Zum Inhalt springen

ADB:Weinlig, Christian Albert

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Weinlig, Christian Albert“ von Karl Theodor von Inama-Sternegg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 508–510, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weinlig,_Christian_Albert&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:51 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Weinlig, Theodor
Nächster>>>
Weinmann, Johannes
Band 41 (1896), S. 508–510 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Albert Christian Weinlig in der Wikipedia
Albert Christian Weinlig in Wikidata
GND-Nummer 104068884
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|508|510|Weinlig, Christian Albert|Karl Theodor von Inama-Sternegg|ADB:Weinlig, Christian Albert}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104068884}}    

Weinlig: Christian Albert W., sächsischer Staatsmann, geboren am 9. April 1812 zu Dresden, † ebendaselbst am 18. Januar 1873; einer der drei Söhne des ehemaligen Rechtsanwalts, späteren Componisten und Musikers Christian Theodor W., der bis 1817 das Amt eines Cantors bei der Kreuzkirche zu Dresden, von 1823–1842 das nämliche Amt an der Thomaskirche in Leipzig bekleidete. Mit seinem Vater übersiedelte unser W. im Alter von 11 Jahren nach Leipzig, wo er nach den Gymnasialstudien sich an der Universität den Naturwissenschaften und der Medicin widmete und bereits im J. 1833 mit seiner Dissertation „de contagiis in universum et de infectione recens-natorum quaestiones pathologicae duae“ zum Doctor der Medicin promovirt wurde. In den jährlich erscheinenden Verzeichnissen der sächsischen Aerzte erscheint er zwar bis 1845 als praktischer Arzt, ohne daß er jedoch, wahrscheinlich, die Praxis ausgeführt hat; denn W. beschäftigte sich alsbald mit dem Specialstudium der Mineralogie, Technologie und verwandter Fächer und war bis zu Anfang der vierziger Jahre Lehrer der Chemie, Physik und Technologie, später auch der Volkswirthschaftslehre an der zu jener Zeit berühmten Schiebe’schen Handelslehranstalt zu Leipzig neben dem tüchtigen Technologen Dr. Joh. Ambrosius Hülße, der ihm zeitlebens ein treuer Freund geblieben ist. Diese Verbindung der angewandten Naturwissenschaften mit der Volkswirtschaftslehre pflegte W. auch in der Folge als seine hauptsächliche Lebensaufgabe, für welche er in ungewöhnlich hohem Grade gleichmäßig vorgebildet und durch seinen wissenschaftlichen Ernst wie seine praktisch politische Begabung berufen war. Im J. 1843 habilitirte sich W. an der Leipziger Universität, wo er in Georg Hanssen einen congenialen Fachgenossen fand, der auch in der Folge die Laufbahn Weinlig’s wiederholt erheblich beeinflußt hat; mittelbar dadurch, daß Hanssen sich W. zum Mitarbeiter an dem von Rau und Hanssen gemeinschaftlich herausgegebenen Archiv erkor, was für W. 1845 dessen Berufung als Ordinarius auf die Lehrkanzel für Nationalökonomie an der Universität Erlangen zur Folge hatte, unmittelbar aber dadurch, daß Hanssen im J. 1846, als er von der Regierung wegen Bezeichnung eines geeigneten Candidaten für die Stelle eines Decernenten im Ministerium des Innern für Handel und Gewerbe zu Rathe gezogen wurde, W. auf das wärmste empfahl. Obwol W. die auch in Sachsen für den höheren Verwaltungsdienst regelmäßig geforderte Qualität eines Juristen nicht besaß, wurde ihm doch zu Beginn des Jahres 1847 die Stelle eines Geh. Regierungs- und vortragenden Rathes im k. s. Ministerium des Innern übertragen. Daselbst wartete seiner sogleich die Lösung schwieriger Aufgaben, hervorgerufen durch die über ganz Europa verbreitete Mißernte des Jahres 1846 und die außerordentliche Theuerung aller Lebensmittel. Rings um das Königreich Sachsen herum ereigneten sich aus diesem traurigen Anlasse Ruhestörungen. Indeß Dank der geschickten Theuerungspolitik des Ministeriums des Innern, wesentlich gestützt auf die vortrefflichen Rathschläge von W. Roscher (später verwerthet in der classischen Schrift „zur Pathologie und Therapie der Korntheuerungen“) und unterstützt durch das verständnißvolle Wirken des k. s. Landesökonomierathes Dr. Reuning an allen bedrohten Punkten, blieb das so dicht bevölkerte Land ruhig.

