ADB:Os
Jacob von Breda nannte (s. A. D. B. XIII, 550 ff.). Wenn Nordhoff, Denkwürdigkeiten aus dem Münsterischen Humanismus, 1874, S. 143 annimmt, daß auch dieser Letztere den Namen O. oder van O. geführt [456] habe, so fehlt es für diese Vermuthung nicht ganz an Anhaltspunkten. Aber zunächst jedenfalls liegt nur die Thatsache vor, daß er selbst sich niemals also nennt und es muß demnach die Entscheidung dieser Frage weiteren Nachforschungen überlassen bleiben. Als nachweisliche Träger des Namens O. bleiben darnach noch vier Buchdrucker, unter welchen der älteste und zugleich der bedeutendste ist:
Os oder van Os ist der Name mehrerer niederländischer Buchdrucker aus dem Ende des 15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts. So Treffliches in den Monuments typographiques des Pays-Bas au XVe siècle von J. W. Holtrop, La Haye 1868, zur Illustration der niederländischen Buchdruckergeschichie und von W. F. A. G. Campbell in den Annales de la typographie Néerlandaise au XVe siècle, La Haye 1874 (nebst Suppl. 1 und 2, ebd. 1878 und 1884) zur Bibliographie derselben geleistet worden ist, so fehlt es doch bis jetzt noch fast ganz an Untersuchungen über die persönlichen Verhältnisse jener Meister, und so sind wir namentlich auch hinsichtlich der Träger des Namens Os in fraglicher Beziehung lediglich auf das, was ihre Drucke an die Hand geben, angewiesen. Ihren Namen haben dieselben jedenfalls von der Ortschaft Os in der Provinz Nord-Brabant, wo demnach ihre oder ihrer Familie ursprüngliche Heimat zu suchen ist. Als den Ort ihrer nächsten Herkunft aber bezeichnen alle außer Gottfried O., welcher seine Heimath überhaupt nicht angibt, die Stadt Breda in derselben Provinz. Es ist dies der gleiche Ort, aus welchem ein anderer, sehr namhafter Buchdrucker stammte, der in Deventer thätig war und sich schlechtwegPeter O. oder, wie er sich ungleich häufiger nennt, Peter van O. Er druckte ausschließlich in Zwolle, der Hauptstadt der jetzigen Provinz Oberyssel. Denn wenn einige Bibliographen, darunter auch noch Brunet (vgl. seinen Manuel du libraire, 5. éd., 1861, col. 1572) in ihm den unbekannten Drucker von Hasselt (in derselben Provinz) vermuthen, der sich mit P. B. bezeichnet, was dann = Petrus Bredensis sein müßte, so hat schon Holtrop (im „Sommaire“ der 11. Lieferung, S. 2 f.) unter Hinweis auf die Verschiedenheit der Typen, der Druckerzeichen und der gewöhnlichen Benennungsweise, die Unrichtigkeit solcher Annahme nachgewiesen. In Zwolle war Peter van O. wol nicht der erste Drucker – denn es gibt einige Erzeugnisse dortiger Pressen, welche vor den nachweisbaren Anfang seiner Thätigkeit, in das Jahr 1479, fallen, und welche die Bibliographen wegen der abweichenden Form der Typen ihm nicht glauben zuschreiben zu dürfen – aber er war dafür weitaus der rührigste. Dank den Nachforschungen Campbell’s kennt man bis jetzt nicht weniger als 74 Drucke von ihm, 47, die ausdrücklich seinen Namen nennen, 27 deren Druckerzeichen oder deren Typen wenigstens auf ihn hinweisen. (Dabei sind vier zweifelhafte nicht gerechnet – Campbell a. a. O. Nr. 701, 1024 und Suppl. 2, N. 432 a. b. – deren Existenz oder Zugehörigkeit zu seiner Presse noch fraglich ist.) Der frühest datirte dieser Drucke fällt ins Jahr 1480, der späteste in das Jahr 1510. Durch diese Jahre wäre denn die Zeit der Thätigkeit Peters begrenzt. Auffallend ist dabei jedoch, daß, wenigstens nach der gewöhnlichen Darstellung, alle seine Drucke bis auf Einen ins 15. Jahrhundert fallen, somit seine Thätigkeit mit dem Jahr 1500 scheinbar in der Hauptsache abschließen und nur noch einmal, 1510, zu ganz kurzer Dauer wieder aufleben soll. Allein es ist zu vermuthen, daß diese Lücke durch eine Anzahl der undatirten Drucke, die jetzt dem 15. Jahrhundert zugewiesen werden, wenn ihr Datum noch festgestellt werden könnte, ausgefüllt würde, wie denn von einem derselben, des Murmellius Enchiridion scholasticorum, bereits nachgewiesen ist, daß er nach 1500 