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ADB:Petermann, August

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Artikel „Petermann, August“ von Hugo Wichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 795–805, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Petermann,_August&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:25 Uhr UTC)
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Petermann *): August P. wurde am 16. April 1822 zu Bleicherode am Eichsfelde geboren, wo sein Vater Actuar war. Mit 14 Jahren trat er in das Gymnasium zu Nordhausen ein, um sich für die Universität vorzubereiten. Schon früh beschäftigte er sich mit Vorliebe mit Lesen geographischer Werke und Kartenzeichnen, trotzdem bedurfte es unermüdlicher Ausdauer, durch welche P. später so große Erfolge errang, bis er die Erfüllung seines Lieblingswunsches bei seinen Eltern durchzusetzen vermochte, statt der Theologie sich ganz der Geographie und Kartographie widmen zu dürfen. Ein günstiger Umstand unterstützte seine Wünsche. Im Jahre 1839 rief Professor Dr. Heinrich Berghaus in Potsdam eine geographische Kunstschule ins Leben, welche eine gründliche wissenschaftliche wie technische Ausbildung von Kartographen zum Ziele hatte. Der Vater Petermann’s legte einige Zeichnungen desselben dem Professor Berghaus vor und als dieser ein günstiges Urtheil abgab, war der Eintritt Petermann’s in die Kunstschule entschieden. Noch im Jahre 1839 trat er in dieselbe ein und sechs Jahre lang blieb er Schüler und Mitarbeiter von Professor Berghaus. Die Ausbildung, welche P. in der Kunstschule erhielt, war eine sehr mannigfaltige; mit der Uebung in der Technik gingen wissenschaftliche Arbeiten und kritische Quellenstudien Hand in Hand. Neben kartographischem Zeichnen wurden auch die Reproductionsmethoden durch Kupferstich und Lithographie praktisch erlernt; dazu erstreckte sich der Unterricht auf selbständige Vermessungen und Aufnahmen in der Umgegend, wodurch das Verständniß für die Darstellung des Terrains geschärft wurde; selbst Seeaufnahmen, Lotungen u. dergl. wurden, wenn auch in beschränktem Maße, auf den Seen der Havel geübt.

Von dem größten Einflusse auf Petermann’s spätere Thätigkeit war seine Mitwirkung an der Bearbeitung von Professor Berghaus’ bedeutendstem Werke, dem Physikalischen Atlas, von dem 1838 die erste Lieferung erschienen war. Ganz besonders war dieses Unternehmen, welches die verschiedensten [796] Zweige der physischen Geographie umfaßte, geeignet, die Schüler der Kunstschule mit den litterarischen Quellen bekannt zu machen und in deren kritischer Benutzung zu üben; durch die Zeichnungen selbst sammelten sie Erfahrungen in verschiedenen Arten graphischer Darstellung, Ausnützung des Raumes, Verwerthung verschiedener Schriftsorten für verschiedene Darstellungen, sowie überhaupt in möglichst zweckentsprechender Einrichtung der Karten. Gerade durch die Verbindung wissenschaftlicher Arbeit mit praktischen Ausübungen in der Technik hat sich P. die Kenntnisse erworben, welche ihm seine spätere reformatorische Thätigkeit auf dem Gebiete der Kartographie ermöglichten.

Die erste selbständige Arbeit, welche Petermann’s Namen als Verfasser trägt, war die Karte, welche er für Alex. v. Humboldt’s „Asie centrale“ (1843) zeichnete. Die Anerkennung, welche diese Arbeit bei dem berühmten Forscher fand, blieb nicht ohne Einfluß auf die Richtung der von ihm später vorzugsweise befolgten Thätigkeit, die Leistungen der Reisenden durch das Kartenbild zum klaren Ausdruck zu bringen.

Im J. 1845 siedelte P. nach Edinburgh über; die Veranlassung war die Berufung durch den schottischen Geographen Keith Johnston, welcher eine englische Bearbeitung von Berghaus’ Physikalischem Atlas in Angriff genommen hatte und zu derselben die Mitarbeiterschaft von einigen von Berghaus’ Schülern erbat. P. bearbeitete in dieser englischen Ausgabe namentlich die zoologischen Karten.

Nach Vollendung dieser Arbeiten ging P. 1847 nach London, in der Absicht, nach einem vorübergehenden, zu weiteren Studien zu benutzenden Aufenthalt nach Deutschland zurückzukehren. Bald aber reifte der Entschluß in ihm, sich dauernd in London niederzulassen, da sich ihm günstige Aussichten für sein Fortkommen eröffneten. Er begründete eine lithographische Anstalt, aus welcher eine Reihe von Karten, theils für eignen Verlag, theils für andere Geschäfte, namentlich für das Journal der R. Geogr. Society, hervorgingen. Gerade seine Verbindung mit dieser Gesellschaft übte einen entscheidenden Einfluß auf die Richtung seiner Thätigkeit aus. Nach jahrelangem Rückgange trat die R. Geogr. Society eben in eine Periode des Wiederaufblühens und stets wachsender Theilnahme an geographischen Forschungen ein, was als eine Folge der Wiederaufnahme arktischer Entdeckungsreisen anzusehen ist. In dem Kreise der vielen weitgereisten Männer, welche theils als Officiere und Regierungsbeamte in englischen Colonieen, theils als Kaufleute in anderen Ländern sich aufgehalten hatten, theils als Forschungsreisende in den verschiedensten Gebieten thätig gewesen waren, fand P., welcher bald nach seiner Ankunft in London Mitglied der Gesellschaft geworden war, vielseitige Anregung zu eingehendem Studium der Geographie anderer Erdtheile. Wichtig wurde für ihn namentlich der Verkehr in dem Hause des preußischen Gesandten v. Bunsen, da er durch denselben die Gelegenheit fand, zum ersten Male agitatorisch für die Erforschung unbekannter Länder einzutreten.

