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ADB:Wagner, Karl (klassischer Philologe)

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Artikel „Wagner, Karl Franz Christian“ von Carl Haeberlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 525–528, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wagner,_Karl_(klassischer_Philologe)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:15 Uhr UTC)
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Wagner, Carl
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Wagner: Karl Franz Christian W., Dr. phil., Geheimer Hofrath, ordentl. Professor der griechischen und lateinischen Litteratur und der Beredsamkeit, Pädagogiarch und Director des philologischen Seminars zu Marburg, geboren am 18. November 1760 zu Helmstedt, † am 10. Juni 1847 zu Marburg. Sein Vater war der Schulrector Joh. Franz Wagner (geboren 1733 in Ulm), der 1762 von Helmstedt nach Braunschweig, von hier ein Jahr darauf an das Rathsgymnasium zu Osnabrück versetzt wurde, an welchem auch der Sohn seine erste, recht mangelhafte Schulbildung erhielt. Dem geistlosen Unterrichte und einer fast sclavisch strengen häuslichen Erziehung unter Leitung des Vaters und eines Hauslehrers ist es vielleicht zuzuschreiben, daß Wagner’s Wissen auch später mehr in die Breite als in die Tiefe ging. Nur in den mathematischen Wissenschaften machte er Fortschritte; ein gelegentlicher Besuch Lichtenberg’s und das Studium einschlägiger Werke aus des Vaters Bibliothek verleitete W. sogar dazu, das Glasschleifen anzufangen, um später einmal die Fernrohre verbessern zu können. Die Mittel zu seinen Privatstudien, auch in den Sprachen, erwarb sich W. seit seinem 15. Lebensjahre durch Unterricht, wodurch aber seine Gesundheit untergraben wurde. Dazu kam, daß der Vater 1777 von einer langwierigen Krankheit ergriffen wurde, der er auch endlich am 23. April 1778 erlag, und dem Sohne die zweite Ausgabe seiner Caesarübersetzung übertrug. Eine schwere Nervenkrankheit, von der W. nach dem Tode des Vaters befallen wurde, ließ ihn erst 1779 dazu kommen, die Universität seines Geburtsortes Helmstedt zu beziehen, wo er, auf ein Brotstudium angewiesen, anderthalb Jahre lang theologische Vorlesungen hörte. Weder diese noch die naturwissenschaftlichen Vorträge des berüchtigten Beireis vermochten W. zu fesseln, weshalb er sich allmählich ganz dem philologischen Privatstudium ergab; Philosophie, Geschichte, französische, englische und italienische Sprache wurden daneben getrieben. und zwar in einer Art Wertherstimmung. Obwohl sich besonders sein Pathe, der Geschichtsforscher Geh. Justizrath Haeberlin, ein naher Verwandter Wagner’s, seiner annahm und W. bereits Ostern 1781 zum Lehrer an der in ein akademisches Pädagogium umgewandelten Stadtschule ernannt wurde, begab er sich nicht lange darauf nach Göttingen zu Heyne, wohin ihn bereits früher eine Reise mit einem Freunde geführt hatte, war jedoch infolge der Unmöglichkeit, sich hier sogleich durch Privatunterricht die Mittel zum Weiterstudiren zu erwerben, genöthigt, [526] den Winter über bei seiner Mutter in Osnabrück zuzubringen. Nach fast dreijährigem, erfolgreichem Studium in Göttingen wurde W. im Sommer 1784 Hauslehrer bei dem Grafen Peter von Salis-Soglio in Chiavenna. Mit dessen Familie machte W. 1785 vor der vom Grafen beschlossenen Uebersiedlung nach England eine größere Reise durch Italien und Frankreich. Drei Jahre verblieb er dann in London als Lehrer der beiden Söhne des Grafen, lernte Land und Leute kennen und war öfters in der Gesellschaft des Astronomen Herschel. Der Wunsch, sich für die classischen Sprachen zu habilitiren, bewog W., Ende September 1788 London zu verlassen und über Holland und Osnabrück nach Göttingen zurückzukehren, wo er anfänglich Privatunterricht