ADB:Teichlein, Anton
Kaulbach seit dem Jahre 1837 seiner in erster Linie [539] annahm. T. arbeitete in Kaulbach’s damaligem Atelier am Lehel, bei dem er allenfalls nach Gips, Modell und Gliedermann zeichnen, nicht aber malen lernen konnte, da der Meister damals selbst in dieser Kunst kaum über die ersten Anfangsgründe hinaus gelangt war. Trotzdem war der Einfluß Kaulbach’s auf T. sehr groß, zumal er ihn auch außerhalb der Arbeitszeit an sich und sein Haus zu fesseln wußte. T. gehörte zu den Vertrauten Kaulbach’s und begleitete ihn und seine Familie auf ihrer vom Herbst 1838 bis zum Frühjahr 1839 reichenden italienischen Reise. Auszüge aus seinem damaligen Tagebuche, dessen Aufzeichnungen allerdings der Hauptsache nach durch das Urtheil Kaulbach’s bestimmt wurden, hat T. in den Aufsatz, den er nach dem Tode seines Lehrers zur Charakteristik desselben in der Zeitschrift für bildende Kunst (1876, Bd. XI, 257–265) veröffentlichte, aufgenommen. In Rom beschäftigte sich T. hauptsächlich unter Kaulbach’s Leitung mit dem Modellmalen, fand aber verhältnißmäßig nur wenig Zeit, die dortigen Kunstschätze zu studiren. Nach der Rückkehr aus Italien löste T. sein Schülerverhältniß zu Kaulbach, blieb aber bis zum Jahre 1854 noch immer in regem Verkehr mit ihm. Als Maler konnte er jedoch eine irgendwie hervorragende Stellung nicht erreichen. Durch Kaulbach bei dem seiner Begabung nicht zusagenden Historienfach festgehalten, hatte er selbst wenig Freude an seinen Schöpfungen, von denen uns eine Illustration zum „Rattenfänger von Hameln“ und zu Goethe’s „Schatzgräber“ als die bedeutendsten genannt werden. T. fühlte am besten die Mängel der Kaulbachschule, ihren Abfall von der idealen Größe des Cornelius einerseits und ihren Mangel an coloristischer Erfahrung andrerseits. Es ist daher erklärlich, daß das Aufsehen, das die Bilder der belgischen Maler Gallait und Biéfve zu Anfang der fünfziger Jahre in Deutschland erregten, auch ihn mächtig packte und seinen Glauben an die Richtigkeit der Principien der älteren deutschen Malerei erschütterte. Innerlich genöthigt, zu der neuen Erscheinung Stellung zu nehmen, griff er zur Feder und veröffentlichte im J. 1853 seine Schrift: „Louis Gallait und die Malerei in Deutschland. Eine Episode aus der modernen Kunstgeschichte. Nebst einer Abhandlung über den Begriff des Malerischen und das Wesen der Malerei“, in der er zu dem Ergebniß gelangte, „daß es französisch-belgischen Malern nicht weniger schwer werden möchte, im Geiste Shakespeares zu denken, als es den deutschen Denkern sauer wird, Shakespearisch zu malen“. Trotz dieser Erkenntniß konnte sich T. nicht entschließen, sich dem modernen Realismus vollständig in die Arme zu werfen, selbst dann nicht, als er in Paris die Werke von Rousseau, Jules Duprè, C. F. Daubigny und J. B. C. Corot kennen gelernt und sich für die Meister des „paysage intime“ begeistert hatte. Er fing nun selbst an im Sinne dieser Vorbilder als Landschaftsmaler thätig zu sein, brachte es aber auch hierbei zu keinem wirklichen Erfolg, da ihn Zweifel und Unzufriedenheit mit seinen eigenen Leistungen von der Vollendung seiner Sachen abhielten. Er verlegte sich daher in späteren Jahren hauptsächlich auf die Schriftstellerei und lieferte in seinen kunstkritischen, leider nicht gesammelten Aufsätzen eine Reihe bedeutender Gesichtspunkte zur Würdigung und Aufklärung über die moderne Kunst. Als die wichtigsten davon haben wir die Studie über „Moriz von Schwind und seine Wandgemälde im neuen Wiener Opernhause“. (Beilage zur Allgem. Zeitung, 1866. Nr. 135, 136, 137, 139, 140, 141, 154, 155), den Aufsatz: „Zwei Radirungen von Eugen Neureuther nach Karl Rottmann“ (Zeitschrift für bildende Kunst 1869, IV, 7–11, 72–77) und den Artikel über „Theodor Rousseau und den paysage intime“ (ebenda 1868 III, 281–289) anzusehen. In Schwind glaubte T. „eine ungebrochene Künstlerindividualität und einen in seiner Art ungebrochenen Mann“ zu erblicken, und er erklärte seine Deckengemälde im Wiener Opernhause für die glücklichsten Entwürfe, [540] die aus dem Componirverein der deutschen Kunstgenossenschaft hervorgegangen seien. In Rottmann aber, mit dessen Tochter Sylvia er sich im J. 1860 vermählt hatte, sah er „den Schöpfer des absolut-landschaftlichen Stilbildes“ und stellte seine Leistungen denen der Vertreter des „paysage intime“ zur Seite, den er für das Bedeutendste