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ADB:Pfander, Karl Gottlieb

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Artikel „Pfander, Karl Gottlieb“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 597–600, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfander,_Karl_Gottlieb&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:21 Uhr UTC)
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Pfander: Karl Gottlieb P., ein Basler Missionar, geb. in Waiblingen in Würtemberg am 3. November 1805. Die Pfander gehörten zu den angesehenen und wohlhabenden Bürgern der Stadt. In den Feierabendstunden erzählte sein Vater, ein gemüthvoller Bäckermeister, gerne von allerlei wichtigen Ereignissen seiner Vaterstadt; Jung und Alt hörte ihm gerne zu. Seine Mutter stammte aus dem nahen, geistlich bedeutsamen Fellbach. Es war eine charaktervolle, willensstarke Frau, die mit kräftiger Hand das Hausregiment leitete. Ihre neun Kinder erzog sie in einem gesunden, frommen Geiste. Nachdem P. die Lateinschule seiner Vaterstadt durchgemacht hatte und confirmirt war, erlernte er das Handwerk seines Vaters, freilich hätte er lieber studirt. Weil er schon von frühe an besondere Gaben zeigte, so brachten seine Eltern den 16jährigen Sohn nach der neu gegründeten Brüdergemeinde Kornthal und übergaben ihn dem dortigen tüchtigen Pfarrer Friedrich zur Erziehung. Hatte er schon im Elternhause viel von der Heidenmission gehört, so las er in Kornthal eifrig das seit 1816 in Basel erscheinende Missionsmagazin. Allmählich entwickelte sich in ihm der Gedanke, selbst Missionar zu werden. Er meldete sich in die Missionsanstalt zu Basel und trat 1821 als frischer 18jähriger Jüngling ein. Bis zum März 1825 lag er seinen Studien daselbst nach Blumhards Zeugniß mit treuem Fleiße ob. Namentlich zeigte sich bei ihm ausgezeichnetes Sprachtalent. Die Basler Missionsgesellschaft [598] hatte schon seit 1823 eine Mission im südlichen Rußland in dem Gedanken angefangen, durch Wiederbelebung der morgenländischen Kirchen, namentlich der armenischen, auf die Missionirung der mohamedanischen Welt hinzuwirken. Bereits war Zaremba mit einem tüchtigen Gefährten (s. Ledderhose, Leben und Wirken des Missionars Zaremba, Basel 1882) nach Südrußland abgereist. Kaiser Alexander I. wie sein trefflicher Minister Galizin brachten diesem evangelischen Missionswerke Verständniß entgegen. Die beiden Männer hatten reiche Erfolge, besonders unter den Armeniern, so daß sie dringend um Mitarbeiter baten. Es wurden ihnen also 2 andere Zöglinge, zu welchen unser P. gehörte, geschickt. Er faßte mit Zaremba sogleich die Missionirung der Mohamedaner in’s Auge, und ließ sich zu dem Zweck neben der armenischen Sprache die Erlernung der türkischen und persischen sehr angelegen sein. Zugleich machte er sich mit dem Koran vertraut. Weil er mit Zaremba beschlossen hatte, eine größere Reise nach Nordosten in die Provinz Schirwan zu machen, so glaubten sie, eine Schrift an die Mohamedaner abfassen zu sollen. P. schrieb sie in Briefform und legte darin die Grundirrthümer des Islam und die Grundwahrheiten des Evangeliums dar. Dieser Tractat wurde unter den Mohamedanern in und um Schuscha wie auf den Missionsreisen in Armenien, Mesopotamien und Persien vertheilt. In Verbindung mit dem Armenier Mirza Faruch übersetzte er den Tractat auch ins Persische. Aus dieser kleinen Schrift entstand nach und nach Pfander’s bedeutendstes Werk: „Mizan ul Haqq oder die Waage der Wahrheit“. Er widerlegt darin eingehend den Islam und giebt eine feine Apologie des wahren Christenthums. Die falschen Beschuldigungen der Mohamedaner, als hätten die Christen die Schriften des alten und neuen Testaments verfälscht und die in denselben angeblich enthaltenen Weissagungen auf Mohamed als den größten Propheten Gottes ausgemerzt, weist er auf das schlagendste zurück und legt dar, daß nur das Evangelium die tiefsten Seelenbedürfnisse des Menschen nach Versöhnung und Frieden zu befriedigen und ein wahrhaft sittliches Leben zu schaffen im Stande sei. Später übersetzte er diese Schrift in der Stadt Agra in Hinterindien auch in das Hindostani und auf seiner letzten Missionsstation in Konstantinopel ins Türkische.