ertheilte und daneben die römische Geschichte bis auf Augustus zu bearbeiten beschloß. Seine erste Schrift freilich, die W. um seiner Schüler willen 1789 herausgab, war eine Anweisung zur englischen Aussprache. Ostern desselben Jahres begann W. seine Vorlesungen, zu denen er auf Grund seines Helmstedter Doctordiploms und einer im Manuscript eingereichten, erst 1790 im Druck erschienenen Ausgabe und Uebersetzung der parischen Chronik zugelassen wurde. Indessen schon nach einem halben Jahre (Sept. 1789) erhielt W. eine Anstellung als öffentlicher Hofmeister am Collegium Carolinum in Braunschweig; 1791 nach Umwandlung desselben zu einer bloßen Lehranstalt als Professor der deutschen Sprache und griechischen Litteratur. Am 22. April 1793 verheirathete sich W. mit der ältesten Tochter des Oberzahlmeisters Horn in Braunschweig, einer Schwester des berühmten Berliner Arztes, Geh. R. Anton Ludwig Ernst Horn und des Schriftstellers Dr. Franz Horn, die ihm aber nach sieben Jahren durch den Tod wieder entrissen wurde. Ein Sohn aus dieser Ehe war der ordentliche Professor der Medicin in Berlin, Karl Wilhelm Ulrich W., der kurz vor des Vaters Tode heimging, während ein jüngerer Bruder bereits 1806 der Mutter ins Grab nachgefolgt war. Während seiner Braunschweiger Zeit war W. litterarisch sehr thätig; außer kleineren Arbeiten, die in Wiedeburg’s humanistischem und philol.-pädagog. Magazin sowie in den Braunschweiger Beiträgen zur weiteren Ausbildung der deutschen Sprache erschienen, veröffentlichte er eine Uebersetzung von Gifford’s römischer Geschichte (1796) und eine Shakespeare-Ausgabe in 8 Bänden (1800). Sein erfolgreichstes Werk jedoch war die „Vollständige englische Sprachlehre für die Deutschen“ (Braunschw. 1802). Um seine angegriffene Gesundheit zu stärken, unternahm W. mehrere Reisen, hauptsächlich in die deutschen Universitätsstädte, wo er mit Voß, Wolf, Schütz, Ersch, Vater, Hermann, Eichstädt, Fichte, Meusel, Harles u. A. bekannt wurde. Im Frühjahr 1810 erfolgte Wagner’s Berufung als Professor der Philosophie nach Marburg, nachdem er eine Lehrstelle in Charkow auf Joh. v. Müller’s Rath abgelehnt hatte. Ursprünglich hatte er eine Professur der englischen und italienischen Sprache zu Göttingen erhalten sollen. Ende 1810 übernahm er auch die Professur der Eloquenz, der er sich anfangs wegen mangelnder Uebung im Lateinschreiben nicht gewachsen gefühlt hatte, und verfaßte von da an länger als zwei Decennien hindurch sämmtliche Programme zu den Lectionsverzeichnissen, zwei ausgenommen. Am 16. August 1810 vermählte sich W. zum zweiten Male,und zwar mit Anne Katharine Marianne Wilhelmi, die ihm drei Kinder gebar. Da er in Marburg sehr zurückgezogen leben wollte, trat er anfangs in keine nähere Beziehung zu seinen Collegen, was einige derselben ihm so verübelten, daß sie über ihn ungünstige Berichte nach Cassel schickten und Dissen’s Berufung nach Marburg veranlaßten. Hierdurch gekränkt, beschwerte sich W. 1813 in Cassel, wo ihm der Studiendirector eine Versetzung vorschlug. W. blieb jedoch, nachdem ihm eine Gehaltserhöhung versprochen war, während Dissen nach Göttingen ging. In den Jahren 1823 und 1824 unternahm W. wiederum eine größere Reise nach Italien, die er, wie [527] auch die früheren, in K. W. Justi’s Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten-Geschichte von 1806–1830 (S. 677–721) ausführlich beschrieben hat; 1825 erhielt er das Amt eines Pädagogiarchen, von dem er 1833 bei Auflösung des Pädagogiums entbunden wurde. Zugleich legte er die Direction des philologischen Seminars, die er 1811–16 und 1821–33 theils mit Collegen, theils allein geführt hatte, wegen hohen Alters nieder, 1834 auch die Professur der Eloquenz, die nun Karl Friedrich Hermann übernahm: Geheimrath wurde W. 1839. – W. war sowohl als