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ADB:Waser, Johann Heinrich

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Artikel „Waser, Johann Heinrich“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 214–220, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Waser,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 23:31 Uhr UTC)
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Waser, Heinrich
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Waser: Johann Heinrich W., Bürgermeister von Zürich, geboren am 2. April 1600, † am 10. Februar 1669. Dem Diakon am Großmünster und Professor der hebräischen Sprache, der 1607 Mitglied des Chorherrenstiftes wurde und dann zu weiteren Lehrstellen aufstieg, Kaspar W. († 1625), einem zu seiner Zeit als Orientalist geschätzten Gelehrten (s. unt. S. 227), gebar am Ostertage 1600 seine Frau Dorothea, Tochter des ausgezeichneten Repräsentanten zürcherischer Wissenschaft, Josias Simmler (s. A. D. B. XXXIV, 355–358), als dritten – von fünf Söhnen – Johann Heinrich. Der Vater suchte früh die von ihm auf Reisen gewonnene Welt- und Sprachenkenntniß auch auf die Söhne zu übertragen, und so kam W. schon 1612 – durch einen Tausch, wie sie gern zu solchem Zwecke angestellt wurden – nach Genf in das Haus des dortigen Professors des Griechischen Kaspar Laurentius, wo er bis 1615 blieb. Darauf folgte, nach kurzer Zugehörigkeit zum neugestifteten zürcherischen Collegium humanitatis, die Versetzung nach Teglio im bündnerischen Unterthanengebiet Veltlin, wo W. besonders den Unterricht des gelehrten reformirten Pfarrers Danz, eines Engadiners von Geburt, genoß. 1617 besuchte er die Universität Padua, worauf sich eine Fußreise durch Italien anschloß. Proben der Gewandtheit in Latein, Französisch, Italienisch, sogar im Griechischen, bringen die nach Zürich geschickten Berichte. Ende 1617 kehrte W. nach Zürich zurück, wo er nun weiter sich den Studien aufs eifrigste hingab. Aber 1618 bot Antistes Breitinger, der mit Waser’s Vater auf sehr vertrautem Fuße stand, dem jungen Manne die Möglichkeit, einer weltgeschichtlichen Handlung beizuwohnen: W. durfte den an der Spitze einer Gesandtschaft der vier reformirten eidgenössischen Stände an die Dortrechter Synode abgeordneten Antistes begleiten, und wenn es auch nicht gelang, daß der Jüngling als Secretär der Abordnung anerkannt wurde, sah und vernahm derselbe genug Wichtiges, und [215] äußerst vollständig legte er nachher in fünf auf der Zürcher Stadtbibliothek aufbewahrten Quartbänden eine Schilderung aller dieser Angelegenheiten, nebst Charakteristik der wesentlichsten mitwirkenden Persönlichkeiten, nieder. Ebenso machte er im Februar 1619 einen Besuch in England. Dadurch, daß Scultetus W. auf der Durchreise durch Heidelberg näher kennen gelernt und seine Sprachkenntniß bemerkt hatte, kam es, daß Waser’s Vater von Prag her eingeladen wurde, seinen Sohn als Privatsecretär in den Dienst der neuen Wahlkönigin von Böhmen, Elisabeth, eintreten zu lassen. Zwar fand dann W. im Sommer 1620 den ihm angebotenen Platz schon ausgefüllt. Dafür trat er in eine vortheilhafte Hofmeisterstelle bei einem böhmischen hohen Herrn. Doch die Schlacht am Weißen Berge machte auch der Thätigkeit des jungen Zürchers ein Ende, und unter großen Beschwerden und Gefahren kam W. nach abenteuerlicher Reise im December nach der Heimath zurück. Hier trat er nun im Juli 1621 als freiwilliger Arbeiter auf der Staatskanzlei ein. Als solcher begann W. jene großen Arbeiten, durch die er sich in der Kenntniß der Geschichte und der staatsrechtlichen Verhältnisse Zürichs, für diesen Staat selbst, für dessen Beziehungen zu den