entstanden. Ihrem Inhalt nach betrachtet, bestehen die Drucke unseres Meisters in der Hauptsache aus Werken, die den Bedürfnissen des praktischen Lebens dienen: Lehrbücher der lateinischen Sprache, Schulausgaben von Classikern, Grammatiken, Vocabularien auf der einen Seite, andererseits Predigten und Erbauungsbücher bilden die weit überwiegende Mehrzahl. Als verdienstlich mag es Peter van O. aber angerechnet werden, daß er, zumal bei der letztgenannten Litteratur, holländische Schriften, beziehungsweise Uebersetzungen ins Holländische besonders gepflegt hat. Mehr als ein Dritttheil seiner sämmtlichen Drucke ist in dieser Sprache geschrieben und es ist innerhalb des 15. Jahrhunderts nur Gerhard Leeu in Gouda und Antwerpen, der ihn hierin noch übertroffen hat. Auch auf die Ausschmückung seiner Preßerzeugnisse mit Zierinitialen und Holzschnitten hat dieser Drucker etwas gehalten; es weist z. B. die Ausgabe der Schrift: Dat liden ende die passie ons heren von 1487 53 und eine ähnliche von 1497: Devote ghetiden van leven ende passie Jhesu Christ sogar 82 der letzteren auf. Damit stimmt es ganz, daß wir Peter schon vom Anfang seiner Thätigkeit an im Besitze eines Druckerzeichens finden. Dasselbe kommt in zweierlei Größen und Gestalten vor. Das kleinere besteht aus zwei Schilden, welche an zwei gekreuzten Aesten hängen. Auf dem linken Schilde findet sich das [457] Wappen der Stadt Zwolle, ein silbernes Kreuz in blauem Felde (hier durch ein weißes Kreuz auf punktirtem Grunde wiedergegeben); der andere trägt das Wappen des Druckers selbst, 5 Schlegel auf schwarzem Grunde, von denen drei mit den Köpfen nach oben, zwei nach unten gerichtet sind. Zwischen beiden Schilden ist ein schwarz gedruckter Stern. Das größere der beiden Signete zeigt in einem Bogenfenster einen knieenden Engel, der vor sich den Wappenschild von Zwolle hält. In den oberen Ecken des das Ganze einrahmenden Oblongums sieht man in kleiner Ausführung rechts noch einmal den Wappenschild von Zwolle, links denjenigen des Druckers (z. Th. erscheinen übrigens diese Schilde auch leer). Diese beiden Druckerzeichen sind abgebildet bei Holtrop a. a. O. Taf. 82 und 83 (nach der auf den Tafeln selbst angebrachten Numerirung, nach der im Text angenommenen Zählung: Taf. 90 und 92); ebenda findet man Taf. 82–84, 110 (90–93) Proben von den in Peters van Os Drucken vorkommenden Holzschnitten und Zierinitialen sowie insbesondere – zusammen mit Taf. 113 (50*) – Facsimiles seiner verschiedenen Typengattungen, die alle gothischen Charakter zeigen. Die Drucke selbst sind kurz zusammengestellt bei Campbell a. a. O., S. 583–586, wozu noch Nr. 1073 (S. 587 irriger Weise Tyman O. zugeschrieben) und aus Suppl. 1 Nr. 250a, 1442a, 1541a, aus Suppl. 2 Nr. 115a, 680a, 1031a, 1502a zu nehmen sind. – Neben Peter van O. sind die andern Träger des Namens nur kurz zu erwähnen. Ihm am nächsten steht
Tyman O.; denn er ist, was mit Unrecht schon bestritten worden ist, sein Sohn. Nennt er sich auch nirgends Petersoen Os van Breda, wie Holtrop a. a. O. S. 92 behauptet, so doch immer – und dies ist ja gleichbedeutend – Tymanus Petri (Peterþ)os de Breda. Zu allem hin kommt auf dem unten zu erwähnenden Drucke Tyman’s von 1510 ein Signet vor, auf welchem sich neben dem Wappen von Geldern als der Hauptfigur links oben das Wappen von Zütphen, rechts aber des Druckers Schild findet und dieser zeigt in der einen Hälfte eine Lilie, in der andern aber die Schlegel des Peter van O. Auch das andere Druckerzeichen, welches Tyman braucht, erinnert an den letzteren. Es entspricht nämlich dem kleineren Signet desselben ganz genau, nur daß die beiden Schilde an verschlungenen Schnüren hängen, das Wappenschild von Zwolle sich rechts befindet (mit schwarzem Grund) und der Schild des Druckers statt der fünf Schlegel fünf Stäbe (?) aufweist; s. diese Signete nebst Typenproben und einem Holzschnitt, der aber nicht, wie oben Bd. XIII, S. 551 geschieht, auch für eine typographische Marke gehalten