erklärte, was innerhalb der modernen französischen Schule geschaffen worden sei. Wie klar T. über die Bedeutung der hauptsächlichsten neueren Kunstleistungen dachte, geht auch aus der Beurtheilung, die er Cornelius und seinem Schaffen zu Theil werden ließ, hervor. Er knüpfte in seinen Ausführungen an H. Riegel’s panegyrische Schrift: „Cornelius, der Meister der deutschen Malerei“ an, machte auf die schon in dem Titel hervortretende Uebertreibung aufmerksam und bedauerte die Unvollkommenheiten der Form in den Werken des Künstlers, „die wir um so härter empfinden, zu je reineren Höhen sein dichterischer Schwung uns fortreißt“. (Vgl. Zeitschr. für bildende Kunst, 1867 II, 129–137 und 189–196.) Gegen die Ueberschätzung von Cornelius sind auch die Worte gerichtet, die T. über den Werth des Inhaltes eines Kunstwerkes in dem bereits erwähnten Artikel über Schwind ausgesprochen hat. „Das scheint nun“, lesen wir dort, „außer Frage gestellt, daß die Sinnigkeit der Erfindung, an und für sich zum Princip erhoben, ebenso wenig zur Regeneration unserer Kunstgewerbe ausreichen würde, als es der principiellen Oberherrschaft des Gedankens überhaupt gelungen ist, unsere Kunst selbst dauernd auf der Bahn des Fortschritts zu erhalten und vor wiederholtem Andringen der Stillosigkeit von links und der conventionellen Manier von rechts, d. i. vor allseitiger Degeneration, zu schützen“. T. warnte daher vor dem in Deutschland bestehenden Vorurtheil gegen die französische, weniger gedankenreiche Kunst und wies nachdrücklich darauf hin, daß seit der Pariser Ausstellung von 1855, wo er auch die Bekanntschaft mit den englischen Praeraphaeliten gemacht und ihre Bedeutung erkannt hatte, ein Uebergewicht der französischen Kunst über die deutsche hervorgetreten sei, während man sich in Deutschland in den bizarren Glauben eingewiegt habe, daß das deutsche Volk ein vor anderen auserwähltes Kunstvolk sei. (Vgl. Zeitschr. f. bildende Kunst 1871, VI, 121–124 und 161–171.) Dieses sein tiefes Verständniß für die Kunst, das sich in allen seinen Urtheilen ausspricht, befähigte T. in hohem Maße zu dem Amte eines Conservators der Schleisheimer Galerie, das er seit dem Jahre 1871 (nicht wie Reber und Regnet angeben 1872) bekleidete, nachdem seine Hoffnung, Secretair an der Münchener Akademie zu werden, gescheitert war. In dieser Stellung fiel ihm die Aufgabe zu, einen neuen Katalog der ihm anvertrauten, werthvollen Sammlung herzustellen. Er erschien im Jahre 1875 unter dem Titel: „Gemälde-Verzeichniß der königl. bayer. Staatsgalerie in Schleisheim“, und brachte, obwohl von T. nur als eine interimistische Arbeit bezeichnet, doch einen erheblichen Fortschritt über seine Vorläufer hinaus, wie er auch die unter Teichlein’s Leitung erfolgte, namhafte Bereicherung der Galerie bereits berücksichtigte. Die letzte Zeit seines Lebens verbrachte T., der sich nie eines starken Körpers erfreut und schon in früheren Jahren oft gekränkelt hatte, unter anhaltenden, schweren Leiden, die ihn jedoch nicht verhinderten, bis an sein Ende geistig thätig zu sein. Er starb am 8. December 1879 in Schleisheim.
Teichlein: Anton T., Maler, wurde zu München am 28. Januar 1820 als Sohn eines Conditors geboren. Einer angesehenen Bürgerfamilie seiner Vaterstadt angehörig und universal veranlagt, widmete er sich begeistert dem Dienste der Kunst, kam aber erst spät darüber zur Klarheit, welches Gebiet er als das seiner Begabung am meisten zusagende ansehen sollte. Anfänglich für das Studium einer Wissenschaft bestimmt, verließ er die Schule schon nach Absolvirung der vier unteren Lateinclassen und trat als Schüler in die Münchener Akademie ein, an der sich- Vgl. die Nekrologe von Carl Albert Regnet in der Kunstchronik, Leipzig 1880 XV, 223–226 und von F. Reber in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1879 Nr. 351. Ferner Hans Müller, Wilhelm Kaulbach, Berlin 1898 I, 209, 349, 360 ff., 378. Ein großer Theil der Aufsätze Teichlein’s deren Sammlung sich heute noch verlohnen dürfte, ist abgedruckt in der Zeitschrift für bildende Kunst und in der Kunstchronik Jahrg. I–XV, worüber das Register zu vergleichen ist. Andere seiner uns nicht bekannt gewordenen [541] Arbeiten, z. B. für die Wiener „Presse“ („Münchener internationale Fragmente“ 1868) und für die „Bayerische Zeitung“ („Eine Weltausstellungsfahrt“ 1867) werden von Regnet und Reber a. a. O. erwähnt.