ADB:Weber, Adolf Dietrich
Quistorp und in Jena unter C. F. Walch, kehrte 1773 in seine Vaterstadt heim, promovirte 1776 zu Bützow und begann bald darauf, nach kurzem Betrieb der Anwaltschaft, ebendort zu dociren. Er ward 1784 als außerordentlicher Professor der Rechte nach Kiel berufen, dort 1786 zum Ordinariate befördert, ließ sich aber 1791 bestimmen, nach Rostock zurückzukehren, wo er ununterbrochen geblieben ist, trotz einer Reihe der ehrenvollsten auswärtigen Anträge, von welchen namentlich Kieler Bemühungen, ihn zurückzugewinnen, hervorzuheben sind. Er wurde zu Rostock am 4. Juli 1814 noch im Nebenamte zum Vicedirector des Großh. Consistoriums ernannt und ist bereits am 18. November 1817 gestorben.
Weber: Adolf Dietrich W., Jurist, wurde geboren zu Rostock am 17. Juni 1753, studirte dort unterW. gehört zu den civilistisch höchst begabten Juristen unserer ganzen Rechtsentwicklung, ausgerüstet wie er war mit scharfem Blick für die Bedürfnisse der Praxis, mit ausgedehnten Kenntnissen über den ganzen Quellenkreis des Römischen und des deutschen Rechts, ja selbst schon mit Verständniß für die constructiven Aufgaben der Theorie. Seine Monographien sind die ersten, welche statt einen beliebigen Stoff etwas ausführlicher zu behandeln, sich ihr Thema mit Bewußtsein deshalb aussuchen, weil sie für dasselbe eine neue Gesammtauffassung grundlegend entwickeln und allseitig durchführen wollen. Sein Stil ist klar, behaglich und vornehm zugleich, seine Darstellung weder zu kurz noch zu lang, überall durchsichtig. Leider zahlt er nur seiner Epoche den Tribut, noch vollständig den naturrechtlichen Anschauungen zu unterliegen, so daß durch das Ueberwuchern naturrechtlich abstract gebildeter Vorurtheile nicht selten seine feinsten und quellengemäß angelegten Untersuchungen schwer irregeleitet und geschädigt werden.
W. trat zuerst hervor mit „Reflexionen zum heutigen Gebrauch des Römischen [280] Rechts“, Schwerin, Wismar und Bützow 1782 (auch in der Sammlung kleiner Schriften unter dem Titel „Versuche über das Civilrecht und dessen Anwendung“, Schwerin 1801), Reflexionen, welche von der damals herrschenden Lehre, von der Reception in complexu ausgehen, um einen ebenso sorgfältigen wie unparteiischen Ausbau dieses Grundsatzes zu geben. – Daran reiht sich, unter Uebergehung kleiner Schriften, eines der Hauptwerke Weber’s, seine „Systematische Entwicklung der Lehre von den natürlichen Verbindlichkeiten und deren gerichtlicher Wirkung“, Schwerin 1784–1787 (weitere Auflagen 1795, 1800, 1802, 1825); infolge seiner Klarheit und Consequenz, auch infolge seiner feinen Einzelheiten und praktisch brauchbaren Ergebnisse hat es sich längere Zeit eines geradezu classischen Ansehens erfreut, obschon es im Banne naturrechtlicher Auffassung gerade die traurigste Verwirrung zwischen rechtlichen und moralischen Verbindlichkeiten stiftete, indem es voraussetzt, alle aus dem Naturrecht entspringenden Obligationen müßten ohne weiteres auch positiv obligiren, sofern sie ihrer Wirksamkeit nicht ausnahmsweise durch ausdrückliche Vorschrift des positiven Rechts beraubt seien – und indem es diese Voraussetzung in der Naturalobligation der Römischen Quellen bestätigt findet. – Viel glücklicher war W. in der Epoche machenden Untersuchung „Ueber die Prozeßkosten, deren Vergütung und Compensation“, Schwerin 1788 (weitere Auflagen 1790, 1793, 1798, 1811; Holländisch 1808), welche endgültig als Grundlage des Kostenersatzes statt des Gesichtspunkts der Strafe denjenigen des Schadenersatzes einsetzt und damit eine Reihe von Mißbräuchen auf Einen Schlag beseitigt. – Daran schließen sich die „Beiträge zu der Lehre von gerichtlichen Klagen und Einreden“, 3 Stücke, Schwerin 1789, mit einer Reihe werthvoller Aufsätze, z. B. zu der Lehre von der Compensation und von dem Satze excipiens non confitetur.
