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ADB:Witzleben, Friedrich Ludwig Freiherr von

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Artikel „Witzleben, Friedrich Ludwig Freiherr von“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 671–675, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Witzleben,_Friedrich_Ludwig_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 13:48 Uhr UTC)
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Witzleben: Friedrich Ludwig Freiherr v. W., Dr. jur. et phil., Forstmann, geboren am 9. Mai 1755 zu Wolmirstedt (Thüringen), † am 16. März 1830 zu Kassel. Er war der älteste Sohn aus der zweiten Ehe des Gutsbesitzers Friedrich Wilhelm v. W. mit Christiane Amalie Gräfin v. Schulenburg aus dem Hause Wolfsburg. Sein Vater, ein Mann von den edelsten Gesinnungen, war ursprünglich kurze Zeit Mitglied der württembergischen Regierung und später Oberhofmeister bei der verwittweten Herzogin von Sachsen-Weißenfels, welche in Langensalza lebte; die längste Zeit seines Lebens widmete er sich aber in ländlicher Zurückgezogenheit der Verwaltung seiner Güter. Den ersten Unterricht erhielt der junge W. im Elternhause durch tüchtige Hauslehrer, zunächst in Langensalza, dann auf einem väterlichen Gute. Freimüthig bekennt er aber in seiner Selbstbiographie, daß er als wilder Knabe mehr im Wald und Feld sich umhergetrieben und mit Fisch-, Vogelfang und Jagd abgegeben habe als mit lateinischen Vocabeln. Im 14. Lebensjahr kam er auf die Stadtschule nach Naumburg, woselbst namentlich die alten Sprachen, die man damals [672] für die ausschließliche Grundlage der wissenschaftlichen Bildung hielt, vortrefflich gelehrt wurden. Der strenge, fast ans Pedantische grenzende Schulzwang der Anstalt und deren einseitige Richtung sagten aber seinem Vater so wenig zu, daß er ihn schon nach etwa 11/4jährigem Aufenthalt in Naumburg auf das königliche Pädagogium in Halle brachte, in welchem besonders die Realfächer (Mathematik, Naturwissenschaften) vorzüglich besetzt waren. Auch arbeitete diese Anstalt überhaupt auf eine mehr freie und selbständige Entwicklung ihrer Zöglinge, auf deren Herausbilden aus sich selbst, hin. Der Besuch von zwei nach Grundlage und Lehrstoffen so verschiedenartigen Bildungsanstalten brachte bei W. eine höchst glückliche Vereinigung von Kenntnissen in den alten Sprachen (insbesondere im Lateinischen) mit solchen in den realen Fächern zu Stande, welche Combination ihm in seinen späteren dienstlichen Stellungen trefflich zu statten kam. 1774 bezog er die Universität Jena, um Rechtswissenschaft zu studiren. Die trockenen, juristischen Vorträge übten aber – wenigstens in den ersten beiden Semestern – keine Anziehungskraft auf ihn aus. Dazu kam, daß er auch durch einen gewissen Hang zur Schöngeisterei, Beschäftigung mit litterarischen Nebendingen und durch zahlreiche Ausflüge nach Weimar zum Zwecke des Besuchs des dortigen Theaters vielfältig von seinem eigentlichen Berufsstudium abgezogen wurde. Erst vom dritten Semester ab warf er sich mit Eifer auf dasselbe und hörte zugleich auch Vorlesungen über Cameralwissenschaft und Baukunde. 