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ADB:Zaremba, Felician Martin von

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Artikel „Zaremba, Felician Martin v.“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 696–699, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zaremba,_Felician_Martin_von&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:16 Uhr UTC)
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Zaremba: Dr. Felician Martin v. Z., Basler Missionar, geboren am 15. März 1795 in Zaroy in Polen, † in Basel am 31. Mai 1874, stammte aus einem uralten polnischen Adelsgeschlechte, das vom deutschen Kaiser in den Grafenstand erhoben wurde. Sein Vater war russischer Kürassierrittmeister, zog sich aber auf seine Güter zurück. Seine Mutter, ebenfalls aus altem polnischen Adelsgeschlechte, Sophie Krasinski, starb leider nur zu bald. Auch sein Vater folgte ihr im J. 1803. Z. kam nun unter die Leitung eines Onkels, bei dem er eine zweite Heimath fand. Frühe entwickelte er eine reiche Begabung, zunächst bei einem reformirten Pfarrer, alsdann unter der Leitung eines Hauslehrers. Sein Oheim war ein Lieblingsadjutant des Kaisers Paul gewesen und hatte den Feldzug im J. 1797 mitgemacht, ein Mann von feiner Bildung und gegen seine Untergebenen gütig, was ganz mit dem Sinne Felician’s zusammentraf. „Ein Schmachten und Sehnen nach einem Höheren, einem Reinen, das ich ahnte, überragte von zarter Kindheit an alles andere Bedürfniß und bildete den eigentlichen Charakter in mir“, sagt er in seiner gedruckten Jugendgeschichte. Der treubesorgte Oheim hatte im Sinne, seinen Neffen ins Kadetten- oder Pagencorps zu bringen und war zu diesem Zwecke nach Petersburg gereist, er hatte sich aber dort überzeugen lassen, daß es besser für denselben wäre, sich für den Dienst des auswärtigen Ministeriums auszubilden. Dazu war eine Gymnasial- und Universitätsbildung nöthig. Z. ging nach Dorpat, dieser Burg deutschen Lebens und deutscher Wissenschaft für ganz Rußland. Bei der besondern Begabung für Sprachen – er sprach bereits polnisch, russisch, deutsch und französisch – war es ihm ein Leichtes, Latein und Griechisch sich anzueignen. In fünf Jahren war es ihm gelungen, Gymnasium und Universität zu absolviren. Auf der letzteren hatte er sich auf die Staatswissenschaften gelegt. Ende November 1816 machte er sein Staatsexamen so glänzend, daß er zum Doctor der Philosophie creirt wurde. Der damalige Kanzler Nesselrode nahm ihn in das Reichscollegium der auswärtigen Angelegenheiten. Auch der Graf Capodistria, der das besondere Zutrauen des Kaisers Alexander I. genoß und die Geschäfte mit den auswärtigen Mächten zu besorgen hatte, nahm Z. freundlich auf und übertrug ihm verschiedene Aufgaben, über Seerecht, Consularordnung und drgl. Vor der Welt fing er an, ein gemachter Mann zu werden, aber da trat ganz unerwartet eine Wendung in seinem innern Leben ein, die er selber schildert und die der Mühe Werth ist, gelesen zu werden. Er nennt es „ein Eingreifen Gottes in meinen Gang, unabsehbar folgenreich für mich, ein Geschenk des ewigen Erbarmers“. Er besuchte eines Tags einen Freund, den er über dem Lesen der Bibel traf und der mit begeisterten Worten von der Herrlichkeit dieses Buches redete. Jetzt warf sich Z. ebenfalls in das Studium desselben und da fiel ihm ein, daß ihn einer seiner Lehrer in Dorpat einmal auf die Biographie Jung-Stilling’s, die viele Räthsel auflöse, aufmerksam gemacht hatte. „Dieses Buch wurde in Gottes Hand das Segenswerkzeug für mein Inneres“, schreibt er. Es war an einem Winterabende, da ergriff es ihn innerlich, er vernahm keine Stimme, aber es war ihm gewiß: „Du mußt deine jetzige Stellung verlassen, Gott wird dir zeigen, was du als seine Berufung hinnehmen kannst.“ Er sagt: „Es war nicht ein Rausch der Phantasie, auch nicht eine eigenwirkerische oder erhitzte Schwärmerei.“ Damit hatte er den Weg zu einer hohen Stellung in der Welt aufgegeben und den der Niedrigkeit erwählt. Schon in Petersburg hatte er ein Memoire an [697] den Kaiser eingereicht, von dem er überzeugt war, daß er ihn verstehe. Von seinen Verwandten verabschiedete er sich schriftlich, um keine Einreden hören zu müssen. Wie er ging und stand, machte er sich auf den Weg in das Land, in welchem Jung-Stilling zuletzt gelebt hatte. In Weinheim an der Bergstraße machte ihn ein Enkel Stilling’s auf die Missionsanstalt in Basel aufmerksam. „Es war wie ein Pfeil, der mir ins Herz fuhr: Ja, das ist’s!“ schreibt er. Er ging alsbald nach Basel und ins Haus Spittler’s, wo er eine Liebe fand, wie er sie in dem Maße noch nicht kennen gelernt hatte. Hier kam er, wie er wünschte, zu Leuten, die nach der Bibel lebten.