Als im J. 1849 die englische Regierung die Entsendung einer Expedition nach Centralafrika beschlossen hatte, welche hauptsächlich den Abschluß von Handelsverträgen mit den Fürsten des mittleren Sudan zum Ziele hatte, wußte P. den preußischen Gesandten dafür zu gewinnen, daß er die englische Regierung veranlaßte, dem Unternehmen eine ausgedehntere Richtung zu geben und namentlich die Theilnahme eines deutschen Gelehrten zu gestatten, welcher auf die geographische Forschung sein Hauptaugenmerk zu richten hatte, während dem Leiter der Expedition, J. Richardson, die handelspolitischen Unterhandlungen zufallen sollten. P. hatte von vornherein Dr. Heinrich Barth, welcher gerade eine dreijährige Wanderung durch die mohammedanischen Länder des Mittelländischen Meeres 1845–47 beendet hatte, als Theilnehmer ausersehen, und in der That nahm derselbe die durch Karl Ritter an ihn gerichtete Aufforderung sofort an. [797] Durch das Entgegenkommen der englischen Regierung wurde später noch die Theilnahme eines zweiten deutschen Forschers, des Geologen Dr. Ad. Overweg ermöglicht. Diese Expedition, welche Ende 1849 aufbrach, übte den größten Einfluß auf die weitere Laufbahn Petermann’s aus. Der glückliche Griff, welchen P. mit der Empfehlung Barth’s gethan hatte, indem die bedeutenden Erfolge der Expedition fast ausschließlich diesem Forscher zu verdanken waren, ermuthigte P., auf dem eingeschlagenen Wege der Agitation für geographische Forschungen weiter fortzuschreiten. Und in der That sollte die Expedition Barth’s, welchem nach dem frühzeitigen Tode Richardson’s im J. 1851 die Leitung des ganzen Unternehmens von der englische Regierung anvertraut wurde, noch länger als ein Jahrzehnt seine Nachwirkung auf Petermann’s Thätigkeit ausüben und ihm Gelegenheit geben, für die Fortsetzung afrikanischer Forschungen zu wirken. Nachdem die Kunde von dem Tode Richardson’s nach England gelangt war, wußte P. wiederum durch die Vermittelung des preußischen Gesandten v. Bunsen auf die englische Regierung einzuwirken, daß der Expedition eine Verstärkung nachgesandt wurde; auf seine Empfehlung wurde dazu Ed. Vogel, welcher als Assistent an Bishop’s Sternwarte in London thätig war, ausersehen und zwar wurde ihm hauptsächlich die Aufgabe gestellt, durch astronomische Positionsbestimmungen eine sichere Grundlage für die Darstellung der bedeutenden Ergebnisse von Barth’s Forschungen auf der Karte zu gewinnen. Die langjährige Ungewißheit über das Schicksal Vogel’s gaben P. nach seiner Rückkehr nach Deutschland Veranlassung, die Aussendung einer ganzen Reihe von Expeditionen anzuregen, welche erst im J. 1864 zum Abschluß gelangten. Die Entdeckung des Benuë, des mächtigen Zuflusses des Niger, durch Barth im J. 1851 und die Wahrscheinlichkeit seiner Schiffbarkeit bis zu seiner Mündung spornten P. an, den durch Barth angeregten Vorschlag einer Expedition zur Untersuchung dieser Wasserstraße zu befürworten, wodurch er wesentlich zur Entsendung Dr. Baikie’s mit dem Dampfer „Pleiade“ im J. 1854 beitrug; der Erfolg dieser Expedition war die Feststellung der Schiffbarkeit des Benuë bis nach Adamaua.

Das Interesse Petermann’s wurde keineswegs ausschließlich durch die Forschungen im centralen Afrika gefesselt. Schon bald nach seiner Ankunft in London griff die Besorgniß um das Schicksal von Sir John Franklin und seiner 129 Begleiter, welche 1845 zu einer auf 3 Jahre ausgerüsteten Expedition zur Aufsuchung der Nordwestpassage aufgebrochen waren, weiter um sich. Schon frühzeitig betheiligte sich P. an der Agitation, welche Unternehmungen zu ihrer Rettung oder doch die Feststellung ihres Schicksales verlangte, anfänglich in anonymen Artikeln als geographischer Berichterstatter des Athenäum; in lebhaftester Weise unterzog er die zahlreichen Vorschläge über die besten Routen, auf denen die Aufsuchungsexpeditionen in das Polarmeer eindringen sollten, einer Erörterung, er trat mit den Führern und wissenschaftlichen Begleitern der verschiedenen Expeditionen in Verbindung, bemühte sich durch ausführliche Besprechungen die gewonnenen Ergebnisse schnell bekannt zu machen, und durch seine rastlose Befürwortung neuer Unternehmungen trug er wesentlich dazu bei, daß das Interesse der Bevölkerung und Regierung an dem Schicksale der Verschollenen nicht erlahmte. Schon im J. 1852 trat P. mit der Empfehlung einer Route in das Polarmeer auf, an welcher er, mit wenigen kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Tode festgehalten hat, ohne daß es ihm gelungen ist, die Entsendung einer zur Untersuchung dieser Route ausgerüsteten Expedition durchzusetzen. P. empfahl das Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja zum Vordringen nach dem Pole, weil er die Existenz eisfreier Stellen durch Einwirkung des Golfstromes für wahrscheinlich hielt, eine Anschauung, von welcher er sich niemals ganz hat [798] lossagen können, wenn er auch nach den Ergebnissen der neueren Polarfahrten die Existenz eines offenen Polarmeeres nicht mehr vertheidigen konnte.

