es nicht möglich sein würde, die sogen. Ceremonien fortan gleichmäßig zu beobachten. Dieser Stimmung entsprechend wählten nun die erbgesessenen Bürger und Kirchengeschworenen von Nicolai am 22. September 1526 Z. zu ihrem Kirchherrn. Er war der erste evangelische Hauptpastor in Hamburg. Es spricht für Z., daß, als ihm die Wahl angezeigt wurde, er seinen Wählern zu bedenken gab, daß er weder Doctor noch Magister wäre; sie könnten vielleicht jemand finden, der ihnen besser genüge; er könne auch das Amt nur annehmen, wenn er die Freiheit hätte, zu thun, was das Evangelium fördere. Wol mit Bezug auf die Ceremonien äußerte er, er wolle nicht gebunden sein zu thun, was das Evangelium hindere. Noch aber stand die Bestätigung der Wahl durch den Rath aus. Bürgermeister Gerdt vom Holte legte sein Veto ein und am 29. September erklärte der Rath den Wählern, der Einspruch wäre erfolgt, weil Z. die Ceremonien großentheils nicht halten wolle. Bei den nachfolgenden Verhandlungen zwischen dem Rath und den Wählern trat nun wieder der Kirchengeschworene Wegedorn warm und überzeugend für Z. ein, so daß der Rath endlich erklärte, um den Bürgern zu gefallen, wollten auch die Kirchspielherren, d. h. die im Kirchspiel seßhaften Rathmannen Z. bis Ostern als Kirchherrn behalten. In den Fasten aber wolle man sich berathen, ob Z. noch länger Hauptpastor bleiben solle. Da der Speirer Reichstag über die Ceremonien keine verbindlichen Beschlüsse gefaßt hatte, so war es vorauszusehen, daß die Beobachtung oder Verwerfung derselben Anlaß zu Mißhelligkeiten geben würde. So auch an St. Nicolai. Um Weihnachten weigerten sich die Commendisten und Vicare im Chor der Nicolaikirche zu erscheinen, in der Voraussetzung, daß, weil nun die gewohnten lateinischen Festgesänge ausfallen müßten, das Volk gegen den neuen Kirchherrn erbittert sein würde. Allein das Gegentheil war die Folge. Z. stimmte mit seinen Caplänen, dem Küster und den Schulkindern die Festgesänge mit allen dem heiligen Tage gebührenden an. „Wozu brauchen wir so viele Pfaffen“, äußerte die Gemeinde, „wenn so wenige Personen die Sache ausrichten können?“. Als nun [767] die Vicare in den folgenden Tagen sich wieder einstellten, um die Vigilien und Seelenmessen zu halten, wofür sie aus den Memoriengeldern honorirt wurden, verweigerte ihnen Z. den Eintritt ins Chor; denn, wenn sie zu Weihnachten die Gesänge von Christi Geburt zu Gottes Ehre nicht hätten singen wollen, so sollten sie jetzt auch nicht um ihres Bauches willen die Seelenmessen halten. Damit fiel eine ganze Reihe von Ceremonien, deren Beobachtung der Rath gefordert hatte, von selbst hinweg. Und die Unterlassung der lateinischen Messe bestärkte Z. nur in der evangelischen Abendmahlsfeier. Wenngleich nun auch eine zweite Pfarrkirche, die zu St. Jacobi, bald nach Zegenhagen’s Wahl einen evangelischen Kirchherrn in Joh. Fritze aus Lübeck erhalten hatte, und in Katharinen noch der evangelische Vicar Güstrow predigte, so standen doch die Kanzeln und Beichtstühle des Doms und der beiden andern Pfarrkirchen sowie die zahlreichen Capellen der Stiftungen noch immer den katholischen Geistlichen zur Verfügung. Von diesen eiferte am heftigsten gegen die Neuerungen und ihre Beförderer „der angesehene Domherr Nicolaus Bustorp, der allergelehrteste unter den Predigern des Doms, denn es war kein anderer, der einen Sermon halten konnte wie dieser“, der nun schon dreißig Jahre lang in Hamburg gepredigt hatte. Trotzdem der Rath am letzten Sonntag des Jahres 1526 durch die Geistlichen von allen Kanzeln sechs Artikel hatte verkündigen lassen, die u. a. die Schmähung von Personen