werden darf, bei Holtrop a. a. O. Taf. 85 (94). An Drucken des Tyman O. kennt man nur fünf, welche seinen Namen tragen, auf Grund der Identität der Typen werden ihm aber von Campbell innerhalb der Grenzen des 15. Jahrhunderts noch acht weitere zugeschrieben, s. a. a. O. S. 587 (wo aber nach Obigem die Nr. 1073 zu streichen ist). Es sind, wie bei seinem Vater, der Mehrzahl nach Schul- und Erbauungsbücher. Nur einer der Drucke Tyman’s hat ein Datum, des Robert von Cöln Tractat: Die costelike scat der geesteliker rijckdom, in welchem außer dem Drucker als Ort des Erscheinens Zütphen, als Druckjahr 1518 (nicht wie Holtrop sagt, 1517), genannt wird. Wir sehen somit, daß Meister Tyman um genannte Zeit an einem andern Ort als sein Vater thätig war; doch muß er vorher auch in Zwolle gedruckt haben, da mehrere Erzeugnisse seiner Presse das oben erwähnte Signet mit dem Wappen dieser Stadt tragen. Gewöhnlich nimmt man an, daß seine Thätigkeit in Zwolle in die Jahre 1497–1500 falle, und daß er bald nach diesem Jahre fortgezogen sei. So viel wir sehen, ist aber auch die Annahme nicht ausgeschlossen – was nachzuweisen hier zu weit führen würde –, daß er erst später, etwa als sein Vater [458] aufhörte, in Zwolle zu drucken begonnen hat, in welchem Fall dann auch die große Lücke in seiner Thätigkeit – zwischen 1500 und 1518 kennt man ja nach der gewöhnlichen Annahme keinen Druck von ihm – wegfallen würde.
Aelter als Tyman O., ein Zeitgenosse von dessen Vater ist Gottfried O. in Gouda, einer Stadt in der Provinz Südholland. Dieser Drucker ist bis vor wenigen Jahrzehnten völlig unbekannt gewesen (auch Panzer und Hain wissen nichts von ihm). Denn sein Name kommt nur auf Einem Druck vor, dem Opusculum quintupertitum grammaticale (oder Exercitium puerorum) von 1486, das wol schon von Maittaire u. a. erwähnt wurde, aber ohne daß die Schlußschrift Beachtung fand, bis Holtrop durch Henry Bradshaw, Bibliothekar in Cambridge, darauf aufmerksam geworden, diesen Drucker eigentlich neu entdeckt hat. Seitdem hat man noch 8 oder nach Abzug von 3 zweifelhaften noch 5 weitere undatirte Drucke gefunden, deren Typen auf Gottfried Os’ Presse hinweisen. Sie alle werden in die Jahre 1486–1489 gesetzt; s. Campbell a. a. O. S. 582 f. Darnach war er jedenfalls nicht der erste Drucker in Gouda, da vor 1486 wenn nicht von Andern, so doch von Gerhard Leeu (seit 1477) dort eine Presse unterhalten wurde. Ob Gottfried O. mit seinen Namensvettern in Zwolle zusammenhängt, ist ungewiß. Die Gemeinsamkeit des Berufes macht es wahrscheinlich; möglich, daß er ein Bruder Peters war.
Noch ist Gregor O. in Münster in Westfalen zu nennen. Bei ihm ist der Zusammenhang mit den Zwoller Buchdruckern, wenn auch noch nicht näher bestimmt, so doch unzweifelhaft, denn er nennt sich ausdrücklich wie jene Os van Breda. Wir kennen nur Einen Druck von ihm, welcher seinen Namen trägt; es ist des Augustinus Datus isagogicus libellus in eloquentiae praecepta, dem ein adnotamentorum libellus von Murmellius angehängt ist. Da des Letzteren Schrift von 1507 datirt ist, und wie Reichling, Joh. Murmellius 1880, S. 143 sagt, schon 1509 citirt wird, so kann der ohne Angabe des Jahrs erschienene Druck nicht erst in das Jahr 1512, er wird vielmehr schon in das J. 1507 fallen und es ist darnach Gregor nicht als der Dritte, sondern als der Zweite in der Reihe der Münsterschen Typographen zu zählen. Außer dem genannten Drucke scheint es noch weitere von Gregor O. zu geben und es muß noch weitere geben, wenn die Behauptung Nordhoff’s in den Denkwürdigkeiten aus dem Münsterischen Humanismus, S. 143 richtig ist, wornach seine Thätigkeit erst 1515 erloschen. Doch ist es uns nicht gelungen, Genaueres festzustellen. Nordhoff, der unter dem Titel: Altmünsterische Drucke in der vom Verein für Geschichte u. s. w. Westfalens herausgegebenen Zeitschrift für vaterländische Geschichte XXXIV, 1876, S. 149 ff. eine Ergänzung zu Niesert gibt, führt außer obigem Drucke keine andern an.