Eidgenossen und zum Auslande, zu unterrichten suchte. Er legte sich Verzeichnisse der in der Kanzlei und in den Archiven liegenden Schriften, vielfach unter Anfertigung von Auszügen aus denselben, an, sah den reichen handschriftlichen Nachlaß seines mütterlichen Großvaters, des Verfassers des instructiven staatsrechtlichen Handbuches: Respublica Helvetiorum, durch und schuf so die „Bundes- und Vertragsbücher“ betitelten, auf der Stadtbibliothek in Zürich aufbewahrten neun Foliobände. Dazwischen hatte er Secretariatsdienste zu versehen, 1622 als erbetener Schriftführer der bündnerischen Abgeordneten an der in Lindau wegen der rätischen Angelegenheiten tagenden Conferenz, von der er dann, nicht ohne Gefahr, ein gegen ergangene Vorschrift durch ihn angefertigtes drittes Exemplar der Acten heimbrachte. Als neu ernanntes Stadtgerichtsmitglied brachte W. ferner ein vollständiges Exemplar aller Ordnungen dieses Dikasteriums zusammen, und ebenso begann er eine Sammlung zürcherischer Offnungen. 1624 erhielt er die Bestallung als Rathssubstitut und Unterschreiber, wodurch er – zwar noch ohne festgesetzte Besoldung – in ein bestimmtes Amt gelangte, und jetzt verehelichte er sich auch. In den neun nachfolgenden Jahren kam er zu vielfacher Verwendung in öffentlichen Geschäften, Sendungen aller Art, als Dolmetscher und Theilnehmer an Verhandlungen beim Empfange von Ausländern, als Secretär bei 49 eidgenössischen Tagsatzungen und evangelischen Conferenzen. So war es von selbst gegeben, daß er 1633 in die durch den Tod des Stadtschreibers Hans Georg Grebel im Juni erledigte Stelle des Stadtschreibers, mit wesentlich erhöhter Besoldung, gewählt wurde.

Die dergestalt geschehene Beförderung Waser’s zu einem der verantwortungsvollsten und beschäftigungsreichsten Aemter geschah, als die Gefahr einer Hereinziehung der Eidgenossenschaft in die Ereignisse des dreißigjährigen Krieges besonders unverhüllt vorlag. Gustav Adolf hatte schon im Herbst 1629, damals freilich – in geringer Kenntniß der Sachlage – allen Eidgenossen, also auch den katholischen Orten, Allianzverträge entgegengebracht, und Ende 1631 war durch den schwedischen Gesandten, Ritter Rasche, eine bestimmte Eröffnung der Tagsatzung mitgetheilt worden; diese aber lehnte die anerbotene Freundschaft des Königs dankend ab. Dessen ungeachtet wurden auch nach Gustav Adolf’s Tode die Anstrengungen von Seite Schwedens fortgesetzt, und gewisse Kreise kamen jetzt in Zürich solchen Gedanken nicht ungünstig entgegen. Die am 24. März 1632 geschehene Vorlegung eines förmlichen Bündnißplanes Rasche’s vor den evangelischen Städten war durch Antistes Breitinger weiterer Erörterung würdig befunden worden: es sei Pflicht, die von Gott an die Hand gegebenen Mittel [216] zu gebrauchen, wobei man aber, bis das Volk dafür bearbeitet sei, den Entschluß zum Bündniß aufschieben müsse, oder wie es in der officiellen zürcherischen Instruction hieß, bis die schwedische Kriegsmacht näher herangerückt sei; freilich war dann der Beschluß der evangelischen Städte ein abweisender gewesen. Dessen ungeachtet blieb die Kriegspartei in Zürich, von theokratischen Auffassungen wenigstens in ihrem Haupte, Breitinger, erfüllt, auf ihren Ansichten fest, und der Antistes setzte geradezu Umtriebe gegen die Bewahrung der Neutralität fort, ganz voran in seiner geheimen Correspondenz mit dem Obersten Georg Hans von Peblis, einem mit der Kurfürstin Elisabeth in die Pfalz gekommenen Schotten, der als schwedischer Unterhändler arbeitete und 1629 als Organisator des zürcherischen Kriegswesens gewonnen, aber 1631 beurlaubt worden war. Auf diesem Wege war die Neutralitätsverletzung der