1776 verfaßte er, auf Zuspruch eines seiner akademischen Lehrer, eine juristische Dissertation „De portione statutaria in legitimam computanda“, und nachdem er diese öffentlich vertheidigt hatte, wurde ihm die Würde eines Dr. jur. zu theil. Hierauf schloß er 1778 sein Studium ab, um sich an verschiedenen kleineren sächsischen Höfen nach einer passenden Anstellung umzusehen, an der es ihm seiner Meinung nach nicht fehlen konnte. Seine Bemühungen hatten aber keinen Erfolg. Er wurde zwar überall mit Höflichkeit empfangen, aber nur mit leeren Redensarten vertröstet. Ziemlich entmuthigt durch diese Versuche und durch ein heftiges Fieber längere Zeit ans Krankenlager gefesselt, beschloß er – nach wiedererlangter Gesundheit – sein Vaterland zu verlassen und auswärts, wo immer es auch sei, eine Anstellung zu suchen. Im Frühjahr 1779 begab er sich zu diesem Zwecke nach Dillenburg, wo sich einige hochgestellte Verwandte und Freunde seiner Familie befanden. Auf deren Zureden bewarb er sich schon hier, unter Beigabe seiner Doctordissertation, bei dem im Haag residirenden Prinzen von Oranien-Nassau um den Zutritt zur Justizkanzlei in Dillenburg, welches Gesuch von maßgebenden Persönlichkeiten auf das wärmste unterstützt wurde. Hierauf erfolgte im December 1779 der Bescheid, daß er als Forstmeister Anstellung finden und nach Abgang des jetzigen Chefs (Oberjägermeister v. Röder) in der Reihe weiterbefördert werden solle, wenn er noch ein Jahr lang in Karlsruhe und auf dem Harze erfolgreich mit dem Forstwesen sich beschäftigen und dann im Haag persönlich vorstellen werde. Diese verlockende Aussicht veranlaßte ihn, die Rechtswissenschaft mit dem Forstwesen zu vertauschen. Durch Rescript vom 5. December 1779 mit dem Charakter eines oranien-nassauischen Jagdjunkers bekleidet, wendete er sich alsbald nach Karlsruhe, um daselbst bei dem Oberjägermeister v. Geusau das Forstwesen und bei dem Hofjäger Käßberg die Jägerei zu erlernen. Der Unterricht im Forstwesen war damals noch ein vorwiegend praktischer, da es an guten forstwissenschaftlichen Werken – von einigen älteren abgesehen – noch fehlte. Allein die inbezug auf ihren Zustand und ihre Bewirthschaftung sehr fortgeschrittenen badischen Waldungen boten dem lern- und wißbegierigen, nun schon im reiferen Jünglingsalter stehenden W. ein reiches und mannichfaltiges Feld für Beobachtung und Belehrung dar. Nach fast einjährigem [673] Aufenthalt in Karlsruhe begab er sich, in Franken und im Thüringerwald nur kurze Zeit verweilend, nach dem Harze (ins Wernigerödische etc.), wo er sich einige Monate aufhielt. Diesen Aufenthalt bezeichnet er (in seiner Selbstbiographie) in forstlicher Hinsicht zwar als weniger lehrreich, jedoch fand er dafür Gelegenheit, sich mit dem Berg- und Hüttenwesen, in welchem später thätig zu sein er Gelegenheit bekam, bekannt zu machen. Ende 1780 kehrte er nach Dillenburg zurück, um bald darauf seine Reise an das Hoflager seines zukünftigen Landesfürsten nach dem Haag behufs persönlicher Vorstellung anzutreten. Ueberaus gnädig empfangen kehrte er, nach Ueberreichung einer Proberelation über mehrere Gegenstände des nassauischen Forstwesens, nach Dillenburg zurück, wo ihm alsbald der Zutritt zur Kammer- und Bergcommission, jedoch vorerst ohne Votum und Gehalt, ertheilt wurde. Mit Eifer, Lust und Geschick machte er sich alsbald an die Aufgabe, die zukünftige Vermessung, Eintheilung, Beschreibung und Betriebsregulirung der dortigen Forste in Angriff zu nehmen. Zur Anerkennung hierfür wurde ihm am 1. September 1782 die Ernennung zum wirklichen Forstmeister mit Sitz und Stimme in der Kammer zu theil. Kurze Zeit darauf erhielt er – neben seinen allgemeinen Dienstgeschäften – noch die Verwaltung der Forste des Fürstenthums Siegen als Specialdepartement übertragen. Bereits 1785 erfolgte seine Beförderung zum Oberforstmeister, und – nachdem