Ein schwerer Schlag traf die Basler Mission in Südrußland. Die armenische Geistlichkeit, welche für ihren Einfluß fürchtete, betrieb die Aufhebung der Mission und fand bei dem Generalgouverneur von Grusien, dem General von Rosen, wie bei Kaiser Nicolaus bereitwillige Unterstützung. Am 5. Juli 1835 erfolgte der Ukas. Im J. 1838 trat P. mit einigen anderen Missionaren in den Dienst der englisch-kirchlichen Missionsgesellschaft, nach längeren Verhandungen, die sich auf die bischöfliche Ordination bezogen. Sie wollten sich derselben nicht unterziehen, da sie bereits in ihrer evangelischen Heimathskirche ordinirt waren. P. reiste durch das ihm bekannte Persien nach Kalkutta, erlernte daselbst die hindostanische Sprache, und vollendete einige für die Mohamedaner verfaßte Tractate. In Agurpahra bei Kalkutta leitete Frau Wilson ein Erziehungsinstitut. In demselben lehrte und predigte er 5 Monate. 1841 ward ihm mit dem Missionar Kreiß als Station Agra angewiesen. Ihr Auftrag bestand hauptsächlich darin, unter den Mohamedanern zu missioniren. Das thaten sie treulich. Sie predigten das Evangelium in dieser alten Kaiserstadt, verbreiteten christliche Schriften und leiteten die dortigen Missionsschulen. Der Jahresbericht der Basler Missionsgesellschaft vom Jahr 1844 sagt: „Bruder Kreiß trägt das Lebenswort hinaus in die Städte und Dörfer und läßt die frohe Botschaft laut erschallen. Ernsten Kampf kämpft P. in der großen Kaiserstadt Agra selbst mit den moslemischen Gelehrten, die es aber kaum wagen, ihren Koran dem Wort vom Kreuz gegenüber zu vertheidigen.“ Missionar [599] Hörnle schreibt aus Agra unterm 21. April 1845: „Bruder P. ist fortwährend im Krieg mit den Mohamedanern und streitet ritterlich gegen die Feinde des Evangeliums, denen es an nichts fehlt, als an Wahrheitsliebe.“ Seine öffentlichen Disputationen mit mohamedanischen Gelehrten, denen, wie wir mit Bedauern berichten müssen, katholische Missionare dabei Werke, wie Strauß’ Leben Jesu als Kampfmittel in die Hände schoben, machten im J. 1845 Epoche. Die Mohamedaner kauften die Bibel und andere christliche Schriften, nicht um darin die Wahrheit, sondern Beweisgründe gegen dieselbe zu suchen. P. wußte sie aber nach und nach zum Schweigen zu bringen.

1855 wurde P. nach Peschawer, Stadt und Land gleichen Namens am Kabulflusse, der zum Indus zieht, versetzt, um dort eine Mission unter den Afghanen zu beginnen. Dies war durch Major Edwards veranlaßt, der in einer Rede mit Recht gesagt hatte: „Es ist nicht die Pflicht der Regierung als solche, in Indien Proselyten zu machen. Die Pflicht, Indien zu evangelisiren, ist Privatsache der Christen. Der Ruf ergeht an die Gewissen der Einzelnen, an die Energie, den Eifer, den christlichen Sinn und Wandel der Einzelnen.“ In Peschawer gab es viel Arbeit. Drei Sprachen, worunter das Puschtu, mußten bewältigt werden. Pfander’s Schriften, besonders die „Wage der Wahrheit“ wurden viel verbreitet, Besuche in den Dörfern gemacht, in der Stadt Schulen und Versammlungslocale gegründet und eingerichtet. Die Taufe eines afghanischen Hauptmannes Dilawar 1858 machte großes Aufsehen. Wackere Männer folgten nach. P. schreibt unterm 29. Januar 1856: „Ich predige in der Woche regelmäßig an 4 Abenden auf den Bazars der Militärstation und 2 Mal am Morgen in der Stadt, theils in hindostanischer, theils in persischer Sprache. In der Stadt aber sind die Zuhörer bis jetzt meistens sehr ungestüm, und nur selten kommt es vor, daß sie eine Zeitlang ruhig zuhören. Meine Schrift, Erwiderung auf die letzten schriftlichen Angriffe der Delhi- und Agra-Mohamedaner hat endlich die Presse verlassen, sie zählt 152 eng gedruckte Seiten. Ich hoffe, das wird das Letzte sein. Ich habe nun nichts weiteres zu sagen und denke, auch die Mohamedaner werden alles vorgebracht haben, was sie aus unseren ungläubigen Schriftstellern aufgabeln konnten. Gegenwärtig beschäftige ich mich nun mit der Revision meiner Schriften im Persischen; es soll nämlich eine neue Ausgabe, die 4. persische, gedruckt werden.