Schweizer Grenze eingefädelt, die am 7. September 1633 geschah, in Gestalt des Einbruchs des schwedischen Feldmarschalls Gustav Horn, der durch die im zürcherischen Schutz stehende Stadt Stein und über die dortige Rheinbrücke in die gemeinschaftliche Landvogtei Thurgau einfiel und durch dieselbe hindurch vor der Landseite der zu belagernden Stadt Constanz aufrückte. Neben Breitinger, der um Horn’s Absichten wußte, scheint insbesondere, falls weltliche Personen noch eingeweiht waren, kein Anderer, als W. Theilnehmer des Geheimnisses gewesen zu sein, der neue Stadtschreiber, wie denn Breitinger am Tage vor der Invasion Horn’s schrieb, W. verdiene in die Geheimschrift, die gegenüber Peblis angewandt wurde, eingeführt zu werden. Selbstverständlich stellte diese Verletzung der Neutralität die Eidgenossen vor die Gefahr des inneren Krieges, da die katholischen Orte darin eine arge Bedrohung erblickten, und eine kurze Zeit schien die in Zürich vorwaltende Kriegspartei mit ihrem Plane, mit schwedischer Hülfe es zum Kriege gegen die katholischen Eidgenossen zu treiben und so die Sprengung der Eidgenossenschaft zu veranlassen, im Vorsprung zu sein, bis dann 1634 die übrigen evangelischen Städte für die Aufrechterhaltung der Neutralität den Entscheid durchsetzten.

Mochte auch in diesen wichtigen Fragen die Haltung Waser’s, der sich eben ganz der Autorität Breitinger’s anschloß, eine Bedenken erweckende gewesen sein, seine vorzügliche Brauchbarkeit war eben dadurch, ferner durch die zahlreichen weiteren Geschäfte, denen seine Feder zu dienen hatte, dargelegt. W. war in den zwölf Jahren seines Stadtschreiberamtes hundert und achtzig Male theils an der allgemeinen Tagsatzung, theils an Conferenzen der evangelischen Orte betheiligt, berufen, das Schiedsrichteramt auszuüben, oder mit allerlei Sendungen beauftragt. Daß er auch bei den katholischen Miteidgenossen wieder Vertrauen gewann, zeigt beispielsweise der Umstand, daß 1637 bei einem eidgenössischen Schiedsgerichte, dem die Glarner beider Confessionen ihre Zwistigkeiten wegen der ihnen zustehenden gemeinen Herrschaften Uznach und Gaster unterwarfen, an W. auch von Seite der katholischen Schiedsrichter Protokollführung und Beschlußausfertigung überlassen wurden. Eine besonders schwierige Aufgabe hatte aber W. 1644 zu erfüllen, als er in der Eigenschaft des Obmanns eines Schiedsgerichtes zu Cur in dem erbitterten Streite zwischen der Gemeinde Davos und den anderen Gemeinden des bündnerischen Zehngerichtebundes zu urtheilen hatte; aber sein Ausspruch fiel so sehr zur Befriedigung beider Parteien aus, indem er dem langwierigen Zwiste ein glückliches Ende setzte, daß die Regierung aller drei Bünde W. dafür dankte. W. legte nach früherer Gewohnheit auch über diesen Streithandel die Acten in zwei Foliobänden gesammelt im Zürcher Staatsarchiv nieder.

Aber außerdem hatte W. als Stadtschreiber eine Registrirung des gesammten Archives – außer den Urkunden – vorgenommen. Er stellte eine Uebersicht [217] der in verschiedenen Localitäten zerstreuten Archivtheile 1646 durch seinen Index generalis her, ein nach der localen Aufstellung eingetheiltes, aber durch alphabetisches Titelregister übersichtlich gemachtes Werk, dem eine gründliche Umarbeitung der Archivalien vorausgegangen war. Schon 1644 hatte er daneben einen viel weitläufiger angelegten Index specialis über die Actenabtheilung begonnen. Diesem bis jetzt einzigen Versuche einer vollständigen Registrirung aller Abtheilungen gingen noch weitere Arbeiten Waser’s zur Seite, so die Sammlung, durch Buchbinderarbeit geschehende Vereinigung, neue Registrirung der Fragmente der alten Stadtbücher.