Aber auch die Erweiterungen der Kenntnisse über andere Gebiete entgingen seiner Aufmerksamkeit nicht, doch konnte er sich ihnen infolge seiner Vorliebe für Afrika und die Polargebiete nicht in gleichem Maße widmen. In einem Vortrage vor der British Association betonte er schon im J. 1853 die Nothwendigkeit weiterer Forschungen im Innern von Australien, welche Mahnung in den Colonien wenige Jahre später zu erfolgreichen Unternehmungen beitrug.

Nicht allein durch seine rege Betheiligung an der Erörterung geographischer Fragen hatte sich P. einen geachteten Namen erworben, auch die Arbeiten, die aus seiner Anstalt hervorgingen, hatten ihn in weiteren Kreisen bekannt gemacht. Besonders beachtenswerth waren seine Physical Statistical Maps of the British Isles, showing the geographical distribution of the population and inland hydrography, ein Atlas of physical geography, den er mit Th. Milne bearbeitet hatte, namentlich aber Maps and views with descriptive letter press of the expedition to Central Africa, in welchem Werke er die ersten Resultate der Expedition von Richardson und Barth möglichst schnell zugänglich machte.

Diese umfassende Thätigkeit, welche P. in London entwickelte, lenkte die Aufmerksamkeit der Firma Justus Perthes in Gotha auf ihn, welche damals unter Leitung von Wilhelm und Bernhardt Perthes zu einer Geographischen Anstalt sich erweiterte. Bereits im Februar 1853 wurden von dem Letzteren Verhandlungen mit P. angeknüpft, welche ihn zum Eintritt in die Anstalt veranlassen sollten. Nach längerem Zögern entschied sich P. im October 1853 zur Annahme dieses Vorschlages und im August 1854 erfolgte seine Uebersiedelung nach Gotha. Die Aufgabe seiner Selbständigkeit, welche ihm wol schwer geworden war, wurde vor allem durch die Aussicht beeinflußt, mit den reichen Mitteln und den Kräften an Zeichnern und Stechern der entstehenden Anstalt eine segensreiche und große Erfolge versprechende Thätigkeit in Deutschland entfalten zu können.