der Oberjägermeister v. Röder mit Tod abgegangen war – erhielt er 1795 dessen Posten und zugleich das Präsidium der Bergcommission. Inzwischen waren aber die Franzosen eingerückt und hatten, nach Verjagung der rechtmäßigen Regierung, Besitz vom Land ergriffen, weshalb W. von seinem Fürsten den Befehl erhielt, sich zur Vermeidung von Verlegenheiten auf einige Zeit außer Landes zu begeben. Kaum hatte er dieser Weisung entsprochen, als ihn der Kurfürst von Hessen (im Sommer 1796) zum zweiten Oberjägermeister an die Spitze des kurhessischen Forstwesens berief. So schwer es ihm auch wurde, sich von dem nassauischen Fürstenhause und dem Lande zu trennen, in dem er ein so freundliches Entgegenkommen und seine erste Anstellung gefunden hatte, so glaubte er doch, den an ihn ergangenen Ruf – unter den damaligen Zeitverhältnissen – um so weniger ablehnen zu dürfen, als selbst der Fürst von Oranien-Nassau diesen Schritt, bei der Ungewißheit künftiger Existenz und der Landesverhältnisse, als vollkommen gerechtfertigt anerkannt und genehmigt hatte. W. trat hiernach seinen neuen Dienst im November 1796 an. Die kriegerischen Stürme der damaligen Zeit erfaßten aber zehn Jahre später auch das Kurfürstenthum Hessen. Die rechtmäßige Regierung wurde 1806 verjagt und das Land von den Franzosen occupirt. W. wurde jedoch auf seinem Posten belassen, da die Franzosen gerade für die forstlichen Stellen die einheimischen Beamten als am besten orientirt beizubehalten pflegten. Hierdurch blieben die kurthessischen Forste vor einem Systemwechsel bewahrt und im großen Ganzen in dem Geleise der seitherigen Verwaltung. Noch unter dem französischen Regiment wurde W. zum Staatsrath und zum Generaldirector der Domänen, Forste und Gewässer ernannt. Von der Domänendirection wurde er, auf seinen Wunsch, bald darauf wieder entbunden; die Generaldirection der Forste behielt er aber bis zum Ende der französischen Occupation (1814) bei. Nachdem das angestammte Fürstenhaus wieder in das Land zurückgekehrt war, wurde W. in seinem früheren Posten als Oberjägermeister und Chef des Forstwesens nicht nur bestätigt, sondern sogar zum Geh. Staatsminister ernannt und im December 1814 durch Verleihung des Großkreuzes des Kurhessischen Hausordens ausgezeichnet. Eine ihn hoch erfreuende Ehrung ganz anderer Art wurde ihm dadurch zu theil, daß ihn die philosophische Facultät der Universität Marburg [674] bei Gelegenheit des 300jährigen Reformationsfestes (31. October 1817) zum Dr. phil. h. c. promovirte. In dem betreffenden Diplom heißt es: „de patria et literis inprimis de sylvarum cultura meritissimo, librorum gravissimorum auctori clarissimo“.

Witzleben’s Schwerpunkt liegt zunächst in der von ihm in den Waldungen von zwei Staaten entfalteten forstorganisatorischen Thätigkeit, sowie in der Fürsorge um Hebung der eigentlichen Forsttechnik. Seine Wirksamkeit nach diesen beiden Richtungen hin erreichte insbesondere während seiner Amtirung in Kurhessen ihren Höhepunkt. Sie erstreckte sich auf fast alle Zweige der Staatsforstverwaltung. Er förderte namentlich den Culturbetrieb, die Ablösung der schädlichen Waldservituten, verbesserte die Laufbahn und finanzielle Lage der unteren Forstbeamten und erweckte unter der jüngeren Generation den Eifer zum gründlichen Erlernen des Forstwesens, unter anderem auch durch Gründung der seiner Leitung unterstellten Forstlehranstalt zu Waldau (1798), die freilich unter den kriegerischen Wirren der damaligen Zeit schon vor dem Jahre 1815 wieder einging.