Als 1644 Bürgermeister Bräm starb, blieb W. schon bloß noch mit vier Stimmen hinter dem erkorenen Nachfolger Statthalter Rahn in der Wahl zurück. Eine Entschädigung war für ihn die Uebertragung der größten Landvogtei des Zürcher Gebietes, Kiburg, mit ausgedehnten Befugnissen in Verwaltung und Rechtsprechung, bis auf Leben und Tod. W. bekleidete dieses Amt 1646 bis 1652, in welche Zeit allein 2280 Urtheile des Herrschaftsgerichtes fielen. Auch der Sammlung aller auf die Verhältnisse und Rechte der Grafschaft bezüglichen Materialien – sie füllt mehrere Bände des handschriftlichen Nachlasses – lieh er hier wieder seinen Fleiß, neben der mühevollen vielseitigen Amtsführung. Seine geschickte Verwaltung der Einkünfte hinterließ die Herrschaftscasse fast um das doppelte gegenüber der Zeit der Amtsübernahme angefüllt. Schon gleich 1646 hatte es W. auch verstanden, seine Herrschaftsleute nicht nur, während ein Aufstand im südlichen Theile des Zürcher Gebietes um sich gegriffen hatte, von der Betheiligung fernzuhalten, sondern auch aus ihnen ein Contingent von 2000 Mann der Regierung zur Bekämpfung der Bewegung zur Verfügung zu stellen. Ein Vierteljahr, nachdem W. von Kiburg zurückgekehrt war, wurde er am 28. Juni 1652, nach Bürgermeister Salomon Hirzel’s Tode, als Bürgermeister erwählt, und zwar, ohne daß er Mitglied des Kleinen Rathes gewesen war.

Schon gleich das nächste Jahr nach der Bürgermeisterwahl brachte für W. die ebenso schwierige, als wichtige öffentliche Bethätigung in der versuchten Vermittlung zwischen Obrigkeiten und aufgestandenen Bauern zuerst des Berner, dann des Luzerner Gebietes, im Bauernkriege des Jahres 1653. Eine erste Sendung, nach Bern, Ende März, führte zunächst, zu Berns lebhaftem Danke, ein gedeihliches Ergebniß herbei; doch im Luzerner Gebiet kam es zu einem neuen Ausbruche, der jetzt den Abmarsch einer aus der östlichen Schweiz gesammelten Truppenrüstung von 9000 Mann, unter dem Befehl des Zürcher Seckelmeisters General Konrad Werdmüller, von Zürich aus, zur Folge hatte. Am 3. Juni trugen in zwei ziemlich hartnäckigen Gefechten, die bei den Dörfern Büblikon und Wohlenschwil – im unteren Theile der das Berner Gebiet, westlich, vom Zürcher Territorium, östlich, scheidenden gemeinsamen eidgenössischen Landvogtei der Freien Aemter – geschlagen wurden, die Regierungstruppen über die Bauern einen entscheidenden Sieg davon, und als jetzt die Entmuthigten um einen Waffenstillstand baten, wurde ihnen dieser unter der Bedingung bewilligt, daß die Führer folgenden Tages sich im Zelt Werdmüller’s zur Anhörung von Eröffnungen einfänden. Dies geschah am Morgen des 4. Juni, wo zwar nicht die Haupträdelsführer, aber doch 43 Ausgeschossene, die meisten – 24 – aus dem Gebiete von Bern, dann zehn aus dem Solothurnschen, sieben aus dem Luzerner, zwei aus dem Basler Gebiete, sich einstellten. Hier gelang es nun W., die Bauern, welche glaubten, für ihre Vereinigung gegen die städtischen Obrigkeiten sich auf den Inhalt des Stanser Verkommnisses von 1481 (s. A. D. B. VII, 137) stützen zu können, in ruhiger klarer Auseinandersetzung, indem er ihnen die Entstehung jenes Vertrages erzählte, den Sinn der sämmtlichen Artikel [218] erläuterte, dahin zu bringen, daß sie erkannten, es sei Pflicht der Obrigkeiten, bei anarchischen Bewegungen in ihren Gebieten sich gegenseitig zu schützen, und daß gerade die Berner, die Solothurner, die Freiämtler Bauern, dadurch daß sie an Belagerungen von Luzern und von Aarau, also von fremden Städten außerhalb ihrer Grenzen, sich betheiligten, diejenigen gewesen seien, die „mit eigener Gewalt Fremde freventlich überzogen“ hätten. Die Beauftragten erklärten nach kurzer Berathung, daß sie nach Einsicht in ihren Irrthum um Verzeihung bäten, worauf die zürcherischen Vertreter, voran W. und Werdmüller, ihnen unter Aufstellung von Bedingungen – in erster Linie Räumung des Feldes und Niederlegung der Waffen – Gnade in Aussicht stellten. Einzig die Luzerner Ausgeschossenen nahmen diese im Lager bei Mellingen festgesetzten Punkte nicht im vollen Umfange an, obschon auch sie ihre Mannschaft innerhalb der Grenzen ihres Staates zurückführten. Allerdings kam es dann in den nächsten Tagen im Luzerner und Berner Gebiete – besonders am 8. des Monats bei Herzogenbuchsee – zu neuen Zusammenstößen, und in schärfster Weise bestraften die Regierungen die Ausständischen nach der schließlichen Unterwerfung. Aber W. war an diesen Dingen nicht mehr unmittelbar betheiligt.