P., welcher bald nach seiner Rückkehr von der philosophischen Facultät der Universität Göttingen zum Doctor promovirt wurde, begann zunächst mit der weiteren Verarbeitung der Aufnahmen der Barth’schen Expedition. Die Fülle neuer Berichte und Kartenskizzen führten bald zu dem Plane, das 1850–52 erschienene, von Prof. Heinr. Berghaus herausgegebene „Geographische Jahrbuch zur Mittheilung aller wichtigeren neuen Erforschungen“ wieder ins Leben zu rufen, als der damalige Comptoirgehülfe, spätere Geschäftsführer Ad. Müller den Vorschlag machte, an Stelle eines Jahrbuches zwanglose Hefte unter dem Titel „Geographische Mittheilungen“ herauszugeben. P. griff diesen Gedanken mit Eifer auf, schon am nächsten Tage lag das Programm vor zu den „Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie“. Das erste Heft erschien im März 1855 und von diesem Augenblicke nahm die Sorge für seine Zeitschrift die Hauptthätigkeit Petermann’s in Anspruch. Sie gestaltete sich von vornherein zu einer regelmäßigen Monatsschrift, da stets Material ausreichend vorlag. Schon der Titel sprach deutlich aus, was P. zu leisten sich vorgenommen hatte, „beizutragen zur allgemeinen Kunde neuer oder überhaupt wichtiger Forschungen auf dem Gesammtgebiete tellurischer Wissenschaft“. In überraschend kurzer Zeit gelang es P., seine Mittheilungen zu der anerkannt besten geographischen Zeitschrift nicht allein Deutschlands, sondern der ganzen Erde zu gestalten. Wesentlich zu diesem Erfolge, welcher sich auch dadurch offenbarte, daß die ersten Hefte trotz großer Auflage schon nach wenigen Monaten nachgedruckt werden mußten, trug Petermann’s Bemühen bei, stets so schnell als möglich die Berichte und [799] namentlich die Karten über neue Entdeckungen der Oeffentlichkeit zu übergeben. Es war dies ein Vorzug, welcher neben der sicheren Aussicht auf weiteste Verbreitung die Reisenden, selbst Engländer z. B. Speke und Franzosen z. B. Duveyrier, veranlaßte, ihre Arbeiten zunächst P. zu übergeben. Wenn auch P. kein streng wissenschaftlicher Geograph war und seine Neigung sich vornehmlich der Entdeckungsgeschichte zuwandte, so wußte er die Mittheilungen vor Einseitigkeit zu bewahren; in glücklichster Weise verstand er es, verschiedenartige Beiträge heranzuziehen und Abwechselung in den einzelnen Heften zu bieten und nur ganz ausnahmsweise ist es vorgekommen, daß einzelne Hefte sich fast ausschließlich mit einem Thema, namentlich der Polarforschung, beschäftigten. Aber nicht allein durch die Originalarbeiten suchte P. den Werth seiner Zeitschrift zu erhöhen, sondern er verstand es auch, durch treffliche Uebersichten über die Erfolge verschiedener Forscher in demselben Gebiete das Interesse für geographische Forschungen rege zu erhalten und in weitere Kreise zu tragen. Mit großer Geschicklichkeit sammelte er die, namentlich seit der schnellen Zunahme geographischer Zeitschriften und Gesellschaftsschriften immer mehr sich zerstreuenden Nachrichten und Originalberichte von Reisenden und verarbeitete sie in einer Weise, daß die Mittheilungen für manche Gebiete, besonders für Afrika, die Polargebiete, Australien und Centralasien, zu einem fortlaufenden Repertorium der Fortschritte der Entdeckungen in Wort und Karte sich gestalteten. Hierbei stand P. die außerordentliche Arbeitskraft von Dr. E. Behm zur Seite, welcher allerdings nur selten mit seinem Namen hervortrat. Wie P. in der Erwerbung von Originalbeiträgen eine große Findigkeit und Zähigkeit bewies, so ließ er sich auch in dem Herbeischaffen von wichtigen Forschungsergebnissen, welche häufig in wenig zugänglichen Gesellschaftsschriften verborgen oder in officiellen Actenstücken vergraben waren oder auch aus politischen Gründen der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben sollten, durch Hindernisse nicht leicht zurückschrecken. Durch diese große Rührigkeit, welche durch eine unermüdliche Arbeitskraft unterstützt wurde, konnte P. selbst in den letzten Jahren, als durch die zahlreichen geographischen Gesellschaften und besonders durch die staatliche Unterstützung von Entdeckungsreisen, deren Ergebnisse nur in bestimmten Zeitschriften zur Veröffentlichung kommen durften, ihm manche Originalberichte entzogen wurden, der Concurrenz sich erwehren und seine „Mittheilungen“ als eine der hervorragendsten unter den geographischen Zeitschriften erhalten. Die Abnahme an Originalberichten von Forschungsreisenden veranlaßte P., sein Blatt mehr als in den ersten Jahren Studien aus dem Gebiete der wissenschaftlichen Geographie zu öffnen. Außerordentlich zahlreich sind die in den Mittheilungen veröffentlichten Arbeiten über die geographische Verbreitung von Pflanzen und Thieren; sehr anregend wirkten die Abhandlungen über Meeresströmungen, namentlich die eingehende Erörterung über Richtung und Einfluß des Golfstromes (Mitteil. 1870), wenn deren Ergebnisse durch neuere Untersuchungen allerdings überholt worden sind.

Von Anfang an legte P. das Hauptgewicht auf die kartographischen Beilagen seiner Zeitschrift, „da das Endresultat aller geographischen Forschung in der Karte am besten, am genauesten und am anschaulichsten gegeben wird“. Noch entschiedener erklärt sich P. als Anhänger derjenigen Richtung, welche die Kartographie als den wichtigsten Theil der Geographie hinstellt durch die Worte: „Die topographische Aufnahme- oder Generalstabskarte ist das Höchste, was die Erdkunde hat, indem sie die genaueste Abbildung der Erdoberfläche gibt und darum wiederum die beste Basis für alle Kenntniß“ (Mittheilungen 1878, S. 208). P. übersieht bei diesem Urtheil, daß die Karte nicht der Endzweck, sondern nur das Mittel zum Zweck, der bessern Erkenntniß der Erdoberfläche, sein soll. In diesen Worten kennzeichnet aber P. [800] seine kartographische Thätigkeit; die möglichst genaue Abbildung der Erdoberfläche war sein Ziel und, indem er dieses erreichte, hat er die Kartographie, welcher in Deutschland nur nebensächliche Beachtung geschenkt wurde, zur Kunst erhoben. Es kann allerdings nicht behauptet werden, daß P. durch großartige Neuerungen eine Umwälzung in der deutschen Kartographie hervorgerufen hat, aber ein Vergleich deutscher Karten aus dem Anfange der 50er Jahre und denen der 70er Jahre zeigt, daß in der That ein bedeutender Umschwung stattgefunden hat, welcher wesentlich auf Petermann’s Einfluß zurückzuführen ist; sein Stil der Kartenzeichnung ist in Deutschland maßgebend geworden. Das Mittel, durch welches er diesen Einfluß erreichte, war die Sorgfalt, welche er auf die innere Vollendung wie auf die äußere Ausstattung der Karten verwendete. Sollte die Zeichnung ein getreues Bild der Erdoberfläche sein, so mußte eine durchaus erschöpfende Bearbeitung der Quellen über das betr. Gebiet stattfinden, und die mühsame Arbeit der Beschaffung des nöthigen Materials war eine Aufgabe, welcher P. unablässig die größte Sorgfalt widmete. In den 24 Jahrgängen der Mittheilungen und ihren 56 Ergänzungsheften, welche unter Petermann’s Redaction hervorgingen, sind gegen 850 Karten enthalten, welche zum weitaus größten Theil die Entdeckungsgeschichte, die fortschreitende Erforschung außereuropäischer Länder zum Gegenstand haben. P. stellte es sich zur Aufgabe, die Karte nicht auf die Darstellung einer einzelnen Reiseroute zu beschränken, sondern wenn irgend möglich, stets eine gründliche Verarbeitung des sämmtlichen Materiales zu liefern, so daß die Karte dem augenblicklichen Stande der Kenntniß des betr. Erdraumes entsprach. Ein Hauptvorzug seiner Karten beruht daher auch in ihrer unmittelbaren Verwerthbarkeit für andere Darstellungen, da dieselben die Hauptschwierigkeit, die Lösung von Widersprüchen in den Angaben verschiedener Reisender, bereits beseitigt hatten. Als ein Muster solcher gründlicher und erschöpfender Bearbeitung darf namentlich die von seinem Schüler Br. Hassenstein unter Petermann’s Mitwirkung und Redaction herausgegebene: „Zehn Blatt-Karte von Inner-Afrika“ 1861–63 gelten. Unter den wichtigsten Karten, welche zuerst in den Mittheilungen erschienen, sind zu erwähnen die Aufnahmen von Barth, Munzinger, Duveyriet, Rohlfs, Mauch, Schweinfurth, Przewalski, Ssewertzow, Weyprecht und Payer, Hochstetter u. a.