Gelehrter wie als Mensch ein durchaus achtbarer Charakter, ein Biedermann im vollen Sinne des Worts. Mochte er auch in seinen jüngeren Jahren bei seinen körperlichen Leiden und überreizten Nerven mit Recensenten und Collegen bisweilen in hitziger Fehde gelegen haben, so zeichnete er sich doch durch weitgehende Toleranz und willige Anerkennung fremder Verdienste aus. Seine unverhältnißmäßig zahlreichen Schriften, die er bis ins hohe Alter verfaßte und deren Verzeichniß in C. Buechel’s Prorectoratsprogramm von 1847 S. 25–29 an 87 Nummern umfaßt, sind weniger durch ihren wissenschaftlichen Werth als durch ihre Brauchbarkeit in pädagogischer und didaktischer Hinsicht für seine Zeit von Bedeutung. Das Griechische war seine Lieblingssprache; nur das Englische hielt er für würdig, ihm an die Seite gesetzt zu werden, wie er in der Vorrede zu seiner Ausgabe von Fielding’s History of Tom Jones (Vol. I–V, Marburg, 1814–1824) selber angibt. Von dem „aller Kraft ermangelnden, den oberflächlichen Geist der es redenden Nation in einem so hohen Grade aussprechenden“ Französischen wollte er nichts wissen und es durch das Englische aus dem Unterricht verdrängen. Die Accentuation der letzteren Sprache führte ihn zu einer Betrachtung des griechischen Accents („Die Lehre von dem Accent der griechischen Sprache ausführlich entwickelt“, Helmstedt 1807). Für rein praktische Zwecke verfaßte W. eine gedrängtere „Neue vollständige … Englische Sprachlehre für die Deutschen“ (Bd. I, Braunschweig 1819, II, enth. die Uebungen 1822. 2. Aufl. 1827–28; 5. Aufl. 1839), eine „Theoretisch-praktische Schulgrammatik der englischen Sprache für jüngere Anfänger“ (Braunschweig 1843) und „Aufsätze zum Uebertragen ins Lateinische für Geübtere“ (ebd. 1820), die, für die Hörer seiner Vorlesungen über den lateinischen Stil bestimmt, in den Anmerkungen fast die ganze Uebersetzung enthalten; 1828 gab er Goldsmith’s Vicar of Wakefield mit Anmerkungen heraus, 1830 und 1832 „Paulini a S. Josepho Orationes XXIII“, 1832–33 das „Chronicon Parium adnotationibus illustratum“, 1834 Sheridan’s School for Scandal, endlich 1836 „The West Indian by Rich. Cumberland, accentuirt und mit grammatischen und erläuternden Anmerkungen“. Dazu kommen zahlreiche Gedächtnißschriften auf verstorbene Marburger Professoren, wie Crede, Michaelis, Muenscher, Gundlach, Tennemann, Ullmann, Joh. David Busch, Joh. Laur. Zimmermann u. A. Die übrigen Marburger Programme enthalten kleinere kritische, exegetische und grammatische Abhandlungen, antike Realien, Tibull- und Properzübersetzungen, Erläuterung von Klopstock’s Ode „der Bach“ und Festreden; außerdem schrieb W. Recensionen für die Hallische und Jenaische Litteraturzeitung und die Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, anderes für die Allgemeine Schulzeitung und den Allgemeinen Anzeiger. – In seinen letzten Jahren beschränkte sich W. darauf, den Werken anderer empfehlende Vorreden mitzugeben, so Chn. Koch’s Grundsätzen der Erziehung (1837); J. Hoffa’s Hülfsbuch zum Erlernen der Englischen Sprache (1841; einer Uebersetzung der Beispiele aus Wagner’s englischer Sprachlehre) und Melford’s englischem Handwörterbuch, Sprachlehre und Lesebuch (184). – W. erreichte ein Alter von 87 Jahren; ihn überlebten seine Wittwe, zwei Söhne und eine Tochter.

[528] Vgl. Karl Wilh. Justi, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten-, Schriftsteller- und Künstler-Geschichte v. J. 1806 bis z. Jahre 1830 (Marburg 1831) S. 671–726. – Neuer Nekrolog der Deutschen, XXV, 1847 (Weimar 1849) Nr. 145 S. 421–423, worin auch ein Schriftenverzeichniß bis z. J. 1830. – Conrad Buechel’s Marburger Prorectoratsprogramm von 1847 S. 22–28. – Otto Gerland, Fortsetzung v. Strieder u. Justi, Grundl. zu e. hessischen Gel.-Gesch. Bd. 21 (2), Cassel 1866, S. 151–153.