verboten, aber die Predigt dem Worte Gottes gemäß zu halten forderten und, bezeichnend genug, geboten, den gemeinen Mann mit Sanftmuth zu ermahnen, sich nicht mit Gewalt gegen die Ceremonien zu vergehen, hörten die gegenseitigen Anklagen in den Kirchen nicht auf. Daher setzte der Rath auf den 20. Mai 1527 eine öffentliche Disputation zwischen den Gegnern an, in der besonders verhandelt wurde über die gegen Bustorp vorgebrachten Artikel. Hiebei bewährten die drei evangelischen Prediger Z., Kempe und Fritze, daß sie nichts wider Gottes Wort lehrten, womit sie offenbar auf den vorsitzenden Bürgermeister Hohusen einen günstigen Eindruck machten. Wiewol aus dem Bericht über diese Disputation nicht ersichtlich ist, wie weit jeder einzelne der evangelischen Prediger sich betheiligt hat, so ist doch zu vermuthen, daß neben Kempe besonders Z. veranlaßt war, zu reden. Denn ein ausführlicher lateinischer Brief, den schon vor der Disputation Bustorp an Z. gerichtet und in welchem er seine Grundsätze entwickelt hatte, wurde in der Disputation verlesen. Dieser Brief kann als Programm der katholischen Lehrer betrachtet werden. Nach dieser Disputation befestigte sich das Ansehen der Evangelischen. Fritze und Z. konnten im folgenden Winter zur Ehe schreiten, ohne damit Anstoß bei ihren Glaubensgenossen zu erregen. Im März 1528 wurden in den sich selbst ergänzenden Rath mehrere angesehene evangelische Männer gewählt. Da aber die zwiespältigen Predigten besonders im Dom und im Dominicanerkloster die Bürger noch immer in Aufregung hielten, so kam es am 28. April 1528 zu einer zweiten Disputation. Um endlich Friede und Eintracht herzustellen, war bestimmt worden, daß die aus der Stadt weichen müßten, welche ihre Lehre nicht aus dem Worte Gottes bewähren könnten. Der Rath in seiner Gesammtheit unter Hohusen’s Vorsitz und viele vornehme Bürger waren zugegen. Auf Seite der Katholiken waren zu den bisherigen Wortführern mehrere Dominicaner getreten, zu den drei evangelischen Predigern noch der Lesemeister der Franciscaner. Der Bericht über diese Disputation ist ebenso abgefaßt wie der der ersten Disputation ohne Namensnennung der Evangelischen. Nur am Schluß wird Z. besonders genannt, als der Dominicaner Rendsborch plötzlich sich der lateinischen Sprache bedienen wollte, nachdem bisher in deutscher Sprache verhandelt worden war. Der Bürgermeister Hinrich Salsborch, „ein heimlich der [768] Reformation feindlich gesinnter, aber doch gewiß bedeutender Mann“ (Dr. O. Benecke, Dat Slechtbok der Familie Moller. Hamburg 1876, S. 47) bestärkte Rendsborch in seinem Begehren, indem er mit Berufung auf die päpstlichen Rechte erklärte, es sei unziemlich, deutsch vor Laien über Glaubensartikel zu reden. Dadurch gereizt wandte sich Z. an den Bürgermeister mit den Worten: „Wir wissen ganz wohl, Herr Bürgermeister, daß Ihr es mit unserm Widerpart haltet. Beliebt es Euch, so stellt Euch auf ihre Seite. Wir haben es mit Euch gerade so gut wie mit ihnen zu thun“. Uebrigens erklärten Rendsborch’s Gegner, wenn er so gern Latein reden wollte, so würden sie ihm darin nachgeben: sie hätten auch noch so viel gelernt, um das zu können. Das Resultat war ein entschiedener Sieg der Evangelischen (s. A. D. B. XV, 600). Z. hatte unverdrossen und tapfer, besonnen und ohne Ueberstürzung jahrelang neben Kempe allein stehend, für die Reformation gekämpft, deren definitive Einführung durch Bugenhagen er noch vor seinem Ende 1531 (nicht 1529) erlebte.

Nik. Wilckens, Hamb. Ehrentempel. Hamb. 1770, S. 369–375. – Lappenberg, Hamb. Chroniken. – Sillem, Einführung der Reformation in Hamburg. Halle 1886.