Aber nicht allein die gründliche Verarbeitung, die Richtigkeit gibt der Karte ihren Werth, die Klarheit und Deutlichkeit ist ebenfalls eine Grundbedingung für ihre Brauchbarkeit, und diese suchte P. zu erreichen, indem er der äußeren Anordnung der Zeichnung, der technischen Reproduction im Stich, dem Drucke und dem Colorite gleiche Beachtung schenkte. Bahnbrechend wurden seine Arbeiten hinsichtlich der Stellung der Schrift und der Auswahl verschiedener Schriftsorten, durch welche die verschiedenen Objecte der Karte von einander deutlich unterschieden wurden. Vor allem aber suchte P. durch die Darstellung des Terrains ein möglichst getreues, plastisch wirkendes Bild des Landes zu geben; er befreite sich in Deutschland sehr bald von englischen Anschauungen, denen zu Liebe die Wiedergabe der Bodenunterschiede vor der Situation zurücktreten muß und stellte es gerade als Hauptaufgabe des Kartographen hin, den Charakter eines Landes durch die Terrainzeichnung zum klaren Ausdruck zu bringen. Als Ideal einer Karte galt ihm die Unterdrückung der Schrift, was sich aus praktischen Gründen natürlich nicht einführen ließ.

Von P. allerdings nicht erfunden, aber zuerst in der Kartographie zur Anwendung gebracht und vervollkommnet waren zwei technische Verfahren bei der Reproduction von Karten. Als es galt, die Ergebnisse der Forschungsreisen möglichst schnell dem Publicum vorzulegen, konnte die lithographische Herstellung der Karten nicht genügen; P. ließ seit 1861 die Karten der Mittheilungen [801] immer häufiger auf autographischem Wege herstellen und im Laufe der Zeit wußte er seine Zeichner und Schüler in diesem Verfahren so einzuüben, daß nur ein Fachmann ihre Entstehungsweise erkennt. Als Ersatz für die lithographischen Farbenplatten, durch deren Anwendung die Klarheit des Kartenbilde’s leicht gestört wird, wandte P. in den letzten Jahren das Schablonencolorit an, welches die Benutzung auch der zartesten Farbentöne gestattet.

Petermann’s kartographische Thätigkeit beschränkte sich nicht auf die Mittheilungen; die Ergänzung und Erneuerung von Stieler’s Handatlas war vorzugsweise auch sein Werk; mehr als die Hälfte seiner Blätter, fast sämmtliche außereuropäischen, sind von 1860 an unter seiner Redaction entstanden. Das erste dieser Blätter war Südostaustralien. Als die wichtigsten der von P. entworfenen und redigirten Karten in Stieler’s Handatlas sind zu nennen die 6blättrige Karte von Osteuropa, die 2blättrige Karte von Indien und Innerasien, die 3 Blätter von Afrika, die 6blättrige Karte der Vereinigten Staaten, und die 6blättrige Karte von Südamerika. Als Ergänzungen erschienen die Karte von Australien in 9 Bl. und der Mittelmeerländer in 8 Bl.; letztere Arbeit, welche Jahre lang geruht hatte, wurde nach seinem Tode von Dr. H. Berghaus vollendet. Seine Meisterschaft in der Verarbeitung durchaus ungleichartigen Materiales bewährte P. namentlich in der Darstellung von Innerasien, von Afrika und ganz besonders bei den Karten der Vereinigten Staaten und von Australien, welche sich des lebhaftesten Beifalles der Fachmänner in den betreffenden Ländern zu erfreuen hatten. Weshalb P. es vermieden hat, eine einheitliche kartographische Darstellung der Polargebiete und von Afrika, welchen Gebieten sich doch sein Interesse in erster Linie zugewandt hatte, zu geben, dafür kann eine genügende Erklärung nicht gegeben werden.

An Neuerungen und Erweiterungen, welche P. auf diesen Blättern einführte und welche im In- und Auslande Nachahmung gefunden haben, sind zu nennen die Angaben von Höhenzahlen, Unterscheidung von wasserarmen und stets fließenden Gewässern, von salzigen und süßen Binnenseen, von Sand- und Steinwüsten, Eintragung von Tiefenlinien.

