ADB:Tzwyvel, Dietrich der Ältere
Murmellius stets „Tzwivelensis“ oder „Suivelensis“ nennt. Wahrscheinlich angelockt durch das rege wissenschaftliche Leben, welches damals in Münster herrschte, ließ er sich dort spätestens 1505 dauernd nieder und trat bald mit der stattlichen Reihe der dem neuerwachten Humanismus huldigenden Männer, unter der sich verschiedene Landsleute wie Peter Gymnich und Johann Cäsarius befanden, in regen Verkehr. Schon 1505 widmete er seine zuerst bei Quentel in Köln erschienenen „Arithmeticae opuscula duo … de numerorum praxi (quae algorithmi dicuntur), unum de integris per figurarum (more Alemanorum) deletionem, alterum de proportionibus cuius usus frequens in musicam harmonicam Severini Boetii“ dem bedeutenden Pädagogen Murmellius, der denselben ein Tetrastichon über den Nutzen des Büchleins beifügte und ihm auch noch im selben Jahre seine Chrestomathie aus Tibull, Properz und Ovid, 1508 seine Elegien vom Geschick und der göttlichen Vorsehung (Eleg. moral. I, 6) und über die mathematischen Disciplinen (Eleg. mor. II, 8) zueignete. Der große Beifall, den Tzwyvel’s mathematische Schrift gefunden, ermuthigte ihn ca. 1508 noch eine ähnliche Arbeit „Ars supputatoria calcularis sive algorithmus linealis proiectilium de integris, una cum algorithmo de probis novenariis“ mit einer Widmung an Joh. Aedicollius der Oeffentlichkeit zu übergeben, die Quentel auf zwei theologische Dialoge des Alexander Hegius folgen ließ. Von Tzwyvel’s litterarischer Thätigkeit zeugen außerdem verschiedene Epigramme, deren eines das Titelblatt der 1510 in Münster gedruckten Dialoge Petrarca’s enthalten soll, besonders aber sein 1513 verfaßtes „Introductorium musicae practicae ex probatis scriptoribus … excerptum, collectum in ordinemque redactum“. Noch mehr aber als durch seine Schriften förderte T. die humanistischen Bestrebungen durch die von ihm übernommene Presse, als deren frühestes Erzeugniß bis jetzt ein aus dem Jahre 1512 datirter Druck (Plinii selectae epistolae) bekannt geworden; aus seiner Officin gingen zahlreiche, zumal philologische und theologische Werke hervor, während die Druckanstalten seiner Vorgänger in Münster – Johann Limburg (1485/6), Gregor Os von Breda (1507/8), Georg Richolff (1507/8), Lorenz Bornemann (1509/10) – kaum mehr als „Lückenbüßer“ gewesen sind. Seit 1516 tragen eine Anzahl Tzwyvel’scher Drucke als Geschäftszeichen ein Wappenschild mit einer vierblättrigen Rose und den Buchstaben T. Z., andere – wie z. B. die 1519 von Jos. Horlennius herausgegebenen Briefe des Plinius, auf denen auch Tzwyvel’s Wohnung als in der Bergstraße gelegen angegeben wird – das in Niesert’s Buchdruckergeschichte (Coesfeld 1828) unter Nr. II abgebildete Wappen. Wie lange T. als Drucker thätig gewesen, läßt sich bei dem Mangel datirter Drucke nicht ermitteln, doch steht fest, daß seine [70] Anstalt, die in den confessionellen Wirren nach und neben einander für alle Bekenntnisse gearbeitet hat und deshalb auch von den Wiedertäufern nicht zerstört, sondern nur geplündert wurde (Hamelmann S. 1221), nach Beendigung der Unruhen (1535) ihre Thätigkeit wieder aufnahm. Zuletzt begegnet uns T. um das Jahr 1544, als er es im Verein mit seinen Landsleuten, dem Franziscaner und Domprediger Johann von Aachen und dem Jülicher Kunstschmiede Nikolaus Windemaker unternahm, das kunstreiche, von den Wiedertäufern zerschlagene Uhrwerk des Domes in Stand zu setzen. Diese Uhr, welche jetzt zum großen Theile außer Gang ist, zeigte außer den Stunden auch den Lauf der Planeten, die Jahreszeiten, das Kalendarium sammt den beweglichen Festen an; T. scheint damals das Mathematisch-Astronomische und Joh. von Aachen das Mechanische vorgeschrieben, Windemaker aber die Schlosser- und Schmiedearbeiten angefertigt zu haben.
Tzwyvel: Dietrich T. (Zwyvel, Zwivel, Svivel) der Aeltere, ein berühmter Mathematiker, Humanist und Typograph. Er stammt aus dem Montjoier Lande, das 1435 durch Erbschaft mit allen dazu gehörigen Herrschaften, Dörfern, Vesten, Kirchspielen u. s. w. an das Herzogthum Jülich kam, weshalb sich T. sowol als „Mongauensis“, wie als „tellure Julia natus“ bezeichnen durfte. Sein Geburtsort war das unweit Lammersdorf gelegene kleine Dorf Zweifall, in gleichzeitigen Urkunden „der Zwivel“ oder „der Zweifell“ genannt, dem er auch wol seinen Namen entlehnte, da ihnAls sein Geschäftsnachfolger tritt bereits von 1545 (nicht 1554) bis 1556 Goddart oder Gottfried T. auf, der in den letzten Jahren als Druckerstock einen von zwei Schlangen umwundenen Merkurstab führt, um dessen Handgriff ein fliegendes Band mit der Inschrift „Gotefridus Zwivelius“ geschlungen ist. Später – nach den bis jetzt vorliegenden Drucken von 1562 bis 1573 – übernahm Dietrich T. der Jüngere die Presse, der mit dem bekannten Künstler Hermann tom Ring in Verbindung trat und sich im ersten Jahre des Druckerstockes von Gottfried T., später des schlangenumwundenen Merkurstabes mit den Buchstaben T. Z. und mitunter der Jahreszahl 1563, einmal (1571) auch des Geschäftszeichens von Dietrich T. dem Aelteren bediente. Das verwandtschaftliche Verhältniß der drei Tzwyvel’s untereinander wie zu dem 1616 als Testamentsvollstrecker des Münsterischen Weihbischofs Nikolaus Arresdorff genannten Domvicar Theodor T. (s. A. Tibus, Weihbischöfe von Münster. M. 1862, S. 163) ist noch unaufgeklärt.
- Vgl. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 173 und 1221. – J. B. Nordhoff in d. Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Heft 53/54. Bonn 1873, S. 63 u. 91 f. – R. Pick in den Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein. Heft 26/27. Köln 1874, S. 399 ff. – J. B. Nordhoff, Denkwürdigkeiten aus d. Münsterischen Humanismus. Münster 1874, S. XII, 105–110 u. 143–148.