“ Während des Sipoy-Aufstandes im J. 1857 blieb Peschawer und Umgegend ruhig und die Missionsarbeit konnte ungestört fortgesetzt werden. Noch im J. 1857 wurde ihm ungesucht eine große Auszeichnung zu Theil, indem ihn der Erzbischof von Canterbury, dem dieses akademische Vorrecht zusteht, zum Doctor der Theologie ernannte. Schon ein Jahr später versetzte ihn seine Gesellschaft nach Konstantinopel. Hier hatte damals der englische Gesandte Stratford-Canning das Hat Humajum erwirkt, jenen Erlaß des Sultans, welcher ausdrücklich die Zusage enthielt, kein Moslim, welcher Christ werde, solle dafür gestraft werden. Die kirchliche Gesellschaft glaubte, daß nun für sie die Stunde zur Gründung einer evangelischen Mission unter den Türken geschlagen habe und dazu war wohl niemand geeigneter, als P. In einem Dorf in der Nähe von Konstantinopel ließ er sich zunächst nieder und übersetzte seine drei wichtigsten Schriften ins Türkische. Mizan ul Haqq ist uns bekannt. Die andere Miftah giebt eine Darlegung der Lehre von der Dreieinigkeit und der Gottheit Christi, mit Rücksicht auf die falschen Vorstellungen, welche sich hierüber die Mohamedaner machen. Die dritte Tarig behandelt in der Lehre von Sünde und Erlösung die fundamentalen Unterschiede zwischen dem Evangelium und dem Koran. Einige Jahre früher hatte ein amerikanischer Missionar diese Schriften kommen lassen, aber sie wurden confiscirt. Jetzt passirten sie das Zollhaus ungehindert. Das änderte sich aber [600] bald. Ein türkischer Professor und Mitglied des Erziehungsrathes veröffentlichte unter dem Titel „Sonne der Wahrheit“, ein Buch voll der gröbsten und thörichsten Schmähungen gegen die Christen und ihre Religion. Es erschien, noch ehe ein einziges türkisches Exemplar der Schrift Pfander’s in Umlauf gekommen war. Die kirchliche Missionsgesellschaft gab darauf eine kurze Widerlegung jener maßlosen Angriffe heraus. Diese Schrift wurde viel gelesen. Das Missionswerk hatte seinen stillen und ruhigen Verlauf. Plötzlich aber änderte sich dieser Zustand, als der erste bekehrte Moslim (Williams) 1842 getauft wurde. Er wurde zwei Mal verhaftet, aber durch das Einschreiten des Consuls befreit. Um dieselbe Zeit wurden andere bekehrte Türken festgenommen und in ein Gefängniß für gemeine Verbrecher geworfen. Weitere Einkerkerungen folgten. Der Sultan ließ 1864 die Häuser der kirchlichen Missionsgesellschaft, der Ausbreitungsgesellschaft und der Bibelgesellschaft schließen. Spione machten jede fernere Annäherung von Moslims unmöglich. Etwa 20 christlich angeregte Türken wurden verbannt oder auf die Galeeren geschickt. Der Druck und die Einfuhr von türkischen Büchern wurde verboten, selbst Uebersetzungen des Korans wurden auf dem Zollhaus confiscirt und ein Tractat über Christus sogar vernichtet. Leider war Stratford-Canning nicht mehr da; der nunmehrige Gesandte Sir Henry Bulwer näherte sich mehr der türkischen Auffassung, als der der Missionare und der Sultan ließ eben einfach die ausgesprochene Zusage des Hat Humayum fallen. P. zog sich jetzt nach England zurück und ließ sich in Richmond, der Heimath seiner zweiten Gattin in der Nähe von London nieder. Seine erste Gattin war Sophie Reuß, Tochter eines russischen Staatsraths in Moskau. Er war mit ihr nur 10 Monate verehelicht. Sie starb in Schuscha am 12. Mai 1835. Seine zweite Gattin war Emilie Emma Swinburne. Aus dieser Ehe sind mehrere Kinder hervorgegangen. Er sollte aber keine lange Ruhezeit mehr genießen, denn schon am 1. December 1865 ging er aus der streitenden in die triumphirende Kirche.

Nach schriftlichen Mittheilungen des Pfarrers Eppler von Birsfelden bei Basel, welcher mit einer ausführlichen Biographie des Missionars P. beschäftigt ist.