Außer zahlreichen Gelegenheitskarten, namentlich Kriegskarten, welche, da sie nur einem vorübergehenden Interesse dienen sollten und meistens sehr schnell hergestellt werden mußten, auf wissenschaftlichen Werth und gründliche Verarbeitung keinen Anspruch erheben können, stammen von P. noch die Karten zu den wichtigen Reisewerken von Barth über seine Reise nach dem Central-Sudan und von v. Hochstetter über seine Forschungen in Neuseeland.

Von größter Bedeutung war auch Petermann’s Einfluß auf die Entwicklung des Kartenstiches, namentlich des Kupferstiches, welchen er mit Recht als das Ideal der Kartenproduction ansah. Vor allem legte er das Hauptgewicht auf die möglichste Sorgfalt in der Ausführung des Stiches; peinlichste Genauigkeit, welche er von dem Zeichner verlangte, machte er auch dem Stecher zur Pflicht, und dieser ständigen Aufmerksamkeit, welche er jedem Kartenwerke widmete, ist die hohe Vollendung der Gothaer Karten in erster Linie zu danken. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, daß an den Namen Petermann’s überhaupt der Einfluß des Perthes’schen Instituts und seiner Mitarbeiter, namentlich C. Vogel’s und Dr. H. Berghaus’, um die Entwicklung des Kupferstiches sich knüpfte. Trotz seiner Vorliebe für den Kupferstich, welcher am besten im Stande ist die Absichten des Zeichners bei Darstellung eines Erdraumes wiederzugeben, war P. nicht blind gegen die Vorzüge anderer Reproductionsarten. Im letzten Jahre noch befürwortete er lebhaft die im Wiener Militär-Geogr.-Institute zur [802] hohen Vollendung gelangte Heliogravüre, und nur sein frühzeitiger Tod scheint die Ursache zu sein, daß dieses Verfahren noch nicht zur weitern Verbreitung gelangt ist.

Den wesentlichsten Einfluß auf die Entwicklung der geographischen Wissenschaft errang P. durch seine rastlose Agitation für die Erforschung der Erdoberfläche, für die Entsendung von Expeditionen in die noch unerforschten Gebiete des Erdballes, und auf diesem Felde hat er auch die größten Erfolge erzielt. Während seine unablässigen Bemühungen für die Erweckung und Ausbreitung des Interesses für Geographie, die er durch die Redaction der Mittheilungen bethätigte, während die Verbesserungen, die er in der Kartographie einführte, nur langsame Früchte trugen, und selbst von dem Fachmanne kaum bemerkt wurden, machten die Entdeckungen in Afrika und in den Polargebieten, welche seiner agitatorischen Wirksamkeit zu verdanken sind, seinen Namen berühmt, und mit Recht, denn seiner Agitation ist in erster Linie der Aufschwung zuzuschreiben, welchen die Entdeckungsgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genommen hat. Den Beginn zu dieser Thätigkeit hatte er schon während seines Aufenthaltes in England gelegt, als es ihm gelang, die Theilnahme von deutschen Gelehrten an der großen Expedition nach Centralafrika durchzusetzen. Der glänzende Erfolg, welchen seine Befürwortung erzielte, war für ihn eine Ermuthigung, auf dem eingeschlagenen Wege zu beharren; mittelbar wirkte diese Empfehlung auch auf seine späteren Unternehmungen nach, denn sie wurde die Veranlassung zu der Entsendung einer Reihe von Expeditionen, welche die Aufklärung über das Schicksal Ed. Vogel’s, des Barth im J. 1853 nachgesandten deutschen Astronomen, zum Ziele hatten. Nachdem die verschiedenen Versuche der englischen Regierung, sichern Aufschluß über den muthmaßlichen Tod des seit seinem Aufbruche von Bornu nach Wadai im Januar 1856 verschollenen Reisenden zu erhalten, erfolglos geblieben waren, begann P., welcher stets das Interesse für diesen Forscher wach zu halten gesucht hatte, im Anfang 1860 seine rastlose Agitation, durch welche er in verhältnißmäßig kurzer Zeit die nöthigen Mittel zur Entsendung der ersten deutschen d. h. von deutschen Forschern geleiteten und von deutschen Mitteln bestrittenen Expedition zusammenbrachte. Der Erfolg entsprach allerdings den gehegten Erwartungen nicht. Th. v. Heuglin, welchem die Leitung der Expedition anvertraut war, wich von dem verabredeten Plane ab und wandte sich 1861 Abessinien zu, statt über Chartum nach Wadai vorzudringen. Diese Aufgabe suchten seine Begleiter Munzinger und Kinzelbach zu lösen, welche aber über Kordofan nicht hinausgelangten, da ihnen der Eintritt in Darfur verwehrt wurde. Später, 1863, wollte v. Heuglin, nachdem er sich in Chartum der Tinné’schen Expedition nach dem Gebiete des Bahr-el-Gasal angeschlossen hatte, von SO. her Eintritt in Wadai zu erlangen suchen, Krankheit nöthigte ihn schon am Dembo-Flusse zur Rückkehr. Näher dem Ziele gelangte v. Beurmann, welcher 1862 von Bengasi über Murzuk nach Bornu gelangte, bei dem Versuche, den Tsadsee im N. zu umgehen, aber im Februar 1863 zu Mao in Kanem ermordet wurde. Hatten somit sämmtliche Expeditionen ihr eigentliches Ziel auch nicht erreicht, so waren doch bedeutende Ergebnisse für die von ihnen besuchten Gebiete erzielt worden; namentlich war eine sichere Basis für die Grundlage der Geographie des östlichen Sudan und des mittleren Nilgebietes gewonnen worden. Diese Expeditionen zur Aufsuchung Vogel’s wirkten aber auch noch Jahre lang nach und gaben indirect Veranlassung zu den Expeditionen von Rohlfs und Nachtigal. Rohlfs, welcher 1864–65 seine durch die Befürwortung Petermann’s ermöglichte glänzende Expedition durch die nördliche Sahara ausgeführt hatte, ging 1865, unterstützt durch den Rest der [803] zur Aufsuchung Vogel’s gesammelten Gelder nach Kuka, vermochte aber nicht nach Wadai einzudringen und wandte sich nun nach W. nach dem Golf von Guinea. Die völlige Aufklärung über das Schicksal Vogel’s brachte erst Nachtigal, welcher auf Rohlfs’ Veranlassung die für den Sultan von Bornu bestimmten Geschenke des Königs von Preußen nach Kuka überbrachte; ihm wurde endlich 1873, 17 Jahre nach Vogel’s Tode, der Eintritt in Wadai gestattet.

