ADB:Walahfrid Strabo
Grimald, der ihn aufforderte, die Vision des 824 verst. Wetti (s. d.) welcher ihm ein wohlwollender Lehrer gewesen war, metrisch zu bearbeiten. Diese sehr gelungene Arbeit, in welcher er es auch an Lobsprüchen der einflußreichen [640] Personen nicht fehlen ließ, scheint seine Lage verbessert zu haben: er konnte in Fulda den Unterricht Hraban’s genießen, und 829 finden wir ihn am Hofe Ludwig’s d. Fr. in Aachen als Lehrer des Prinzen Karl, im Verkehr mit den bedeutendsten Vertretern der neuen Bildung, voll Dankbarkeit gegen den Kaiser, der ihn aus dunkler Verborgenheit hervorgeholt habe; ihn und vorzüglich die Kaiserin Judith preist er auch in dem merkwürdigen Gedicht über das Standbild des Ostgothen Theoderich, welches von Ravenna nach Aachen gebracht war. Nach Erlebold’s Abdankung 838 erhielt er die Abtei Reichenau, eine ganz ungewöhnliche Auszeichnung für einen Niedriggeborenen, gerieth aber nun auch bald in die politischen Wirren: ein eifriger Anhänger Lothar’s flüchtete er nach Speier, wo er ein Gedicht voll Lobpreisung an ihn richtete. Doch im J. 842 erhielt er seine Abtei wieder und hatte 849 eine Botschaft Ludwig’s des Deutschen an Karl d. Kahlen zu bringen; da hat er beim Uebergang über die Loire am 18. August das Leben verloren. Von seinen Gedichten ist noch das anmuthige Büchlein über die Gartenkunst hervorzuheben, welches er Grimald widmete. Die Lebensbeschreibungen von Gallus und Othmar bearbeitete er in reinerer Sprache; zu Einhard’s Leben Karl’s und Thegan’s Leben Ludwig’s schrieb er Vorreden, die für uns werthvoll sind. Auch hat er ein lehrreiches Werk über Ursprung und Entwicklung der Verfassung der Kirche verfaßt, welche er mit den entsprechenden weltlichen Aemtern vergleicht.
Walahfrid, mit dem Beinamen Strabo oder Strabus, d. h. der Schielende, war einer der begabtesten Schriftsteller der karolingischen Zeit, ein formgewandter Dichter, ausgezeichnet durch die Anmuth seiner Sprache und den reinen, fast fehlerlosen lateinischen Ausdruck. Er war ein Schwabe von armer und geringer Herkunft, um 807 geboren, und kam schon als Knabe in das Kloster Reichenau. Schon mit 15 Jahren verfaßte er ein Gedicht im Namen seines Lehrers Tatto, aber dieser war hart und strenge gegen ihn und auch der Abt Erlebold war ihm nicht gewogen. Er hatte viele Schläge zu erdulden und litt Mangel an Nahrung und Kleidung. Seine Noth klagte er dem vielvermögenden Abte- Ebert, Gesch. d. Litt. des Mittelalters II (1880), S. 145–166. – Hauck, Kirchengesch. Deutschl. II 600 ff. – Wattenbach, Geschichtsquellen, 6. Aufl. I, 279–281. – Die Gedichte bei Dümmler, Poet. lat. II. 259–423: vgl. K. Plath im Neuen Archiv. XVII, 261–279. – Neue Ausg. des Werkes über die Kirchenverfassung von Krause für die Mon. Germ. vorbereitet.