Zum Inhalt springen

ADB:Vogel, Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Vogel, Karl“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 746–749, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogel,_Karl&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Vogel, Alois
Band 54 (1908), S. 746–749 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Carl Vogel (Kartograf) in der Wikipedia
Carl Vogel in Wikidata
GND-Nummer 117463604
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|54|746|749|Vogel, Karl|Viktor Hantzsch|ADB:Vogel, Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117463604}}    

Vogel: Karl V., hervorragender Kartograph (häufig verwechselt mit dem ebenfalls als Herausgeber von Kartenwerken bekannten, 1862 verstorbenen gleichnamigen Leipziger Schuldirector, s. A. D. B. XL, 115 f.), ist am 4. Mai 1828 zu Hersfeld in Hessen als Sohn eines unbemittelten Handwerkers geboren. Da er schon in früher Jugend eine ausgesprochene zeichnerische Begabung verrieth, entschloß er sich, den Landmesserberuf zu ergreifen. Zu diesem Zwecke besuchte er die höhere Gewerbeschule in Kassel und vertiefte seine Kenntnisse außerdem durch eifriges Studium mathematischer und geodätischer Lehrbücher. Nach bestandener Abschlußprüfung trat er im April 1846 als technischer Hülfsarbeiter bei der kurhessischen topographischen Landesvermessung in Kassel ein, die sich damals unter der trefflichen Leitung des hervorragend tüchtigen Obersten Wiegrebe in allen Fachkreisen eines wohlverdienten Rufes [747] erfreute. Als Begleiter des nur wenige Jahre älteren Topographen Johann August Kaupert (s. A. D. B. LI, 89–91), dem er vielfache Belehrung verdankte, reiste er im Lande umher, half bei den Meßtischaufnahmen und betheiligte sich an der Bearbeitung des großen topographischen Atlas des Kurfürstenthums Hessen, der 1840–1858 in 40 Blättern im Maßstabe von 1 : 50 000 erschien. Indessen war diese seinen Neigungen entsprechende Thätigkeit nicht von langer Dauer. Während der über Hessen hereingebrochenen Conflictsperiode bewies er sich als Gegner der verfassungswidrigen Verordnungen des reactionären Ministeriums Hassenpflug und wurde deshalb im Herbst 1850 aus dem Staatsdienste entlassen. Da ihm aber gute Empfehlungen über seine Tüchtigkeit auf kartographischem Gebiete zur Seite standen, erhielt er schon nach kurzer Zeit eine neue Stellung im benachbarten Thüringen. Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha plante nämlich die Veröffentlichung eines Werkes über den letzten schleswig-holsteinischen Feldzug und beauftragte ihn, eine Reihe von Karten und Plänen der in diesem Kriege hervorgetretenen Landschaften und Orte zu entwerfen. Während dieser Arbeit, die infolge mannichfacher Hindernisse unvollendet blieb, knüpfte V. Verbindungen mit dem angesehenen geographischen Institut von Justus Perthes in Gotha an, das damals in raschem Aufblühen begriffen war und deshalb brauchbarer Hülftskräfte bedurfte. Der Betrieb des großen und durch bedeutsame kartographische Leistungen rühmlichst bekannten Unternehmens sagte ihm zu, und so trat er am 1. Februar 1853 als ständiger Mitarbeiter in die Anstalt ein, der er nun ununterbrochen 44 Jahre hindurch bis zu seinem Tode angehörte. Er hatte das Glück, mit einer Reihe namhafter Meister seines Faches wie Karl Petermann, Emil v. Sydow, Hermann Berghaus und Friedrich v. Stülpnagel zusammenzuwirken, von denen er mannichfache Anregung empfing, wenn auch die persönlichen Beziehungen nicht immer die angenehmsten waren. Seine Thätigkeit bestand hauptsächlich darin, drei wichtige und gangbare, von dem 1836 verstorbenen Adolf Stieler begründete Kartenwerke des Perthes’schen Verlages durch fortwährende Verbesserungen, Berichtigungen und Ergänzungen auf Grund eingehenden Studiums der neu erscheinenden geographischen, kartographischen und Reiselitteratur auf dem Laufenden zu erhalten. Das eine war der seit 1821 in sehr zahlreichen Auflagen verbreitete „Kleine Schulatlas über alle Theile der Erde“, das andere der zuerst 1834–38 in drei Abtheilungen veröffentlichte „Kleine Atlas der deutschen Bundesstaaten“, dessen einzelne Karten den nach den verschiedenen Theilen Deutschlands verkauften Exemplaren des Schulatlas beigegeben wurden, das dritte der berühmte, noch heute unübertroffen dastehende „Handatlas über alle Theile der Erde“ (1. Ausgabe 1817–23), an dessen Verjüngung er nun vier Jahrzehnte hindurch unausgesetzt arbeitete. Die ältesten Karten, die er für diesen Handatlas entwarf, sind die unterdeß längst wieder ausgeschiedenen Uebersichtsblätter von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Italien, Frankreich und der Pyrenäen-Halbinsel im Maßstab von 1 : 3,700,000, Deutschland in 4 Blättern in 1 : 1,850,000, sowie Mittel-, Nordwest- und Südwestdeutschland nebst der Schweiz in 1 : 925,000. Daran schlossen sich später die von dem 1895 verstorbenen W. Weiler vorzüglich in Kupfer gestochenen, von allen Sachkennern als Meisterstücke in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht anerkannten prächtigen Vierblattkarten in 1 : 1,500,000 der spanischen Halbinsel (1870–72), Frankreichs (1874–77), des deutschen Reiches (1879–81), Oesterreich-Ungarns (1881–85), Italiens (1887–88) und der nach Vogel’s Entwurf von B. Domann ausgeführten Balkanhalbinsel (1890–91), sowie die Einblattkarte von Dänemark im gleichen Maßstabe (1886), die sämmtlich noch in der neuesten 9. Ausgabe des Atlas [748] mit den unterdeß nothwendig gewordenen Correcturen beibehalten sind, so daß 26 von dessen 100 Karten seinen Namen tragen.