Durch die Weltereignisse des Jahres 1848 wurde W. in anderer Weise zur [509] Mitleidenschaft herangezogen. Ein neues „freisinniges“ Ministerium trat an die Spitze der Geschäfte. Auf dem volkswirthschaftlichen und socialen Gebiete regten sich freiheitliche Bestrebungen. In Sachsen herrschte noch ebensosehr der starrste Zunftzwang als ein ausbeuterisches Trucksystem. Da hielt es das neue Ministerium für eine seiner ersten Pflichten, sich genaue Kenntniß von den obwaltenden Zuständen aus allen Theilen des Landes zu verschaffen. Es ward eine Commission zur Untersuchung der Gewerbs- und Arbeitsverhältnisse errichtet, welche eine sorgfältig vorbereitete Enquête durchführte. Die Ausarbeitung des sehr umfänglichen Fragebogens, die Organisation der Commission, die Bezeichnung und Begrenzung ihres umfassenden Wirkungskreises waren fast ausschließlich das Werk Weinlig’s; Ernst Engel, der nachmals berühmt gewordene Statistiker, wurde von ihm zu den Arbeiten der Commission beigezogen.

Inzwischen hatten neue politische Ereignisse das Märzministerium aus dem Jahre 1848 zu Falle gebracht. Ein neues war ihm Anfang 1849 gefolgt, in welchem Geh. Rath W. das Ministerium des Innern übernommen hatte. Indeß nur für kurze Zeit. Der Maiaufstand in Dresden 1849 hatte einen abermaligen Ministerwechsel zur Folge und W. trat, da er sich auch durch Befürwortung der Annahme der Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 mit dem Erbkaiserthum nach oben unbeliebt gemacht, in die Stellung eines Abtheilungsdirectors im Ministerium des Innern zurück. Als solcher hatte er unter vielem Andern auch die Gewerbeausstellungsangelegenheiten zu bearbeiten. Im Königreiche Sachsen hatten bisher alle 5 Jahre Gewerbeausstellungen stattgefunden, die letzte 1845. Eine neue Ausstellung stand für 1850 in Aussicht. Im Hinblick darauf regte der Magistrat zu Leipzig den Gedanken an, die bevorstehende Ausstellung zu einer in Leipzig abzuhaltenden deutschen, nicht bloß zollvereinsländischen, zu gestalten. Die sächsische Regierung begünstigte diesen Plan und sagte auch eine namhafte Geldunterstützung zu, aber sie fand bei der preußischen Regierung kein Entgegenkommen dafür. Dennoch fand die Ausstellung statt und ward am 15. April 1850 eröffnet. Auch die Errichtung des k. sächsischen statistischen Büreaus, welche in diese Zeit fällt, war eine Schöpfung Weinlig’s. Er hatte schon im J. 1848 eine bezügliche Denkschrift ausgearbeitet; da er aber mit andern staatsmännischen Aufgaben zu sehr belastet war, um seine Vorschläge für die Landesstatistik selbst ausführen zu können, wurde der damals im Ministerium des Innern verwendete Ministerialsecretär Dr. Ernst Engel mit der Aufgabe betraut, unter Weinlig’s Leitung das Büreau einzurichten, dem er auch bis zu seinem im J. 1858 erfolgten Uebertritte in den preußischen Staatsdienst vorstand. Von dieser Zeit an führte W. wieder die Leitung des statistischen Büreaus selbst und hat auch bis zum Jahre 1865 die Zeitschrift desselben redigirt. Ebenso erfolgreich war seine Thätigkeit für die Hebung des technischen