Er trat nun in die Missionsschule und bei seiner feinen Bildung, seinen ausgebreiteten Kenntnissen und seinem hohen Ernste wurde er bald als der ausgezeichnetste Zögling erkannt. In seiner Demuth unterwarf er sich allen Obliegenheiten wie die übrigen Zöglinge und wollte nichts vor ihnen voraus haben, obwohl man den polnischen Grafen an seinem feinen Benehmen und seiner geheiligten Liebenswürdigkeit erkannte. Schon im Juli 1821 konnte man ihn nach Südrußland aussenden. Während die Missionsgesellschaft in Basel bisher ihre Zöglinge für andere Gesellschaften ausgebildet hatte, that sie jetzt einen Schritt zu selbständiger Mission. Waren doch außer den deutschen Colonieen, welche um Prediger baten, am schwarzen und kaspischen Meere Mohamedaner, Heiden und herabgekommene Christenkirchen, die alle des Evangeliums bedürftig waren. Mit einem andern ihm beigegebenen Zöglinge reiste er nach Petersburg, um die Erlaubniß zu ihrem Unternehmen zu erwirken. Der Cultusminister Gallitzin, ein durch und durch evangelisch gesinnter Mann, und der Kaiser freuten sich des Werkes. Alexander empfing sie selber in einer Audienz und versicherte sie seines Schutzes und der Förderung der Mission unter Heiden und Mohamedanern. In Astrachan, wo schon schottische Missionare gearbeitet hatten, bekam Z. mit seinem Gehülfen bereits einen Vorschmack von dem, was sie in Zukunft zu erwarten hatten, er sagt: „Alles um und um mit der Todesnacht des Un- und Aberglaubens umringt und durchdrungen.“ Die malerisch gelegene Stadt Schuscha fand er mit seinen Collegen am geeignetsten für eine Missionsstation und sah bald ein, daß seine Thätigkeit hauptsächlich auf die Christen des persischen und türkischen Theils des Morgenlandes gerichtet sein müsse. Es wurden bald Wohnungen für die Zwecke der Mission erbaut, und als Z. anfing, Unterricht in russischer Sprache zu ertheilen, stellten sich neben Armeniern auch mohamedanische Geistliche und Gelehrte ein. Er brauchte als Lesebuch das Neue Testament, und trotzdem, daß er Mohamed bloß für einen König, aber für keinen Propheten erklärte, kamen doch genug Mohamedaner. Auch wurde von ihm eine armenische Schule eröffnet. Es war ein großer Mangel, daß die Bibel nur in altarmenischer Sprache, die das Volk nicht verstand, vorhanden war. Zu den vielen Verdiensten, die sich Z. erwarb, gehört auch, daß er dafür sorgte, die Bibel und die Schulbücher in vulgärarmenischer Sprache herauszugeben. Die Stadt Baku am kaspischen Meere, sowie Schamachi wurden ebenfalls ins Auge gefaßt, und es gelang ihm und seinen Mitarbeitern, daselbst Erfolge im evangelischen Sinne zu erzielen. In ihren Tagebüchern finden sich interessante Belege dazu. Namentlich besaß Z. eine ausgezeichnete Begabung, die Seelen mit dem Worte der Wahrheit anzufassen. Dazu kam, daß er sich bald die verschiedenen Volksdialekte aneignete, und alsdann um so leichter mit den Leuten zu verkehren im Stande war. Außer Schuscha jenseits des Kaukasus hatte Basel noch eine andere Station diesseits des Kaukasus, nämlich Karaß. Daselbst arbeitete ebenfalls ein Baseler Zögling Lang, aber abgearbeitet, wie er war, wurde ihm Z. zur Unterstützung geschickt. Während er dort mit Geschick und Erfolg arbeitete, hatte Schuscha schwere Zeit durchzumachen, indem die Perser, [698] nachdem sie schon verwüstend in jener Gegend gewüthet hatten, die Festung Schuscha belagerten, aber von den heranrückenden Russen vertrieben und geschlagen wurden. Die Missionsreise, die er mit dem begabten Missionar Pfander nach Nordosten jetzt unternahm und deren Kosten das Basler Missionsmagazin trug, gehört zu den interessantesten Partien seines Lebens. Kaum war er am Anfang des Jahres 1829 zurückgekehrt, so ließ es ihm keine Ruhe, er machte sich nach Schamachi und Baku auf den Weg und zwar in Begleitung eines bekehrten Armeniers, des Mirsa Faruch, dessen Lebensweg merkwürdig war. An ihm hatte er eine bedeutende Stütze. Zu den anziehendsten