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ADB:Vögeli, Hans Heinrich

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Artikel „Vögeli, Hans Heinrich“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 140–141, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:V%C3%B6geli,_Hans_Heinrich&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:23 Uhr UTC)
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Vögeli: Hans Heinrich V., Historiker, geboren am 4. Januar 1810 zu Ellikon (Kt. Zürich), † am 10. October 1874 zu Zürich. Der Sohn eines auf einer Dorfpfarre bethätigten, aber 1817 amovirten zürcherischen Geistlichen, durchlief V. als Stipendiat, nachdem eben das elterliche Haus sich für ihn geschlossen hatte, die Schulen seiner Vaterstadt, wandte sich aber auf den nachher von ihm besuchten deutschen Universitäten von dem Studium der Theologie, auf welches ihn der Bildungsgang jener Unterrichtsanstalten gewiesen hatte, zu dem historischen Fach hinüber, wie er denn während des Aufenthaltes in Berlin zu dem weiteren Kreise der Schüler Ranke’s zählte. Nach der Rückkehr habilitirte sich der Dr. phil. an der Hochschule in Zürich als Privatdocent für historische Fächer 1836 und trat 1838 in das Amt als Lehrer der Geschichte an der Industrieabtheilung der Kantonsschule. Später verlegte er seine ganze Thätigkeit an die Universität – 1866 begann er auch am eidgenössischen Polytechnikum zu lehren –, und 1870 wurde er zum außerordentlichen Professor an der Hochschule befördert. Auch journalistisch war V. zeitweise in den kampfreichen Jahren von 1839 an, wo sich die von der Leitung des Kantons damals verdrängte radicale Partei zur Wiedererringung ihres Einflusses rüstete, nebenher bethätigt. In seinen jüngeren Jahren ein schöner kräftiger Mann, Meister in leiblichen Uebungen, ein eifriger Förderer des Turnens, litt er in der späteren Lebenszeit an einer Halskrankheit, der er auch erlag. V. war ein äußerst kenntnißreicher, vielbelesener Geschichtsforscher, höchst anregend im Gespräch, vielseitig, von Idealen erfüllt – so nahm er thatkräftig noch in den sechziger Jahren der polnischen Sache sich an –; aber eben diese Fülle der Gedanken hinderte ihn, wenigstens auf der mittleren Stufe, als Lehrer eine eindringlichere Kraft zu entwickeln, und auch sonst konnte es geschehen, daß V., etwa vor der zürcherischen antiquarischen Gesellschaft, der er seine Mitwirkung sehr förderlich zu theil werden ließ, als Vortragender, hingerissen von der Lebhaftigkeit seiner Beredsamkeit über ein ganz anderes Thema, als er sich vorgesetzt und öffentlich angekündigt hatte, in interessanter Weise sprach. Mit seinem Verständniß und zutreffendem Urtheile wußte er den weltgeschichtlichen Vorgängen auch der eigenen Zeit zu folgen und in oft überraschender Voraussicht nachfolgende Entwicklungen voraus zu bestimmen. Als Freund des Schulwesens war er noch bis in die letzte Lebenszeit in der Aufsichtsbehörde des zürcherischen Lehrerseminars wirksam. V. ist, wol zum Theil infolge einer nicht genügenden Concentration in seiner Arbeit, schriftstellerisch nicht in dem Umfange thätig gewesen, wie es von seinem vielfach entfalteten Wissen hätte erwartet werden können. Eine größere Editionsarbeit leistete V. 1838 bis 1840, gemeinsam mit Hottinger (siehe A. D. B. XIII, 201), in der Drucklegung von Bullinger’s Reformationsgeschichte, auf Veranstaltung der zürcherischen vaterländisch-historischen Gesellschaft. Den Beginn eines allgemein geschichtlichen Werkes legte V. 1856 in Band I seiner „Geschichte des Europäischen Staatensystems vom Zeitalter der Reformation bis zur ersten französischen Revolution“ vor, der bis zum Jahre 1661 reicht, aber ohne Fortsetzung blieb. Nach dem Vorworte sollte das Buch laut Aufforderung der „vorgesetzten Behörde“ das früher auf der gleichen Schulstufe gebrauchte gleich [141] betitelte Lehrbuch Heeren’s (s. A. D. B. XI, 246) ersetzen; allein gerade zum Schulgebrauch war das nur in drei langathmige Abschnitte (Die Spanier – Mit den Spaniern die Niederländer und Engländer im Kampfe, kirchliche und politische Zerwürfnisse der Franzosen – Die Franzosen) zerlegte Werk – der Stil lehnt sich vielfach an den Johannes Müller’schen des die gleiche Epoche wenigstens in ihren Anfängen behandelnden Ranke’schen Erstlingswerkes – am allerwenigsten geeignet: denn auch dem Fachmann fällt es nicht immer leicht, dem originellen Gedankengange des Verfassers bei dessen Stoffeseintheilung zu folgen. Außerdem finden sich noch bemerkenswerthe Einzelstudien durch V. in Programmen niedergelegt, die er als Lehrer der Kantonsschule übernahm. Zu der Zeit, wo eine empfindliche Lücke im urkundlichen Materiale zur schweizerischen Geschichte noch nicht durch die Beilagen zur Abschiede-Sammlung ausgefüllt war, gab er 1847 hier einen „Versuch einer kritischen Ausgabe der wichtigsten Staatsverträge, welche die Schweiz mit dem Auslande abschloß“, und noch 1861 wurde in gleicher Richtung von ihm veröffentlicht: „Urkundliches über das französisch-schweizerische Defensiv-Bündniß von 1777: I“. Außerdem sei von solchen Arbeiten das Programm von 1873 erwähnt: „Zum Verständnisse von Meister Hämmerli’s Schriften bis auf die Costnitzer Versammlung 1414“, wo aber wieder der weit größere Theil viel mehr hinausgreift, indem derselbe einen Abriß der Entwicklung des deutschen Staatsrechtes von 1056 an enthält. Eine vollster Aufmerksamkeit würdige letzte Gabe reichte noch V. 1874 vom letzten Krankenlager in seiner „Schweizerischen Chronik 1873“, eine raisonnirende Uebersicht der Jahresvorgänge, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die am 19. April 1874 angenommene revidirte Bundesverfassung, daneben auf die durch die altkatholische Bewegung bedingten kirchlichen Kämpfe. Vorrede, Einleitung, Schlußwort – dieses mit dem deutlich durchklingenden: Lucem spiramus – zeigen, bei allem eigenthümlich Sprunghaften des Stils, das auch hier wiederkehrt, nochmals den Ideenreichthum des Verfassers.