W. erfreut sich aber auch als Schriftsteller eines geachteten Namens, obschon seine bezügliche Thätigkeit mit Rücksicht auf seine umfangreichen Dienstgeschäfte nur eine beschränkte sein konnte. Sein Hauptwerk ist die 1795 erschienene Schrift: „Ueber die rechte Behandlung der Rothbuchen-Hoch- oder Saamen-Waldung, vorzüglich über die Bewirthschaftung pfleglich erzogner, gut und geschlossen stehender, vormals bereits regelmäßig behandelter Buchwaldungen“, die 1805 in 2., unveränderter Auflage erschien. Diese vortreffliche Monographie, in welcher der Verfasser den fortschreitenden Gang der Hauungen in einem Buchenhochwalde zum Zwecke von dessen Wiederbegründung auf natürlichem Wege schildert, beweist, daß der Verfasser in dieser Wirthschaftsform gründlich zu Hause war. Mit der dunklen Vorhauung, die er empfiehlt, dem Umtriebe von 90–100 Jahren, der Verurtheilung der Ueberhälter in Buchenschlägen und der mindestens 25jährigen Hege der Jungwüchse kann man sich noch heute vollkommen einverstanden erklären. Von sonstigen Abhandlungen bezw. Schriften sind zu nennen: „Die Direction des Forstwesens setzt staatswissenschaftliche Kenntnisse und gehörige Landeskunde voraus; aus der Siegen’schen Köhlerei-Verfassung erläutert“ (abgedruckt im VII. Bande, 1791, des Moser’schen Forstarchivs); „Ueber Baumschulen und Pflanzungen“ (1796); „Beiträge zur Holzcultur“ (1797; 2. Aufl. 1800); „Abhandlung über einige noch nicht genug erkannte und beherzigte Ursachen des Holzmangels, nebst vielen Zusätzen und Verbesserungen des Verfassers und mit einer Vorrede versehen von C. P. Laurop (1800). Außerdem lieferte er noch eine Anzahl von Aufsätzen, die das praktische Forstwesen betreffen, in die Jahrgänge 1794–1806 des Taschenbuchs für Forst- und Jagdfreunde von L. C. E. H. von Wildungen. Aus seiner Selbstbiographie ersieht man, daß W. ein heiteres, tief inniges Gemüth voll froher Lebensanschauung und daß er eine ideal angelegte Natur war. Mit leichter Fassungsgabe verband er ein vortreffliches Gedächtniß, sodaß er jederzeit über seine reichen und vielseitigen Kenntnisse, die ihm schließlich zu einer so glänzenden Stellung verhalfen, verfügte. Er wurde im Laufe der Zeit zum Ehrenmitglied zahlreicher Gelehrter Gesellschaften ernannt; einer derselben (der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin) ist seine Schrift über die Rothbuchen-Hochwaldung gewidmet.

F. W. Strieder’s Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte. 17. Band, 1819. Hrsg. von Justi, S. 197. – Allgem. Forst- und Jagd-Zeitung, 1847, S. 195 (Biographie). – Fraas, Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft, S. 557 und 566. – Bernhardt, Geschichte [675] des Waldeigenthums etc., II, S. 271, Bemerkung 70, S. 292, 295, 330, 386, 397; III, S. 89, Bemerkung 112. – Adolf Tilmann, Statistische Beschreibung des Regierungsbezirks Wiesbaden, II. Heft, 1876, S. 18. – Roth, Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland., S. 620. – Heß, Lebensbilder hervorragender Forstmänner etc., 1885, S. 417.