Schulwesens in Sachsen, wobei er in seinem Jugendfreunde Hülße, der bis wenige Jahre vor seinem Tode technischer Lehrer geblieben war und nach Weinlig’s Tode sein Nachfolger im Ministerium des Innern wurde, die sachkundigste Stütze fand. 1854 war W. Commissär der sächsischen Regierung bei der Industrieausstellung in München, 1855 in dieser Eigenschaft in Paris, 1862 in London, 1867 wieder in Paris. Die Angliederung Sachsens an den norddeutschen Bund führte W. in seiner Eigenschaft als Bundesrathsmitglied oft nach Berlin. Auch hier lernte man ihn bald als einen Mann von außergewöhnlichen Kenntnissen, reichen Erfahrungen und großer Arbeitskraft kennen. 1872 fing er an, an einem Brust- und Nierenleiden zu kränkeln. Am 15. Januar 1873 starb er zu Dresden, viel betrauert von allen, die seine herrlichen Geistes- und Seeleneigenschaften näher kennen zu lernen Gelegenheit hatten. In seinen wissenschaftlichen wie praktischen Arbeiten auf dem Gebiete des Gewerbewesens hat W. eine sehr [510] fortgeschrittne socialpolitische Auffassung schon in einer Zeit zur Geltung gebracht, welche im ganzen noch wenig Verständniß für diese Aufgaben besaß; der interessante Entwurf eine Gewerbeordnung für das Königreich Sachsen von 1857 ist sein eigenstes Werk; auch in der besondern Beachtung der englischen Fabriks- und Arbeiterverhältnisse zeigte er sich als weitblickenden und vorurtheilsfreien Socialpolitiker. Für seinen historisch-statistischen Scharfblick zeugt es, daß W. schon 1845 die landläufige Ansicht von der sehr bedeutenden Bevölkerung Nürnbergs in früheren Jahrhunderten unter Hinweis auf die Volkszählung von 1449 richtig stellt.

Von den Schriften seiner älteren Periode sind außer deutschen Bearbeitungen von Thomson’s Pflanzenchemie 1838, und Herschel’s Einleitung in das Studium der Naturwissenschaften 1836 besonders zu nennen das „Lehrbuch der theoretischen Chemie“ (1840–41); „Grundriß der mechanischen Naturlehre“ (1843) und seine philosophische Promotionsschrift „Industria Romanorum digestorum et codicum locis nonnullis explanata“ (Part. I et II, Erlangae 1846). Von 1843–1845 redigirte er das pharmaceutische Centralblatt und später (mit Hülße) das polytechnische Centralblatt. Seiner späteren Zeit gehören an die Beiträge in dem Archiv für politische Oekonomie von Rau und Hanssen über Erfindungspatente (Neue Folge I), über den Nutzen von Industrieausstellungen (ib. III), über die Lage der arbeitenden Classen in England, über die Ausübung des Salzregals in Frankreich und den hauptsächlichsten deutschen Staaten (ib. IV), über Patentgesetzgebung (ib. VI).

Biographisches über Weinlig in Dresdener Gewerbevereins-Zeitung 1873, Nr. 17 f., Deutsche Industriezeitung 1873, Nr. 4, Dresdner Anzeiger 1873, 20., 21. Januar, Dresdner Journal 1873, 23. Januar, „Unsre Zeit“ N. F. IX, 1, S. 500, Preuß. Jahrbücher XXXIV, 556 ff., Zeitschrift des k. sächs. statistischen Büreaus XXXVI, 1890, Brockhaus 13. Aufl. – Werthvolle handschriftliche Mittheilungen von Geh. Rath Dr. Ernst Engel und von dem k. sächs. statistischen Büreau.