Reiseberichten, die Z. geschrieben hat, gehört der nach dem Ararat und in das Kloster Etschmiadzin, wo der sogenannte Katholikos, der Patriarch der Armenier, wohnt. Der Hauptzweck der Reise war, die Genehmigung des Druckes, vorerst des Neuen Testamentes, in der armenischen Volkssprache zu erlangen, aber die Reise war in dieser Hinsicht eine vergebliche, das Volk sollte eben keinen Blick in die verrotteten Zustände der armenischen Kirche erhalten, es sollte im langen Schlafe verbleiben. Wie Z. aber doch die erste Ursache zu der späterhin noch entstandenen, aus Armeniern bestehenden evangelischen Gemeinde in Schamachi geworden ist, das näher darzustellen gehört nicht hierher. Es erhob sich, als christliches Leben unter den Armeniern sich zeigte, ein heftiger Widerstand unter der Priesterschaft, und sie ruhte nicht, bis die russische Regierung unter Kaiser Nikolaus, von einem feindseligen Oberbefehlshaber von Grusien, dem General v. Rosen aufgestachelt, im Jahre 1835 die evangelische Mission aufhob. Gerade hatte sich Z. von seinen Strapazen und der Cholera in Basel erholt und war auf seine Arbeitsstätte zurückgekehrt, als ihn diese Nachricht wie ein Blitz aus blauem Himmel traf. Alle Schritte, die er mit seinen Gehülfen zur Abwendung dieser Katastrophe that, waren vergeblich. Er kehrte tief betrübt, weil ein in Segen stehendes Werk scheinbar vernichtet war, nach Basel zurück, und trat nun einen Beruf an, durch den er dem Werke der Mission außerordentlich genützt hat. Er war eigentlich der erste Missionsreiseprediger, welchen Basel ausgesandt hat. Sehr wahr und bezeichnend sagt der Missionsinspector Josenhans: „Er hat von den Widerwärtigkeiten, die mit diesem Beruf verbunden sind, das Beste, d. h. das Schwerste vorweggenommen und dadurch seinen Nachfolgern den Weg geebnet.“ Fünfundzwanzig Jahre lang ist er diesem Berufe mit Treue nachgekommen. Theils in Kirchen und Versammlungen, theils in Privatkreisen hat er von dem gezeugt, was seines Herzens Trost und Kraft war. Christus der Gekreuzigte, wie der Apostel Paulus es will, trat als Mittelpunkt seiner Vorträge und seiner Gespräche hervor. Wer in seine Nähe kam, wurde von seiner unvergleichlichen Liebenswürdigkeit mächtig angezogen. Als ein solcher Reiseprediger hat er noch einmal sein ihm ans Herz gewachsenes Rußland mit dem Evangelium durchzogen. Als ihm von dem Comité der Antrag zur Reise gestellt wurde, erklärte er, daß er darin die Lösung mancher Dunkelheiten in seinem Leben erblicke. Man konnte sich nur freuen, daß ein Mann in diesem Alter noch eine solche beschwerliche Aufgabe übernahm. Schon Ende Mai 1856 treffen wir ihn auf der Reise nach dem weit hingestreckten Rußland. Fast überall öffneten sich ihm die Pforten der Kirche, war er doch eine überall bekannte Persönlichkeit und ließ Segensspuren zurück. In den Ostseeprovinzen brachten es die auf ihn eindringenden Freunde auch zu Wege, daß er sein interessantes Jugendleben in den Druck gab. Das Nähere aus seiner 3jährigen Reise, von der er im August 1859 zurückkehrte, hat seiner Zeit der in Basel erscheinende Heidenbote gebracht. Z. zog sich nun in sein Standquartier, das die Freundlichkeit des Inspectors mit dem Titel Schuscha beehrt hatte, zurück, aber nicht um zu ruhen, sondern noch immer nach seinen Kräften thätig zu sein, doch vom Jahre 1865 an merkte man deutlich, daß seine Arbeit [699] stillgestellt werde. Es befielen den geschwächten abgearbeiteten Greis solche Schlaganfälle, daß er die Sprache verlor, während sein Geist ungeschwächt blieb. Daß er sich nach Erlösung sehnte, fühlte man ihm an und ist unschwer zu begreifen. Diese fand er denn auch am 31. Mai 1874. Von ihm kann man sagen, was der Dichter Knapp so treffend über den großen Zeugen Ludwig Hofacker in einem kostbaren Liede aussprach: „Für einen ew’gen Kranz mein armes Leben ganz!“

Näheres über ihn: Leben und Wirken des Missionars Dr. Felician v. Zaremba, Basel 1882, von K. F. Ledderhose.