Außer diesen Blättern für Stieler’s Atlanten schuf V. aber noch eine Reihe von selbständigen Einzelkarten, die gleichfalls sämmtlich im Verlage von Justus Perthes erschienen. Von den älteren sind zu erwähnen 5 Specialkarten vielbesuchter Partien des Thüringer Waldes (Gegend von Eisenach, Bad Liebenstein, Friedrichroda, Tambach und Oberhof) 1 : 60,000 (1859–66), ferner eine große „Topographische Karte vom Thüringer Walde und seinen Vorlanden“ 1 : 150,000 in 4 Sectionen (1864–66) mit einem begleitenden Text „Zur Geschichte der Kartographie des Thüringer Waldgebirges“, ein „Plan von Paris und Umgebung“ 1 : 150,000 zur Veranschaulichung der Belagerung während des deutsch-französischen Krieges nebst Begleitwort von J. Spörer (1871), sowie „Portugal vor und nach der neuen Landesaufnahme“ 1 : 1,500,000 (1871). In den nächsten Jahren beschäftigte er sich mit der Umarbeitung der bereits 1826–36 von A. Stieler gezeichneten, seitdem erheblich veralteten „Karte von Deutschland, Königreich der Niederlande, Königreich Belgien und der Schweiz mit angränzenden Ländern“ 1 : 740,000 mit 25 Blättern, von der er 1876 eine revidirte Ausgabe erscheinen ließ, Diese entsprach indeß trotz aller aufgewendeten Mühe infolge der Mangelhaftigkeit ihrer Grundlage nur wenig der modernen Forderung nach möglichst weitgehender Zuverlässigkeit. Deshalb faßte er in Uebereinstimmung mit den Inhaber der Firma Perthes den Plan einer völligen Erneuerung der Karte auf Grund der inzwischen in großer Zahl erschienenen Meßtischblätter und topographischen Karten der amtlichen Landesaufnahmen. Als Maßstab wurde 1 : 500,000 gewählt, sodaß sich unter Ausschluß der Nachbarländer 27 Sectionen ergaben. Nach sechsjähriger, überaus mühseliger Vorbereitung begann unter Heranziehung mehrerer junger Hülfskräfte der zeichnerische Entwurf, nach weiteren sechs Jahren der Stich, der nach vielfältigen Proben und Einholung sachverständiger Urtheile binnen fünf Jahren vollendet wurde, sodaß die Karte 1893 zum Abschluß kam. Sie erschien in zwei Ausgaben mit politischem und mit Waldcolorit. Sie fand in allen Fachkreisen des In- und Auslandes ungetheilte Bewunderung und gilt noch heute mit Recht als eines der vorzüglichsten Meisterwerke deutscher Kartentechnik. In der Geschichte der Kartographie wird sie für alle Zeiten einen ehrenvollen Platz behaupten. Sie liegt auch der 1894–97 im gleichen Verlag erschienenen „Geologischen Karte des deutschen Reiches“ 1 : 500,000 in 27 Sectionen zu Grunde, die Richard Lepsius bearbeitet hat.