Die gemeinsamen Maßregeln der im übrigen confessionell gesonderten Obrigkeiten der eidgenössischen Orte, wie sie in der Bekämpfung der Bauernerhebung nothwendig geworden waren, schienen die Möglichkeit engeren Zusammenschlusses auch in anderen wichtigen Angelegenheiten zu verbürgen, und so vereinigten sich im Mai 1655 Zürich und Bern zu einem Antrage an alle dreizehn Orte, auf „Zusammenvergleichung, Erneuerung, Bestätigung und Solemnisirung der alten wohlhergebrachten Bünde“, vielleicht auch mit einem Verkommniß wegen der Religionsangelegenheiten. Bald erhielt W. den Auftrag, das von einer gemeineidgenössischen Tagsatzung gebilligte Project, dessen Entwurf einem Ausschuß übertragen wurde, zu redigiren, und rasch stellte er eine derartige Arbeit auf. Siebenundzwanzig Artikel, die in ihrer sehr allgemeinen Haltung die Selbständigkeit der Orte weitgehend schonten, enthielten, im Anschlusse an eine historische Einleitung und an die Aufzählung der bisher giltigen Bundesurkunden, die Gesichtspunkte, welche dem gründlichen Kenner des schweizerischen Staatsrechtes für ein allgemeins Bundesinstrument nothwendig zu sein schienen. Ganz vorzüglich sollten auf diesem Wege neue Kriege verhütet werden, und unmittelbar nach der Annahme, hernach alle 25 Jahre dachte man sich, die Urkunde beschwören zu lassen. Allein ehe nur der Termin für die auf den November in Aussicht genommene Tagsatzung, die über den Entwurf zu entscheiden den Auftrag hatte, in Sicht stand, kündigte sich vielmehr in vollkommenster Deutlichkeit ein Krieg zwischen den confessionellen Gruppen innerhalb der Eidgenossenschaft an. Daraus daß aus Arth am Zuger See heimliche Bekenner der reformirten Lehre der Verfolgung, die ihnen drohte, durch Auswanderung nach Zürich ausgewichen waren, die Regierung von Schwyz aber auf deren Besitzthum Beschlag legte, zurückgebliebene Gesinnungsgenossen einkerkern ließ, erwuchs zuerst, seit dem September, Aufschub, dann aber rasch ein solcher Zwist, daß es zum Kriege kommen mußte. Zwar war W , zuerst an der Spitze einer Gesandtschaft der evangelischen Orte nach Schwyz, dann auf einer Conferenz der evangelischen Orte in Aarau, hernach im November auf jener zu Baden abgehaltenen eidgenössischen Tagsatzung, auf das redlichste für Erhaltung des Friedens bemüht. Er hielt sich streng einzig auf dem Boden des eidgenössischen Bundesrechtes, indem er für jene Ausgewanderten das Recht, ihr Vermögen zu fordern, für Zürich die Pflicht, sie hiebei zu unterstützen, in Anspruch nahm. Die Verhandlungen zu Baden konnten aber nicht mehr Fortgang nehmen, als man hörte, die in Schwyz im Gefängniß liegenden Glaubensgenossen seien zum Theil grausam gefoltert, [219] hingerichtet, theilweise nach Mailand an die Inquisition übergeben worden, und jetzt ging auch W. nach Auflösung der Tagsatzung mit dem inzwischen zur militärischen Leitung ernannten General, Johann Rudolf Werdmüller, nach Bern, behufs Feststellung der zu ergreifenden Maßregeln, des eventuell zu wählenden Kriegsplanes. Denn ohne Frage war jetzt Zürich zum Kriege völlig entschlossen, während die anderen evangelischen Städte noch fortfuhren, Vermittlungsvorschlägen Gehör zu geben, und noch in Zürich, obschon – am 6. Januar 1656 – der Krieg erklärt worden war, Verschiebung der Feindseligkeiten beantragten. Allein Werdmüller’s übermüthige Zusicherung, daß die Stadt Rapperswil, gegen die Zürich seinen Angriff richtete, binnen vierundzwanzig Stunden genommen sein werde, erfüllte sich durchaus nicht, und damit war die in Aussicht genommene Eroberungspolitik Zürichs, an der W. als Gönner