Wesentlich durch P. und die auf seine Agitation gesammelten Gelder unterstützt, vermochte C. Mauch, welcher 1863 auf eigene Faust nach Transvaal gegangen war und sich mit kartographischen Aufnahmen des Landes beschäftigt hatte, von 1867 an seine Arbeiten in größerem Maßstabe fortzusetzen, und ihm ist die erste genauere Karte der großen Südafrikanischen Republik zu verdanken, welche er auf seinen späteren ausgedehnten Wanderungen fortgesetzt verbesserte und ergänzte. 1868 entdeckte er die Goldfelder von Tati, an welche sich der wirthschaftliche Aufschwung Transvaals knüpft. Seine letzte bedeutende Reise war die Durchkreuzung des Matebele-Landes bis zum Sambesi 1871–1872; auf dieser Tour erfolgte seine Entdeckung der Ruinen von Zimbabye.

Petermann’s Einfluß auf die Erforschung Afrika’s beschränkte sich aber nicht auf diese thatsächlich durch ihn ermöglichten Expeditionen; weit zahlreicher noch sind diejenigen Unternehmungen, welche auf seinen Rath hin überhaupt begonnen oder in der erfolgten Richtung ausgeführt wurden. Mit fast allen Afrikareisenden seiner Zeit stand P. in Verbindung; namentlich Duveyrier, Munzinger, v. d. Decken, Schweinfurth u. v. a. wurden von P. beeinflußt.

Von der Förderung afrikanischer Forschung zog sich P. allmählich zurück, nachdem in Deutschland eine staatliche Unterstützung darauf ausgehender Unternehmungen erfolgte, zumal nachdem sein Vorschlag, durch Benutzung von Elefanten die Erforschung von Aequatorialafrika zu beschleunigen, keine Beachtung gefunden hatte. Wenn auch die erste größere Erforschungsexpedition unter Ausnützung der Kräfte von Elefanten, welche der König von Belgien 1880 unter Carter und Cadenhead ausführen ließ, unglücklich verlief, so ist das letzte Wort in dieser Beziehung noch nicht gesprochen, da der Mißerfolg sich auf andere Ursachen, namentlich schlechte Auswahl der Thiere, zurückführen läßt. Noch die letzte schriftliche Aufzeichnung Petermann’s beschäftigte sich mit diesem Gegenstande (Mittheilungen 1878, S. 405) aus Anlaß des Transportes von indischen Elephanten von Kairo über Chartum nach Lado; von den damals beförderten Thieren waren 1885 noch zwei in Makraka am Leben, obwohl sie nur von nicht eingeschulten Negern abgewartet wurden.

Schon während seines Aufenthaltes in England hatte nächst der Erforschung Afrika’s das Räthsel der Polargebiete Petermann’s Interesse in hohem Grade erregt; schon im Anfang der 50er Jahre hatte er sich eifrig an der Erörterung über die besten Wege zur Aufsuchung Franklin’s betheiligt. Die damals von ihm gefaßten Ideen haben auch in späterer Zeit, nachdem P. die Förderung oder vielmehr die energische Wiederaufnahme der Polarforschung angeregt hatte, überwiegenden Einfluß auf seine Vorschläge ausgeübt. Die äußere Veranlassung, daß P. im J. 1865 für die Polarforschung eintrat, war der damals von Capitän Osborne angeregte Plan für Aussendung einer neuen englischen Expedition, welche allerdings nicht zu Stande kam. Nachdem P. bereits in die Erörterung über die von dieser projectirten Expedition einzuschlagenden Wege eingegriffen hatte, trat er am 23. Juli 1865 in einer Versammlung des freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt a/M. mit seinem Plane für Ausrüstung einer deutschen Polarexpedition hervor und von diesem Augenblicke an übte er einen entscheidenden Einfluß auf [804] die Fortsetzung der Polarforschung aus. Nicht Deutschland allein, fast alle civilisirten Nationen wußte er in Bewegung zu setzen; in dem folgenden Jahrzehnt entfaltete sich ein geradezu unerklärlicher Wetteifer unter den verschiedensten Nationen, Erfolge in der öden, eisbedeckten, nutzlosen Polarwelt zu erringen, ein Wetteifer, welcher allerdings das P. vorschwebende Ziel der Erreichung des Nordpoles nicht zu Stande brachte, aber bedeutende Ergebnisse für die Kenntniß der Polargebiete zur Folge hatte.