V. war aber nicht ausschließlich Kartenzeichner, sondern er ist auch gelegentlich mit litterarischen Arbeiten kleineren Umfangs hervorgetreten, die fast durchgängig in Petermann’s Mittheilungen erschienen. Für diese angesehene geographische Zeitschrift verfaßte er regelmäßige Berichte über die neu erschienenen Blätter von Stieler’s Handatlas, ferner Selbstanzeigen seiner oben erwähnten Vierblattkarten im Maßstabe von 1 : 1,500,000 (Spanische Halbinsel: Petermann’s Mitth. 1871, S. 321–326; Frankreich: 1874, S. 89–93; Deutsches Reich: 1879, S. 338–344; Oesterreich-Ungarn: 1885, S. 385–390; Italien: 1888, S. 98–103; Balkanhalbinsel: 1890, S. 42–46) und der Karte des deutschen Reiches in 27 Blättern (1893, S. 238–240), außerdem kritische Besprechungen von Kartenwerken anderer Autoren, denen gegenüber er auch ein kräftiges Wort des Tadels nicht scheute (Die vormals kurfürstlich hessischen Staatsforste der Herrschaft Schmalkalden: 1867, S. 133 f.; die vom kgl. preußischen Ministerium für Handel neu herausgegebenen Meßtischblätter der Generalstabs-Aufnahmen: 1873, S. 366–373; Plan des [749] kgl. Schlosses Wilhelmshöhe bei Kassel nebst Umgebung: 1875, S. 11–15; die neuen Generalstabskarten des preußischen Staates und der österreichisch-ungarischen Monarchie: 1877, S. 132–134; die Kartographie auf der Pariser Weltausstellung: 1878, S. 445–460; die Generalstabskarte des deutschen Reiches in 674 Blättern und im Maßstabe 1 : 100,000: 1880, S. 189 f., 1884, S. 263–265, 1891, S. 152–155; die neue Ausgabe von Berghaus’ Physikalischem Atlas: 1886, S. 321 f.; Uebersichtskarte von Mitteleuropa im Maße 1 : 750,000 der Natur, bearbeitet und herausgegeben vom k. k. militär-geographischen Institute in Wien: 1887, S. 15–20, nebst Entgegnung und Erwiderung S. 116–121; neue Generalstabsaufnahmen in Europa: 1888, S. 298–302). Ueber die kartographische Technik, die er so meisterhaft beherrschte, hat er leider sehr wenig geschrieben (Die Terraindarstellung auf Landkarten mittels Schraffirung: 1893, S. 148 f.; Wie sind die kartographischen Publicationen auf dem Laufenden zu erhalten, und worin besteht die Correctur einer Karte?: 1893, S. 217–219). Nur ganz ausnahmsweise lieferte er auch Beiträge für andere Zeitschriften (Ueber topographische Karten und ihren Nutzen, in v. Löbell’s Jahrbüchern für die deutsche Armee und Marine: 1873, S. 296–308).

Bis zum Sommer 1890 war V. meist bei guter Gesundheit und voll rüstiger Arbeitslust. Im Herbst desselben Jahres aber zeigte sich plötzlich, wohl als Folge dauernder Ueberanstrengung, ein Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte. Ein leichter Schlaganfall trat ein, der zur Vorsicht mahnte und ihn nöthigte, seine Thätigkeit einzuschränken. 1893 wiederholte sich der Vorgang in verstärktem Maaße. Zunehmende Gebrechlichkeit stellte sich ein, und so mußte es als Erlösung betrachtet werden, als am 16. Juli 1897 ein erneuter Anfall ein rasches Ende herbeiführte. Die Perthes’sche Anstalt, deren Weltruf er mit begründet hat, verlor in ihm einen ihrer treuesten und erfolgreichsten Mitarbeiter, die deutsche Kartographie einen ihrer tüchtigsten Vertreter, der es wie Wenige verstand, in seinen Werken möglichst vollständige Heranziehung und kritische Ausnutzung der Quellen, weitgehende Correctheit des Kartenbildes und sorgfältige, geschmackvolle Technik zu verbinden. An Anerkennung seiner Leistungen hat es ihm nicht gefehlt. Die sachverständige Kritik beurtheilte ihn aufs günstigste, verschiedene geographische Gesellschaften ernannten ihn zu ihrem correspondirenden oder Ehrenmitglied, der 3. internationale Geographencongreß zu Venedig widmete ihm eine Medaille, und die philosophische Facultät der heimathlichen Universität Marburg verlieh ihm 1891 ehrenhalber ihren Doctortitel.

Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik XIV (1892), S. 139 (mit Bildniß). – Petermann’s Mittheilungen 1897, Heft VIII, S. I–VI (H. Wagner). – Biographisches Jahrbuch II (1898), S. 306 (W. Wolkenhauer); IV (1900), S. 62*.