Werdmüller’s mitbetheiligt erschien, kläglich gescheitert. W. selbst hatte, als „Assistenzrath“ dem Kriegszuge beigegeben, zumal auch infolge der winterlichen Jahreszeit, der keinen Fortschritt Zürichs aufweisenden Belagerung des festen Platzes, Beschwerden und Unannehmlichkeiten in Fülle zu kosten, und bei dem Umschwung der Stimmung in Zürich ergoß sich nunmehr ein Theil des Mißvergnügens nicht nur auf Werdmüller, der schon Anfang Februar den aus Zürich gebotenen Waffenstillstand hatte beobachten müssen, am 10. März gänzlich vor Rapperswil abgezogen war, sondern auch auf W. Denn als nach der empfindlichen Niederlage der Berner bei Vilmergen, am 23. Januar, Friedensverhandlungen aufgenommen worden waren und auch W. jetzt für Erlangung des Friedens eintrat und in dieser Weise an Conferenzen zu Baden, von der Zürcher Regierung instruirt, theilnahm, mußte er sich über die von der zürcherischen Geistlichkeit solchem Entgegenkommen gegenübergestellten starken und beleidigenden Aeußerungen in einem an den eigenen Bruder, den Chorherrn am Großmünster Kaspar, geschriebenen Briefe beklagen, während Andere wieder ihn anschuldigten, mit den unduldsamen Geistlichen zu sehr im Einverständnisse zu sein. Doch erlangte W. vor dem Großen Rath, wo er seine Handlungsweise rechtfertigte, Ehrenerklärung, Abbitte und Bestrafung der Gegner.

Nochmals war W., angesichts der Werbung Frankreichs um Erneuerung des 1651 erloschenen Bündnisses – zuerst seit Zwingli’s Zeit war Zürich 1614 einem Bundesvertrage der Eidgenossen mit der französischen Krone wieder beigetreten –, vor eine wichtige Entscheidung gestellt. W. wollte anfangs, vor der Erklärung des Beitritts der reformirten Orte, wenigstens auf würdige und schützende Bedingungen dringen und besonders begehren, daß Frankreich für den Gewinn eines solchen Anschlusses sich ungerechter und unduldsamer Maßregeln gegen die reformirten Glaubensverwandten enthalte. Als aber das nicht erreichbar war, als man sich mit unzureichenden Zusicherungen zufrieden gab, reichte W. 1663 zur Ratification des Bündnisses auch unter diesen Umständen die Hand und ließ sich ferner, entgegen anfänglicher Ablehnung, als Haupt der zu der Beschwörung am 13. October des Jahres nach Paris abgehenden Gesandtschaft ernennen. Unter den mehrfachen Schilderungen der Vorgänge der durch Frankreich vollzogenen glänzenden Reise, der in Paris gesehenen pompösen Ceremonieen ist auch eine von W. verfaßte vorhanden; die beim Abschiede von Paris empfangenen Geschenke, die für W. reichlicher, als für die Mitgesandten, ausgefallen waren, legte er nebst der gleichfalls erhaltenen Vergütung der Reisekosten zu Zürich auf dem Rathstische zur Verfügung der Regierung nieder, durfte dann aber Alles zu eigenen Händen behalten. W. wurde noch bis in die neueste Zeit hinein, etwa wie der auf eine ungleich höhere Stufe der Geltung zu stellende Zeitgenosse Wettstein (s. d. Artikel), als ein ideal denkender, rein selbstloser Patriot, insbesondere als ein nicht zur französischen Partei zählender [220] Politiker angesehen; allein es ist kein Zweifel, daß sich das nicht so verhält. Vielmehr erscheint W. in der Correspondenz des 1664 zum ersten Male in der Schweiz anwesenden Vertreters Ludwig’s XIV., Mouslier, gleich von Anfang an als ami de la France, als bien intentionné pour le service du roy, und wie 1656 nach dem Kriege, so wurde 1669 während Waser’s letzter Krankheit eine Reihe von Anschuldigungen gegen den Sterbenden laut, deren Unwahrheit durchaus noch nicht dadurch dargethan ist, daß ein Rathsbeschluß zur Reinigung des Bürgermeisters geschah.