Nachdem die erste deutsche Expedition unter Capitän Werner im J. 1865 bereits bei der Ausfahrt Havarie erlitten hatte, gestatteten die politischen Umwälzungen eine Wiederaufnahme des Planes erst im J. 1868. Auf der Recognoscirungsfahrt mit dem kleinen Segelschoner Grönland unter Leitung von Capitän Koldewey im J. 1868 wurden einige Küstenstrecken von Spitzbergen aufgenommen. Größer waren die Erfolge auf der zweiten Expedition 1869–70 unter Capitän Koldewey und Hegemann, welche die Ostküste Grönlands zum Ziele hatte. Die Küste wurde auf Schlittenreisen bis zum 77° nördl. Breite untersucht, der tief einschneidende Franz-Joseph-Fjord und an seinem Ufer eine mächtige grönländische Alpenwelt entdeckt. Ostgrönland war gegen den Wunsch Petermann’s zum Ziele der deutschen Expedition erwählt worden, da er als das die größte Aussicht auf Erfolg versprechende Gebiet das Meer bei Spitzbergen, namentlich den weiten Raum zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja angesehen hatte, weil seiner Annahme nach die Einwirkungen des Golfstromes ein frühes Schmelzen des Eises und die Möglichkeit der Schiffahrt herbeiführen mußten. P. hat sich niemals von der Ansicht trennen können, daß das Polarmeer in weiter Entfernung vom Lande schneller von der Eisdecke befreit sein werde, als in der Nähe des Landes, weil er die Einwirkungen warmer Strömungen, besonders des Golfstromes, überschätzte.

Wie erwähnt, ist es P. niemals gelungen, eine Expedition zu Stande zu bringen, welche die von ihm besonders empfohlene Straße zum Nordpol, das Ostspitzbergische Meer, zum Ausgangspunkte erwählte. Allerdings veranlaßte er einige Recognoscirungsfahrten in diesem Gebiete, so namentlich die von Graf Waldburg-Zeil und v. Heuglin, welche 1870 König Karl-Land entdeckten, und von Weyprecht und Payer, welche 1871 über den 78° nördl. Breite vordrangen und so die Ansichten Petermann’s zu bestätigen schienen, aber eine Expedition, welche in größerem Maße, namentlich auf Ueberwintetung ausgerüstet war, ist zu eingehender Untersuchung dieses Gebietes nicht ausgesandt worden. Auch die große österreichisch-ungarische Expedition unter Weyprecht und Payer, 1872–74, welche durch die Entdeckung von Franz Joseph-Land in diesem Meerestheile einen so bedeutenden Erfolg errang, war wider Willen in diese Gebiete abgelenkt und festgehalten worden.

Von nicht so directem Einflusse, wie auf diese Expeditionen, aber doch ihre Entsendung fördernd, war Petermann’s agitatorische Wirksamkeit in Bezug auf die schwedischen Expeditionen unter Nordenskiöld in den Jahren 1868 u. 1872, die amerikanische Expedition unter Hall 1871, die englische unter Nares 1875. Selbst Frankreich rüstete sich, eine Expedition unter Lambert in die Polargegenden auszusenden, welche durch den Ausbruch des Krieges von 1870 verhindert wurde. Großen Einfluß übte P. auf die Fahrten der norwegischen Walroßjäger aus, denn ihm ist es zu danken, daß dieselben auch der Geographie Gewinn brachten. Durch Aussetzung von Prämien brachte die norwegische Regierung es dahin, daß von diesen alljährlich das Eismeer aufsuchenden Schiffern Beobachtungen und Aufzeichnungen über ihre Fahrten, über Witterung und Eisverhältnisse gemacht wurden, und dem dadurch erweckten Interesse ist die Umfahrung und Aufnahme von [805] Nowaja Semlja, das Bekanntwerden der häufigen Fahrten im Karischen Meere zu danken, welche viel zu Nordenskiöld’s Expeditionen nach dem Jenissei und endlich zu seiner Nordostpassage Veranlassung gaben. Nichts kennzeichnet die Bedeutung Petermann’s für die Polarforschung besser als der Umstand, daß mit seinem Tode diese sofort erlosch, obwohl gerade in diesem Jahre der bedeutendste Erfolg überhaupt, Nordenskiöld’s Umschiffung der Nordküste von Asien, erzielt worden war; und trotz der lebhaftesten Anstrengungen von verschiedenen Seiten in Deutschland, England und den Vereinigten Staaten ist es seitdem nicht gelungen, die Polarforschung wieder zu beleben und ein Interesse in weiteren Kreisen für dieselbe zu erwecken.

P. stand noch in den besten Lebensjahren; er erfreute sich einer ungeschwächten Arbeitskraft, als er am 25. Septbr. 1878 aus unerklärten Gründen durch eigene Hand fiel.

E. Behm, August Petermann. Vorwort zu Heft 10 von Petermann’s Mittheilungen 1878. – J. J. Kettler, August Petermann. Eine biographische Skizze. Aus allen Welttheilen 1878, X, Nr. 2 u. 4, mit einem guten Portrait Petermann’s.

[795] *) Zu Bd. XXV, S. 262.