Weber’s Meisterwerk ist aber das „Ueber Injurien und Schmähschriften“, 3 Abtheilungen, Schwerin und Wismar 1793, 1794, 1800 (weitere Ausgaben 1797–1811 und 1820); denn hier liefert ihm sein naturrechtlicher Standpunkt eine brauchbar feste Grundlage und seine aufgeklärte Anschauung eine wirksame Waffe gegen veraltete Verkehrtheiten. Seine Definition des Begriffes ist zwar in der Form arg naturrechtlich, in der Sache aber klar und brauchbar, seine Bestimmung des animus injuriandi ist die bis heute herrschende, erst recht wären noch heute lesenswerth seine Ausführungen über den Unterschied zwischen Beleidigung und bloßer Versagung von Ehrfurchts- und Höflichkeits-Bezeugungen. Der Verurtheilung zu Widerruf, Ehrenerklärung oder dergleichen versetzt er den Todesstoß; er proclamirt das Recht freier Aeußerung für wissenschaftliche Ueberzeugung und politische Gesinnung, tritt der Sucht, in jeder Kritik eine strafbare Handlung zu finden, entgegen und brandmarkt die Neigung, leichter Strafbarkeit anzunehmen und schwerer zu strafen bei höherem Rang und Stand des Betroffenen. Alles das entspricht derselben liberalen Gesinnung, welche es W. zur Herzenssache macht, gegen die allzu nachtheilige Behandlung illegitimer Kinder zu protestiren (s. sein Diss. von 1784 „de religione christiana in foro caute adplicanda, multo minus ad illegitime natos a successione excludendos usurpanda“); daneben gehen die gründlichsten rein juristischen Betrachtungen her, und namentlich eine reiche Casuistik in fleißigster Verarbeitung, betreffend besonders die Injurien vor Gericht, in Schriftwerken und im täglichen Leben.
Von Weber’s späteren Arbeiten ist hervorzuheben die Schrift „Ueber die Verbindlichkeit zur Beweisführung im Civilprozeß“, Halle 1805 (weitere Auflagen besorgt von Heffter, 1832 und 1845), mit principiell treffender Entscheidung; was freilich weniger gilt von der ganz eigenartigen Beantwortung der Frage „Ueber die Rückanwendung positiver Gesetze, mit besonderer Hinsicht auf neuere Gesetzveränderungen deutscher Staaten“, Hannover 1811, [281] wozu zu vergleichen v. Savigny, System, Bd. 8, § 385, S. 391 Note k. – Außerdem hat W. Höpfner’s berühmten Institutionen-Commentar nach dessen Tode noch einmal (1803) herausgegeben, mit vielfach weitgreifenden Umarbeitungen und Zusätzen; er war zweifellos die hierzu berufene Persönlichkeit sowol durch seine nahen Beziehungen zum Verfasser, wie durch seine Beherrschung des gesammten Civilrechts und der Sprache, Eigenschaften, mit welchen er sich gerade an Höpfner unmittelbar anschließt. Andere von W. besorgte Editionen sind weniger bedeutend, aus seinem Nachlaß veröffentlichte Pandekten-Erläuterungen wären besser ungedruckt geblieben. Dagegen hat sich ein wahres Verdienst um sein Gedächtniß erworben sein langjähriger Freund und College Joh. Chr. Koppe durch eine ausführliche ihm gewidmete Biographie, Rostock 1818.