W. hatte ein letztes Mal in einer wichtigeren Angelegenheit mitgehandelt, als 1664 durch vorbeimarschirende für den spanischen Kriegsdienst angeworbene Söldner der evangelische Gottesdienst im Dorfe Wigoldingen, in der gemeinen Landvogtei Thurgau, gestört worden war. Als sich in Zürich die Stimmung für die reformirten Theilnehmer an dem aus dem Ereigniß erwachsenen blutigen Raufhandel leidenschaftlich erhitzt hatte und abermals bewaffnete Vorkehrungen getroffen worden waren, zeigte sich W. in Uebereinstimmung mit dem besonnen abmahnenden Antistes Ulrich (s. A. D. B. XXXIX, 249 u. 250) bemüht, die Aufregung zu beschwichtigen, sodaß die Sache, wenn auch die katholische Mehrheit der Richter zwei Bluturtheile zur Durchführung brachte, beigelegt werden konnte.

In den letzten Lebensjahren trat der alternde Staatsmann mehr zurück, und jüngere Collegen führten bei schwierigeren Angelegenheiten das Wort. Seit der zweiten Hälfte von 1668 fesselte ernste Krankheit W. dauernd an das Lager. Aus drei Ehen hinterließ W. drei schon in der Ehe stehende Töchter, von drei Söhnen aber nur den jüngsten, Johann Heinrich, der in des Vaters Todesjahr von der drei Jahre hindurch bekleideten Stadtschreiberstelle zur Rathswürde emporstieg.

Es wird W. nicht Unrecht gethan werden, wenn man ihn für einen weit befähigteren Kenner der Geschichte, des Staatsrechtes, für einen vorzüglicheren hohen Kanzleibeamten nimmt, denn für einen praktischen Staatsmann oder gar für einen in sich geschlossenen politischen Charakter. So hat denn auch der in historischen Dingen wohl kundige Dichter Konrad Ferdinand Meyer in seinem Roman Jürg Jenatsch W. nicht ohne Ironie, wenn auch keineswegs mit Antipathie, doch als einen Leisetreter behandelt.

Eine Biographie Waser’s existirt einzig in J. J. Hottinger’s kurzem Lebensabriß im Neujahrsblatte der Zürcher Stadtbibliothek von 1855. Einschränkungen des z. B. noch durch Vulliemin, doch auch hier durch Hottinger gezeichneten allzu günstigen Bildes ergeben sich aus P. Schweizer’s Geschichte der schweizerischen Neutralität, S. 221–254, ferner aus dessen Ausgabe der Correspondenz der französischen Gesandtschaft in der Schweiz 1664 bis 1671 (Quellen zur Schweizer Geschichte, Band I, 1880), wozu R. Maag’s Artikel im Anzeiger für schweizerische Geschichte, Band VI, S. 125 u. 126, heranzuziehen ist. Die archivalischen Leistungen würdigt P. Schweizer im Neujahrsblatt zum Besten des Waisenhauses in Zürich, für 1894, S. 26 u. 27.