ADB:Wicquefort, Joachim von
Reinhold v. Rosen. Im September 1642 lag W. lebensgefährlich an einer mit Schwellung und [337] Pusteln verbundenen fieberhaften Krankheit nieder, welche jedoch der Kunst seines Arztes Rumpf innerhalb einiger Wochen wich; wie es scheint, hatte er damals die schwarzen Blattern. W. zeichnete sich durch ein ernstes wissenschaftliches Streben, wie durch eine gute Kenntniß der lateinischen und griechischen Schriftsteller aus; zahlreiche, in seine Briefe eingestreute Citate und Anspielungen auf Stellen der alten classischen Autoren, Homer, Horaz, Virgil, Martial, Plinius u. s. w. bezeugen seine große Belesenheit in dieser Hinsicht. Mit dem Philosophen Kaspar Barlaeus, zuletzt Professor der Logik am Gymnasium zu Amsterdam, stand W. in lebhaftem Briefwechsel, der bis wenige Tage vor dem am 14. Januar 1648 erfolgten Tode des Barlaeus fortgesetzt wurde; der letzte Brief an den Freund ist aus dem Haag vom 20. December 1647 datirt. Die in fließendem, elegantem Latein geschriebenen Briefe (1633–1647) sind im Druck erschienen und bilden für gewisse Perioden des dreißigjährigen Krieges eine recht interessante Quelle; abgesehen von mancher Ueberschwänglichkeit im Ausdruck der Zuneigung dem Freunde gegenüber, wie sie im Geiste jener Zeit lag, spricht sich in ihnen ein warmes Gefühl aus für die allgemeine Noth, unter der gegen Ende des großen Krieges Deutschland und seine Nachbarländer seufzten (bella ô bella, horrida bella!).
Wicquefort: Joachim von W. (Vicquefort, Vicofortius, à Wickefort) entstammte einer reichen und angesehenen Kaufmannsfamilie zu Amsterdam und wurde geboren um das Jahr 1600. Sein Vater Kaspar starb in hohem Alter als Siebziger 1634. Als Brüder Joachim’s werden genannt: 1) Abraham (Adam?), bekannter Diplomat und langjähriger Unterhändler Kurbrandenburgs am französischen Hofe, sowie Schriftsteller von Ruf, ferner 2) Kaspar, 3) Samuel; außerdem hatte er mehrere Schwestern, von denen eine Elisabeth hieß. Joachim’s Gemahlin hieß Anna, in ihren Freundeskreisen wird sie Pallas genannt; die Ehe war, wie es scheint, kinderlos. Er stand in verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Familie Wesenbeck, welcher mehrere bekannte Rechtsgelehrte angehörten, sowie zu dem berühmten Führer aus dem dreißigjährigen Krieg,W. war Ritter des St. Michaelordens und Rath der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel, welche nach dem Tode Wilhelm V. (1637) für ihren minderjährigen Sohn die Regentschaft führte, der ihr hessisches Vaterland die Rettung vom Untergang und die Wiederherstellung seines früheren Ansehens im Deutschen Reich verdankt. Als eifriger Lutheraner stellte Joachim seine Kräfte in den Dienst der evangelischen Sache und führte längere Zeit die Geschäfte im Haag wie an den anderen Höfen für Amalie; er war infolge dessen sehr oft auf Reisen, so sind seine Briefe datirt von Leiden, Haag, Basel, Paris, Hamburg, Dorsten i. Westf. u. s. w., während seine Familie zu Amsterdam zurückblieb. Besondere Thätigkeit entfaltete W. bei den Verhandlungen, welche eine Annäherung des Herzogs Bernhard von Weimar an Hessen-Kassel zum Ziele hatten; Bernhard unterhandelte mit Amalie über ein sächsisch-hessisches Bündniß nach Art der alten Erbvereinigung und einer Truppenvereinigung, wie sie schon Oxenstierna gleich nach dem Tode Landgraf Wilhelm V. angerathen. Zur Ueberbringung seiner geheimen Aufträge bediente er sich nun Wicquefort’s, welcher endlich im Anfang des Jahres 1639 sich nach Dorsten, dem damaligen Hoflager der Landgräfin und ihres Oberbefehlshabers Melander, begab und von hier aus am 24. Mai seine Aufnahme und den Stand der hessischen Angelegenheit meldete. Den Faden dieser Unterhandlungen zerriß zum großen Nachtheil der evangelischen Sache der Tod Bernhard’s (8. Juli 1639). Das Verhältniß Bernhard’s zur Landgräfin selbst und zu einer damals projectirten dritten deutschen Partei ist öfters Gegenstand der Forschung gewesen, man hat von einem Heirathsproject zwischen Amalie und Bernhard gesprochen, doch beruht diese Vermuthung offenbar auf einem Mißverständniß, keine hessische Nachricht weiß etwas von einem solchen Plan. Was aber der Herzog von Weimar selbst über die Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit einer dritten gegen die mächtigen Bundesgenossen des Auslandes gerichteten Partei dachte, geht aus einem von Rommel aufgefundenen Schreiben Bernhard’s an Joachim hervor: Bernhard war ein entschiedener Gegner dieses Projects. Er schreibt von Rheinfelden d. d. 1. Juni 1639, kurz vor seiner Abreise nach Pontarlier zur Unterhandlung mit Guebriant, an W. u. a.: „Und daß ich von dieser letzten Materie (wie eine dritte Partey zu machen) weitläufftiger rede, so ist es unserm verderbten Vatterlandt gar wenig dienlich; in Betrachtung, eine neue Verbundnüs, eine dritte Partey, ein neuer und dritter [338] Krieg ist.“ Das Wappen der Families zeigte oben in Blau einen goldenen Löwen mit rothen Klauen, unten in Gold neun grüne Kleeblätter.
- Niceron, Mémoir. T. 38. p. 91, 97. Paris (Briasson) 1737. – Joach. Vicofortii Epistolae ad Casp. Barlaeum. Amsterdam (Gallet) 1696. (Französ. Utrecht [Broedelet] 1712). – Rommel, Gesch. v. Hessen VIII, 537 ff. Cassel 1848; Ders. in Ztschr. f. hess. Gesch. III, 269 ff. – Gr. Univ.-Lex. LV, 1746 f., Sp. 1736. Leipzig u. Halle (Zedler). – Rietstap, Armorial géneral. T. II p. 1084. Gouda (van Goor-Zonen) 1887.